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Aus der Zeit in den Raum gefallen

 

 
[jpg] Da wird ein dichter Urwald auf der Bühne aufgezogen und jemand schwingt durch die Bäume. Steine werden mitten auf die Bühne getragen und abgelegt. Dann, etwas später,  poltern weitere Steine mit lautem Getöse ins Bild. Ein Tempel brennt ab. Ein Schiff schaukelt im Meer, welches durch Assistenten belebt bis stürmisch gehalten wird. Ein Riesenfisch mit einem wilden Reiter wird in die Szene geschoben. Und zu allem vergeht die Zeit, die mehrfach rechts und links digital angezeigt wird – Sekunden für Sekunden, die zu Minuten werden.

Wie unbeabsichtigt stehen Sänger und Sängerinnen herum, laufen auf die Bühne oder werden herein getragen,  singen und gehen wieder ab.  Schriftzüge mit Texten in verschiedenen Sprachen werden sichtbar und verschwinden wieder. Die Auftritte werden von 32 Assistenten, die als Statisten, Tänzer oder Techniker auftreten, begleitet.

Da tritt die Walküre, Carmen, Napoleon, ein griechischer Held neben einer nicht zur Rolle passenden Musik auf. Die passende Musik hört man jedoch in einem anderen Zusammenhang an anderer Stelle.

„Europeras 1 & 2“ feierte am 17. August 2012 seine Premiere und war von Heiner Goebbels die Erstvorstellung seiner Intendanz bei der Ruhrtriennale 2012. „Europeras 1 & 2“ von John Cage, der übrigens in diesem Jahre 100 alt geworden wäre, passt zu Heiner Goebbels und seinem Ruf als experimenteller Theaterschaffender.

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Überhaupt scheinen die Zahlen eine große Bedeutung in dieser Inszenierung und dem Zusammenhang zu spielen. Die 64 Felder des I Ging, 128 Opern zur Auswahl, 32 Szenen und 32 Musiker als Solisten ohne Orchestergraben und Dirigenten, all dieses nur für ein Ziel. Die Oper soll von ihren Zusammenhängen befreit werden und als unabhängiges und absichtsloses Musiktheater neu entstehen. Handlungen gibt es nicht, Aussagen auch nicht. Europera 1 stellt sich als eine Aneinanderreihung von Szenen und Elementen dar, die streng voneinander getrennt sind. Das Stichwort: Dekonstruktion kommt bei der Aufführung auf. Goebbels hat mit der Aufführung von Europeras 1 & 2 nach der Sinnhaftigkeit von Kompositionen und ihren Anordnungen gefragt, indem er eben alles aus dem Kontext einer Oper gezerrt hat und dem Besucher zur Überprüfung und Einordnung vorgelegt hatte. Selbst der Fall eines Vorhangs, der ja das Ende einer Aufführungseinheit signalisieren soll, wird als Einzelelement ohne Zusammenhang in Frage gestellt. Aus dem Dunkel der Hinterbühne wird die Technik auf einmal zum Hauptdarsteller des Stückes, indem die Technik einen Bühnenbildversuch ansetzte. Das Stichwort: Fluxus verleitet nach der Analyse von Sinn oder Unsinn einer Oper. Nein, es macht eben keinen Sinn. Der Besucher sollte loslassen von einer Einordnung der Handlungsabfolge mit Musik, Beleuchtung ( Sehr wichtig!) und Personen. Es ist! – mehr nicht. Und John Cage, lässt er uns alleine? Nein. „I welcome whatever happens next.“ (Ich begrüße, was als Nächstes passiert. ), sagte Cage in einem anderen Zusammenhang.
Sprich, für das Neue ist sicherlich der Vergleich mit Vergangenen nicht gerade förderlich.

