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Jetzt reicht es!

[jpg] Da wird ein Bundeswahlkampf geführt, wofür es erst einmal ein Volk geben müsste.  Argumente werden nicht ausgetauscht. Holzschnittartige Slogans werden erstellt und mit Photoshop geschönte Kandidaten werden den Wählern unter die Nase gehalten. Die Leitmedien mühen sich auch nicht die Politikprominenz zu fordern, sie verstärken nur die vorhandene Szene von Dummheit. Eine Steigerung der Verdummungskampagne stellen hier die öffentlich rechtlichen Sendeanstalten ARD und ZDF dar.

 

Pädophilievorwurf

Anne Will, Journalistin und Moderatorin, befasste sich in ihrer Sendung vom 18. September gefühlte 2 Stunden mit dem Pädophilievorwurf gegen Jürgen Trittin von den Grünen.

Hintergrundinformationen gab es nicht durch Frau Will. Warum auch? Mit einer dementsprechenden ernsten und vorwurfsvollen Miene wurde nicht nur die Ernsthaftigkeit sondern auch die Verwerflichkeit des Vorwurfs noch verstärkt.

Jürgen Trittin Quelle:  CC BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Jürgen Trittin
Quelle: CC BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gleichwohl stammt der Vorwurf aus einer Zeit (´60er – ´90er Jahre) in der im Bereich der Sexualität eine Befreiungsrevolution in Deutschland stattfand. Man denke an die Vergewaltigung in der Ehe, die für das bürgerliche Lager von CDU/CSU Jahre ganz in Ordnung war. Erst 1997 wurde nach jahrelangen Kampf das Gesetz geändert und gab den Frauen auch in der Ehe einen gesetzlichen Schutzraum. Kinder verprügeln, wurde auch gegen den Widerstand des bürgerlichen Lagers von CDU/CSU unter Strafe gestellt. Homosexualität, verschwand aus dem Strafgesetzbuch, war nicht mehr strafbar. Es ging aber noch weiter. Immer gegen das bürgerliche Lager.

Die Deutschen mussten in den Ende 60er bis in den 80er Jahren lernen was Sex überhaupt ist. Bei der Aussprache der Wörter Sex, Geschlecht oder dem menschlichen Körper musste in den Wohnungen erst einmal die vollkommene Dunkelheit hergestellt werden – es war halt schmuddelig und auch noch Sünde. Fast sämtliche Tabus des Bereichs Sex wurde von der APO, den Studenten, in Frage gestellt. Erinnern Sie sich „Antiautoritäte Erziehung“ (Sommerhill, A.S Neill’s ), von den Konservativen/Bürgerlichen verteufelt, den Progressiven empfohlen. Was sollte es aber mit den Kinder geben? Hatten die keine sexuellen Bedürfnisse? Klar hatten sie welche.  Freud nannte sie die oralen und analen sexuellen Phasen die letztendlich in die genitale Phase übergehen. Zwischen den einzelnen Phasen standen bürgerlich, konservative Eltern, die ihren Zöglingen mit körperlichen Bestrafungen drohten, wenn sie ihren Körper erkundeten. Masturbation, also die Selbstbefriedigung, wurde danach streng, auch körperlich, bestraft. Das alles wurde von den Progressiven abgelehnt. Mutter und Vater überwanden die Grenzen zu Hause indem sie sich auch nackt ihren Zöglingen zeigten. Die Zimmer in der gemeinsamen Wohnung waren offen. Anfangs gab es keine wie auch immer geartete Intimität, das Thema Rückzugsgebiete gab es noch nicht.

Viele Ideen die damals umgesetzt wurden, erkannte man danach als falsch und stellten sie ab. Und eine dieser Ideen war die Sexualität mit Kindern. Das war eine kontroverse Idee. Es war aber niemals an Missbrauch gegenüber den Kindern gedacht worden. Es war ja erst der Anfang einer Zeit, in der Menschen über Sex redeten. 1972 wurde in der Wissenschaft menschliche Sexualität erst akzeptiert und untersucht, in den USA mit Masters und in Deutschland mit Sigusch. Wie also sollten die Grünen die Tragweite ihrer Idee von 1981 überschauen? Sollten sie sich an die bürgerlich/konservative CDU/CSU wenden, die genau wie die katholische Kirche es als Sünde bezeichnete? Wohl kaum. Also wurde die Idee weiter getragen.

