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Warum wollte Finanzminister Schäuble den „Grexit“ ?

schaeuble-collage[jpg] Der CDU Mann Wolfgang Schäuble ist ein durch und durch konservativer Mensch. Ihm sind Linke und Kommunisten suspekt und als politische Mitbewerber kann er diese Gruppe keinesfalls akzeptieren. Aber auch mit der Demokratie hat er so seine Probleme. Denn als die Wiedervereinigung verhandelt werden musste, verhandelte der gelernte Jurist über einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Der Vorteil, dass Grundgesetz behielt seine Gültigkeit und das Volk konnte nicht über eine noch zu schreibende Verfassung abstimmen, weil es im Grundgesetz so vorgesehen war. Ein weiterer Vorteil, es brauchte keinen Friedensvertrag, der die Frage der Raparationskosten aufgeworfen hätte. Warum schreibe ich das jetzt? Nun, bei Wolfgang Schäuble gibt es eine klare Linie: Er ist durch und durch Deutscher, der immer wieder den Vorteil für Deutschland suchte und auch fand.

Als nun Griechenland eine linke Regierung an die Macht kam, wobei die Partei Syriza auch noch ein Sammelbecken von linksorientierten Strömungen darstellt,  läuteten sicherlich bei Schäuble, aber nicht nur bei ihm, sämtliche Alarmglocken. Ich kann mir nur einen Gedanken im Kopfe des konservativen Wolfgang Schäuble vorstellen, nämlich, diese Leute müssen weg. Und wie das in der Politik so ist, es musste eine Strategie her.

Premierminister  Alexis Tsipras  Foto: © Linde Arndt

Premierminister Alexis Tsipras Foto: © Linde Arndt

Der neue Premierminister Alexis Tsipras tat auch das was er versprach, er schickte die neokolonialen Abgesandten von EC, IWF und EZB wieder nach Hause und verlangte Neuverträge.

Nun, wir alle wissen wie die Verhandlungen ausgingen. Nach fünf Monaten diktierten EC, IWF und EZB den Griechen einen neuen Vertrag und zwar einen schlimmeren als es ihn vorher gab.

Dieses „Diktat“ musste das Parlament in Athen absegnen damit die EU sich überhaupt mit den Griechen an den Verhandlungstisch setzte. Dieses Diktat wurde maßgeblich von dem deutschen Finanzminister zusammen geschustert. Geschustert deshalb, weil es von Juristen geschrieben wurde und keinen wirtschaftlichen Sachverstand erkennen lässt. Führende Ökonomen in aller Welt sehen in diesem Vertrag nur einen Unterwerfungsvertrag. Ein Beispiel: Wie kann man die Mehrwertsteuer für die Gastronomie um zehn Punkte erhöhen, wenn man in diesem Land von dem Tourismus abhängt. Man treibt doch die Touristen den türkischen Nachbarn in die Arme. Aber lassen wir das.

Finanzminister Wolfgang Schäuble  Foto: © Linde Arndt

Finanzminister Wolfgang Schäuble Foto: © Linde Arndt

Auf einmal wurde eine Meldung aus dem deutschen Finanzministerium an die Presse lanciert, ein „Non-Paper“ zwar, aber wir alle hatten es auf dem Desktop. Der Inhalt: Das Finanzministerium schlägt einen „temporären Grexit“ und einen Treuhandfond für griechisches Vermögen unter EU Verwaltung vor. Ich will jetzt einmal diese beiden „Gedankenspiele“ ( Man wird doch noch…) nicht bewerten. Tatsächlich stellte dies eine Provokation gegenüber den Griechen dar. Denn es war augenscheinlich eine Falle, die den Griechen die Türen weit für einen Austritt öffnen sollten. Das der „Grexit“ gegen die EU Verträge verstoßen würde, war Herrn Schäuble augenscheinlich klar, denn es konnte ja nur einen Austritt aus der gesamten EU zu einem damit verbundenen  Grexit führen. Viele der tausenden Foristen, Experten, Chatter oder selbsternannten Ökonomen fanden diesen Vorschlag durchaus als positiv. Nur, welche Folgen würde dieser Schritt nach sich ziehen. Da blieb es immer im vagen. Herr Sinn, seineszeichen Professor für Ökonomie im IFO Institut, meinte denn auch, da müssten die Griechen ihre Tomaten mal wieder selber anbauen. So einfach ist Ökonomie.