Nun war da noch Europera 2, das ganz und gar anders angelegt war. War Europera 1 mehr offener und auch ohne Grenzen angelegt, so kam Europera 2 intimer daher. Das Bühnenbild stellte eine barocke Piazza dar, die mit einem Musselinvorhang dar gestellt wurde. Alles in schwarz und weiß. Ein Hund rennt über die Piazza, Tag- und Nacht-Stimmung wird dargestellt, indem dunkle Wolken aufziehen. Mitten im Bild wird die Tiefe mit Linien ausgelotet, die aber wieder verschwinden. Dann sind da die 10 SängerInnen in dunklen Kostümen, welche die Szene betreten, bespielen und nach links oder rechts abtreten. Die Szenen strahlen etwas Konspiratives aus. Die Kostüme erinnern an die italienischen Commedia dell’arte Gruppen, die auf den Piazzen spielten. Hier kommen die Gesten im vorübergehen zum tragen, das Übertragen von Nachrichten aus dem gesellschaftlichen Leben.

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In zweier oder dreier Gruppen steht man zusammen und überbringt das Neuste. Blicke werden gewechselt, Wissende von Unwissenden getrennt, oder auch nur ein Morgenspaziergang mit körperlichen Übungen verbunden. Sicher könnte das der Marktplatz der Eitelkeiten sein. Auch hier passen die vorgetragenen Stücke nicht zu den Bildern Es ist aber durch die etwas intimere Fläche und die einheitlicheren Kostüme eher zu akzeptieren und nicht so anstrengend.

Heiner Goebbels ist mit dieser Erstarbeit im Rahmen seiner Intendanz eine gute handwerkliche Arbeit gelungen. Aber nicht nur das, vielmehr hat er Cage mit allen seinen augenzwinkernden “ Widersprüchlichkeiten" bestens umgesetzt. Er hat sogar durch den Auftritt der Elektro-Hebewagen (Technik) noch etwas drauf gesetzt und ein zerstörerisches Element in das Werk einfließen lassen. Kritisch würde ich jedoch den etwas sparsamen Umgang mit der Beleuchtung sehen. Cage sah die Beleuchtung als eigenständiges Element mit welchem er gerne mehr gearbeitet hätte.

Wie immer ist es der Ruhrtriennale gelungen einen neuen ganz eigenen künstlerischen Akzent zu setzen, der es verdient hat auch außerhalb der Metropole Ruhr Gehör zu finden.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum
[Fotos: © Linde Arndt]

[siehe auch die Gallery unserer Fotojournalistin zu diesem Thema]

Der ewige Kampf zwischen Kopf und Bauch

   
Pressekonferenz im Dampfgebläsehaus der Jahrhunderthalle, Bochum v.l. Michal Rovner / Professor Heiner Goebbels / Lemi Ponifasio
 

[jpg] Sie haben schon einmal eine Oper gesehen? Klar. Da gibt es die Ouvertüre mit einem Leitthema, drei Akte. Das wesentliche ist jedoch: Sowohl in der Komposition als auch im Libretto gibt es eine „Linie“ nach der das Stück aufgebaut wird und letztendlich zu seinem Ende kommt.Vergessen sollte man in diesem Jahr diese Regeln. Musik und Text müssen nicht einer Linie folgen. Oder doch?

Am 6. August 2012 war die Auftaktpressekonferenz der Ruhrtriennale 2012/2013/2014, es geht also wieder los.

Der amerikanische Komponist John Cage wäre in diesem Jahr ( 5. September ) 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Grunde hat sich Professor Heiner Goebbels entschlossen für die Aufführung von Europeras 1+2 die Regie zu übernehmen. Am 17. August ist Premiere und sämtliche Vorstellungen sind restlos ausverkauft, übrigens, wird an diesem Tage Professor Heiner Goebbels 60 Jahre alt.

