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Eine bunte und lustige Träumerei mit dem Dortmunder Ballett

Theater Dortmund - Harlekine im Nußknacker Foto: (c) Linde Arndt

Theater Dortmund – Harlekine im Nußknacker
Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Das Ballett „Der Nussknacker“ von Peter I. Tschaikowsky findet pünklich zum Jahresende auf die Ballettbühne des Dortmunder Theaters.

Tschaikowsky wollte dieses Stück eigentlich nicht mehr schreiben, denn seine anderen beiden Ballettstücke Schwanensee und Dornröschen liefen nicht so recht an. Heute würde man sagen die Stücke waren Flops. Gottseidank konnte man Tschaikowsky überzeugen und es entstand ein wunderschönes Ballett für Kinder und Erwachsene.

Benjamin Millepied für die Inszenierung und Choreografie, Paul Cox für Bühnenbild und Kostüme machten daraus ein zauberhaftes  buntes und lustiges Ballett. Wobei der erste Akt ja als „Theaterstück“ (Theaterballett) angelegt wurde und mit dem zweiten Akt mehr Ballett auf die Bühne gelangt. Es ist eine fantastische Erzählung die von E.T.A.Hoffmann und später von Alexandre Dumas in die Welt gesetzt wurde.

Onkel Drosselmeyer im Nussknacker Theater Dortmund foto: (c) Linde Arndt

Onkel Drosselmeyer im Nussknacker Theater Dortmund Foto: (c) Linde Arndt

Als die ersten Takte der Ouvertüre erklingen, steht der Patenonkel von Clara, Drosselmeier, auf der Vorbühne und skizziert die Traumlandschaften. Mit einem übergroßen Hut zeigt er die Haltung die seiner Rolle entspricht, er, der die fantastischen Gestalten und Landschaften herbeizaubert, die Clara so erfreuen.

Es ist Weihnachten in einer bunten Welt. Clara die Tochter der Familie Silberhaus, erwartet das Eintreffen der Verwandten mit ihren Geschenken. Und da kommen sie auch mit Schlitten, auf Skiern und zu Fuß voll bepackt mit Präsenten. Ein großes Hallo, Küsschen hier und Küsschen dort. Clara merkt man die Spannung an, sie will wissen was in den Paketen ist. Was fehlt? Die Großeltern sind noch nicht da, die aber schon herein humpeln und nachdem sie dann endlich sitzen, kurz aber auch freudig die Verwandten begrüßen.  Dann ein Pas de deux der überraschend durch die älteren Herrschaften getanzt wird. Die Farbpalette der Kostüme und des Bühnenbildes werden durch Pastellfarben dominiert. Grün, rot und blau hellen die Bühne als auch die Tänzer in eine lustige und traumhaft schöne Szene auf. Bühnenbild und Kostüme erinnern irgendwie an Legoland und die Janoschzeichnungen, sie regen die Fantasie an. Und man fühlt sich wohl mit diesen Bildern. Dazu, eine begeisterte und freudig agierende Clara die sich über den Besuch ihrer Verwandten freut, dass spricht den Zuschauer an und entführt ihn in die Handlung.

Aber es sind ja noch nicht alle da. Im Halbdunkel und Hintregrund erscheint Claras freundlicher Patenonkel Drosselmeier mit einem Assistenten. Beide mit einem großen Hut ausgestattet zeigen sie schon ihre besonders herausragende Position. Drosselmeier, ein Zauberer, zaubert auf die Schnelle das Weihnachtsmahl für die Anwesenden auf den Tisch. Für Clara hat er einen Harlekin und einen lebenden Spielzeugsoldaten aus einem Karton als besonderes Geschenk gezaubert. Der Clou ist jedoch, ein Nussknacker den Drosselmeier Clara schenkt. Allerdings ist der Nussknacker ein Frosch. In einer wilden Rangelei geht der Nussknacker zu Bruch und verliert ein Bein.

Diese Rangelei ist allerschönstes Ballettschauspiel was  zum schmunzeln animiert. Wobei die einzelnen Personen so schön dargestellt werden, dass man manchmal vor Freude laut loslachen möchte. Mimik und Gestik mit dem Tanz bereiten einen Heiden Spaß, bei einer so gut aufgelegten Ballett Compagnie.

Die Grosseltern sind da Foto: (c) Linde Arndt

Die Grosseltern sind da Foto: (c) Linde Arndt

Da sind die Großeltern, die offensichtlich mit dem Rücken schwere Probleme haben und das Mitleid der Verwandtschaft genießen. Dann aber springen sie auf und legen einen variantenreichen Tanz hin. Zu guter Letzt liegt der Großvater schlafend am Rande der Festtafel. Oder wie das junge Paar mit Skiern auf die Bühne kommt und lachend mit dem Po wedelnd sich dabei an den Stöcken festhält. Alles ist in Bewegung, alle freuen sich und mitten drin Clara, die das Fest genießt.

Drosselmeier versucht nun den Nussknacker zu kitten, mit einem Wasserpumpenschlüssel, es ist schon eine lustige Gesellschaft.

Clara ist müde und legt sich etwas hin. Die Geschenke sind weggepackt und die Nacht beginnt.

 

Kampf der Mäuse Foto: (c) Linde Arndt

Kampf der Mäuse Foto: (c) Linde Arndt

Clara schläft und träumt von einer Schlacht der Mäuse und Pfefferkuchen-Soldaten die jetzt lebendig sind. Es steht nicht gut um die Pfefferkuchen-Soldaten und Clara, denn ein Mäusekönig scheint die Oberhand zu bekommen. Man hält den Atem an und bangt um Clara und die Soldaten. Der Nussknacker tritt auf und versucht Clara zu retten indem er den Mäusekönig angreift, gerät aber auch in Schwierigkeiten. Clara kommt dem Nussknacker zu Hilfe und schleudert einen Hausschuh nach dem Mäusekönig. Da liegt der Mäusekönig nun und bekommt noch einen Tritt en passant von seinen Mäusen. Als die Mäuse vertrieben sind, outet der Nussknacker sich als Prinz. Die Freude ist natürlich riesengroß.

Schneeflocken-Ballett in "Der Nussknacker" Foto: (c) Linde Arndt

Schneeflocken-Ballett in „Der Nussknacker“ Foto: (c) Linde Arndt

Auf einmal senken sich Schneeflocken über das Bild. Und diese Schneeflocken beginnen zu tanzen. Die Kostüme der Schneeflocken und auch der Tanz kommen mit einer Lspielerischen Zartheit daher, die  an den realen Tanz im Winter erinnern. Es ist ein Ballett welches in Kreisen und Spiralen mit ihren federleichten Kostümen die Bühne ausfüllt – ein Gefühl der Leichtigkeit breitet sich aus. Ein fantastisches Bild welches an die Unschuld der beiden, Clara und des Prinzen, erinnern.

Clara und ihr Prinz gelangen wie von selber, von den Schneeflocken getragen, in das Reich der Zuckerfee. Sie sind jetzt Zuschauer bei einer Abfolge von spanischen, orientalischen und chinesischen Tänzen die sich vor ihren Augen abspielen. Es sind sehr lustige und bunte Tänze (Treiben) , die teilweise naiv mit den Geschlechterrollen daher kommen.

Pas de deux Foto: (c) Linde Arndt

Prinz und Zuckerfee Foto: (c) Linde Arndt

Da war aber noch der Auftritt der Zuckerfee durch Jelena-Ana Stupar und ihres Prinzen mit Alysson da Rocha, die uns aus dem bunten Treiben herausführen. Harmonisch, anmutig und absolute Beherrschung des Tanzes führen uns jetzt wieder in ruhigere Sphären. Die Zuckerfee ( Jelena-Ana Stupar) zeigt mit ihren Fouettés und Pirouetten ihr großes klassisches Können, es ist nicht nur Technik bei ihr, vielmehr kommt alles aus einer harmonischen Jelena-Ana Stupar. Die Harmonie dominiert auch als sie mit Alysson da Rocha (Prinz) mit einem eingespielten und einnehmenden Pas de deux zum Ende des Gesamtstückes beitragen.

Clara und ihr Prinz werden aus der Szene entfernt und wachen nun auf. Der Traum ist vorbei, es war ein schöner Traum.