Gehen wir einmal davon aus, der deutsche Finanzminister Schäuble wäre mit seinem Vorschlag durchgekommen. Was wären die Konsequenzen?

 

  • Mit einem Schlag hätte die griechische Regierung eine neue Währung einführen müssen, seien es Schuldscheine, Drachmen oder eine sonstige Währung.  Damit hätte man im Inland zwar den Zahlungsverkehr aufrechterhalten können, mehr aber nicht.
  • Die eingeführte Währung hätte an dem internationalen Finanzmarkt bewertet werden müssen. Da Griechenland seine Schuldenzahlungen eingestellt hatte, hätte die Währung keinen Kurs bekommen.
  • Kredite, die der griechische Staat auf den internationalen Kapitalmärkten dringendst benötigt hätte, wären mit Zinsen belegt worden die jenseits von gut und bösen gelegen hätten.
  • Die rund 330  Milliarden Euro an Schulden, die Griechenland mit der neuen Währung     nicht hätte zurückzahlen können, denn die neue Währung wäre ja nichts wert gewesen, hätten auf den interantionalen Finanzmärkten zu einer weiteren Ächtung geführt.
  • Griechenland hätte dann mit seinen Schulden und mit den Mitgliedern des Club de Paris, Paris Club ein Schuldenabkommen, welches eine Schuldenumstrukturieung oder auch     einen Schuldenschnitt beinhaltete, verhandeln müssen.

 

Alleine die Umsetzung nur dieser 5 Punkte, die eine Konsequenz der Gedankenspiele Schäubles darstellen, hätten in Griechenland zu sozialen Verwerfungen ungeahnten Ausmaßes geführt. Armee hätte eingesetzt werden müssen, Ausgangssperren verhängt und auch Lebensmittelzuteilungen ausgegeben werden müssen. Der „Worst Case“ wäre eingetreten, ein unregierbarer Staat.

Und Wolfgang Schäuble, der schon immer in größeren Dimensionen dachte, hätte auf die linke Syriza zeigen können und die Bewegung von unten abgewürgt. Aber nicht nur das, sondern auch in den anderen Staaten, wie Spanien, Portugal oder Italien, wären damit die Linken diskreditiert worden. Weiter wäre die deutsche Vormachtstellung in der EU vergrößert worden, Unsicherheiten gegenüber den Deutschen in Brüssel wären weg gewischt worden; denn die Deutschen haben ja Europa von den „faulen Griechen“ gerettet.

So könnte man sich den Plan des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble vorstellen.

Nur, er hat einen Haken, dieser Plan. Die deutschen Leitmedien haben wie es sich für gute deutsche Medien gehört, im Sinne des Finanzministers geschrieben. Die Gleichung: Der Grieche ist faul und will nur an unser (Der Deutschen) Geld und wir haben genug bezahlt, der bekommt keinen Cent mehr.

Leider zogen die Europäischen und ausländischen Medien nicht mit. Und so wurde der hässliche Deutsche durch das Verhalten des Herrn Schäuble in Europa wieder sichtbar. Nicht in exotischen Medien, sondern in seriösen Medien, wie Le Monde, El Pais oder dem Observer. Und absehbar feiert die Nationalstaaterei im Ansatz wieder fröhliche Urstände.

Und Europa? Im Moment sieht es schlecht aus mit dem Haus Europa, Brüssel steht für Unterdrückung die jederzeit auf die anderen Staaten angewendet werden könnte.

Übrigens ist Herr Schäuble und der EU auch klar, dass Griechenland in der Ägäis auf riesigen Öl- und Gasvorkommen sitzt, die auf einige Billionen Euro geschätzt werden. Vielleicht hilft die Russische Föderation den Griechen die Felder zu erschließen. Für die Zukunft wäre die Dankbarkeit der Griechen den Brüsselern sicher.

