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Was ist nur mit dem großen Deutschland los?

Flüchtlinge in Ennepetal Foto: (c) Linde Arndt

Flüchtlinge in Ennepetal Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Schaut man dieser Tage in die Medien, sieht man ein jämmerliches Deutschland. 25 Jahre Wiedervereinigung, friedliche Revolution, nur eine gute Nacht Geschichte? Eine Kakophonie von Stimmen die das gute Bild von tausenden Deutschen, die die Flüchtlinge herzlich Willkommen heißen, konterkariert. Da wird von Abschaffung des Asylrechts aus Bayern schwadroniert oder von Begrenzung der Menschenrechte. Oder, da lenkt der Bundesinnenminister verallgemeinernd den Blick auf gewalttätige Flüchtlinge, denen er unterstellt sie würden aus unkultivierten Ländern kommen in denen das Recht mit der Faust durchgesetzt wird. Eine Unverschämtheit und Boshaftigkeit um Stimmung zu machen.

Tatsächlich ist es aber so, dass weder das Menschenrecht oder das Asylrecht teilbar sind und keine Begrenzung haben können. Ein bisschen Asyl geht nicht oder nur 50% Menschenrechte kann es nicht geben, in einem so weit entwickelndem Deutschland. Es ist der blanke Unsinn. Auch kann man kein Junktim zwischen den Menschenrechten und der eigenen sozialen Situation im Land herstellen. Weil ein Land Obdachlose hat, kann es nicht die Menschenrechte außer Kraft setzen, bis die Obdachlosen verschwunden sind. Außerdem sind alle Flüchtlinge mit denen unsere Redaktion gesprochen hat, mit einer höheren Bildung und Allgemeinbildung ausgestattet und waren und sind friedliebend.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit ihrer Aussage richtig gehandelt, Flüchtlinge nach Deutschland durchzulassen – und zwar alle die hier hin wollen. Die Stimmen der Bayern sind unsinnig die behaupten, jetzt kommen 6,5 Milliarden ! Menschen zu uns. Es geht nur um Stimmung. Nein, die Menschen würden gerne in ihrem Heimatland verbleiben, wenn denn nun mal die Kriegshandlungen, die Ausbeutungen, die Vertreibungen oder die wirtschaftliche Situation es zu ließen. Ja klar gibt es Wirtschaftsflüchtlinge. Aber die sind doch nur entstanden weil die EU und der restliche Westen Nahrungsmittel und andere Produkte hoch subventioniert in die Länder der dritten Welt einführt, die dann kein Wirtschaften in der dritten Welt mehr zulassen. Ob das Kriege oder Vertreibungen sind, immer ist der Westen und damit die EU daran beteiligt. Indirekt hat der Westen den Flüchtlingen in ihren Heimatländern die Lebensgrundlage entzogen und wundert sich wenn diese Leute sich auf den Weg zu uns machen.

Aber das ist ja nicht das eigentliche Problem. Den westlichen Nationen ein schlechtes Gewissen zu machen führt auch nicht weiter.

Hier in Ennepetal hat der EN-Kreis mit der Stadt Ennepetal eine Sporthalle zu einem Flüchtlingslager der Klasse „Erstaufnahmelager“ für 150 Flüchtlinge umgebaut. Nicht gerade gut, aber für ein paar Tage reicht es. Nun sind die 150 Leute angekommen und „fristen“ dort die Tage bis zu einer weiteren Entscheidung vor sich hin. Die Dreifachsporthalle ist umzäunt, steht unter Bewachung und hat innerhalb des Lagers kaum Bewegungsmöglichkeiten. Bis zu einem halben Jahr könnten die Flüchtlinge jetzt in diesen Unterkünften „festsitzen“. Taschengeld könnte in Zukunft mit Sachleistungen verrechnet werden. Wenn, ja wenn die Maßnahmen die der Bundestag gerade berät Gesetz werden. Also kein Licht am Horizont, heißt, keine Perspektiven für die Flüchtlinge. Man will die Flüchtlinge unter Druck setzen, damit sie freiwillig das Lager verlassen und sich auf den Weg machen. Wohin? Das ist der Politik egal. Verantwortung sieht anders aus.