Warum Cage? Nur weil er 100 Jahre geworden wäre? Nein. Cage deshalb, weil er als Amerikaner mit dieser Oper den Europäern zeigen wollte, dass auch die USA eine eigene Identität haben sollten. Cage deshalb, weil er mit dieser Oper ein experimentelles Werk geschaffen hat. Cage deshalb, weil gerade die Ruhrtriennale bekannt ist für ihre außergewöhnlichen Produktionen. Kurz, es gibt viele gute Gründe Cage zur Aufführung zu bringen.

Zur Oper selber.
Es gibt auf der Bühne 64 aufgemalte Felder in der 100 Meter weiten Jahrhunderthalle in Bochum. Es gibt 10 herausragende SängerInnen, die von ~ 30 Instrumentalisten und von ~60 Assistenten unterstützt werden. Und dann gibt es noch den Zufallsgenerator. Dieser Zufallsgenerator ( I Ging ) wirft nach einer bestimmten Einstellung eine Feldnummer und meinetwegen eine Arie aus 128 bekannten europäischen zur Verfügung stehenden Opern aus. Zu den Opern gibt es 32 Bilder. Kostüme und Bühnenbilder ergeben sich. Europera 1 dauert 90 Minuten und Europera 2 dauert 45 Minuten. So ist der Regisseur vor der Vorstellung teilweise selber gespannt auf den sich ergebenden Verlauf.

Während der Aufführung entsteht somit eine neue Oper oder aber auch ein neues Gesamtwerk, welches aber so nicht wiederholbar ist. Es sind zwar alles alte Werke der letzten 200 Jahre aber durch die willkürliche Zusammensetzung entstehen neue Melodien, Szenen die zwar bekannt, aber in ihrer Zusammensetzung so noch nie gehört wurden. Problematisch wird es für Menschen die in ihrer Neugier schwach ausgeprägt sind. Man muss sich schon darauf einlassen können. Wie sagte der Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen Dr. Frank Hoffmann so treffend: Seien Sie neugierig.

Außer  Cages Europera 1& 2 seien noch folgende interessante Vorstellungen erwähnt:

"Lecture on Nothing"

Robert Wilson liest John Cage
            22.  August 2012, 28. August 2012
            Jahrhunderthalle Bochum
 
Künstlergespräch Europeras 1&2

mit Heiner Goebbels und dem Produktionsteam der Inszenierung
19. August 2012, 31. August 2012, 2. September 2012
            Jahrhunderthalle Bochum

tumbletalks 1 – 8

Heiner Goebbels / Holger Noltze
            ab 17.  August 2012
            Museum Folkwang, Essen

 "Current"

Kommen wir zu der anwesenden Künstlerin Michal Rovner. Die israelische Künstlerin ist mit ihrer Arbeit „Current“, die am 18. August in der Mischanlage, Zeche Zollverein, Essen, präsentiert wird, vertreten.

„Datazone 1, cultur table #, 2003"
Parallel wird in den Räumen des  Museums Folkwang ein weiteres Werk „Datazone 1, cultur table #, 2003 zur Ausstellung gelangen.

Mit Tumbletalk 2 wird am nächsten Tag dem 19. August ein Gespräch mit Michal Rovner und Michael Morris stattfinden.

 
Michal Rovner

 Michal Rovner hat mit ihrem Werk „current“ Spuren und Zeiten der Mischanlage aufgenommen und diese in einer Videoarbeit umgesetzt. Die Mischanlage wurde für die Vermengung von verschiedenen Kohlequalitäten gebraucht. Über die Jahre entstanden Rückstände aus den vergangenen Produktionsprozessen. Nimmt man nun die Bauweise der Anlage, den Nutzungs- und Abnutzungsgrad als auch die verbliebenen Rückstände, ergeben sich drei Terminis die dem Kunstwerk zu Grunde liegen.

Rovner ist bekannt für Grenzüberschreitungen in ihrer Kunst, indem sie Grenzen überdehnt um letztendlich ihre Belastbarkeit zu erkunden. Es scheint ihr Spaß zu machen Räume zueinander in eine andere Beziehung zu setzen um sie damit einer Stresssituation auszusetzen. 

Als Israelin wurde sie einer ständigen wechselnden Realität ausgesetzt, deren Gefährdungsgrad sie immer in die Nähe eines mittleren Bebens brachte.
Zu Michal Rovner sei auch gesagt, dass sie eine international anerkannte zeitgenössische Künstlerin ist, die mit Professor Heiner Goebbels seit 2005 eine enge künstlerische Partnerschaft einging. Mit dem Werk „Fields of Fire“, einer großen Video- und Klanginstallation im Jeu de Paume/Paris, hat sie sich einen internationalen Namen gemacht.

„Prometheus“

Vorgestellt hatte sich nunmehr Lemi Ponifasio, gebürtig aus Samoa, als internationaler renommierter Regisseur  und Choreograf Neuseelands. Er wird in der Duisburger Kraftzentrale Carl Orffs ungekürztes Musiktheater „Prometheus“ nach Aischylos  am 16. September (Premiere) zur Aufführung bringen. Wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass dies eine Neuinszenierung sein wird und darüber hinaus Ponifasios erste Musiktheaterarbeit darstellt. Ponifasio und Carl Orff, zwei Künstler die sich beide  auf die Ästhetik des Beginns (Archetypus) eines wie auch immer gearteten  menschlichen Dialogs zurückziehen. Wobei Prometheus, der Kulturbringer schlechthin, beiden den Stoff liefert, den sie für diese, ihre Arbeit,  gesucht haben. Pontifasio setzt Prometheus in unsere heutige Zeit in der der moderne Mensch sich in der beschleunigten Welt ausgesetzt fühlt. Prometheus und der moderne Mensch begehren in ihren Welten auf um eine andere Welt einzufordern. Regie führt Peter Rundel, Chor wird von dem stimmlich bewährten „Chorwerk Ruhr“ nunmehr unter der Leitung von Florian Helgath, gestellt. Die Tänzer der MAU Company werden die Aufführung verstärken und Prometheus wird von Wolfgang Newerla gesungen.

 
Lemi Ponifasio                


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  Es ist nicht alles beschrieben worden was in der Pipeline ist. Bis zum 17. August werden 900 Künstler angereist sein, die teilweise aus Übersee kommen. Es werden über 100 Veranstaltungen, 37 Produktionen auf 12 verschiedenen Spielstätten aufgeführt. 30 Vorstellungen sind schon ausverkauft, viele haben nur noch Restkarten zu bieten. Wenn es so weiter geht, wird die Ruhrtriennale 2012 eine Auslastung von über 85% haben. Es geht um die Metropole Ruhr und nur dafür ist die Ruhrtriennale geschaffen worden. Jedoch landete der Bereich Kultur in der Metropole Ruhr in einer Studie der Hamburger Berenberg Bank  im unteren Mittelfeld.  Lediglich die Stadt Essen konnte einigermaßen im Kulturranking punkten. Stuttgart, Dresden oder Berlin sind die Städte auf den vorderen Plätzen. 
Wenn man allerdings weiß wo man steht, so kann man seine Kräfte bündeln um nach vorne zu kommen.

Kultur ist und bleibt ein inzwischen harter Faktor bei der Standortfrage eines industriellen Betriebes. Warum? Kultur ist das „Schmiermittel“ der ersten Wahl in einer intakten Gesellschaft. Ein Trost, es wird noch weitere Studien geben. Die Metropole Ruhr wird sicher seine Chancen nutzen.
Bei 900 Künstlern sollte das oben genannte nicht alles sein, woran die Ruhrtriennale arbeitet um am 17. August die Spielzeit 2012/2013 zu beginnen.

Rafael-Lozano Hemmer
Am 17. August wird im Westpark hinter der Jahrhunderthalle Bochum eine interaktive Lichtinstallation, „Pulse Park“ von Rafael-Lozano Hemmer die Besucher überraschen. Der kanadisch-mexikanische Künstler Rafael-Lozano Hemmer  verwandelt mit Einbruch der Dunkelheit den Westpark in einen Lichtpark. Die gemessenen Herzschläge der Besucher steuern einen computergesteuerten Sensor, der übernimmt diese Schläge um sie sodann in Licht- und Tonsignale umzusetzen. Der gesamte Park wird dadurch zu einem einmaligen Begegnungsraum.

"Our CenturY"

Seit dem 16. Juli werden Folke Köbberling und Martin Kaltwasser mit einem Bauprojekt „Our CenturY“ rund um die Jahrhunderthalle Bochum bis zum 30. September mit über hundert Freiwilligen eine Alternative zum derzeitigen sozialen Zusammenleben sichtbar machen. Irgendwie erinnern die beiden an Alexander Mitscherlich mit seinem „Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden“. Unsere heutigen Städte stehen alle vor dem Kollaps, sind fast unbewohnbar, so dass die Menschen aus den Städten fliehen. Folke Köbberling und Martin Kaltwasser setzen unserer eindimensionalen realen Lebensumwelt einen kritischen Widerstand entgegen. Der Fortgang der Arbeiten kann jederzeit bei freiem  Eintritt besichtigt werden. Auch ein Mitmachen ist jederzeit möglich.

 
Folke Köbberling, dahinter v.l. Martin Kaltwasser und Professor Heiner Goebbels                

Ein weiterer Schwerpunkt der Professor Heiner Goebbels am Herzen liegt, sind Studierende aller Fachrichtungen. Während der Ruhrtriennale 2012 wird es einen „Internationalen Festivalcampus“ geben. Dozenten, Studierende und Künstler aus 12 unterschiedlichen Hochschulen des In- und Auslands werden in einen Diskurs mit dem Theater als eigenständige Realität treten. 150 Teilnehmer  werden mit dem Team der Ruhrtriennale eine sicherlich spannende und interessante aber auch strittige Begegnung haben. Des weiteren wird StudentInnen < 27 Jahre auf alle Vorstellungen ein 50% iger Rabatt eingeräumt – dies ist einmalig für die Ruhrtriennale. Auch sind weitere Vergünstigungen für StudentInnen <27 Jahre durch die Intendanz der Ruhrtriennale veröffentlicht worden. Erwähnt sei das „Last-Minute Ticket“ oder der Studentenpass, aber es wurden auch 50 Freikarten für StudentInnen verlost.


Professor Heiner Goebbels im Gespräch
  Selbstredend sind die Aktivitäten die Professor Heiner Goebbels bist jetzt entwickelt hat andere als die seiner Vorgänger.

Und bis jetzt war es immer ein herausragendes Erlebnis die verschiedenen Intendanten vom Gründungsintendant Gerard Mortier angefangen über Jürgen Flimm und Willy Decker mit ihren Arbeiten zu begleiten.

Heiner Goebbels wird mit seiner Persönlichkeit einen weiteren Pfeiler für die Geschichte der Ruhrtriennale darstellen.

Gefühlsmäßig, also mit dem Bauch, sollten wir in den Stücken Wege erkennen, neue Wege, der Kopf sollte diese Wege alsdann benennen können. Kampf entsteht nur dann wenn unsere Unsicherheit uns nicht verlässt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum

[alle Fotos © Linde Arndt]

Cage-Oper Europeras 1&2 drei Monate vor Festivalbeginn bereits ausverkauft

  Rund drei Monate vor Eröffnung der Ruhrtriennale 2012 sind bereits 17 Vorstellungen ausverkauft, darunter alle sechs Abende der Eröffnungsproduktion Europeras 1&2 von John Cage, inszeniert vom künstlerischen Leiter der Ruhrtriennale Heiner Goebbels und seinem Team in der Jahrhunderthalle Bochum, und das Open-Air Konzert der japanischen Gruppe Boredoms auf der Halde Haniel in Bottrop
Ausverkauft sind außerdem das Konzert des Mandelring Quartetts im Essener Maschinenhaus und die von PACT Zollverein, Essen, für die Ruhrtriennale veranstaltete Tanzperformance von Laurent Chétouane Sacré Sacre du Printemps.