 

Jürgen Gerhardt für  EN-Mosaik und european-mosaic









Dem griechischen Premierminister Tsipras wurde nichts geschenkt

 

Alexis Tsipras, Angela Merkel, Donald Tusk  Fotos und Fotocollage (c) Linde Arndt

Alexis Tsipras, Angela Merkel, Donald Tusk Fotos und Fotocollage (c) Linde Arndt

[jpg] Wenn man so will soll der Ratspräsident Donald Tusk die Verhandlungen gerettet haben. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel, Premierminister Alexis Tsipras schon die Verhandlungen ergebnislos beenden wollten und auf dem Weg zur Tür waren, soll Ratspräsident Donald Tusk dazwischen gegangen sein und beiden verboten haben den Raum zu verlassen. Ratspräsident Donald Tusk wollte die Einigung hier und jetzt. Denn es waren weitreichende Schritte die Griechenland schon zugesagt hatte um diesen „Grexit“ zu verhindern. Der Vorschlag von dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, Griechenland temporär für bis zu 5 Jahren austreten zu lassen, ging vielen der Teilnehmern zu weit. Die Deutschen wollten ihre Rache so wurde  aus dem Kreis der Verhandlungsführer kolportiert. So wurde der deutsche Finanzminister auch immer wieder mal  wegen der wahrgenommenen Blockadehaltung des Finanzministers von den Sitzungsteilnehmern angegangen.
Nebenbei bemerkt, hat Deutschland bisher keinen einzigen Cent an die Griechen gezahlt, im Gegenteil hat Deutschland in dreistelliger Millionenhöhe sogar am Elend der Griechen verdient. Bigotterie soll den deutschen Teilnehmern vorgeworfen worden sein. Schäuble soll sich sogar gegen die seiner Meinung nach vorhandene Bevormundung gegenüber seiner Person beschwert haben. Die meisten Teilnehmer sollen die beiden maßgeblichen Sitzungen jedoch positiv angegangen haben. Für sie gab es nur ein Ziel, den Austritt Griechenlands zu verhindern. Nach 17 Stunden um 9:00 h war es denn auch so weit, dass alle Beteiligten die Einigung auf den anberaumten Pressekonferenzen mitteilen konnten.

Wie gesagt, es ist nur eine Einigung, damit ist der „Grexit“ nur noch ein drohender Schatten, der aber jederzeit wieder ins Licht gestellt werden könnte.

Heute, am 13. Juli 2015, werden die Euro-Finanzminister wieder zusammentreten um eine Brückenfinanzierung für Griechenland von 25 Mrd. Euro auf den Weg zu bringen. Die Banken weiter geschlossen zu haben, würde noch größeren wirtschaftlichen Schaden in Griechenland anrichten. Es ist der erste Schritt von einer Reihe der sogenannten „prior acts“ die ausgehandelt wurden. Diese „prior acts“ sind in der Abfolge so gehalten, dass eine Vertrauensbasis wieder hergestellt werden wird.

Bis Mittwoch wird das griechische Parlament die Einigung grundsätzlich beschließen müssen und die ersten Gesetze auf den Weg bringen müssen. Im weiteren Verlauf muss Griechenland einen Fond anlegen in den die Erlöse aus den Privatisierungen überwiesen werden. Die Privatisierungen sollen nicht sofort erfolgen, sondern in einem Zeitraum in der es wirtschaftlich Sinn macht den Verkauf von Staatseigentum ins Auge zu fassen. 50% aus diesem Fond soll der Schuldentilgung zugeführt werden, der Rest soll für Investionen in die griechischen Wirtschaft fließen. Die Verwaltung des Fonds, und das war wichtig, wird bei Griechenland liegen.
Einen Schuldenschnitt (Haircut) wird es nicht geben, es wird aber eine Umstrukturierung der Schulden vorgenommen werden.
Der IWF ist weiter beratende Instanz oder auch als Geldgeber dabei, hier werden noch Gespräche geführt werden müssen.

Der Finanzbedarf für Griechenland wird auf über 80 Mrd.Euro geschätzt über den aber erst gesprochen wird nachdem am Mittwoch dem 15. Juli das griechische Parlament das sogenannte „Front loading“, also die ersten Schritte beschlossen hat.

Die Verhandlungen unter den Teilnehmern, so wohl der Finanzminister als auch der Regierungschefs fanden unter einer Stimmung statt, die vereinzelt als brutal oder rüde bezeichnet wurde. Ein Verhandlungsteilnehmer sagte sogar, Alexis Tsipras hat man gekreuzigt.

