[jpg] Ja, wir hatten eine Finanzkrise in der westlichen Welt. Und ja, unser System stand vor dem Orkus der Geschichte. Wenn es nach den Regeln der Marktwirtschaft gegangen wäre, bekämen wir jetzt von China und Russland Entwicklungshilfe. Aber wie das so mit Regeln ist, sie gelten nur so lange wie sie demjenigen nutzen der sie aufgestellt hatte. Und die Regeln des Marktes nutzten uns nichts mehr, vielmehr hätten sie uns geschadet.
Also pumpten wir Billionen in das marode Finanzsystem um dem Untergang zu entgehen. Nur, die Krise wirkt nach, weil eben vorgenannte Regeln nicht geändert wurden.
Über Ennepetal brach auch die Krise herein, wir gebärden uns zwar wie die Bewohner der "Insel der Glückseligen", mussten aber schmerzhaft erkennen auch wir gehören zu dem vorgenannten System. Also brachen die Steuereinnahmen 2009 um rund 50% ein und zwar überproportional. Die Rücklagen waren schnell aufgebraucht, die Krise aber noch da. 2010 waren Wahlen und so traute man sich nur halbherzig und zaghaft auf das Desaster aufmerksam zu machen.
Kräftig versuchte man das drohende Haushaltssicherungskonzept (HSK) weg zu reden. Was allerdings nicht so recht klappte. Der EN-Kreis machte unmissverständlich darauf aufmerksam, es geht nicht ohne HSK und lehnte den Haushalt 2010 ab. Ein Sturm der Entrüstung ging durch die Ratssitzung indem man behauptete der Kreis wollte Ennepetal etwas antun. Rund 24 Mio. Euro drückt Ennepetal an den Kreis ab, da sollte doch der Kreis dankbar sein. Eine Legende von Ennepetaler Ratsmitgliedern. Denn für die 24 Mio. Euro leistet der Kreis ja auch was und zwar nicht zu knapp. Aber wie das so ist in Ennepetal, die Stadtverwaltung nimmt lieber aber gibt nicht so gerne. Jedoch es nutzte nichts. Der Haushalt 2010 ging, weil sich alles so in die Länge zog sodann durch, dafür hatte dann Ennepetal extra eine Beratungsfirma (Wir haben es ja) beauftragt um die Zahlen besser darzustellen. Nun, musste man an den Haushalt 2011 und das dazu gehörige Haushaltssicherungskonzept.
Spätestens jetzt hätten die kompetente Verwaltung als auch die Ratsmitglieder die Krise als Chance sehen müssen um den Haushalt 2011 solide und ausgewogen zu gestalten. Heute musste ich erkennen, die Stadt Ennepetal hat diese Chance nicht ergriffen und legte einen Haushalt vor, der eine Mischung von Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip, Kürzen nach Beliebigkeit, Verschieben auf Sankt Nimmerleinstag oder gar Wunschdenken dass sich die Zahl auch verwirklicht.
Es war schon beschämend wie angeblich vernunftbegabte Menschen versuchten den Sparbegriff in die Tat umzusetzen. Jeder private Haushalt, der jeden Euro zweimal umdrehen muss, hätte bei diesen Beratungen das kalte Grausen bekommen.
Noch einmal, die Krise als Chance und weiter, die Politik als Gestalterin eines Gemeinwesens. Die Chance bestand darin, indem man sämtliche Fachbereiche und ihre Beziehung zueinander auf den Prüfstand gehoben hätte. Die Chance bestand darin, die freiwilligen Leistungen – auch wenn sie fremdfinanziert wurden – auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen. Dabei hätte es sein können, dass einige Produkte erhöht werden mussten und andere gekürzt oder hätten sogar gestrichen werden müssen.
Teilweise hat man das ja auch getan, aber nicht fachbereichsübergreifend. Insofern gestalteten sich die Haushaltsberatungen eher wie eine Erbsenzählerei ohne Sinn und Verstand.
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Da war die Inszenierung um die Senioren-beiträge um 9.000,– Euro in einem sehr frühen Stadium der Haushaltsberatungen. Die Seniorenverbände wurden provokativ verhöhnt indem man ihnen unterstellte sie würden ihre Beiträge als Kaffeegeld einsetzen.