Im Duisburger Landschaftspark ist darüber hinaus die Premiere von Romeo Castelluccis Theaterarbeit FOLK. vollständig gebucht. Tickets für spätere Vorstellungen sind hier aber ebenso noch verfügbar wie für Wojtek Ziemilskis Prolog in Essen.

Für Carl Orffs Prometheus und When the mountain changed ist clothing von Heiner Goebbels, die zwei weiteren großen Musiktheaterproduktionen der Ruhrtriennale in der zweiten Hälfte des Festivals, sind Tickets noch in allen Kategorien verfügbar. Auch für viele Vorstellungen auf Zollverein, u.a. Robert Lepages Theaterstück Playing Cards 1, oder in der Bochumer Jahrhunderthalle, u.a. den Tanzstücken En Atendant und Cesena von Anne Teresa de Keersmaeker, und an den Spielstätten in Gladbeck und Duisburg gibt es Karten.

 
Heiner Göbbels {Intendant der Ruhrtriennale 2012-2014]
Foto: © Linde Arndt

Die Ruhrtriennale empfiehlt eine frühe Ticketbuchung. Einen Rabatt von 10% auf alle Tickets erhalten Frühbucher noch bis einschließlich 16. Juni 2012. Vielkäufer erhalten zusätzlich einen Rabatt von 10% bei Buchung von mindestens vier verschiedenen Vorstellungen in einem Kaufvorgang. Kinder, Schüler und Studenten (bis zum 26. Lebensjahr) erhalten gegen Vorlage eines entsprechenden Nachweises 50 % Ermäßigung auf alle verfügbaren Karten. Der Vorverkauf 2012 läuft seit dem 16. April.

Die Ruhrtriennale bringt vom 17. August bis 30. September 2012 zahlreiche internationale Künstlerinnen und Künstler in die Metropole Ruhr. Über 30 Produktionen, darunter rund 20 Uraufführungen, Neuproduktionen und Deutschlandpremieren sowie zahlreiche Konzerte und Gastspiele verwandeln die herausragenden Industriedenkmäler der Region in spektakuläre Aufführungsorte für Musik, Bildende Kunst, Theater, Tanz und Performance.

Die Ruhrtriennale wird gefördert vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes
Nordrhein-Westfalen sowie von der Europäischen Union – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung. Gesellschafter:
Land Nordrhein-Westfalen, Regionalverband Ruhr und Verein pro Ruhrgebiet.

Europeras 1&2 wird gefördert von der Kunststiftung NRW, Prometheus durch die Kulturstiftung des Bundes.
Gelsenkirchen, 25. Mai 2012
Cage-Oper Europeras 1&2 drei Monate vor Festivalbeginn bereits
ausverkauft. Ruhrtriennale 2012 mit großer Resonanz im Vorverkauf.
Insgesamt 17 ausverkaufte Vorstellungen.
Frühbucherrabatt von 10% auf alle Tickets noch bis 16. Juni 2012.

Die Unmöglichkeit etwas einfaches nur zu machen

 


Prof. Franz-Xaver Ohnesorg
[Intendant]
  [jpg] 100 Jahre wäre der Komponist John Cage in diesem Jahr geworden. Es war ein Treffen mit der Vergangenheit (zumindest für mich) in der viele in der Kunstszene (aber nicht nur dort) nach dem Lustprinzip lebten und auch arbeiteten ( ! ).

Das Lustprinzip fungierte dabei wie ein Zufallsgenerator. Man wusste nie wohin es einen führte oder trieb. Und weil das so war, kannte man vorher auch kein Ergebnis.

Aber es klappte, die Ergebnisse konnten sich zumindest sehen lassen.

 Und so traf man sich im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr im Folkwang Museum um mit zwei Weggefährten diesen 100. Geburtstag „würdig“ zu begehen.

Margaret Leng Tan fing mit einem präparierten Flügel und ihren „Toys Pianos“ an.

Tags darauf referierte Prof. Dr.Wulf Herzogenrath über den Bildenden Künstler John Cage.

 
Margaret Leng Tan

 Aber zurück zum Abend mit Margaret Leng Tan. Krach, Geräusche stehen gleichberechtigt neben einem komponierten Akkord. So war das Stück ONE durch Frau Leng Tan ein Erlebnis das, wenn man sich darauf einließ, eine Erweiterung des Bewusstseins bewirkte. Im präparierten Flügel stand ein Löffel, ein Radiergummi oder Papierblätter die ein Klangvolumen für eine Psychedelische Musik geben konnten. Es erinnert mich an die Filmmusiken die Luis Buñuel (Filmemacher) für seine Filme aussuchte. Es gab aber auch noch andere Komponisten, wie Erik Satie oder Robert Caby um noch weitere zu nennen. Aber auch erinnerte mich das an den Film "Der Würgeengel (1962) von Buñuel " in welchem die Gesellschaft Gefangene ihres eigenen Denkenmusters waren, aus denen man nie ausbrechen kann. Man kann zwar den Raum wechseln nicht jedoch das Denken.

   

Frau Leng Tan führte uns aus dem eigenen Gefängnis mit ihrem radikalen Spiel. Alles war möglich, Leng Tan war selber Instrument und korrespondierte mit den anderen Instrumenten. Da war ein Rufen in den Resonanzboden des Flügels,  eine eigenständige Melodie. Das Schweigen von Frau Leng Tan, an die 20 Takte lang, erbrachte die Melodie des eigenen Kreislaufes. Langgezogene Töne wurden durch ansteigende und abfallende Töne überlagert. Ein Hupen oder das Klingeln einer Fahrradklingel fügten sich in ein Gesamtwerk ein. Kräftige und starke Griffe in die im Inneren des Flügels befindlichen Saiten folgten auf ein harmonisches Spiel. Selbst die Umbauphasen konnten als konzertant wahr genommen werden. Es war ja nicht so, als wenn der Flügel oder die Toys Pianos nur zu einem Spiel zur Verfügung standen. Vielmehr führte Frau Leng Tan eindrucksvolle Genzüberschreitungen vor. Es war nicht nur Musik, vielmehr malte Frau Leng Tan auch ein Bild. Es war eine höchst inspirierende Aufführung die Frau Leng Tan dem Publikum bot.

Und da kommt der Gedanke von Cage durch Frau Leng Tan zum Tragen:

"Die Künste existieren nicht isoliert voneinander, sondern ziehen einander ins Gespräch. Vieles in der neuen Musik (kompositorische Mittel, Notationen, die grafisch sind) ist eine Erwiderung auf die moderne Malerei und Skulptur (Marcel Duchamp, Großes Glasbild, das von seiner Umgebung nicht mehr getrennt ist; das ‚Fundobjekt‘, die geworfenen Fäden). Jede Kunst kann jedoch vollbringen, was die andere nicht vermag. Es ist daher vorauszusehen, dass auf die neue Musik eine neue Malerei antworten wird – eine, die wir noch nicht gesehen haben."

 (John Cage)

Nein, Frau Leng Tan ging weiter indem sie nichts einer Isolation sah. So hörte man und damit sah man bei den 36 Takten von „Waiting“ das weiß einer leeren Leinwand. Aber ist sie, die Leinwand wirklich leer? Robert Rauschenberg hat mit seinen weißen, roten und schwarzen Bildern die Antwort zu „Waiting“ gegeben. Leng Tan sah die Zeit nicht als Einschränkung sie ließ sie in das Konzert mit einfließen um mit ihr zu spielen. Sie sprach mit ihrem Konzert das Publikum an, welches die schon gemalten Bilder in der Jetztzeit malte.Und da wir schon in dieser Zeit sind, so wollte Frau Leng Tan auch eine politische Botschaft überbringen indem sie mit einem Happening gegen das Elefanten töten demonstrierte. Da waren die Schreie der Tiere im Hintergrund zu hören, während Frau Leng Tan mit einer stoischen Mine Papiere abstempelte und dies alles fließend in das Konzert einband, als sie zum Schluß die abgestempelten Papiere – „Toy Pianos Don´t Kill Elephants“ an die Zuhörer verteilte.

Zu guter Letzt erklang noch auf dem Flügel ein codiertes „Happy Birthday“ für John Cage.

  Am nächsten Tag hörten wir Prof. Dr. Wulf Herzogenrath mit einem Vortrag über John Cage. Erst einmal hat Herzogenrath als Kurator eine eigene sehenswerte Ausstellung in Berlin an der Akademie der Künste, Hanseatenweg Hallen kuratiert. Soviel Zeit muss sein.

Herzogenrath ein Zeitgenosse von Beuys, Alexej Jawlensky oder Günter Uecker wusste vom bildenden Künstler John Cage zu erzählen. Cage war neugierig, hungrig auf alles Neues. Alles ließ er in sich rein um es dann in einer anderen Form wieder auszugeben. John Cage sah sich nie alleine, vielmehr sah er sich in einer großen Gemeinschaft die ihm vieles gab.

     
Zeit seines Lebens lebte er von der Improvisation auch im privaten wirtschaftlichen Bereich. Er war ein zu groß gewordenes Kind welches nichts bei sich behalten wollte und konnte. Eine Zeit lang lebte er in Europa um sich den europäischen Einflüssen auszusetzen. Als 27 jähriger kuratierte er 1939 Paul Klee und Alexej Jawlensky in einer eigenen Ausstellung. Klänge, Geräusche, Krach, Worte ergaben mit dem Zufall ein Kunstwerk für Cage. Du musst bereit sein für Lösungen nicht für Probleme! Klare Fragen, die zu Aufgaben werden, sollten an die Kunst gestellt werden, so eine Losung der Zeit.  

Zeitweise war Cage im Bauhaus mit den Avantgardisten Piet Mondrian, Fernand Léger, Maholny-Nagy, Otto G. Carlsund und wurde selber zum Avantgardisten. Überall war Cage dabei, so war Anni und Josef Albers für ihn ein Quell der Inspiration, die er in North Carolina kennen lernte. Die Versuche mit Arnold Schönberg, der die Aufgabe der Dur-Moll-Tonalität damals betrieb, brachten ihm andere Welten näher. Auch Schönberg sah Kunst nicht in einer „Kiste“, sondern wollte auch die Bildende Kunst mit der Musik bereichern.

Ohne John Cage wäre die bildende Kunst aber auch die Musik ärmer. Er hat Wege aufgezeigt, wo es davor Grenzen gab. „Der Würgeengel (1962)“ von Buñuel konnte damit nur noch als Vorlage dafür dienen wie armselig unsere Welt verkommen kann. Es ist alles ganz einfach zu machen, man muss es nur tun. Die Welt hat keine Grenzen im Denken und damit auch Handeln.

 

         
Fotos vom präparierten Flügel
 

Und dann wurden wir doch Zeuge einer Grenzbegehung im Folkwang Museum als die Besucher in Gruppen unterteilt wurden um die korrespondierende Ausstellung mit einer sicherlich kompetenten Führung zu sehen. Nichts soll mehr dem Zufall überlassen werden, heute, aber vielleicht nicht für immer. Ab und an will man noch die Grenzen aufzeigen – die Angst ist in der realen Welt  eben zu groß.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen

[Alle Fotos © Linde Arndt]