Nun warten alle gespannt auf den ersten Schritt den die Griechen am Mittwoch gehen müssen. Dies ist nicht so selbstverständlich, denn die linken Griechen in ihrer Mehrheit sehen diese Verhandlungsergebnisse als Demütigung. Das Thema Griechenland und die Krise wird uns sicher noch eine geraume Zeit erhalten bleiben.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic

Europa arbeitet an seinem Armutszeugnis

Premier Tsipras und die EU / unten v.l.: Angela Merkel, Mario Draghi, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk,Dalia Grybauskaitė / oben links Werner Faymann, Mitte: Alexis Tsipras  / Alle Fotos und Collage: (c) Linde Arndt

Premier Tsipras und die EU / unten v.l.: Angela Merkel, Mario Draghi, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk,Dalia Grybauskaitė / oben links Werner Faymann, Mitte: Alexis Tsipras / Alle Fotos und Collage: (c) Linde Arndt

[jpg] Europas Sorgenkind Griechenland soll zum Armenhaus verkommen. Oh ja, Kommissionspräsident Juncker hat 30 Stunden mit dem griechischen Ministerpräsident Tsipras verbracht. Nur er? Nein, unsere Redaktion hat bis jetzt 120 Stunden mit diesem Thema verbracht. Es ist ja nicht so, dass dieses Thema, also die Griechenlandkrise, eine gute Story wäre. Was sollen wir mit einer Meute von Stammtischökonomen über diese Wirtschaftskrise sprechen? Gefühlte 60% wollen die Griechen bluten sehen und wünschen ihnen das schlechteste was man einem Volk wünschen kann – den Untergang.

In Brüssel hatte man den griechischen Verhandlungsführern immer wieder vorgeworfen, sie hätten diese Wahlversprechen nicht machen sollen, womit sie das Volk auf ihre Seite zogen. Das Ministerpräsident Tsipras die Reißleine zog und ein Plebiszit ansetzte war doch vorauszusehen. Über 60 % des griechischen Volkes wollte den Weg mit seinem Ministerpräsidenten gehen, ein eindrucksvoller Vertrauensbeweis, trotz geschlossener Banken.

Mr Euclid TSAKALOTOS, Greek Minister for Finance; Mr Jeroen DIJSSELBLOEM, President of the Eurogroup  Foto:   © European Union

v.re.: Mr Euclid TSAKALOTOS, Greek Minister for Finance; Mr Jeroen DIJSSELBLOEM, President of the Eurogroup Foto: © European Union

Ratspräsident Donald Tusk rief für Dienstag die Regierungschefs zu einer außerordentlichen Ratssitzung. Dazu wurden noch der EZB Präsident Mario Draghi, der Kommissionspräsident Jean Claude Juncker und der Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem eingeladen. Vorgeschaltet war noch ein Treffen der Euro Finanzminister, mit dem neuen griechischen Finanzminister Euclid Tsakalotos.

Dazu kamen noch eine beträchtliche Anzahl an „Sherpas“ mit einer gewaltigen Fachkompetenz, für die die Griechenlandkrise ein Klacks sein sollte. Unsere Redaktion hat einmal durchgezählt, wir kamen so auf round about 200 Personen.

Im Vorfeld wurde den Griechen zu gerufen, sie sollten jetzt ja nicht mit einer „breiten Brust“ in Brüssel vorfahren. Es folgte das was man von Profis nicht erwartet hatte, gegenseitige Schuldzuweisungen und Unterstellungen. Und zwar zuhauf. Bundeskanzlerin Merkel stand die Lustlosigkeit, sich mit der Griechenkrise zu befassen, im Gesicht. Kommissionspräsident Juncker hielt sich neutral und die Baltischen Regierungschefs, allen voran die Litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė, wollten über die griechischen Probleme nicht mehr sprechen und gaben genervte Kommentare ab.

Mein Eindruck? Ich denke der Austritt der Griechen aus der EU (rein rechtlich ist das die einzige Möglichkeit) ist von allen Beteiligten so gewollt. Denn es gab weiter Unterstellungen, Nötigungen, Halbwahrheiten und Weglassungen die ein konstruktives Klima verhinderten. Die EU machte klimatisch da weiter wo sie vor dem Plebiszit aufgehört hatte. Einziger Lichtblick war der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann der sich nicht an dem Mobbing der griechischen Verhandlungsführer beteiligte und sich immer wieder mit nüchternen Analysen der Gespräche wohltuend von seinen Kollegen Regierungschefs hervortat.

Am nächsten Tag, also am Mittwoch, setzte sich die Art und Weise der rhetorischen Prügeleien im Europaparlament fort. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber, wozu auch die CDU/CSU gehört, unterstellte der griechischen Regierung bis jetzt keine Vorschläge gemacht zu haben (Was natürlich nicht stimmt). Und Ministerpräsident Tsipras? Er merkte an, die Griechenlandkrise sei das Ergebnis des Versagens der Eurozone, eine dauerhafte Lösung zu finden. Womit er Recht hatte. Die beiden sogenannten Rettungspakete haben die Krise nur verschleppt, aber nicht gelöst. Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis hat das schon richtig vorgetragen. Auch hat die Einführung des Euro von Anfang an einen Konstruktionsfehler gehabt, der spätestens mit der Finanzkrise 2008/2009 hätte beseitigt werden müssen. Wie kann man nur so unterschiedliche Staaten in eine Währung führen ohne für einen vernünftigen Ausgleich zu sorgen. Die wirtschaftlichen Strukturen von Deutschland und Griechenland konnten nicht unterschiedlicher sein. Der gemeinsame Währungsraum wurde zwar zu ende gedacht aber nie zu ende umgesetzt.

Und jetzt? Dazu kommt noch, dass die griechische Syriza Partei eine linksorientierte Graswurzelbewegung ist, die mit der rechtspopulistischen Anel Partei eine Koalition einging.

Das ist für die konservativen und liberalen Eliten in Brüssel und Europa ein worst case der flugs beseitigt werden musste. Und so wurden alle griechischen Vorlagen zur Krise als substanzlos zurück gewiesen. Und dann auch noch der Besuch im „Reich des Bösen“, bei Präsident Putin der mit den Griechen einen Vertrag über eine Gasleitung abschloss.

Der Gipfel der einen jedoch bewegen muss ist, dass 19 Regierungschefs mit ihren hochqualifizierten „Sherpas“ keine Lösung für Griechenland erarbeiten konnten und können. Griechenland und die Regierung Tsipras sollten ihre Lösung selber suchen und finden. Einen Schuldenschnitt und eine Umstrukturierung der Schulden, wie Regierungschef Tsipras forderte, sollte es auf keinen Fall geben, so die einhellige Meinung der Regierungschefs. Was für ein Armutszeugnis für die EU, keine Solidarität und keine Verantwortung will die EU tragen. Wie war das noch, alle gehen als Sieger aus Verhandlungen raus und keiner wird ein Verlierer sein. Nur wer Sieger oder Verlierer sein wird, wird von Fall zu Fall neu interpretiert.

Morgen sollen die Vorschläge von Griechenland in Brüssel zur Begutachtung auf dem Tisch liegen, um am Sonntag auf einem Sondergipfel der 28 Regierungschefs eine Entscheidung über weitere Verhandlungen zu fällen. Tritt man in Verhandlungen, wird die EZB mit Mario Draghi den Griechen einen Brückenkredit gewähren. Dies wird aber keine Garantie für Verhandlungen sein, die nun in konstruktiver Atmosphäre geführt werden.

Ach ja, der IWF hat inzwischen erkannt, das eine Umstrukturierung der griechischen Schulden eine Grundvoraussetzung ist, um die Griechen erfolgreich aus dieser Krise zu führen. Hoffentlich wurde dies in Brüssel, Luxemburg und Athen gehört. Bei solch einer Sachkompetenz kann man ja nie wissen.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european mosaic aus Brüssel.

 

Sind die viel beschworenen Werte der EU nur reine Rhetorik?

Premier Alexis Tsipras  Foto: (c) Linde Arndt

Premier Alexis Tsipras Foto: (c) Linde Arndt

 

[jpg] Fassungslos und atemlos schaut man dem Treiben der Verhandlungspartner EU, EZB und IWF auf der einen Seite und Griechenland auf der anderen Seite zu. Nicht nur, dass es nur tröpfchenweise Informationen von den Beiden gibt, die einen jedoch ins Reich der Spekulation vertreiben. Sondern immer mal wieder werden von einem auf den anderen Tag neue Gipfel produziert. Und was kommt heraus? Der eine liefert nichts und der andere hat keine Entscheidungsgrundlage für eine Entscheidung. In den vergangenen 4 Monaten wurde der neuen Regierung unter Alexis Tsypris alles angelastet, was die vergangenen Regierungen sowie IWF, EZB und EU-Kommission alles falsch gemacht haben. Da ist ein unerträglicher Druck auf den Kessel gemacht worden, womit ein konstruktives Arbeiten kaum möglich ist. Der Termin 30. Juni 2015 steht unverrückbar, an dem Griechenland 1,2 Mrd. Euro an den IWF zurückzahlen muss aber auch das zweite Hilfspaket der EU in Höhe von 7,2 Mrd. Euro verfällt. Es kommt einem wie das bekannte Armdrücken in bayrischen Landen vor. Lautes Gejohle bricht aus, wenn Griechenland mal wieder Reformpapiere den Gläubigern zur Verfügung gestellt hat und diese nicht den Vorstellungen der Verhandlungspartner entspricht. Immer mal wieder wird von allen Seiten von dem Grexit, dem Ausstieg der Griechen aus dem Euro, gesprochen. Keiner spricht davon, dass dieser Grexit so nicht möglich ist, bestenfalls könnten die Griechen die gesamte EU verlassen. Ob die Griechen aber wieder rein kommen, kann getrost bezweifelt werden.

Um mal eine Zahl zu nennen die jeden erschrecken muss. 40% der Griechen sind nicht mehr im Gesundheitssystem, sprich, sie konnten ihre Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen. Es sind die Alten, chronisch Kranken, alleinerziehenden Mütter mit Kindern oder Obdachlose. Diese Personengruppe kommt nicht mehr an Medikamente, einen Arzt oder einen Krankenhausplatz heran – kein Geld. So müssen Kranke unter Schmerzen sterben, weil es für sie keine Medikamente gibt, hier kommt noch nicht einmal ein Arzt. Und ihnen wird der Vorwurf gemacht sie würden noch zu viel bekommen? Meint die EU, es wird zu viel aus der Suppenküche ausgeschenkt? Wie kann man nur dies Elend der Griechen komplett ausblenden? Wie kann man sich nur auf die Volkswirtschaftlichen Kennzahlen konzentrieren, wenn nebenan ein Krebskranker unbehandelt stirbt. Das ist jetzt keine Zuspitzung, das ist normal. Gab es Alternativen? Ja, nur man konzentrierte sich auf den Vertrag, den die Vorgängerregierung Samaras mit den drei Institutionen geschlossen hat. Demnach sollten die Zahlungen der Griechen durch Einsparungen im Sozialbereich ( Renten, Gesundheitssystem ) erwirtschaftet werden. Nur die Zahlen waren überhaupt nicht gut für die Griechen, der Vertrag der EU riss die Griechen immer weiter in den Abgrund. Für jede Regierung sind diese Zahlen ein Todesurteil – Syriza wäre also erledigt gewesen und mit dieser Partei Tsypras und Varoufakis. Abzusehen wäre, dass die Konservativen mit dem ehemaligen Premier Samaras wieder gewählt würden. Die Reihenfolge wäre auch jedem Politiker klar, erst die sozialen Unruhen, dann Neuwahlen bei der der Konservative Samaras als Retter auftreten würde. Am Ende stände vielleicht ein Schuldenabkommen. Das Ende wäre der Pariser Club der ein rechtsverbindliches Umschuldungsprogramm entwerfen würde. Die Folge, die Griechen kämen nie wieder auf die sogenannten Beine.

 

Wo ist das solidarische Handeln der EU? Wir reichen den Griechen die Hand zur Hilfe, heißt doch wohl nur, wir wollen unser Geld wieder haben. Mehr ist nicht drin? Seit 2010 werden den Griechen gegen Kredite Rezepte von der EU verschrieben, deren Prognosen in der Realität in den Abgrund weisen.

Griechenland hat keine nennenswerte industrielle Infrastruktur, Touristik, Obst und Gemüse, chemische Halbprodukte oder Bauxit in überschaubarer Menge, damit kann man keine Überschüsse erwirtschaften, zumal die griechische Wirtschaft nach den Rezepten der Troika eingebrochen ist. Und bei der Einführung der Drachme würden sämtliche Märkte in Griechenland zusammen brechen. Die notwendigen zu importierenden Vorprodukte könnten nicht mehr bezahlt werden, weil der Drachme nichts gegenüberstehen würde.

Ach dieses Szenario ist alles nur Gerede der Griechen und der Bedenkenträger, so die selbsternannten Experten.

Nur die Experten, allesamt Ökonomen, haben ja schon mal in Griechenland ohne Erfolg rum gepfuscht, wie so sollte das jetzt klappen? Die Schuld an den Fehlern, die schon gemacht wurden, lag natürlich bei den Griechen.

Wir sind eine Wertegemeinschaft, so das Mantra der EU. Hier könnte die EU einmal beweisen, dass sie nicht nur ein Zusammenschluss von Staaten ist, deren Waren frei gehandelt werden können.

Nur will sie das auch oder sind diese Werte nur reine Rhetorik?

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Brüssel.

Die EU hilflos gegenüber den wirklichen Problemen

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert Foto: (c) Linde Arndt

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert
Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Es war gegen 3:00 Uhr am frühen Morgen als die Pressekonferenzen im Ratsgebäude abgehalten wurden. Die Regierungschefs in ihren Räumen und die Präsidenten im großen Pressesaal.

Vorher wurden aber schon Meldungen aus dem Ratssaal an die versammelte Journalistenschar per Twitter übermittelt. Alle wussten es war eine sehr hitzige Sitzung der Regierungschefs gewesen.

6 Stunden nahm allein das Thema Migration in Anspruch. Die Kommission unter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollte die Mittelmeerstaaten Italien, Griechenland oder Spanien entlasten, indem mittels fester Quotenregelung 40.000 Flüchtlinge auf die 28 Mitgliedsländer verteilt werden sollten. Es waren hauptsächlich die osteuropäischen Mitglieder die eine feste Regelung ablehnten und eine Regelung auf freiwilliger Basis forderten. Hitzige Debatten entstanden unter den Regierungschefs alle mit dem Ziel die Flüchtlinge abzuwehren. Auch die Seenotrettung im Mittelmeerraum wurde in Frage gestellt. Eine wie immer geartete Solidarität mit den Mittelmeerländern war nicht auszumachen.

Ministerpräsident Matteo Renzi      Foto: (c) Linde Arndt

Ministerpräsident Matteo Renzi Foto: (c) Linde Arndt

 

Ministerpräsident Matteo Renzi forderten jedoch eine Entlastung. Italien und Griechenland haben schon tausende Flüchtlinge aufgenommen wofür es weder Unterkünfte noch Beamte oder Polizeikräfte in hinreichender Zahl gibt um das weitere Prozedere gemäß Dublin III durchzuführen. „Wenn Ihr mit der Zahl von 40.000 nicht einverstanden seid, verdient Ihr es nicht, Europa genannt zu werden.“, so Matteo Renzi ziemlich lautstark. Für Renzi war klar, so konnte es nicht weiter gehen. Denn die mangelhafte Solidarität der EU Mitglieder brachte Italien dazu, die Flüchtlinge an Land zu bringen und sie teilweise ihrem Schicksal zu überlassen. Was dazu führte, dass die Flüchtlinge sich auf den Weg in den Norden Europas machen. Letztendlich werden die 40.000 Flüchtlinge unter den 28 EU Regierungschefs auf freiwillige Weise von den Ländern ersteigert.

Jedes einzelne Land meldet sich um die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge registrieren zu lassen. Bei dieser Vorgehensweise kämen noch 20.000 mehr Flüchtlinge zustande, die von den Ländern aufgenommen werden sollen. Die Innenminister sollen bis zum 31.07.15 die Zahlen nennen, die ihre Länder bereit sind aufzunehmen. Ungarn und Bulgarien wurden dabei ausgenommen, sie hatten erhebliche Probleme mit der Migration. Kommissionspräsident Junker und Ratspräsident Tusk bestanden jedoch darauf, dass die Flüchtlinge gemäß der Dublin Kriterien registriert und erkennungsdienstlich behandelt werden und nicht direkt weiter ziehen dürfen. Von einer unwürdigen Veranstaltung sprach der belgischen Premierminister Charles Michel im Laufe der Sitzung.

Frieden? Nein, es standen ja noch mehr strittige Probleme auf der Agenda. Und im übrigen, was soll mit den Flüchtlingen passieren die in Europa schon längst rum geistern. Man schätzt rund 800.000 Flüchtlinge die unregistriert auf Bahnhöfen, Straßen oder Plätzen auf ihre Chance warten. Eine Unterkunft, eine Arbeit, einfach nur ein bisschen Ausruhen zu finden, wie es ein Flüchtling vor Calais sagte. Die EU stand hilflos vor diesem Problem, was voraussehbar war und das ihnen jetzt auf die Füße gefallen war.

