Demokratischer Konsens
[jpg] 1945 ging der zweite Weltkrieg zu Ende, ein Krieg der über 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hat.
Halb Europa lag in Schutt und Asche, Menschen standen vor dem Nichts, waren entwurzelt und wussten nicht wie sie den nächsten Tag überleben sollten. Der Krieg einmalig in der Geschichte, der so grausam war, weil Deutsche systematische Ausrottungen von vielen Völkern in allen Ländern Europas betrieben hatten.
6 Millionen Juden wurden durch dieses System industriell ermordet. In der Wannsee Konferenz wurden Menschen jüdischen Glaubens generalstabsmäßig der Ermordung den Tötungslagern, also den Konzentrationslagern, zugetrieben. In Folge sollte dies auch mit den anderen Ethnien, Volksgruppen, geschehen. Die Dimension der Tötungsmaschinerie durfte ich im Lager Birkenau für mich als Mitglied der Aktion Sühnezeichen erfahrbar machen.
Schuld war damals eine Ideologie, die grausamer nicht sein konnte. Sie maßte sich an, zu bestimmen welcher Mensch etwas wert ist und welcher nicht – die Herrenrassetheorie. Schuld waren aber auch Menschen die dieses Verbrecherische, ohne sich nur einen Gedanken zu machen, umsetzten. Schuld waren aber auch viele Menschen die dieses verbrecherische Sytem mit trugen, sei es das sie keine Fragen stellten oder sei es das sie unreflektiert dem System zu jubelten.
Das System damals wurde nur durch eine Partei getragen, der NSDAP, die einem Führerkult anhing, ihr Führer war Adolf Hitler der sich mit Menschen umgab, die seine, in einem Werk, "Mein Kampf" verfassten Gedanken bereitwillig umsetzten, ja sogar in seiner Grausamkeit noch überboten.
Nach dem Krieg riefen unsere Väter und Mütter, "Nie wieder Krieg und nie wieder Faschismus". Im Geschichtsunterricht wurden unserer Generation über diese Ideologie und den Zeitraum nur die allgemeinen Geschichtszahlen beigebracht. Deshalb gab es in den 60er Jahren eine zentrale Forderung diese Zeit in den Schulen besser aufzuarbeiten. Das Lernfeld sollte, so die Forderung damals heißen, die Logik der damaligen Ideologie zu verstehen und das verbrecherische klar herauszuarbeiten.
Mitte der 60er kamen aber die ersten Neonazis in die Landesparlamente. Die politischen Parteien waren damals entsetzt, hatte man sich doch der trügerischen Hoffnung hingegeben, diese Ideologie wäre im Orkus der Geschichte entsorgt. Nur es gab noch zu viele der alten Nazis, die diese Ideologie weiter trugen und verharmlosten. Die Justiz bereitete nur zögerlich mit Prozessen die Aufarbeitung voran, Ausschwitz wurde erst 1962/1963 vor Gericht aufgearbeitet. Die damalige Außerparlamentarische Opposition (APO) brachte eine Wende im Denken der damaligen Politik. Es wurde mehr Demokratie gewagt aber auch gelebt. Dadurch kamen auch die damaligen Parteien mehr ins Gespräch, es entstand der Gedanke des demokratischen Konsenses.
Der Gedanke: Falls jemals wieder eine Nachfolgeorganisation der NSDAP in irgendeinem Parlament oder Rat Fuß fassen wollte und sollte, so wollten alle Parteien diese Partei mit allen ihnen zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln ausgrenzen. Das funktionierte damals auch ganz gut, die damaligen Nachfolgeorganisationen verschwanden auch wieder aus den Parlamenten. Danach hörte man nur wie diese Unverbesserlichen weiter auf den Strassen der Republik ihre dumpfen Parolen schrien. Die Wähler mochten diese Leute nicht wählen. Alle dachten dieses Thema hat sich wohl erübrigt.
Nur keiner wollte sehen, dass nach der Wiedervereinigung, bedingt durch die sozialen Verwerfungen in der ehemaligen DDR, die Neonazis wieder Fuß fassen konnten. Nur klappte es nicht so recht mit den Wahlen.
Heute sehen wir uns einer Organisation gegenüber die sehr facettenreich versucht die Ideologie in unsere Demokratie zu verankern. Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern machte den Anfang, die Neonazis zogen in den Landesparlamenten ein. Während der Konsens sich in Mecklenburg – Vorpommern bewährte, die Parlamentarier dort eine kluge Ausgrenzungsstrategie anwendeten, hatte das Parlament in Sachsen bis heute noch Schwierigkeiten diese erfolgreiche Strategie anzuwenden.
