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Mehr Schein als Sein im EN-Südkreis

Print-Medien-Collage: (c) Linde Arndt

Print-Medien-Collage: (c) Linde Arndt

[jpg] 10 Jahre gibt es EN-Mosaik schon. Angefangen hat das Ganze aber mit einer anderen Intention und einem anderen Namen. Angefangen hatte es aber auch mit ganz viel Schwierigkeiten. Als wir zum ersten mal im Ennepetaler Ratssaal auf den für die Presse bestimmten Stühlen Platz nahmen, steigerten sich die Schwierigkeiten. Dipl.-Ing. Ulrich Höhl von der Stadtverwaltung sollte oder wollte uns von den Presseplätzen „verscheuchen“,  konnte dies aber nicht, weil wir uns als Pressevertreter ausweisen konnten. Die Stadtverwaltung wies immer darauf hin, dass wir keine richtigen Journalisten wären, und schmiss uns auch jeden nur erdenklichen Knüppel zwischen die Beine. Wolfgang Frey (FDP) tituliert uns noch heute als „Schmierfinken“, weil er keine Kritik ertragen kann. Übrigens alle kritischen Journalisten werden in der Regel als „Schmierfinken“ bezeichnet und wenn diese Zeitgenossen sich steigern, dann wird der Ausdruck „Lügenpresse“ verwendet. Sich mit Kritik auseinander zu setzen, nein, das liegt der deutschen Heimatseele nicht. Es ist alles so romantisch friedlich und da stören kritische Momente dieses geschönte Bild.

Und unsere „Kollegen“ auf der lokalen Ebene, die WAZ Mediengruppe, heute Funke Mediengruppe, wie die Westfalenpost, WAZ, Westfälische Rundschau, die WAP, der Lokalkompass, derWesten.de oder Radio Ennepe Ruhr, die ohne eine Konkurrenz die vereinheitlichte Presse repräsentierten und repräsentieren? Diese Kollegen wussten uns immer auf eine mehr gönnerhafte Art zu erklären, wie hoch der Anspruch des Journalismus, der Printjournalisten, ist.

Alles Mumpitz, stellte sich im weiterem Verlauf unserer Tätigkeiten heraus, es waren mehr oder weniger Rechtfertigungen für eine nicht vorhandene journalistische Einstellung und Qualifikation.

Wir blieben nicht auf der lokalen Ebene stehen, wie es die alten,  ja manchmal uralten Kollegen  taten. Sie verpflichteten sich auf die Heimatschreibereien, wir wollten mehr Inhalte, wir wollten Journalisten sein, Suchende in einer Welt von Verlorenem.

Liebe deine Stadt, neutral schreiben oder hoch- und schönschreiben (Um jeden Preis) war und ist das Credo des Lokaljournalisten, der damit ein Zerrbild seiner Stadt erstellt, welches von Politik und Verwaltung zum Anlass genommen wurde, nichts zu verändern und damit die „noch“ vorhandene Substanz zu verprassen.

Heute nehmen wir die Publikationen der Funke Mediengruppe mit einem Lächeln wahr, weil wir wissen wie Journalisten sich zu geben haben – mit kritischer Distanz.

 

Seit 2013 sind wir schon in der Brüsseler EU. Und dort war es ein Kollege von „Le Monde“ der über einen „guten“ Journalisten folgende Definition formulierte: „ Independence, neutrality, superiority and critical distance must be a hallmarks every editorial policy.“, was nichts anderes heißt als: „Unabhängigkeit, Neutralität, Überlegenheit und kritische Distanz muss ein Kennzeichen jeder redaktionelle Politik sein.“ Und daran wollen wir uns messen lassen.

 

Zurück zu unseren lokalen Kollegen die, wie wir, nur im Südkreis wirken. Uns fiel ein fast ganzseitiger Artikel der westfälischen Rundschau auf, der sich nicht mit den journalistischen Regeln verknüpfen lies. „Heimathandel dringt bis nach Österreich vor“,  so die Headline. Ganz klar wird hier Werbung für die Internetaktion „Heimathandel“ des Gevelsbergers Unternehmers Nils Widal geworben. Aber nicht nur geworben, sondern es wird auch noch gegen die Gevelsberger Werbegemeinschaft „Pro City“ ins „Feld“ gezogen. Pro City,  ein Zusammenschluss von immerhin über 160 Firmen, Institutionen, Vereinen und Privatpersonen, hatte sich, begründet, klar gegen eine Zusammenarbeit mit dem „Heimathandel“ von Nils Widal ausgesprochen. Widal hatte sein Projekt als einmalig vorgestellt, letztendlich war es jedoch nur ein Internetportal dessen Umsetzung und Nutzen mehr als fragwürdig ist. Denn Multiusersites gibt es schon als kostenfreie Software im Netz, die durch einen Studenten gepflegt, sicher kostengünstiger zu haben sein würden. Das sich in Österreich jemand für den „Heimathandel“ interessiert, hat im „World Wide Web“ nichts zu bedeuten, EN-Mosaik bekommt auch ab und an emails aus den unterschiedlichsten Ländern. Lustig wird es wenn eine Kundalini Yogalehrerin und vier osteuropäische junge Menschen als Frontend, Backend oder gar als Fullstack Mitarbeiter das Team ergänzen. Das ganze soll nach mehr aussehen, als es ist. Das Problem war demnach, dass Widal die Pro City Gemeinschaft immer wieder als Empfehlung nannte, was die Werbegemeinschaft sich jedoch verbat. Der ganze Artikel ist ziemlich mysteriös angelegt.

Und weiter geht es mit einer weiteren Werbeaktion in Schwelm. Der Westfalenhof in Schwelm am Neumarkt wurde nun begleitet. 3 von 5 möglichen Sternen hat der Inhaber Jochen Hussong von dem Restaurant Tester des „Gourmets International Paris“, Herausgeber: Rudolf Plätzer, Lizenz BRD: Cars&Guides UG (haftungsbeschränkt), Wuppertal bekommen. Es sind fragwürdige Sterne; denn ein Stern des internationalen, renommierten und anerkannten „Guide MICHELIN“ findet sich nicht, abgesehen kennt der  „Guide MICHELIN“ den Westfalenhof nicht. Und der „Guide MICHELIN“ ist nun mal das Maß aller Dinge im Restaurantests. Trotz allem wird von der Westfälischen Rundschau suggeriert  als wäre dieses Restaurant besonders zu empfehlen. Von Martfeld, Westfälischer Hof oder La Grappa um nur einige zu nennen, wurde solch eine „Marketingschiene“ noch nicht gefahren. Nun scheint das Marketing nicht den erhofften Erfolg gebracht zu haben, also musste man nach „berichten“. Jedes Kochduell, welches vorher organisiert wurde, wurde denn dann fein in der Westfälischen Rundschau als besonderes gesellschaftliches Ereignis heraus gestellt.

Aber die WAZ/Funke-Mediengruppe macht ja auch noch in Product Placement indem sie in ihren Artikeln Marken einbaut. Ob das nun ein IPad oder ein Iphone von Apple oder eine Powerpoint Präsentation, ein Word Dokument oder Excell Tabellen sind,  Marken von Microsoft,  spielt dabei keine Rolle, die korrekten Gattungsbezeichnungen für diese Produkte  sind zwar vorhanden, werden aber nicht genutzt.

 

Im Falle von Heimathandel und Westfalenhof wäre das doch nicht so problematisch, wenn die Verfasser die Konkurrenzbetriebe auch bewertet oder empfohlen hätten. Auch im Fall eines Ipad von Apple hätte der Verfasser auf die allgemeingültige Bezeichnung Tablet-PC ausweichen können, tat er aber nicht.

Was bleibt ist ein fader Beigeschmack, indem die lokalen Journalisten mal Werbung und mal nicht Werbung machen. EN-Mosaik hat mitbekommen, wie einem Unternehmen klar und deutlich gesagt wurde, dass sein Name nicht genannt werden könne, da dadurch die Trennung von redaktionellem und werblichen Inhalten in diesem Falle nicht vorhanden wäre.

EN-Mosaik nennt solche Firmen mit Namen, da sie für die Gesamtgesellschaft einen wertvollen Beitrag liefern. Nur, wir weisen ja auch nicht die Kollegen gönnerhaft zurecht.