Und es ging noch weiter, indem man den Senioren vorschlug einen Antrag für diese Tasse Kaffee beim Bürgermeister einzureichen, so Sabine Hoffmann von den Bündnisgrünen. |
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Die Provokation wurde auch aufgenommen und gipfelte in einer Demo der Senioren im Ratssaal, einmalig für Ennepetal. Dieses lenkte aber auch ab von den anderen Zahlen die schon herum geisterten. Aber es legte auch die Unverhältnismäßigkeit der Kürzungen offen. Denn auf der anderen Seite sollte, nur als Beispiel, das Bremenstadion wie selbstverständlich eine Überdachung für 1 Million erhalten. Die Überdachung war also wichtiger als die ehrenamtliche Tätigkeit der Seniorenverbände, die ja immerhin dafür sorgen, dass die Stadt Ennepetal keine Zuschüsse für Senioren zahlen muss, weil sie die Alten- und Pflegeheimkosten nicht zahlen muss. Sollen die Alten doch bleiben wo sie sind, was kümmert es uns, so der Tenor des Rates und der Stadtverwaltung.
Dann war da noch der Kulturetat der überproportional gekürzt wurde. Die Politik und mit ihr der Bürgermeister forderte den Tourismus für Ennepetal mehr herauszustellen. Nur wie soll das funktionieren wenn man diejenigen, wie z.B. ein Verkehrsverein oder dem SGV die Zuwendungen kürzt? Unter dem Aspekt Fördern und Fordern hätte man diese Vereine sogar mit mehr Mitteln ausstatten müssen. Aber nein, da macht man ein Infobüro in Milspe auf welches sich mit dem Verteilen von Flyern beschäftigt. So kann man Tourismus nicht aufbauen.
Über den Bahnhof möchte ich erst gar nicht schreiben, es ist nach meiner Ansicht ein tot geborenes Kind wofür man noch nicht weiß welchen Sarg man ihm verpassen will. Nur, 70 Tsd Euro wurden schon mal verpulvert.
Dann ist da noch der schulische Bereich. Stolz berichtete man, welche technischen Errungenschaften unsere Schulen haben. So die "Whiteboards" oder Apple Notebooks in den Schulen. Nur fragt man die Schüler nach dem Aufbau eines Netzwerkes oder eines Rechners ist hängen im Schacht. Die Wirtschaft braucht gut ausgebildete Menschen. Und zu einer guten Ausbildung gehört auch die Fähigkeit strukturell zu denken und zu handeln. Und wo kann man dies besser tun, als bei der Erstellung einer Netzwerktopografie oder bei dem eigenen Rechnerbau. Applecomputer sind zwar gute Computer sind jedoch reine Statuscomputer und verleiten dazu keine eigenen Ideen zu entwickeln. Anders die Open Source Bewegung, sie fordern den innovativen Nutzer der sich Gedanken um Verbesserungen in den Abläufen macht, der Theorie und Praxis miteinander verbinden kann und echte effiziente Lösungen erbringt.
Was noch in diesem Bereich auffällt, die personelle Ausstattung in gewissen Bereichen scheint sehr dünn zu sein. Da bringt die Stadt sich in das Jeki Projekt ein, staubt Musikinstrumente ab und stellt dann fest, es fehlen Lehrkräfte. Ein böser Verdacht kommt da auf.
Zumindest sieht es so aus, es sind zwar Sachkosten getätigt worden ob aber die personellen Voraussetzungen geschaffen wurden, ist zumindest zweifelhaft. Ich kann mir schon vorstellen, dass Investitionen getätigt wurden, die jetzt irgendwo in der Ecke liegen, weil die Voraussetzungen nicht bedacht wurden. |
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Kommen wir zum Sportbereich. Wir haben den TuS Ennepetal der in der Westfalenliga im Mittelfeld liegt und Blau Weiß Voerde die in der 2. Kreisliga spielt. Ausgestattet sind beide aber als wenn sie in der Regionalliga West spielen würden. Wenn man einmal über die Anlagen geht oder die Sportheime betritt, meint man, man hätte es mit einem Promisportverein zu tun. Alles vom Feinsten. Fragt man die Sportler nach ihren Ambitionen, schauen die einen verdutzt wegen dieser Frage an. Fragt man die Verantwortlichen, ob sie für die Sportstätten etwas bezahlen müssen hört man verwundert, wieso. Abends ab 18:00 Uhr sind die Plätze schon mal taghell mit einigen tausend Watt beleuchtet und man sieht eine handvoll Kicker auf dem Platz. In anderen Städten ist es durchaus üblich, dass die Sportvereine die Finanzierung ihrer Sportstätten zu 100% selber decken
und darüber hinaus Miete für die Anlage entrichten.
Im Haushalt sind bis 2015 sehr viele Positionen für die Sportvereine eingebracht worden. Ohne Gegenleistung. Warum? Weil alle Politiker meinen durch diese Gaben potenzielle Wähler für sich zu gewinnen. Ein Trugschluss wie man in anderen Städten schon herausbekommen hat.