Das aber eine Journalistin wie Anne Will diese Thema aufgegriffen hat  und den Grünen kriminelle Kinderschänderei ( Heute Pädophilie, damals Unzucht mit Abhängigen) unterstellt ohne den Kontext auszuleuchten ist doch mehr als unverschämt. Ich denke die Journalistin Anne Will wollte anscheinend selber Wahlkampf betreiben. Für wen? Die FDP hat es ja auch anscheinend geschafft.

 

Veggieday

Vegetarisches Buffett  Foto: Linde Arndt

Vegetarisches Buffet Foto: Linde Arndt

EN-Mosaik hatte diesen Vorschlag als albern abgetan. Das dieser Vorschlag eine Eigendynamik entwickeln könnte hat hier niemand gedacht. Warum? Für unsere Redaktion war und ist es selbstverständlich Restaurants oder Kantinen aufzusuchen wo neben Fleischgerichten, bei denen übrigens das Schweinefleisch gekennzeichnet ist, Fischgerichte und vegetarische Gerichte angeboten werden. In einigen dieser Häuser bemerken wir neuerdings wieder, dass es koschere Gerichte gibt und die Gruppe der Veganer von den Köchen auch bemerkt wurde. Jetzt aus diesem Angebot einen staatlichen Zwang zu konstruieren ist doch mehr als fragwürdig.

Das das Volk der Deutschen zu dick ist und dies ein gesundheitliches Problem ist, ist ja wohl nicht von der Hand zu weisen. Und einmal auf den zu hohen Fleischkonsum hinweisen, scheint bei vielen Leit(d)medien eine dankbare Vorlage gewesen zu sein. Hauptsache es ist ein Aufreger.

 

Steuererhöhungspläne

1 bis 4 Billionen Euro werden an Steuern hinterzogen, betrogen, optimiert oder vermieden. In irgendeinem Briefkasten in Delaware (USA), Kayman Isle oder in einem sonstigen Steuerparadies werden diese Gelder gebunkert. Den Staaten – auch Deutschland  – fehlen die Gelder um in die Infrastrukturen zu investieren. Soziale Dienste müssen auf ein Mindestmaß herunter gefahren werden um sich nicht noch mehr zu verschulden. Wenn die Bewohner vieler Alten- und Pflegeheime jedoch nicht nur satt und sauber sein sollen, braucht man Geld. Da sich die Reichen und Superreichen mit ihren Gewinnen an der Finanzierung der allgemeinen Kosten des Gemeinwesens nicht beteiligen wollen, müssen halt andere Gruppen der Gesellschaft her halten. So einfach ist das. Das wir in Bildung investieren müssen ist allen Beteiligten klar, nur wo das Geld herkommen soll, da wird geschwiegen. An die Reichen und Superreichen will niemand ran, weil, man ist ihnen ja irgendwie verpflichtet, denn sie schaffen doch Arbeitsplätze (Wie nett). In der Brüsseler EU sind die 1 bis 4 Billionen Steuern in den diversen Briefkästen ein Thema, nur die einzelnen Staaten, auch Deutschland, haben mit der Umsetzung Probleme. Deutschland müsste Steuerfahnder und -prüfer einstellen, es tut sich jedoch nichts. Und das seit Jahren.

 

Nun es sind nicht alle Hintergrundinformationen die man zu diesen (Nur) drei Themen aufgreifen könnte. Und das mit riesengroßen Redaktionsstäben der öffentlich/rechtlichen ARD und ZDF aber man sollte ehrlich zugeben auch der privaten Leitmedien. Warum tun die Kollegen hier nichts?

Nun, offensichtlich sind die Abhängigkeiten der Leitmedien von der Politik und der Wirtschaft so groß, dass man lieber keine dieser Themen so darstellt wie sie dargestellt werden müssten.