Die Premiere am Samstag, dem 24. Oktober 2015 war ein überwältigender Erfolg.  Dieses Stück wird sicher der Dortmunder Ballettbühne noch eine ganze Weile ausverkauft erhalten bleiben.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Dortmund

Alle Fotos © Linde Arndt
Viele weitere Fotos finden Sie auch auf www.lindearndt.de

 

Hier können Sie Karten kaufen:


Und hier noch weitere Termine "Der Nußknacker":
Sa, 31. Oktober 2015
Sa, 07. November 2015
Fr, 13. November 2015
Fr, 27. November 2015
So, 29. November 2015
So, 13. Dezember 2015
Do, 17. Dezember 2015
So, 20. Dezember 2015
So, 20. Dezember 2015
Sa, 26. Dezember 2015
So, 10. Januar 2016
So, 10. Januar 2016
Sa, 23. Januar 2016
Do, 28. Januar 2016
Mi, 17. Februar 2016

H.A.M.L.E.T – Die Geburt des Zorns. Ballett Uraufführung in Dortmund

[jpg] Was haben der 17-jährige Tim Kretschmer aus Winnenden, der 19-jährige Robert Steinhäuser  aus Erfurt, der 18-jährige Bastian B. aus Emsdetten und der 25-jährige Hamlet, Prinz von Dänemark miteinander zu tun? Vorerst einmal nichts. Die drei ersten waren Amokläufer die eine Zeit lang durch die Nachrichten geisterten. Und Hamlet ist eine Titelfigur in einem Shakespeare Drama.

Und doch sind viele Analogien zwischen den Personen und deren Handlungen deutlich zu erkennen.
Der Dortmunder Ballettdirektor Xin Peng Wang war durch die Amokläufer und ihre Tat zutiefst betroffen und hatte das Bedürfnis diese Taten aufzuarbeiten. Hier kam ihm die Tragödie Hamlet von Shakespeare, dessen Inhalt er in seinen Verstrickungen als gleichartig einstufte, zu Hilfe. Hier wie dort kam es zu einem finalen Ende, welches unsägliches Leid erbrachte – für Andere als auch für jene, die dieses Leid auslösten. Hier wie dort waren es Menschen, die in ihrer Einsamkeit und ihrem Anderssein sich in diese Handlungen hineinsteigerten. Hier wie dort waren es die Beziehungen Gesellschaft, Einzelpersonen die solche Handlungen begünstigten, ja geradezu einen Zwang auf die Akteure ausübten.

               
   Foto: ©Bettina Stoess  

Wang tat sich mit dem Dramatur Christian Baier zusammen um ein abendfüllendes Ballett zu erarbeiten. Christian Baier war zuerst kritisch, ließ sich aber von Wang überzeugen als er die ersten Gedanken und deren Umsetzung auf der Probenbühne sah. Gesucht und gefunden hatte Wang den in Estland geborenen Arvo Pärt,  der in der musikalischen Erlebnis-Tradition der Minimalisten der 70er Jahre steht. "Pärts Werke machen das menschliche Grundbedürfnis nach einer Verbindung von Ästhetik, Ethik und Spiritualität, die in unserer überwiegend säkularisierten Gesellschaft so oft der Politik und Ökonomie untergeordnet werden, deutlich und erlebbar", so die Jurybegründung des internationalen Brücke-Preises. Damit waren die drei Eckpunkte für eine herausragende Ballettaufführung gegeben – eine Uraufführung. Die szenischen Stationen des Stückes ergaben  mit:
Honesty (Ehre), Agony (Agonie,Teilnahmslosigkeit), Mother (Mutter also Eltern), Love (Liebe), Eternity(Ewigkeit,  Sinnhaftigkeit, Dauer, Bestand), Truth (Wahrheit) letztendlich ein Psychodrama welches ein gesellschaftliches Phänomen tragisch skizziert. Freuds Traumdeutungen haben hier offensichtlich Pate gestanden.

Die Besetzung:

Hamlet: Mark Radjapov
Ophelia: Jelena-Ana Stupar
Mutter:Monica Fotescu-Uta
Stiefvater: Howard Lopez Quintero

Drei Geister: Eugeniu Cilenco,Sergio Caraecci, Adrian Robos
Drei Schatten: Svetlana Robos, Esther Perez Samper, Sayo Yoshida
Drei Schauspieler:Rosa Ana Chanza Hernandez, Philip Woodman, Luke Forbes

Zur Handlung:

Hamlet , dänischer Prinz, kehrt aus der Fremde (Wittenberg) an den dänischen Hof zurück. Sein Vater ist tot und seine Mutter an der Seite eines anderen Mannes. Er fühlt sich fremd und alleine zu Hause. Schlafend erscheinen ihm drei Geister die die Geschichte vom Tod seines Vaters erzählen. Sie liefern ihm das was ihm sein Fremdsein erklärt, den nicht natürlichen Tod seines Vaters. Das Schmeicheln seiner Mutter sich ihrem neuen Glück doch hinzuwenden empfindet er als Täuschung.

Da erscheint Ophelia die er früher umworben hatte und die er auch noch liebt. Nur er möchte den vermeintlichen Mord an seinem Vater erst aufgeklärt wissen.