Während jetzt die Populisten aller Parteien für eine Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen herum krakelen, „wohnen“ die Flüchtlinge auf engstem Raum in Turnhallen, Zelten, Containern oder leeren Fabrikgebäuden. Und warten! Dann werden sie wie das „liebe Vieh“ in Transporter gepackt und zu einer anderen Halle gebracht. So wie in Ennepetal, dort müssen die Flüchtlinge kurzfristig in die Flüchtlingsregistrierungstelle am Flughafen Münster/Osnabrück (FMO) „umgelagert“ werden. Die Ennepetaler Flüchtlinge werden dort nur für die Registrierung nach Münster/Osnabrück gebracht. Kurzfristig wurde das Lager in Münster mit hohen Zäunen und Stacheldraht (Natodraht) abgesichert.

Dann gehen die Flüchtlinge wieder auf Tournee. Wohin? Das wusste der Regierungspräsident noch nicht. Vielleicht bekommen die Ennepetaler ihre Flüchtlinge ja wieder. Wer weiß.

Die Frage ist doch, wieso konnten die Ennepetaler die Registrierung nicht selber vornehmen? Ist die Ennepetaler Verwaltung nicht qualifiziert genug? Will man die Flüchtlinge nicht integrieren? Anscheinend?

Dieses touren durch die Länder der Bundesrepublik zeigt doch nur eines, ein chaotisches Bild der Verwaltungen auf Bundes- und Landesebene. Da ist es schon verständlich wenn sich geschätzte 250. 000 Flüchtlinge unregistriert in Deutschland aufhalten.

Die einzige Gruppe die noch standhält, sind die ehrenamtlichen Helfer die mit ihrem Tun, zumindest im Ansatz etwas Menschlichkeit herüber bringen. Die Arbeit dieser ehrenamtlichen Helfer ist jedoch für die Katz, wenn Bundes- und Landesbehörden ihre Arbeit nicht oder nur unzureichend machen.

Bundeskanzlerin Merkel hatte ja recht, als sie sagte: „Wir schaffen das“ Sicher hatte sie die Bilder der vielen ehrenamtliche Helfer, der Polizei, dem DRK und auch der Mitarbeiter der städtischen Verwaltungen im Kopf. Die Bundes- und Landesverwaltungen kamen ihr in diesem Ausspruch nicht in den Sinn. Hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 300.000 Flüchtlinge seit Monaten, die es noch gilt zu bearbeiten. Und jetzt kommen 800.000 Flüchtlinge hinzu. Da sollte man schon Arbeiten delegieren können und sollen. Improvisation wäre angesagt, nicht hysterisches Geschrei aus Politik und Verwaltung von Bund und Land.

Ja, wir schaffen das!

Und zwar, wenn wir an uns glauben!

Was ist aus dem deutschen Volk geworden, welches ein total zerbombtes Deutschland in sehr kurzer Zeit wieder aufgebaut hat? Die DDR Nationalhymne:

                     „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt….“

beschreibt die Situation im damaligen Deutschland ziemlich treffend. Unsere Mütter, die damaligen Trümmerfrauen und unsere Väter hatten es geschafft. Niemand hat vor den Trümmern gestanden und gesagt, dass ist zu viel Arbeit. Anpacken war die Devise.

Und jetzt stehen die Politiker massenhaft herum und jammern über die Aufgabe Flüchtlingen ein „Dach über dem Kopf“ zu besorgen. Unser Grundgesetz soll geschliffen werden um die Möglichkeit zu haben dem Nachbarn die Flüchtlinge zurück zu schicken. In der Türkei sollen riesengroße Lager (Hotspots)  entstehen in denen die Flüchtlinge menschenunwürdig untergebracht werden. Man spricht von Hotspots, es sind aber Konzentrationslager (Am Anfang hießen die Schutzlager) ohne Gaskammer.Die Politik spricht mit dem verhassten türkischen Premier Erdogan der diese Lager erstellen soll.

Überall sieht man in der Politik Blockaden, Projektionen und Ablenkungsmanöver die den eigentlichen Problemen nicht gerecht werden.

Wir haben die Flüchtlinge auf dem Weg, keine noch so großen Hindernisse werden die Flüchtlinge aufhalten ihre Staaten zu verlassen. Wie es scheint ist der Tod auf der Flucht offensichtlich keine Option; denn ihre zerbombte und geschundene Staaten bieten keine Alternative. .

Man möchte den Politikern zurufen: Hört auf zu blockieren, Macht euren Job.