 

Angela Merkel  Foto: Linde Arndt

Angela Merkel Foto: Linde Arndt

Angela Merkel ist durch, praktisch müsste niemand mehr zur Wahl gehen, einziges Problem sind die beiden Parteien AFD und FDP. Eine dieser Parteien benötigt Angela Merkel noch um ihr Merkel-Machiavelli-System weitere 4 Jahre am laufen zu halten. Und unsere Leitmedien? Solange wir Redakteure wie Sigmund Gottlieb vom Bayrischen Rundfunk haben, werden unsere Probleme klein geredet und unsere Politiker kommen mit Slogans und Floskeln immer durch.

Es werden also weiter Fragen gestellt die niemand beantworten muss. Es sei denn er ist so klein, dass man ungestraft auf ihn eindreschen kann.

Vielleicht ist es besser die Bewegungslosigkeit der deutschen Politik zu kommentieren, es wäre sicherlich für die deutschen Leit(d)medien ein spannendes Format.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik

Unser Europa ist aus der Erkenntnis geboren

 
Bundespräsident Joachim Gauck Foto: © Linde Arndt
   [jpg] Aus dem Umfeld des Bundespräsidenten wurde immer wieder betont, es würde eine große Rede werden. Würde der Bundespräsident an die Reden von Herzog, Weizäcker oder Rau anknüpfen können? Es sollte keine Ruck Rede wie seinerzeit die Rede von Bundespräsident Roman Herzog sein . Auch sollte es keine Adlon Rede mehr geben, vielmehr wollte der Bundespräsident seine Rede in seinem Amtssitz „Schloss Bellevue“ als Forum vor 200 geladenen Gästen verstanden wissen. Thematisch wolle er sich zu Europa äußern, so der Bundespräsident. Für die Statistiker: die Rede dauerte rund 51 Minuten und wir zählten 5124 Worte.
Es war eine „rührseelige“ Rede, reinste Prosa die von einem deutschen Präsidenten an Deutschland und Europa gerichtet wurde.

Joachim Gauck bekannte sich zwar zu Europa und der europäischen  Idee, man konnte ihn allerdings nicht als überzeugten und kämpferischen Europäer ausmachen. Seine Rede war eine Erzählung über einen Traum den er, der Bundespräsident, träumt. Es ist allerdings mehr ein Wunsch den er hegt, der allerdings nicht erfüllbar ist. So bleiben nur die Facetten seiner Rede die man unterstreichen sollte und auch bejahen kann.
Da ist seine Feststellung, dass es ein bequemes Europa nicht geben wird oder das Europa, welches von seinen Mitgliedern Vertrauen abverlangt. Da ist sein Wunsch nach einer Agora für Europa oder einer überall vorhandenen und abrufbaren Kommunikation – verständliche Wünsche.

Lassen Sie uns  einmal in Form von Stichworten die Rede durchforsten.

Stichwort: Vertrauen

Ja wir haben in Europa eine Vertrauenskrise, wie Gauck richtig bemerkt. Nur wer vertraut hier wem nicht? Der Vertrauensverlust spielt sich nicht auf der Ebene der Völker ab, die Griechen, Spanier oder Italiener misstrauen nicht dem deutschen Volk. Sie misstrauen der deutschen Regierung, dem IWF oder der EU und ihren eigenen Regierungen. Es ist eine Krise vom Volk zu den Institutionen, Administrationen, Regierungen, nicht zu den Bürgern des eigenen und anderen Landes. Die zweite Ebene der Vertrauenskrise ist, es misstrauen sich die  Institutionen, Administrationen, Regierungen untereinander, ja sie versuchen sich sogar aus- und abzugrenzen. Man erinnere sich als die deutsche Regierung mit ihren Medien ein Dauerfeuer auf Griechenland abfeuerte um dieses Land zum Austritt aus der Eurozone zu bewegen. So sieht keine Solidargemeinschaft aus, die auf Vertrauen basiert. Und zu guter Letzt misstrauen die kleinen EU Staaten, wie Polen, Belgien oder Griechenland den großen Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Großbritannien traut Deutschland und Frankreich nicht so recht, wegen der Besonderheit der Élysée-Verträge und der daraus resultierenden beiderseitigen Konsultationen.

Stichwort: EU

Es existiert ein Spiel auf nationaler Ebene. Alles was man auf nationaler Ebene nicht lösen mag, schiebt man auf die Brüsseler Zentrale. Wir können keinen nationalen Alleingang machen, so ist die gängige Sprachregelung. Dieses „schwarze Peter Spiel“ funktioniert vorzüglich und führt die Bevölkerung der einzelnen Staaten damit zu der bekannten EU Müdigkeit oder Verdrossenheit. Die EU wird damit als Prügelknabe von allen nationalen Staaten benutzt. Nur man fragt sich doch, wieso im Consilium, wo der Rat immerhin in 10 verschiedenen Fachzusammensetzungen mehrmals im Jahr tagt, die Probleme mit den Kollegen Regierungschefs oder Fachminister nicht sofort geklärt werden? Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sieht für mich anders aus.

Stichwort. Gemeinsame europäische Erzählung

Gauck erkennt zwar den Beginn der europäischen Geschichte durch die Griechen und die Römer als wesentliche europäische Kulturbringer irgendwie an, will sie aber nicht als Beginn der europäischen Geschichte gelten lassen.  Wer denn sonst als die antiken Griechen haben uns Europäern  Europa gebracht? In der europäischen Erzählung sind nicht nur Paukenschläge, wie die französische Revolution, zu registrieren, nein es geht auch etwas kleiner. 1791 verabschiedete das polnische Volk die erste Verfassung in Europa, die zur damaligen Zeit eine moderne Verfassung war. Logischerweise wurde diese Verfassung in den Folgejahren durch die Nachbarstaaten Preußen und Russland wieder kassiert. Als Beispiel habe ich Polen gewählt, weil Polen zu einer Gruppe der kleinen Staaten gehört aber nicht weniger selbstbewusst als die großen Staaten auftritt. Aber diese Erzählung könnte ja weiter gehen, indem wir die großen Europäer der Geschichte erkennen und ihr Tun als europäisch einordnen. Denken wir an den Vater der modernen Marktwirtschaft den Briten Adam Smith. Moderne Volkswirtschaften auf unserem Globus nehmen diese Theorien als Grundlage für ihr wirtschaftliches Handeln.

Stichwort: Identifikation

Die Unsicherheit und Angst, die Gauck hier anspricht und eine Identifikation der europäischen Bürger verhindert, kann nur in signifikanter Weise bei den Regierungen verortet werden. Und diese Regierungen sind es auch die diese ihre eigenen Ängste an ihre Bürger weiter geben. „Mut“ sich mit Europa einzulassen und in Folge sich mit Europa zu identifizieren müsste man den Camerons, Merkels oder den Ruttes zusprechen und nicht den Briten, Deutschen oder Holländern. Bis auf kleine Niggeligkeiten sind die Bürger in ihrer Mehrheit doch schon Europäer und leben dies auch. Den Rückfall in Einzelstaatlichkeiten kann man in der Regel nur noch bei einem Länderspiel beobachten und das  ist auch nachvollziehbar.

Stichwort: Integration

Hier sieht Gauck die Bürger der EU die Takt und Tiefe der Integration bestimmen. Tatsächlich ist es aber so, dass die Bürger der EU viel weiter in der Umsetzung der Integration sind und die Institutionen der EU dies nicht wahrhaben wollen. Ich denke die Regierungschefs haben in ihren Köpfen noch immer die einzelstaatlichen Grenzen, die die Mehrheit der EU Bürger schon längst beseitigt haben.

Stichwort: Gründung

„Wir haben auch keinen Gründungsmythos…“, so der Bundespräsident. Wenn Gauck sich  auf die griechische Mythologie bezieht so mag er Recht haben. Dies reicht sicher nicht. Würde er sich allerdings auf die anerkannten Geschichtsbücher beziehen, so irrt er.
Der europäische Gründungsmythos bezieht sich auf die Einsicht aller europäischer Staaten eines „Nie wieder Krieg“ Gedankens und Ausspruchs unserer Väter und Großväter. Und dieses „Nie wieder Krieg“ bezog sich nicht ausdrücklich auf die beiden Weltkriege, die für Europa sicherlich einmal als die dunkelste Zeit in der Geschichte stehen wird. Sondern dieser Gedanken bezog sich auch auf die vielen Kriege in der europäischen Geschichte um Macht und Vorherrschaft auf dem Kontinent und den britischen Inseln in der Vorzeit. Und so können die Europäer sagen, unsere europäischen Gründung beruht auf der Erkenntnis, eingesehen zu haben ein Europa von feindlich gesinnten Staaten wird dem Untergang geweiht sein. Und dies ist seid langen Konsens aller Staaten.

In einem wesentlichen Punkt hat der Bundespräsident die Essenz Europas erkannt, es ist der europäische Wertekanon, der einzigartig in der Welt da steht. In dem heutigen Europa hätte es ein Guantanamo, Folter oder Verschleppung wie in den USA alltäglich nicht gegeben, hier hätte sicher der europäische Gerichtshof einen Riegel vorgeschoben.
Und was ist mit den vielen Problemen die wir Europäer haben, wie die Stärke des Euro oder die Probleme der Osterweiterungen? Auch hier gilt wieder, nichts passiert ohne die einzelstaatlichen Institutionen der EU. Wenn also die einzelnen Regierungen diese Problem nicht gelöst haben wollen, werden diese auch nicht auf die Agenda in Brüssel gesetzt.
Was hat der Bundespräsident vergessen? Europa hat ein grundsätzliches Problem, nämlich, die Souveränität des einzelnen Staates. Die Frage: Wie kann man Souveränität teilen? Die Finanzkrise hat uns folgendes vor Augen geführt: Europa war in seinen Entscheidungen um auf diese Krise zu reagieren zu langsam. Und als Europa reagiert hatte, waren Milliarden Euro an Verlusten verbucht.
Letztendlich hat die EZB (Europäische Zentralbank) mit dem seinem Präsidenten Mario Draghi reagiert und damit die Finanzmärkte wieder in die Büchse der Pandora verbannt. Happy End? Nein. Denn der Präsident Mario Draghi hatte dafür keinen demokratischen Auftrag, kurz, er hat das auf seine „eigene Kappe“ genommen. Zuständig waren die Finanzminister der einzelnen Staaten, die wollten sich aber nicht entscheiden.
Sie sehen wo die eigentlichen Probleme sind. Sie liegen fast alle auf der Ebene der Regierungen und der Institutionen. Und weiter,  wenn die „Souveränisten“, die mehr nationale Autonomie fordern und damit den Zusammenbruch Europas heraufbeschwören nicht von den Europäern in ihre Schranken verwiesen werden, wird Europa wieder in die Einzelstaatlichkeit zerfallen und damit zusammenbrechen. Die Zeiten der Sonntagsreden sollten vorbei sein um das mutig voran zu bringen, was uns allen am Herzen liegen sollte – Europa.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik

Eine wirkliche Erfolgsgeschichte über eine zuerst ungewöhnliche Freundschaft


  [jpg] Herzlichen Glückwunsch Frankreich und herzlichen Glückwunsch Deutschland zum 50. Jahr des  Élysée-Vertrages  – also des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages. Wer hätte das gedacht, die ehemaligen Feinde, die sich so in Jahrzehnten erbittert bekämpften in einer „Erbfeindschaft“ die in ihrer Irrationalität ihres Gleichen suchte. Der Franzose de Gaulle und der Deutsche Adenauer setzten sich über sämtliche Vorurteile hinweg und zimmerten einen Vertrag der am 23. Januar 1963 im  Pariser Élysée-Palast von beiden unterzeichnet wurde.

Beide wollten unterschiedliche politische  Ziele verwirklicht sehen, was auch zu Verstimmungen bei dem Anderen führte. Aber der Vertrag wurde unterzeichnet und von den jeweiligen Parlamenten abgesegnet. Was dann folgte, hätten sich beide Vertragspartner nicht vorgestellt. Die gegenseitige regelmäßigen Konsultationen der jeweiligen Regierungen führten sehr schnell zu einem besseren Verständnis.

Heute spricht man von einem deutsch-französischen Motor in Europa,  der das Zusammenwachsen der europäischen Länder maßgeblich befördert, ohne die anderen europäischen Staaten zu unterdrücken. Nach dem Élysée-Vertrag folgten viele andere Verträge die alle quicklebendig gelebt werden. Das deutsch-französiche Jugendwerk, wirtschaftlich wurde das Airbus Projekt angestoßen, Airbus ist heute der größte und innovativste Flugzeugbauer der Welt. Ein Deutsch-Französisches Jugendparlament tagt in Paris, es gibt eine Deutsch-Französische Brigade im Eurocorps und zum ersten male paradieren 200 deutsche Soldaten am französischen Nationaltag auf den Champs-Elysées.  