Parallel änderten die Neonazis ihrerseits grundlegend ihre Strategie, Ziel: Es sollten die Kommunen erobert werden. Also die Bewegung von unten nach oben installiert werden. Auch wurde die Sprache verändert, nicht mehr Ausländer raus wurde plakatiert, sondern beispielsweise, Ausländische Staatbürger die von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld leben, die Rückreise in ihr Heimatland zu ermöglichen. Sie merken was Sprache zu bewegen vermag. Auch wurden Kommunen ausgesucht [ die Neonazis sind inzwischen sehr effizient organisiert] die schwache demokratische Räte haben und wo das Protestpotenzial sehr groß ist. Denn so geht man in diesem Strategiepapier davon aus, hier wäre der Widerstand am geringsten. Diese Indizien kann man an relativ wenigen Parameter festmachen und nachweisen.
So ist es nicht verwunderlich, dass die NPD Kandidaten alle 20 Wahlbezirke besetzen eine Reserveliste von immerhin 12 Kandidaten und einen Bürgermeisterkandidaten stellen konnten. Der Wahlausschuss behandelte die Causa Mehner in allen Einzelheiten bis hin zu einer zweifachen Ehrenerklärung sehr ausführlich, was sehr ungewöhnlich für einen gescheiterten Wahlantrag ist, dass aber die formellen Voraussetzung der NPD leider erfüllt wurden, dafür fand er kein einziges Wort. Der demokratische Konsens beinhaltet aber ein "Flagge zeigen". Wenn Herr Kraft von der CDU eine persönliche Erklärung im Namen des gesamten Rates abgeben darf, so wäre es angesagt gewesen, diese auch im Zusammenhang mit der Zulassung der NPD auszuweiten. Dann so weiter der Konsens, der inzwischen auch seit Jahren durch die Medien im Internet aber auch bei den Printmedien Bestand hat, durfte der Bürgermeisterkandidat der NPD in einem Forum seine Sicht der Dinge als 192ü Andre ( 1920 ist das Gründungsjahr der NSDAP ) verbreiten. So ist es doch in allen ernsthaften Internetforen gang und gäbe, solche Beiträge unverzüglich zu löschen, da gab und gibt es nie eine Diskussion. Ob der an anderen Orten postende Andre18 ( 18 steht für Adolf Hitler) mit dem vorher genannten identisch ist konnte ich nicht heraus bekommen. Weiter konnten wir heraus bekommen, dass es ein Bündnis gegen "Rechts" hier in Ennepetal gab, in welchem der Bündnisgrüne Sven Hustadt Mitglied war, dieses Bündnis soll aber seit Jahren nicht mehr getagt haben.
So denke ich heute, Ennepetal scheint wirklich eine Insel der Glückseligen zu sein, an der das Weltgeschehen einfach vorbei zieht. Wenn Ennepetal schon nicht wahr haben will, dass es außerhalb der Stadtmauern noch eine andere Welt gibt, so mögen sich die Verantwortlichen doch ein bisschen mehr für dieses Thema sensibilisieren.
Denn man muss nicht unbedingt abwarten, bis die Wasserträger dieser Neofaschisten mit CD´s und Flugblättern vor den Schulpforten stehen und unsere Jugendlichen mit ihren griffigen Parolen einseifen. Auch muss man nicht warten bis die Kitas, Kindergärten, Schulen über Elternpflegschaften oder sonstige ehrenamtliche Mitarbeiter infiltriert werden. Die Neonazis haben sich grundlegend geändert, also muss auch bei uns eine grundlegende andere Strategie erarbeitet werden, das sind die Verantwortlichen ihren Bürgern schuldig.
Im Norden unserer Republik holt man die Sandsäcke raus wenn Sturm aufzieht, damit der Sturm nicht das Wasser in die Häuser bringt. Nur hier hat man noch nicht einmal Säcke gekauft, geschweige denn den Sand.
Damit sich die Verantwortlichen auch richtig informieren können, hier ein Link über dieses Thema, ich nehme mal nur die unverfänglich neutrale Wochenzeitschrift Die Zeit, die mit anderen ein Bündnis im Internet gegen Rechts mit initiert hat.
Netzt gegen Nazis
Amadeu Antonio Stiftung
Ein PDF Blatt von Klickts. Geh Nazis nicht ins Netz.
Zum Schluß möchte aus dem Gründungsaufruf zur Aktion Sühnezeichen zitieren, welches von Präses Lothar Kreyssig am 30. April 1958 verlesen wurde:
"Wir Deutschen haben den Zweiten Weltkrieg begonnen und schon damit mehr als andere unmessbares Leiden der Menschheit verschuldet: Deutsche haben in frevlerischem Aufstand gegen Gott Millionen von Juden umgebracht. Wer von uns Überlebenden das nicht gewollt hat, der hat nicht genug getan, es zu verhindern."
Diese Worte haben noch heute ihre Gültigkeit und Aktualität nicht verloren.
Jürgen Gerhardt