Kommen wir zu der Stadtplanung und Wirtschaftsförderung. Ja hier hängt man noch dem Gedanken nach die Gewerbesteuer von 403 % würde der Stadt mehr Wirtschaftsbetriebe bringen als anderswo.
Nach diesem Argument müsste die Stadt Straelen mit einem Hebesatz von 310% sich vor Anfragen kaum retten können und die Stadt Düsseldorf mit seinen 440% dürfte kein einziges Wirtschaftsunternehmen haben.
Tatsächlich ist es jedoch umgekehrt. Weil viele Faktoren bei der Standortbestimmung eine Rolle spielen. Und wenn ein Wirtschaftsunternehmen den Hebesatz einer Gemeinde als herausragendes Kriterium nimmt, so sind doch Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens angezeigt. |
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Ziel einer guten Wirtschaftsförderung sollte sein, krisensichere und wirtschaftlich starke Unternehmen anzusiedeln. Denn die gemachten Investitionen in die Infrastruktur sollen sich für eine Gemeinde rechnen. Und mit dem Rechnen hat die Stadt Ennepetal erhebliche Probleme.
So vermisst man bis heute eine Kosten/Nutzen-Analyse des Industriegebietes Oelkinghausen. Auf diesbezügliche Fragen erhält man nur schön gefärbte allgemeine Antworten die mit Wunschdenken einhergehen. Und so bleibt den politischen Entscheidern auch kein Argument als nur auf den niedrigen Hebesatz hinzuweisen. Und dieser Hinweis hört sich immer so an, wir sind der billige Jakob im Kreis. Auch in diesem Fachbereich sieht man nur Ansätze, die aus der Mottenkiste einer längst vergessenen Wirtschaftsförderung kommen. Denn moderne Wirtschaftsförderung setzt auf die Attraktivität der Gemeinde. Und Attraktivität, was ist das, so fragt man sich seit Jahren in Ennepetal.
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Der Jugendbereich, der ja auch immer ein Bereich ist der die Zukunft einer Gemeinde darstellen soll, ist schon ein Bereich der einem die Tränen in die Augen treibt. Seit Jahren wandern die jungen Ennepetaler vermehrt ab. Warum wohl? Weil Jugendpolitik nur daraus besteht, dass man den Jugendlichen den TuS, Blau Weiß, RSV oder sonst einen Verein empfiehlt. Kinder und Jugendliche werden in Ennepetal nicht ernst genommen.
Ein Beispiel: Das Jugendparlament wurde einmal angedacht, weil es eben andere auch andachten. Da versuchte Herr Schilling mit den Schulen ein Jugendparlament einzutüten. Nach drei Jahren stellte Herr Schilling fest die Jugendlichen wollen ja nicht. Wollten sie wirklich nicht? Die Gelder für dieses Parlament wurden gekürzt, Herr Schilling macht jetzt einen auf Citymanager und das Jugendparlament wanderte in den Schreibtisch des Fachbereichsleiters. Tatsächlich wurden weder umsetzungsfähige Konzepte erarbeitet noch wurden diesbezügliche Gespräche geführt. Gespräche mit den SchülerInnen der Realschule und des Gymnasiums durch uns ergaben, es war den SchülerInnen nicht bekannt, dass es solch eine Möglichkeit geben sollte. Jugendarbeit heißt auch immer Überzeugungsarbeit. Wo und wen hat die Stadtverwaltung versucht zu überzeugen?
Zu guter letzt die Personalkosten. Ich habe einmal die Zahlen von Gevelsberg genommen, die in etwa unserer Stadt vergleichbar ist. Hier die Ergebnisse:
Personalaufwendungen in Mio. Euro:
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2010 |
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2011 |
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2012 |
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2013 |
Gevelsberg |
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10,7 |
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10,6 |
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10,5 |
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10,4 |
Ennepetal |
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14,9 |
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15,4 |
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15,4 |
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15,4 |
Wie man unschwer erkennen kann hat Gevelsberg weniger Personalaufwendungen als Ennepetal, obwohl beide Städte die selbe Einwohnerzahl haben. Was man aber auch noch sehen kann, in Ennepetal ist von 2010 auf 2011 ein kräftiger Schluck aus der "Pulle" genommen worden. Dies kann nur sein, indem nochmals schnell Beförderungen vorgenommen und Neueinstellungen vollzogen wurden, bevor in 2011 das Haushaltssicherungskonzept greift.
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Die Einnahmeseite stellte sich für Ennepetal denkwürdig und mysteriös dar. Die Frage: Wieso wird die Gewerbesteuer, sprich der Hebesatz erst 2012 angehoben? Und warum hat man diese nicht schon 2011 erhöht?
Es gibt eine Antwort und die kam, als ich die Information über ein Gespräch des Kämmerers Kaltenbach bei der FWE erfuhr. Als der Kämmerer gefragt wurde, warum er die Hebesätze nicht schon in 2011 erhöht hat, antwortete er, das der Bürgermeister und er im Wort stünden. Was für ein Wort soll er dort gegeben haben? Und was war der Anlass solch ein Wort zu geben? |
So genannte Annehmlichkeiten für die Beiden? Nein, das glaube ich nicht, dafür sind die Beiden zu bieder und unwichtig. Nun die Gewerbesteuer wird am Firmensitz erhoben. Was ist wenn die Firmen bei denen der Kämmerer und der Bürgermeister im Wort stehen ihren Firmensitz verlagern können und wollen? Dorma, Febi, ABC sind international tätige Firmen mit Firmensitz in Ennepetal. Ein leichtes den Firmensitz ins Ausland zu verlagern. Nur man braucht Zeit um eine Verlagerung vorzunehmen. Ein Jahr Zeit, das käme hin. Denn es braucht nur der Papierkram gemacht zu werden, physisch muss die Firma nicht verlagern. Die Firmensitzverlagerung ist ein probates Mittel um die Steuern zu senken und im Ausland gibt es keine Gewerbesteuer.Es müssen aber nicht die großen Firmen in unserer Stadt sein, es können auch mehrere kleine Firmen sein. Und dann macht die vorgenannte Antwort Sinn. Wie gesagt, die Wirtschaft ist in Zeiten der Globalisierung eine Andere geworden. Darüber hinaus hat Ennepetal nie etwas getan um eine nachhaltige Standortbindung zu erzeugen – wie auch.
So gehe ich aus den Haushaltsberatungen mit einem Gefühl heraus, dass Ennepetal wieder einmal mehr eine Chance, die in der Krise lag, verpasst hat, dass die politischen Entscheider aber auch die Stadtverwaltung ziel- und planlos den Haushalt als auch das Haushaltssicherungskonzept erarbeitet haben, welcher das gedruckte Papier nicht wert ist. Die Kürzungen der Senioren, dass waren nur Alibikürzungen um allen zu zeigen, seht her wir sparen wirklich. Alle Sitzungen in den Ausschüssen und im Rat waren bis auf ein paar Ausrutscher in der Regel emotions- und teilnahmslos durch die Mehrzahl der Teilnehmer geleistet worden. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck ich säße in einem Autistenclub, der die Einwohner und deren Belange der Stadt vollkommen ausgeblendet hat. Einschnitte, wenn überhaupt, sollten und hatten mehr eine Symbol- und Alibifunktion. So waren die Haushaltsreden der einzelnen Fraktionen mehr oder weniger Wiederholungen der Reden des vorigen Haushaltes 2010. Es haben sich Widersprüche ohne Ende aufgetan, sowohl bei den agierenden Personen als auch den Institutionen Rat der Stadt und der Stadtverwaltung.
Nachdenklich sitze ich nun hier und denke über unsere Demokratie nach. Und ich denke wir sollten den Artikel 20 Absatz 2 unseres Grundgesetzes wörtlich nehmen, wonach alle Macht vom Volke ausgeht. Wir sollten uns von den Parteien nicht zu politischen Allesfressern machen lassen; denn die Parteien schauen nicht mehr auf uns, sondern sie wollen dass wir uns auf sie fixieren. Und das kann es ja nicht sein. Die Senioren um Frau Schneider und Herrn Thun haben den Anfang gemacht, es sollte nicht beim Anfang bleiben. Ein bisschen Demokratie kann nie schaden.
So bleibt nur noch die Chronistenpflicht für mich. Bei der Ratssitzung waren 36 von 40 Ratsmitgliedern anwesend. Die Beschlussvorlage über den Haushalt wurde mit 25 ja Stimmen gegen 12 nein Stimmen angenommen. Der Bürgermeister stimmte als 37. Mitglied mit ja. Lediglich beim Personalwirtschaftskonzept wurde einstimmig mit ja gestimmt. Die SPD stimmte komplett mit nein, außer bei dem Personalwirtschaftskonzept. Endlich ist das unwürdige Schauspiel vorbei.
Ach ja, da ist ja noch die Steuerschätzung die Mehreinnahmen von 61 Mrd. erwarten, ich betonen erwarten. Diese Erwartung löst schon einmal Begehrlichkeiten bei der FDP aus, Steuersenkungen auf Pump zu machen. Was soll es, wir zahlen ja jetzt schon Zinsen im sechsstelligen Bereich, auf ein paar 10.000 Euro mehr oder weniger kommt es doch nicht an.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal