[jpg] Das europäische Parlament fühlt sich nicht genügend geachtet. Der Haushalt für 2014 bis 2020 – 960 Milliarden Euro an Verpflichtungen, wovon 908 Milliarden an Zahlungen genehmigt wurden – ist ja mit ach und Krach am 7./8.Februar 2013 durch die Regierungschefs verabschiedet worden. Es sollte ein Sparhaushalt werden und es wurde auch einer, wobei die Deutschen und die Briten sich vehement für diesen Haushalt einsetzten. Dieses Mantra des Sparen wird es jetzt sicher über Jahre geben. Nur, mit diesem Sparen kann man kein Wachstum generieren, keine Impulse oder geschweige denn Signale setzen.
Dabei gehen die Menschen inzwischen auf die Straße und man sieht, der soziale Frieden ist in Gefahr, indem in vielen Ländern der Ruf nach dem alten Nationalstaat durch dringt. Nationalstaaten? Da war doch noch was? Klar, das waren die Staaten, die sich in den vergangenen Jahrhunderten blutige Kriege erlaubt haben. Deutschland hat sich da besonders hervor getan. Vor diesem Hintergrund des sozialen Unfriedens hat sich das Europaparlament mit 506 Stimmen, durch alle Parteien (Auch die der Konservativen), eindrucksvoll gegen diesen Haushalt gestellt. Das Parlament will mehr, nicht zwangsläufig mehr Geld, zumindest will das Parlament, dass es mit Europa weiter geht. Weiter geht im Sinne von mehr Verantwortung für die 500 Millionen Europäer und weiter geht mit den demokratischen Strukturen im gemeinsamen Europa – ein tieferes Europa halt. In Folge haben die Parlamentarier ein Junktim hergestellt. 6,5 Milliarden fehlen in der Europakasse aus dem Vorjahr, die normalerweise durch einen Nachtragshaushalt gedeckt werden müssten. Nur die Regierungschefs lassen sich bei dem Nachtragshaushalt einen Dummen angehen und spekulieren auf eine Verrechnung mit dem Haushalt 2014.
So erläuterte denn auch der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz den Regierungschefs in der Ratssitzung vom 14. März den ablehnenden Beschluss des Parlamentes.Während der folgenden Pressekonferenz machte der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz jedoch den anwesenden Journalisten deutlich, dass die Regierungschefs schweigen, denn nach seinem Vortrag kam kein irgendwie gearteten Dialog mit dem europäischen Parlament zustande. In normalen Demokratien werden die Haushalte den Parlamenten zur Beratung vorgelegt, hier wurden die beschlossenen Haushalte durch die Regierungschefs dem Parlament zum abnicken auf die Tagesordnung gesetzt, so Schulz. Das hat nichts mit Demokratie zu tun. Schulz fühlt sich und das Parlament übergangen und nicht ernst genommen.
Zum Thema Ungarn mit seinem Premier Viktor Orbán, wollte Schulz die aus seiner Sicht vermeintlichen Brüche im Grundrechtekatalog durch die EU-Kommissarin Viviane Reding sehr genau prüfen lassen. Zum Verständnis: Ungarn hat mit einer 2/3 Mehrheit Rechte der Justiz beschnitten und andere Artikel in den Verfassungsrang erhoben, die einen diskriminierenden Charakter haben. Ob diese Prüfung der EU nach Artikel 7 zum Erfolg führen kann, ist umstritten. Ungarn hat schon mehrfach mit seiner 2/3 Regierungsmehrheit Artikel seiner Verfassung „verschlechtert“. Mehrfach wurde Ungarn mit seiner regierenden Fidesz Partei die Aushöhlung der Bürgerrechte vorgeworfen.
