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Armut ist ein Problem in allen EU Ländern

[jpg] Lassen wir einmal die bitterste Armut in der „dritten Welt“ zur Seite legen. Der vorangegangene Satz  war so leicht geschrieben, dass es einen bestürzen muss.
Wie in einem anderen Artikel habe ich über den Ausschuss der Regionen, kurz AdR oder „Die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU“ geschrieben (http://www.en-mosaik.de/?p=37570  und http://www.european-mosaic.de/?p=1166)  um dem User diesen Ausschuss näher zu bringen. Am 11. April 2013 stand die Armut im Sitzungssaal JAN 2Q2 des József-Antall-Gebäudes auf der Tagesordnung.  Ossi Martikainen, Vorsitzender des Stadtrates von Lapinlahti, Finnland und Mitglied der Fraktion „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, kurz ALDE“ und Parteimitglied in der Suomen Keskusta berichtete vor dem Ausschuss über den „Europäischen Hilfsfond für die am stärksten von Armut betroffenen Personen“ nachdem ihm die italienische Vizepräsidentin Mercedes Bresso (PSE) das Wort gegeben hatte.

25% in der europäischen Union leben in Armut oder relativer Armut, wobei uns die Kinder und Jugendlichen als verlorene Generation entsetzen sollten. In absoluten Zahlen sind es geschätzte 110 Millionen Europäer im Geltungsgebiet der EU, die der Armut ausgesetzt sind. Im Zusammenhang der Europa-2020-Strategie (Im Juni 2010 verabschiedet) hatte Europa es sich zum Ziel gesetzt, diese Zahl um 20 Millionen zu senken. Nur von 2009 auf 2011 stieg die Zahl derer, die von Armut bedroht sind um weitere 6 Millionen, so dass das Ziel  der Europa-2020-Strategie einen herben Rückschlag erlitten hatte. Anstatt nun die Mittel für einen Hilfsfond zu erhöhen, wurden die Mittel um jeweils 1 Mrd. Euro gestrichen. Ein Unding! Dabei sind Linderungen der Armut möglich. Nur mit den Mitteln auf regionaler und lokaler Ebene sind diese Probleme nicht lösbar. Wir sollten grenzüberschreitende Solidarität zeigen und Kinderarmut sowie die Obdachlosigkeit zuerst anpacken.

Um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, Deutschland habe solch ein Problem nicht, haben wir die in 2009 von der EU vorgenommene Haushaltsbefragung von 125.000 Haushalten, die von der UNICEF aufbereitet wurde, hier eingefügt. Demnach steht Deutschland zwischen Malta und Tschechien mit der Kinderarmut, ein beschämender Rang für eines der reichsten Länder der Erde. 

   

Nun will die europäische Kommission das Nahrungsmittelhilfsprogramm ausdehnen, indem weiter Gruppen als bedürftig eingestuft werden. Nur wie soll das funktionieren wenn die Mittel um 30% im Zeitraum 2014 – 2020 gekürzt werden? Auch sind die Verwaltungsverfahren durch detaillierte Vorschriften zu schwerfällig. Hier sollte die Kommission auf eine aktivere Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, wie Bezirke, Kreise oder Verbände zurückgreifen. Denn diese haben bereits bewährte Verfahren um die Tätigkeit der Verteilung der Hilfen optimal zu gewährleisten. Flankierend sollten der Nahrungsmittelhilfsfond mit Instrumenten der sozialen Integration und Solidarität kombiniert werden. Denn soziale Ausgrenzung kann sich kein Staat erlauben. Auch ist es sicher, wenn wir unsere landwirtschaftlichen Überschüsse den Hilfsbedürftigen zur Verfügung stellen, was allerdings nicht zu einer Verrechnung mit den Mitteln des Hilfsfonds führen sollte. Die EU sollte die vollständige Finanzierung des Hilfsfonds übernehmen um die Hilfe aus dem Hilfsfond nicht zu gefährden.
Europa sollte sich im Klaren sein, dass eine ausreichende, vielseitige und gesunde Ernährung in vielen Staaten ein verankertes Grundrecht  ist, die EU sollte hier nicht zurück stehen. Mangelernährung in den von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen sind nicht durch diese Bevölkerungsgruppen verursacht worden.

Keine dieser Gruppen kann etwas für:

  • Veränderung der Agrarmärkte
  • Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzflächen für die Nahrungsmittel
  • Strukturwandel
  • Auswirkung der Wirtschaftskrise
  • die hohe Arbeitslosigkeit
  • die Instabilität von Nachbarregionen der EU

Dazu kommen die unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Zustände innerhalb der Staaten der EU, die geradezu nach der Integration von notleidenden Staaten rufen. Die gemeinsamen Werte der EU sehen auf keinen Fall eine Ausgrenzung Einzelner vor.

So bleibt anzumerken, dieser Hilfsfond ist Ausdruck des Zusammenhaltes zwischen den Bürgern, den Regionen und Völkern in Europa; dies rechtfertigt damit die vollständige Finanzierung aus dem EU-Haushalt. So ist die Frage der Kofinanzierungsrate von 85% ( 85% EU Mittel und 15% Eigenmittel ) in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nochmals zu überdenken. Auch ist die Kürzung der derzeitig bereitgestellten Mittel in Höhe von 30 – 40% nicht gerade als eine weitsichtige Entscheidung anzusehen.

Dem Entwurf dieser Stellungnahme durch den Berichterstatter  Ossi Martikainen (Finnland/ALDE) wurde einstimmig durch den Auschuss zugestimmt. Dieser Entwurf ist nunmehr eine bindende Empfehlung für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates.

Soweit ich das alles überblicken konnte haben sich so an die 30 Mitglieder der unterschiedlichen politischen Richtungen an diesem Entwurf schriftlich oder durch Wortmeldungen beteiligt. Europa funktioniert besser als die nationalen Ausschüsse und das mit 23 Sprachen.

Jürgen Gerhardt für en-mosaik aus Brüssel


Glossar:

Relative Armut:

Hier gibt es verschiedenste Definitionen. Demnach wird relative Armut  interpretiert als Unterversorgung in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in den Bereichen Wohnen, Bildung, Gesundheit, Arbeit, Einkommen und Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur. Es geht also um die ungleiche Verteilung von Chancen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Absolute Armut:

„Armut auf absolutem Niveau ist Leben am äußersten Rand der Existenz. Die absolut Armen sind Menschen, die unter schlimmen Entbehrungen und in einem Zustand von Verwahrlosung und Entwürdigung ums Überleben kämpfen, der unsere durch intellektuelle Phantasie und privilegierte Verhältnisse geprägte Vorstellungskraft übersteigt.“ (Robert Strange McNamara)