Sehen sie selber, lieber User, mit Unabhängigkeit, Neutralität, Überlegenheit und kritische Distanz haben diese Artikel überhaupt nichts zu tun.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Gevelsberg

 

Marktwirtschaft ist doch was schönes

 

[jpg] 120 Redakteure bzw. Journalisten der Westfälischen Rundschau werden durch den WAZ Konzern entlassen. Heute am 19. Januar 2013 demonstrierten rund 1200 oder auch 500 Menschen vor dem Dortmunder Verwaltungsgebäude der Westfälischen Rundschau. Wie bei solch einer Demo immer, hörte man starke Worte von den anwesenden GewerkschafterInnen oder PolitikerInnen. Da wurde der Untergang der Presse heraufbeschworen, die Kälte der Marktwirtschaft attestiert und zu guter Letzt die Solidarität der Anderen eingefordert.

 
Screenshoot der WR
 

Ja, EN-Mosaik erklärt sich solidarisch mit den Kollegen der Westfälischen Rundschau, aber nicht nur mit diesen Kollegen. Vielmehr erklären wir uns mit den vielen, vielen Freelancern solidarisch, die sich Tag für Tag abstrampelten um auch die Informationen von dem letzten Kaninchenzüchterverein der Redaktion zu übermitteln, den freien Fotojournalisten, den (neuerdings) Bürgerjournalisten, den Praktikanten, den Volontären, den technischen Angestellten, den kaufmännischen Angestellten, und, und, und. Es sind so viele neben den hauptberuflichen Redakteuren/Journalisten, die den Betrieb einer Zeitung aufrecht erhalten. Auch wir setzen unsere Artikel über eine Agentur ab, die diesen Artikel an andere Verlage verkauft. Nur mit der Solidarität kann keiner seine Nahrungsmittel  bezahlen.

Als die Frankfurter Rundschau, die Financial Times Deutschland und viele andere in der Vergangenheit den Betrieb einstellten, wussten die Journalisten der WR die Agenturmeldungen zu drucken. Solidaritätsadresse? Nein. Seit 1993 bis heute sind rund 70 Zeitungsschließungen zu verzeichnen gewesen. Ein Auflagenschwund von rund 8 Millionen wurde registriert und die Zahl der eigenständigen publizistischen Einheiten mit einer eigener Politik-, Wirtschafts- und Kulturredaktion sank erheblich. Womit haben sich die Journalisten der WR in diesem Zeitraum beschäftigt; denn diese Zahlen sind jedem Journalisten zugänglich. In vielen Verlagen regieren nur noch die Betriebswirte, Verleger haben sich zurück gezogen. Das konnte man doch nicht übersehen haben. Und die Konsequenz? So lange es mich nicht betrifft soll mir das alles egal sein? In den letzten Jahren waren doch ganz deutliche Signale von der WAZ aus Essen zu vernehmen. Wusste man diese nicht richtig einzuordnen? Man wollte die Kosten drücken, weil man keine probaten Konzepte hatte die greifen könnten. Und jetzt?

Der WAZ Konzern wird den Mitarbeitern sicher einen neuen Vertrag unter dem Dach der Westfalenpost anbieten. Nicht mehr die gleichen Bedingungen, wie vorher. Wenn das nicht klappt wird es eine „angemessene“ Abfindung geben. Und ab die Post. So geht das seit Jahren in unserem Land und alle finden es gut, solange es einen nicht selber betrifft. Es gibt kaum Presseerzeugnisse die diesen neoliberalen Zug in unserer Republik anprangern, im Gegenteil dieser Neoliberalismus wird sogar als alternativlos beschrieben. Auch die Zeitungen des WAZ Konzerns, einschließlich der WR haben mit der Kritik an dieser neoliberalen Wirtschaftspolitik nicht gerade jemanden hinter dem Ofen her geholt. Man beißt eben die Hand nicht, die einen füttert. Und weiter: Es war und ist ja alles so bequem nicht nachzudenken über die Art und Weise der Presse im digitalen Zeitalter. Wie kann ich meine Nachricht, meinen Kommentar, meine Glosse, meine Rezension usw. an meinen Leser bringen. Einem Leser in einem veränderten Umfeld. Das Netz als Übermittlungskanal meiner analogen Produkte, ist der weiteste Gedanke den die Nostalgiker der Redaktionstuben aus dem Printbereich dachten.

Wenn der Rauswurf der 120 und mehr Redakteure und anderer Redaktionsmitglieder einen Sinn machen sollte, so den: Es ist mit der Marktwirtschaft nicht gut Kirschen essen. Wenn man sich anbiedert wird man als zweiter gekündigt, gekündigt wird man sowieso. Und noch eines: Die Presse hat nur eines zu verlieren, ihre Freiheit und Unabhängigkeit. Und das ist verdammt viel.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal