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Wir sind kein abgehobener „Haufen“

[jpg] Landrat Dr.Arnim Brux betonte damit, dass die zweimal jährlich stattfindenden Treffen des DLT (Deutscher Landkreistag)  Kulturausschusses sich mit ganz konkreten, nachvollziehbaren Sachverhalten befassen.

      

         
301 Landkreise vertritt der Landkreistag, deren Beschlüsse letztendlich in die Entscheidungen der Gesetzgeber mit einfließen. Thema des Treffens ist diesmal der Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention,  der eine Änderung der derzeitigen Regelung im Bereich der Bildung von Behinderten notwendig macht. Die derzeitige Praxis in der die Behinderten z.B. einer Förderschule zugeführt werden, steht damit auf dem Prüfstand.Rechtsvorschriften müssen in diesem Zusammenhang geändert werden.

Ziel dieser Treffen, welches nun zum 100. Mal stattfindet ist aber auch von den anderen Landkreisen zu lernen, also einen Erfahrungsaustausch stattfinden zu lassen.

Zum Pressegespräch luden ein:

  • Dr. h.c. Fritz Pleitgen, Geschäftsführer der Ruhr2010 GmbH
  • Dr.Arnim Brux, Landrat des EN-Kreises
    Vorsitzender des Kulturausschusse des NRW  Landkreistages
  • Dr. Volkram Gebel, Landrat des Landkreise Plön
    Vorsitzender des Kulturausschusses des Deutschen Landkreistages
  • Jörg Frese, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages
    Dezernat V, Gesundheit, Jugend, Bildung
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats e.V.
 
Es ging aber auch um die Kultur, die in Zeiten knapper Kassen reduziert werden soll.

Die Finanzkrise hat alle Länder kalt erwischt und hat diese zu enormen Sparanstrengungen verpflichtet.

Die Unterschiede der einzelnen Landkreise kamen hier sofort zu Tage, indem ein Landkreis Plön mit rund 135.000 Bewohnern einem EN-Kreis mit seinen rund 237.000 Bewohnern nicht vergleichbar gemacht werden konnte. Die Strukturen sind eben anders.

Hier kam jedoch Fritz Pleitgen der Geschäftsführer der Ruhr 2010 GmbH als Mittler zu Hilfe, indem er seine Erfahrungen mit dem Kulturhauptstadtjahr einbrachte.

 

In etwa ist das Kulturhauptstadtjahr 2010 vergleichbar mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF), welches seinerzeit durch Justus Frantz und Uwe Barschel 1985 initiiert wurde, welches auch damals einen ungeahnten wirtschaftlichen Schub in Schleswig Holstein auslöste und heute noch seinen Bestand hat.
Das Ruhrgebiet ist die drittgrößte Metropole in Europa, dümpelte aber bisher so vor sich hin, was fehlte ein Bewusstsein der Stärke. Die in den letzten Monaten angestoßenen Ereignisse haben im Ruhrgebiet fantastisches bewirkt, so dass der Spruch von dem Hagener Kunstmäzen Karl Ernst  Osthaus, "Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel" hinreichend bewiesen wurde. Wir haben einmal den Film zur Kulturhauptstadtjahr 2010, der übrigens mehrfach ausgezeichnet wurde eingebunden. Ein sehenswerter Film!

Der Ruhr2010 GmbH standen und stehen rund 90 Millionen Euro für 4 Jahre zur Verfügung, für die man nach rund 4 Monate folgende Aussagen machen kann:

  Das Ruhrgebiet hat nun auch ein Neuschwanstein – die Zeche Zollverein.

Mit den von uns angestoßenen Aktionen haben wir alleine im Vorfeld ein Investitionsvolumen durch Andere von mindestens 500 Millionen Euro umgesetzt.

Alleine die Deutsche Bahn hat im Ruhrgebiet 350 Millionen in seine Infrastruktur investiert. Was letztendlich auch zu weiteren nach gelagerten Investitionen führte.

Der Imagegewinn für das Ruhrgebiet als Metropole des Wandels, in der alles möglich ist, kann man gar nicht genug betonen. Nicht Kohle, Stahl, Ruß und Dreck, sondern kreative, innovative Produkte und Dienstleistungen sind es, die diese Metropole prägen werden und prägen. Ein total unterschätztes Gebiet wird nunmehr als Gebiet mit ungeheuerem Potenzial wahr genommen.

Die Erwartungen bis heute sind weit übertroffen worden, die von uns registrierten Ergebnisse hätten wir erst für Ende des Jahres erwartet.
Mit dem Projekt "Mapping the Region" haben wir ein Netz von 14 Museen geschaffen, die miteinander kooperieren und die Vielfalt der Kunst in der Metropole Ruhr verdeutlichen. Es entsteht der Eindruck,  die Metropole Ruhr ist ein riesiges Museum, eben das Museum in Deutschland schlechthin.
Das Projekt Emscherkunst zeigt eindringlich den Wandel indem man einen Fluss, der einmal eine Kloake war, zu einem renaturierten Fluss umgestaltet. Ein absolutes Highlight ist ein Künstlerhaus auf einer wieder geschaffenen Insel der wieder erstandenen Emscherauen.
Städte arbeiten zusammen –  in dem Projekt "Odyssee Europa" haben 6 Künstler, 6 Theater in 6 Städten Homers Werk neu interpretiert. Wo gab es das schon mal?
Das Lebenswerk des Komponisten Hans Werner Henze wird durch drei Dutzend Orchester im Ruhrgebiet aufgeführt.

Die Eröffnungsveranstaltung haben 8 Millionen Menschen mit Spannung im Fernsehen verfolgt, die Bilder gingen rund um die Welt. Die nationale und internationale Presse berichtet fast täglich.
Städte die bisher in herzhafter Rivalität mit einander verbunden waren, haben die Kooperation entdeckt. Diese Kooperationen gehen inzwischen soweit, dass es sogar die ausländischen Städtepartner ins Ruhrgebiet zieht.

Das Projekt "Local Heros" mit dem sich jede Woche eine andere Stadt  präsentieren kann, hat bei den Städten nach anfänglichen Zögern  die Wiederentdeckung der eigenen Stärken hervorgebracht. Voller Spannung erwartet man den Beginn der eigenen Heroes Woche in den Städten.
Es ist inzwischen soviel im Ruhrgebiet in Bewegung, dass es einem manchmal den Atem stocken lässt. Wenn wir jetzt aufhören würden, könnten wir mit dem Erreichten mehr als zufrieden sein. Aber es geht noch weiter, wir haben ja erst angefangen. 
Das Ruhrgebiet ist wie eine Stadt, und wo sie endet, fängt das Ruhrgebiet wieder an. Hier gibt es alles was es woanders nicht gibt, wobei wir die Infrastruktur der Zusammenarbeit schaffen mussten.

Über den Tourismus können wir noch nichts sagen, da die Witterung bis jetzt keine differenzierte Aussage möglich machte.
Wir haben unseren Auftrag immer politisch verstanden, nämlich durch Kultur die Wirtschaft nach vorne zu bringen. Und, so Pleitgen, es wäre schlimm und nicht auszudenken, wenn das was wir angestoßen haben, in 2011 wieder zurück gefahren würde. Kultur ist kein Selbstzweck, Kultur ist der Treibstoff mit dem die anderen Bereiche erst laufen können. Kultur ist aber auch ein harter Standortfaktor in der Wirtschaft.  Hochqualifizierte Arbeitnehmer die wir brauchen, brauchen auch die kulturellen Möglichkeiten um ihre Freizeit zu gestalten. Das Projekt Kulturhauptstadtjahr 2010 ist auf vier Jahre ausgelegt und sollte nach 2010 zu einem Selbstläufer wie zum Beispiel Glasgow oder Liverpool werden.

Eines hat uns Fritz Pleitgen damit hervorragend nahe gebracht, nämlich, was ein beseelter und mit Herzblut ausgestatteter Mensch alles positiv bewegen kann. Schon jetzt kann man sagen, die Kulturhauptstadt 2010 hat dem Ruhrgebiet eine Seele gebracht. Eine Seele in der das Machbare offensichtlich keine Grenzen kennt.

Grenzenlos war auch der Vortrag von Fritz Pleitgen, der den Kulturausschuss für sich einnahm und dominierte, aber, und das muss man schon sagen, Pleitgen kann begeistern und mitreißen.

Kritisch sei jedoch angemerkt, die Erwartungen jedes Einzelnen können in einer derartigen Metropole, wie es das Ruhrgebiet ist, nicht immer erfüllt werden. Es entsteht ein widersprüchlicher Eindruck dadurch, dass bedingt durch die vielen Nothaushalte im Ruhrgebiet, einesteils die Kulturetats zurückgefahren werden und auf der anderen Seite durch die Ruhr 2010 das "Geld zum Fenster" herausgeworfen wird. Mit den zur Verfügung stehenden 60 + 30 Millionen werden Investitionen angeschoben die das Ruhrgebiet letztendlich in die Position bringt die ihm letztendlich eine Perspektive eröffnet.

Nachtrag: Am Montag hatte EN-Mosaik ein Gespräch mit Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff, Kulturstaatssekretär beim Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, anlässlich der Eröffnung der "Scene Ungarn in NRW" im Dortmunder Opernhaus. In diesem Gespräch wurde uns versichert, dass die Landesregierung den Kulturetat auf keinen Fall kürzen wird.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Schwelm