Auf einer Hofgesellschaft ( Corps de ballet ) wird durch drei Schauspieler ein "Königsmord" gespielt. Der Mord wird durch das Einträufeln von Gift in das Ohr des Königs dargestellt.
Hamlet erkennt die Szene aus seinem Traum wieder und beschuldigt seine Mutter des Mordes an dem Vater. Sein Stiefvater weist ihn vor der versammelten Gesellschaft zurecht. Hamlet fühlt sich gedemüdigt und ausgestoßen. Ophelia versucht ihn mit ihrer Liebe zu ihm aus der Einsamkeit und Traurigkeit zu befreien. Hamlet empfindet die Liebe Ophelias als weitere Kränkung, denn ihre Liebe ist nunmehr nur Mitleid für ihn. Ophelia sieht sich brutal zurück gelassen und dem Inhalt ihrer reinen Liebe beraubt. Dem Inhalt ihres Lebens beraubt sucht Ophelia den Freitod.

Ophelias Freitod wird entdeckt und es beginnt das was beginnen musste. Die geschlagenen Wunden   verlangen Opfer. Es gibt keine Versöhnung mehr, da die Liebe gestorben ist. Jetzt haben die schon immer vorhandenen Geister freien Lauf. Schweigen.

Fassungslos sieht der Zuschauer auf die Bühne: Wie konnte es dazu kommen?

So tanzt Mark Radjapov den Hamlet stolz und mit einer Traurigkeit der ihn blind für die Liebe macht. Der Pas de deux mit  Jelena-Ana Stupar als Ophelia wird so zu einem innigen und rührend anmutenden Tanz, der die reine Liebe verkörpern könnte. Inniglich schmiegt sich Ophelia an Hamlet der scheinbar sich ihr hinwenden will, es aber nicht schafft. Und  Jelena-Ana Stupar in ihrem Tanz der zu dem Freitod führt, der den Kampf zwischen dem Leben und der Hingabe zum Tod darstellt ist eine herausragende eindrucksvolle Leistung die überzeugt. Monica Fotescu-Uta als Mutter, die ja nur ihr eigenes Glück will, überzeugt mit ihrer Zurückhaltung in der Bewegung und erzeugt dadurch die Ernsthaftigkeit einer Königin. Sie will Leben in ihrer neuen Liebe.
Das Corps de ballet stellt mit seinem Tanz  beklemmend die Uniformität der Gesellschaft dar, Bewegungen sind synchron wie kopiert, nur die Hüllen der Tetraeder, ob groß oder klein, lassen eine Unterscheidung zu. Der vermeintliche Mord an dem Vater Hamlets, der von den drei Schauspielern gespielt wird, ist faszinierend wie der König wie beiläufig ermordet wird.  Rosa Ana Chanza Hernandez, zieht die Schultern ein, so als wenn sie sagen wollte, sorry, es sollte wohl so sein. Unwohl fühlt sie sich aber doch und begibt sich wieder in die Reihe der Gesellschaft zurück.

Das Dortmunder Ballett hat wieder einmal mehr ein außerordentliches und herausragendes Thema zur Aufführung gebracht, welches den Zuschauer an die Grenzen seiner Gefühle führt. Es fordert zum Nachdenken auf und die bequemen Denkschematas zu verlassen und sich letztendlich den Fragen zu stellen, die dieses Stück fordert. Kann es sein, dass wir immer wieder Menschen in ihrer Einsamkeit der Depression überlassen, nur weil sie anders sind? Sollten wir nicht etwas vorsichtiger mit jedem von uns umgehen? Das Schweigen am Ende lässt uns allein. Jeder muss sich dieser Frage stellen um zu einer eigenen Antwort zu kommen. Machen wir es uns nicht zu leicht, indem wir alles als Schicksal abtun? Die Frage der Schuld steht auch vor uns ganz persönlich. Xin Peng Wang hat sich dieser Frage gestellt. Tun wir es auch.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Dortmund.


Info:

Die nächsten Vorstellungen sind:

November 2010    06., 10., 13., 19.
Dezember 2010    03., 19., 19., 30.
Januar       2011    02., 08., 14., 20.
Februar     2011    05., 09., 18.

Karten unter  ticket-hotline: 0231/50 27 222

oder im Internet unter:http://www.theaterdo.de/tickets.php

sowie an der Theater- und Abendkasse.

 

 


 

Beeindruckende Bilder vom Theater Dortmund
[Fotos: ©Bettina Stoess]