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Was ist nur mit einigen deutschen Journalisten los?

Kirill Petrenko   Foto: (c) Linde Arndt

Kirill Petrenko Foto: (c) Linde Arndt

 

[jpg] Die Berliner Philharmoniker sind ein selbstbewusstes Sinfonieorchester, die ihren Chefdirigenten selber wählen. Zur Zeit ist es Sir Simon Rattle, der aber 2018 gehen wird.

Es wurde also Zeit sich nach einem neuen Chefdirigenten umzusehen. Am 11. Mai tagte das Orchester und machte es sich nicht leicht,  Christian Thielemann und Andris Nelsons, beide gehören zu den Besten der Besten,  waren dem Vernehmen nach die Kandidaten die zur Wahl standen. Ein Novum in der Landschaft der Sinfonieorchester sind die Berliner Philharmoniker, denn, wie schon oben erwähnt, sie wählen ihren Dirigenten selber. Nun, in der am 11. Mai 2015 stattgefundenen rund 12 stündigen Wahl, konnte das Orchester für keinen  Kandidaten eine Mehrheit finden. Die Berliner Philharmoniker hatten  jedoch keine Eile ihrem Publikum einen neuen Dirigenten zu melden, denn bis 2018 war ja noch Zeit.

Dann am 21. Juni 2015 war der zweite Wahlgang. Nach 3 Stunden war es soweit, Peter Riegelbauer, der Kontrabassist, rief Kirill Petrenko an und fragte ihn ob er die Stelle 2018 annehmen wolle. Petrenko habe im Telefongespräch sofort mit den Worten, “Ich umarme das Orchester”,  zu gesagt. Damit hatte die Berliner Philharmoniker ihren siebten Dirigenten. Wie es sich zeigen wird, war es eine gute Wahl dem 43 jährigen Kirill Petrenko den Chefdirigenten anzubieten. Kirill Petrenko, zur Zeit Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper,  wurde in “Die Welt” als “der dritte Jude auf einem Berliner Chefsessel” neben Daniel Barenboim und Ivan Fischer tituliert. Und dann setzte der Feuilletonredakteur der Welt Manuel Brug noch einen drauf, indem er Petrenko für was auch immer eine dominante Mutter zu ordnete und zu guter Letzt ihm, Petrenko, nur eine Außenseiterrolle attestierte.

Brug hat da sicher eindeutig Frust abgelassen, dies war offensichtlich nicht sein Favorit. Aber was denn bitte hat die Religionszugehörigkeit oder die Persönlichkeit der Mutter mit dem Dirigentensessel zu tun? Würde er bei einem Christen oder Moslem als Dirigent auch so kommentieren? Wie hört sich das an, das Orchester wählte einen Christen? Oder bei einer Mutter die ihr Kind außerordentlich verwöhnte? Ok, es stimmt Kirill Petrenko ist Jude. Diese Erwähnung ist aber doch nur dann korrekt, wenn er bei anderen die Religionszugehörigkeit auch erwähnt. So führen diese Zeilen automatisch in den indirekten Vorwurf, Brug möge doch einmal seine Einstellung zur jüdischen Religion überprüfen. Und den Außenseitervorwurf oder die zweite Wahl, mein Gott, dies hat Petrenko wahrlich nicht verdient. Hinterfragen darf man schon, wie hält Petrenko es zukünftig mit Sinfonien oder Konzerten, wo er sich doch einen Namen mit Opern gemacht hat. Und diese Opern hatten es in sich. Zum Beispiel Wagner. Hier hat Petrenko einen Weg aufgezeigt, wie man Wagner vom „Schmalz“ der Vergangenheit befreit und sich einem zeitgenössischen Wagner näherte, der vom Publikum akzeptiert wurde. So inszeniert Petrenko 2015 mit Frank Castorf in Bayreuth den Ring, wobei seine Herangehensweise an Wagners Werk den Ausgleich zu Castorfs zeitgenössischer Regie eine positive Symbiose ergibt.

Petrenkos „Tristan“ in Bochum mit dem Intendanten und Regisseur Willy Decker in der Jahrhunderthalle Bochum war eine Meisterleistung. Denn welcher Dirigent schafft es in einer ehemaligen Produktionshalle mit Resten von Maschinenteilen den richtigen Ton zu treffen. Petrenko schaffte es. Und das ist die Leistung von Petrenko, Wege zu gehen die andere nicht gehen, und das Orchester dabei mit zu nehmen.

Nicht der Jude oder der Sohn einer dominanten Mutter war für die Berliner Musiker ausschlaggebend, sondern ein Dirigent der viele tiefe Einsichten in die musikalischen Werke der Komponisten sich erarbeitet um dann mit neuen Wegen sein Orchester zu konfrontieren. Neugierig sein ist bei Kirill Petrenko angesagt, wie er und mit was er mit diesem herausragenden Klangkörper Berliner Philharmonie in die Öffentlichkeit treten wird.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik