Der Mensch als lebende Skulptur – ein Prozess
[jpg] Live Art ist ein recht junges und spannendes Kunstformat. Es ist aus dem Format der Performance hervor gegangen. Und es geht um die Schaffung von Kunsträumen, die mit dem Mensch und seinem Körper herbei geführt werden können. Ein flüchtiges Kunstwerk, welches nur einem Moment eine fiktive neue Realität schafft. Immaterielle Realitäten, die einmal eingegangen schon wieder vergangen sind. Denken Sie bitte einmal an das flüchtige Lächeln zwischen zwei Menschen die in einer Fußgängerzone oder einem anderen Ort aneinander vorüber gehen.
Und so ging die Ruhrtriennale unter Heiner Goebbels eine Partnerschaft mit dem Folkwang Museum in Essen ein, um „12 Rooms“ in deren Ausstellungsräumen aufzubauen. Der ehemalige Direktor des Folkwang Museums, Hartwig Fischer, hatte sich spontan zu dieser Kooperation bereit erklärt. Die Live Art Arbeiten der Ruhrtriennale wurden mit dem Manchester International Festival (MIF) koproduziert. Als Kuratoren arbeiteten und unterstützten die Ausstellung „12 Rooms“ Hans Ulrich Obrist von der Serpentine Gallery, London, und Klaus Biesenbach vom MoMa ( Museum of Modern Art ) und dem PS1, New York. Dies sind nur einige Namen, die diese Ausstellung ermöglichten, selbstredend steht hinter dieser Ausstellung auch ein Team, welches die Voraussetzungen für diese Group Show schafften. Diese Group Show wird im nächsten Jahr mit „13 Rooms“ in Sydney kuratiert und wer weiß, vielleicht auch noch in anderen Städten.
Bevor die Austellung eröffnet werden konnte wurde der rote Teppich ausgerollt. Für wen? Für die offizielle Ruhrtriennale Festivaljury, die aus Heranwachsenden von drei Gesamtschulen der Städte Gelsenkirchen, Duisburg und Bochum besteht. Und so kamen die Heranwachsenden über den roten Teppich, ließen sich geduldig von uns interviewen und machten sich an ihr Werk die „12 Rooms“ für sich erfahrbar zu machen. Die Heranwachsenden tauchen bei allen Eröffnungen der Ruhrtriennale auf, sie sind gleichrangige Partner im Rahmen des „No Education“ Projektes. Dieses Projekt soll Schluss machen mit den >adults only< – Bezirken. Ein schönes und auch logisches Projekt. |
Zur Ausstellung selber, die bedingt durch die zahlreichen Eröffnungsbesucher etwas verloren hatte. Denn eigentlich wäre es besser, einzeln diese Räume zu betreten und die intimen, flüchtigen Begegnungen wahrzunehmen und für sich selbst erfahrbar zu machen.
Allora & Calzilla, zeigten mit ihrem Werk „Revolving Door“ (2011) ein Werk in dem Menschen in einer Gruppe Positionen einnehmen und wie eine Menschmaschine funktionieren. Die Sinnfrage wird hier anders beantwortet. Betritt man den Raum so gerät man in eine lebende Drehtür die von Damen und Herren dargestellt werden, die bei berühren sich tänzerisch dreht wobei man in den Raum geführt wird. Es wirkte auf mich wie eine lebende Begrüßung, die man erstaunt annahm. |
Santiago Sierra, zeigte mit seinem Werk „Verterans of the wars of Yugoslavia, Bosnia, Kosovo and Serbia facing the corner“ (2012) einen Soldaten in Camouflage Uniform, der mit seinem Gesicht in eine Ecke schaute. Kein Wort, keine Bewegung. Beim Betrachter entsteht das Bedürfnis Fragen zu stellen, Fragen nach dem Krieg, Fragen nach dem "Warum". In den Phantasien kommen Bilder von Kriegshandlungen auf. Die Sniper von Serajewo, die vielen Kriegsgräuel. Man fühlt sich allein gelassen, denn eine Antwort wird es nicht geben. Ein Gefühl des Unbehagens schleicht sich ein. |
Marina Abramovic, zeigte ihr Werk „Luminosity“ (1997). An einer Wand sitzt aufrecht ein nackter weiblicher Körper auf einem „Fahrradsattel“. Die Frau sitzt wie gekreuzigt, die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale sind klar zu erkennen. Die Frau schaut gerade aus auf die gegenüberliegenden Wand. Der Eindruck, die Frau könnte jeden Moment von der Wand fallen, blockiert das weitere Denken. Die Frage kommt auf: wie lange hält diese Frau das aus, diese Position muss doch schmerzhaft sein, zwingt sowohl zum verweilen als auch zum gehen. Es sind die Grenzen des Schmerzes, der Erschöpfung und der Gefahr die durch das Material Körper erfahrbar oder gesucht werden. |
Xu Zhen, „In just a Blink of an Eye“ (2005). Xu Zhen zeigt mit ihrem Körper einen augenscheinlich instabilen Zustand als Zwischenstatus. Durch die Bekleidung ist sie als eine von Millionen Wanderarbeiter in China auszumachen. Aber, auch die Welt ist bei ihr instabil und bewegt sich immer in diesem einen instabilen Zustand der offensichtlich zur bleibenden Realität geworden ist. |
Obige Live-Acts stellen nur einen Ausschnitt aus den insgesamt 12 Inszenierungen dar. Am Ende der Seite haben wir noch eine kleine Galerie für Sie erstellt..
Die Begegnungen in den 12 Räumen bringen dem Einzelnen die Wertigkeit von Menschsein in sein alltägliches konditioniertes Bewusstsein. Erstaunen erfasst einen bei dem Erfahren der vorhandenen oder auch abhanden gekommenen Menschfacetten.
Es ist nicht so einfach Mensch zu sein. Für mich war es eine bereichernde Erfahrung wie in 12 Räumen unterschiedliche Gefühlswelten erzeugt werden können. Aber auch, wie in einem Museum, wie dem Folkwang Museum, die darstellende Kunst mit der bildenden Kunst eine wunderbare Kooperation eingehen kann. Kunst ist eben untrenntbar, es gibt nur die eine Kunst.
„12 Rooms“ ist noch bis zum 26. August im Folkwang Museum in Essen zu besichtigen.
12 Rooms – Live Art/Group Show
Museum Folkwang Essen
Museumsplatz 1
D-45128 Essen
bis 26. August. Di-So 10-18 Uhr. Fr 10-22 Uhr
Auszugsweise wurden hier nur vier der 12 Räume beschrieben.
Künstler: Marina Abramovic (RS), Jennifer Allora (US) and Guillermo Calzadilla (CUB), John Baldessari (US), Simon Fujiwara (J), Damien Hirst (GB), Joan Jonas (US), Xavier LeRoy (FR), Laura Lima (BR), Roman Ondák (SL), Lucy Raven (US), Tino Sehgal (GB), Santiago Sierra (ES), Xu Zhen (CN)
Kuratoren: Klaus Biesenbach und Hans Ulrich Obrist
Übrigens: Das Ticket zu 12 Rooms berechtigt zum einmaligen freien Eintritt in die Ausstellung Current von Michal Rovner in der Mischanlage, Kokerei Zollverein, Essen [anmerkung d. Red. : eine durchaus empfehlenswerte Videokunst-Ausstellung]
Tickets: 8,– € Ermäßigungen ab 5,– €
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen
[Fotos: © Linde Arndt]
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