Ein Problem geisterte jedoch durch alle Räume – Griechenland und der Grexit. Denn parallel tagten die Eurofinanzminister zum gefühlten hundertsten mal. Griechenland hatte in letzter Minute einen Reformvorschlag vorgelegt. Was den Journalisten zu Ohren kam, so wollten die Griechen höhere Steuern für Einkommen ab 50.000,– Euro beschließen und ab 500.000,– Euro sollten die Steuern überproportional steigen. Dies soll der IWF mit dem Grund abgelehnt haben die Unternehmen würden zu stark belastet werden und kein Wachstum erzeugt werden können. Zwei Tage vorher wurde jedoch der Vorwurf laut, die Griechen würden ihre reichen Bürger nicht ausreichend belasten. In den Verhandlungen wurden aber von den Instituten die Kürzungen von Renten zurück gezogen. Auch der Primärüberschuss (Das ist die Differenz im Haushalt zwischen Einnahmen und Ausgaben) fand nun eine Einigung, es sollten 0,93% sein. Das eigentliche Problem war jedoch der Schuldenschnitt. Griechenland wollte in den Vormonaten eine politische Diskussion und auch Regelung über die Schulden grundsätzlich. Danach hätten die Finanzminister jedoch andere Wege beschreiten müssen, wozu sie aber nicht bereit waren. Diese politische Diskussion gibt es schon eine ganze Zeit, sie ist aber noch nicht soweit, dass man einen Handlungsrahmen ableiten kann. Wie dem auch sei, es kamen nur ungeduldige und ablehnende Äußerungen von Seiten der Finanzminister, vorne weg der deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, nach draußen. Überhaupt konnte man den Eindruck haben als wenn Wolfgang Schäuble einen persönlichen Kleinkrieg mit seinem Amtskollegen Yanis Varoufakis führte. Ok, die neue griechische Regierung hat eine andere politische Kultur, aber ist das ein Grund sie zu schneiden? Sie ist eine vom Volk gewählte Regierung und hat also den Respekt verdient, den demokratisch legitimierte Regierungen verdienen. Wegen fehlender Schlipse oder Hemden die nicht in den Hosen steckten, sollte man keine Missachtung konstruieren. Nun, am Donnerstag war noch alles im positiven möglich. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte das Angebot der Eurogruppe mit der Gläubigergruppe ein außergewöhnlich großzügiges Angebot, welches man nicht ausschlagen sollte.

Dieses Angebot muss aber wohl doch nicht so großzügig gewesen sein, wenn am Freitag, nachdem der Rat auseinander ging, Ministerpräsident Alexis Tsipras von Erpressung sprach.

Premier Alexis Tsipras  Foto: (c) Linde Arndt

Premier Alexis Tsipras Foto: (c) Linde Arndt

Schon in der Nacht auf Samstag verkündete Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Referendum für den 5. Juli 2015 an. Am nächsten Tag wird das griechische Parlament mit 178 ja und 120 nein stimmen dem Referendum zustimmen.

Ministerpräsident Alexis Tsipras argumentiert, er habe von seinem Volk für solch einem Vertrag keine wie immer geartete Legitimation, also wolle er das griechische Volk über diesen Vertrag abstimmen lassen. Er würde diesen Vertrag nicht unterschreiben und das wolle er seinem Volk auch sagen. 2011 hatte der ehemalige Premierminister Papandreou schon einmal eine Volksabstimmung angedroht, sie wurde in letzter Minute verhindert.

Eurogruppenchef

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem Foto: European Concil

Der Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem wird später auf seiner Pressekonferenz erklären, dass der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis die Beratungen abgebrochen hat und damit die Grundlage für einen neuen Vertrag nicht mehr gegeben sind. Was aber auch bedeutet, dass die Grundlage für ein Referandum in Griechenland nicht mehr gegeben ist. Denn über was sollen die Griechen den jetzt abstimmen, so Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Gleichzeitig wurde aber von allen Eurogruppenmitgliedern betont, dass die Türen zu weiteren Verhandlungen offen stehen. Allerdings, und das ist gelaufen, die Deadline 30. Juni 2015 ist damit gefallen; denn bei einer Einigung müssen noch die Parlamente sprechen.

Es waren ereignisreiche Tage und eine Schande für das europäische Haus. In vielerlei Hinsicht konnte man sich des Eindrucks einer morbiden Hilflosigkeit bei den Finanzministern aber auch den Regierungschefs nicht erwehren.

Diese Hilflosigkeit gipfelte darin, indem die Themen Sicherheitspolitik und Wachstum akribisch nach vorne gedrückt wurden.

Beschämend aber auch peinlich, wenn man eines bedenkt: Die EU ist die reichste Wirtschaftszone mit immerhin 500 Millionen Menschen. Und solche Probleme sind nicht für alle Beteiligten lösbar?

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Brüssel.