Die Flüchtlinge müssen integriert werden, es müssen Konzepte her. Konzepte, wie und wo Sprachkurse schnellstens die Sprache vermittelt, es müssen Ausbildungswerkstätten her, in denen Flüchtlinge Fertigkeiten beigebracht werden, es müssen Gesprächsrunden her, die die kulturellen Unterschiede, erläutern und evtl. abmildern. Es ist so viel zu machen, zum jammern ist jetzt keine Zeit. Die Ehrenamtlichen haben es den Politikern vorgemacht, sie haben angepackt. Nicht immer alles richtig, sie haben aber nicht gejammert wie unsere Politiker.

Und die Politiker? Was ist denn mit Brüssel los, diese Wertegemeinschaft der EU? Hat die Kommission ihr Pulver schon verschossen? Was ist ein gemeinsames europäischen Haus denn wert, welches keine Problem lösen kann und stattdessen auf Tauchstation geht. Die Regierungschefs der 28er EU sollten endlich handeln und der Kommission auf die Füße treten. Nicht reden ist angesagt, sondern handeln. Hotspots in Italien, Griechenland oder der Türkei, die nichts anderes als ein menschenunwürdiges Konzentrationslager hervorbringen kann es doch nicht sein.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

 

 

 

 


Mit einem Zaun ist das Gelände vom FMO getrennt – aus Sicherheitsgründen.

Foto: Jürgen Peperhowe

Aus einem Guss sieht anders aus

Flüchtlinge Foto: (c) UNHCR

Flüchtlinge Foto: (c) UNHCR

 

[jpg] Eigentlich ist es doch ganz einfach. Man denkt sich die Flüchtlinge als Gäste, plant was man so mit seinen Gästen alles machen sollte, man will ja ein guter Gastgeber sein, und rechnet dann aus welches finanziellen Mittel man von seinem Konto abheben sollte.

Nun kamen die Gäste spontan. Nicht so schlimm, improvisieren wir halt. Da die Gäste uns mitteilen, dass sie in Not sind, setzt nach der Improvisation eine normale Planung ein.

So auch bei den Flüchtlingen die nach Deutschland kamen – spontan versteht sich. Die Improvisationsphase war sehr chaotisch, nur irgendwann sollte man meinen, da muss die Improvisationsphase in einen normalen Modus übergehen. Die Verantwortlichkeiten sollten festgelegt werden und die Flüchtlinge vor den Rathäusern der Kommunen abgeladen werden.

Seht zu wie ihr klar kommt.

Dafür war jetzt der Gipfel der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel am 24. September anberaumt worden.

Herausgekommen ist ein 10 seitiges Papier mit Handlungsanweisungen für Bund und Länder, Kommunen sind dabei außen vor.

  1. Eine Gesundheitskarte auf Länderebene, kann kommen
  2. Finanzhilfe für die Länder 2016 auf gut vier Milliarden Euro
  3. In 2015 Jahr sollen es zwei Milliarden Euro Finanzhilfe werden
  4. 500 Millionen Euro am sozialen Wohnungsbau durch den Bund
  5. 350 Millionen Euro für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch den Bund
  6. Albanien, Montenegro und der Kosovo werden zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt
  7. 3000 neue Mitarbeitern für das BAMSF sollen für schnellere Asylverfahren sorgen
  8. Ein Kopfgeld von monatl. 670,–Euro pro Flüchtling für die Länder pauschal vom Bund
  9. Eine Beschränkung von Geldleistungen und Ausgabe von Gutscheinen
  10. Bis zu sechs Monaten sollen die Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern ausharren müssen

Die Umsetzung der Punkte soll bis Ende Oktober 2015 erfolgt sein.

Eine Überprüfung der eingeleiteten Maßnahmen erfolgt zum 30. Juni 2016.

 

Kurz, Menschen werden wie Hütchen hin und her geschoben, Konzepte wie oder was mit den Menschen geschehen soll, kein Wort. Scheckbuch raus und gut ist. Kein Wort über Spracherlernung, kein Wort über einen Dialog der Kulturen, kein Wort über die Menschen, die sich aufopfernd ehrenamtlich einsetzen und die durch ihr Verhalten für ein positives Image unseres Landes sorgten. Kein Wort über die Ursachenbekämpfung oder kein Wort über die Kommunen, die über Kassenkredite alles vorfinanzieren müssen. Stattdessen ein Armutszeugnis gegenüber den Flüchtlingen die nur wie auf einem Spielbrett verteilt werden. Traumatische minderjährige Flüchtlinge aber auch erwachsene Flüchtlinge werden erst gar nicht angesprochen, sie gehen in der Menge unter und werden verteilt ohne Sinn und Verstand. Das viele Unterkünfte oder Lager aus vielerlei Gründen nicht menschenwürdig sind, kein Wort davon.

Die Gelder bekommen die Länder, die für ihre Erstaufnahme sich erst einmal bedienen und dann den Kommunen nach eigenem Gusto von diesen Mitteln was abgeben.

 

Die Frage stellt sich, was für ein eingeschränktes Menschenbild bei dieser Besprechung vorherrschte. Es sind soziale Wesen die zu uns mit großem Vertrauen gekommen sind. Die Erwartung, hier sind die Menschenrechte belastbar, hier könnten sie sich von der Last und Pein die sie in ihren Ländern erlebten erholen, scheint in der Besprechung keine Rolle gespielt zu haben.

 

Es kann kein Paket aus einem Guss gewesen sein, wie soll man denn die 31% der Flüchtlingszuteilung für NRW erklären? NRW sollte nach dem „Königsteiner Schlüssel“ doch nur 21% der Flüchtlinge zu gewiesen bekommen. Es ist ein dürftiges Ergebnis auf Kosten der Kommunen und der ehrenamtlichen Helfer.

„Bis  zu sechs Monaten sollen  die Flüchtlinge in  den Erstaufnahmelagern ausharren müssen“.

 

Hat sich jemand mal überlegt, was es bedeutet 6 Monate in einer Turnhalle auf einem Feldbett mit 2 Kindern zu leben oder als erwachsener Mann in dieser Turnhalle sein Dasein zu fristen? Jeder psychosoziale Dienst würde davor warnen; denn Angst, Wut, Verzweiflung, Überaktivität sowie depressive oder aggressive Zustände wären vorprogrammiert.

 

„Eine  Gesundheitskarte auf Länderebene, kann  kommen“

 

Wenn man einmal den Gesundheitscheck bei der Erstaufnahme beobachtet hat, sieht man keine Blutbilduntersuchung. Warum? Aus Kostengründen, und nur aus Kostengründen wird darauf verzichtet. Wie menschenverachtend.

 

Und die Ursachen, die Flüchtlingswanderung?

 

„Die Bundesregierung wird daher ihr Engagement für die Krisenbewältigung und -prävention und die Fluchtursachenbekämpfung ausbauen, die entsprechenden Mittel aufstocken. und auf die wichtigsten Herkunftsländer konzentrieren. Darüber hinaus wird der Bund prüfen, ob – wie in Niger – weitere Anlaufstellen und Einrichtungen in Nordafrika eingerichtet werden können.“

 

Die Türkei soll für die 4 Millionen Flüchtlinge 1 Milliarde Euro bekommen. Damit soll verhindert werden, dass die Flüchtlinge die türkischen Lager verlassen.

Der Krieg in Syrien? Deutschland, wie viele Länder auch, hat sich auch hier mit Waffen engagiert und das hört noch nicht auf, der Krieg wird weiter angeheizt.

Aber wir haben ja noch unsere Grenzschutzorganisation Frontex, die uns die Flüchtlinge vom Leib halten soll. 950 Bundeswehrsoldaten sollen uns zusätzlich mit Waffengewalt die Flüchtlinge fernhalten. „Hotspots“ sollen in Italien und Griechenland, vielleicht noch wo anders eingerichtet werden.

 

Was ist mit der Integration? Sprache und kultureller Austausch sind die Schlüssel für einen guten Weg in eine erfolgreiche Integration. Nur, wie soll dieser Weg beschritten werden, wenn die Flüchtlinge nur mit dem absolut notwendigsten ausgestattet werden. In Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen leben ohne Perspektiven für eine persönliche Zukunft. Die Euphorie der ehrenamtlichen Helfer hält noch an, was aber wenn die Zustände sich nicht verändern? Wenn die Helfer Energie einsetzen und keine Besserung der Lebenssituation in Sicht ist? Was haben der Staat und die Parteien vor, wird man  sich dann ganz von den Menschenrechten unter fadenscheinigen Gründen verabschieden? Heute schon arbeitet der Staat mit Absichtserklärungen, die er nicht einhält. So waren die zugesagten Gelder für die Flüchtlingslager nur zur Hälfte überwiesen.

Was ist denn mit den 21 Milliarden an Steuermehreinnahmen die der deutsche Steuerzahler 2015 eingezahlt hat? Hat unser Finanzminister sich damit einen schönen Tag gemacht oder gar sich seine schwarze Null vergolden lassen?

Deutschland sollte dringend nachbessern, der Menschenwürde wegen.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Ennepetal