Abends am 14. März 2013 stellten sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der Präsident des Europäischen Rates Herman Van Rompuy abschließend der Presse. Rompuy sprach von Zielvorgaben….es gäbe keine einfachen Antworten..von einer ernsten Diskussion im Rat….man wolle die Stabilität wieder herstellen oder auch die Nachfrage erhöhen um ein priorisiertes Ziel – Senkung der Arbeitslosigkeit zu erreichen. Dies alles hörte sich aber doch wie folgende Botschaft an: Wir haben ein Umsetzungsproblem! Denn Probleme werden doch nicht dadurch gelöst, indem man sie gebetsmühlenartig monatelang wiederholt und/oder durch andere neue Begriffe überlagert.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso steigert dies alles, indem er von einer „geschäftsmäßigen Diskussion“ sprach. Geschäftsmäßig, nicht engagiert? Also, kann man davon ausgehen, dass die Regierungschefs sich wieder vor Entscheidungen "gedrückt" haben. Die Schlüsselprioritäten, also was schon seit Jahren auf der Agenda stand, wurden bestätigt. Man wolle von der EU schnellere Wachstumseffekte. Schnellere Wachstumseffekte bekommt man aber doch nur mit mehr Investitionen, also mit mehr an Haushaltsmitteln. Und das gerade wollen die Regierungschefs doch gerade nicht; 6 Milliarden auf 7 Jahre für die Jugendarbeitslosigkeit sind da eindeutig zu wenig. Auch hat man sich nicht mit konzertierten Aktionen auseinander gesetzt. Diese Art der Vorgehensweise bietet sich doch an, bei den vorherrschenden Ängsten der Regierungschefs vor Entscheidungen. Denn wenn 27 Nationalstaaten gemeinsam und abgestimmt sich mit allen Mitteln gegen die Jugendarbeitslosigkeit stemmen würden, käme schon ein eindrucksvoller Effekt heraus. Aber was soll es, wenn die Regierungschefs kein Vertrauen zueinander haben?
Um dieses Problem nicht noch mehr zu vertiefen, nahm man dankbar den Fall Ungarn an. So wurde wenigstens von den vordringlichen Problemen abgelenkt. Das ungarische Problem ist nun in einer Debatte des Rates die dahin führen soll, dass Ungarn bei konkreten Verstößen gegen die Werte der EU, diese Verstöße durch die EU-Kommissarin Viviane Reding geprüft werde um danach gegebenenfalls Änderungen bei den Ungarn angemahnt werden.Ob die Ungarn diese Änderungen dann umsetzen, erscheint jedoch sehr fraglich. Also, die EU hat schon Sorgen im Zusammenhang mit Ungarn, hat sich aber in den Prüfmodus zurück gezogen. Abgesehen davon, dass es keine Definition der einzelnen Werte in der EU gibt. Auch das Zypernproblem war willkommen um von den Wirtschaftsproblemen abzulenken. Und weil das nicht genug war, hat man sich das Syrienproblem auch noch angesehen.
Abschließend kann man sagen, die EU hofft mit seinen Regierungschefs auf einen Wirtschaftsaufschwung, der ja von alleine kommen soll. Was für eine Botschaft an die arbeitslosen Jugendlichen oder die Langzeitarbeitslosen!
Ein Kollege fragte, ob es nicht kräftigere Initiativen gibt; denn die Arbeitslosigkeit hat sich im vergangenen Monat noch weiter beschleunigt? Zurück kam ein eindeutiges NEIN.
Tja, so kann man Europa etwas vormachen, man muss nur zwei Schilder vor sich führen, eines mit SPAREN bedruckt und ein anderes auf dem WACHSTUM steht. Und schon lösen sich alle Probleme von selber.
Und Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela Merkel? Nun, Merkel hat ihre Liebe zu den Briten, sprich Premierminister David Cameron, entdeckt. Beide verbindet eines, das Sparen. Nur, inzwischen macht sich Unzufriedenheit breit. Die anderen Staaten sehen das ganze als Spardiktat. Dazu kommen noch die rund 8 Millionen Niedriglöhner in Deutschland. Hier sehen viele europäische Staaten Lohndumping, andere sehen in den Niedriglöhnen eine versteckte Wirtschaftssubvention der Deutschen. Europa ist weit von einer Wirtschafts- und Währungsunion entfernt mit den derzeitigen Regierungschefs. Die Briten haben sich in der EU auch nicht gerade beliebt gemacht, indem ihre Immobilienkrise als hausgemacht angesehen wird. Die europäischen Ausschüsse haben ihre Arbeit längst gemacht. Nur was nützt dies wenn die Regierungschefs dieser Arbeit ablehnend gegenüber stehen?
So kann man sicher nicht von einer Liebesbeziehung zwischen Parlament, Rat und den EU Bürgern sprechen. Hinterher versteht niemand warum die Bürger sich von der EU abwenden.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel
[Alle Fotos: © Linde Arndt]