ICE und TGV                                     Foto: Deutsche Bahn AG

Wer hätte das jemals gedacht. Das Deutsch-Französische Forschungszentrum für Sozialwissenschaften, das Marc-Bloch-Institut, wird gegründet. Alle sozialwissenschaftlichen Fächer sind in diesem Institut interdisziplinär vertreten. Eine riesige Menge an Verbindungen wurden seit der Unterzeichnung der Verträge aufgebaut und erfreuen sich einer lebendigen Zusammenarbeit beider Völker.  Bewundernswert sind die vielen Städtepartnerschaften, die mit gegenseitigen Besuchen inzwischen zu einer nicht mehr weg zu denkenden Einrichtung geworden sind. Viele französische oder deutsche Familien besuchen die jeweils andere Familie und nehmen am Familienleben des Anderen teil. Verwundert schaut man auf die unterschiedlichen politischen Ausrichtungen in den jeweiligen Ländern, die funktionieren. Ob eine konservative französische Regierung einer sozialistischen deutschen Regierung gegenübersteht oder auch anders herum, es bringt die beiden Völker nicht aus der Ruhe. Man zieht sich immer auf die Gemeinsamkeiten zurück, und die hat man zu hauf.

Warum das alles für ein politisch und kulturell ausgerichtetes Internet-Magazin?. Unsere Redaktion ist besetzt von überzeugten und militanten Europäern, für uns gibt es kein zurück zu einer Kleinstaaterei oder gar einer „Erbfeindschaft“. Aber wir sind auch nicht die Räder die als Stellvertreter taugen. Also haben wir recherchiert und drei Protagonisten für diese gelebte Erfolgsgeschichte gefunden.

Der deutsche Journalist und ehemalige Tagesthemen Moderator Ulrich Wickert lebt gut in Paris aber auch in Deutschland. Gefragt, ob er sich denn als Franzose oder Deutscher fühle, meinte er: Ich  bin Europäer deutscher Herkunft. So einfach ist das heute 50 Jahre danach. Barbara (Monique Andrée Serf) , eine französische Chansonsängerin,  sollte zu Beginn ihrer Karriere  im Rahmen eines Gastspiels im Jungen Theater Göttingen auftreten. Bedingung von Barbara war, ein Flügel sollte auf der Bühne zur Verfügung stehen. Als Barbara eintraf stand aber nur ein Klavier zur Verfügung. Das Gastspiel wäre beinahe ins Wasser gefallen, die Transportarbeiter streikten und Barbara war nicht gerade deutschfreundlich, wie eben alle Franzosen damals. Es fanden sich ein paar junge Göttinger, die sich in der Stadt nach einem Flügel auf den Weg machten, den sie auch fanden, zu Fuß in das Junge Theater schleppten und gegen das Klavier austauschten. Barbara war davon so begeistert, dass sie sich hinsetzte und umgehend das in Frankreich und Deutschland bekannte Chanson „Göttingen“ schrieb und im Jungen Theater Göttingen erstmals sang. Mit diesem Chanson feierte Barbara ihren Durchbruch in beiden Ländern.

Wer kennt nicht den deutschen Liedermacher Reinhard Mey (Reinhard Friedrich Michael Mey). Auch er hat seine ersten Gehversuche und Erfolge den französischen  Nachbarn zu verdanken.

Als Frédérik Mey brachte er erfolgreich in Frankreich immerhin 7 CDs heraus, letztmalig 2005 mit der CD Vol. 7 – douce france. Die Deutschen mochten Mey anfangs nicht, was sich aber später legte, so dass er auch in Deutschland erfolgreich seine CDs vertreiben konnte und kann. „Über den Wolken“ ist inzwischen bei allen ein Lied welches von den meisten zumindest gesummt werden kann. Auch hier ein Mensch der den europäischen Gedanken lebt. Und der europäische Gedanke hat eben seinen Ursprung in dem  Élysée-Vertrag von 1963.

Und was denken Franzosen und Deutsche 50 Jahre nach dem  Élysée-Vertrag von einander? Eine Umfrage der beiden Völker erbrachte folgendes Ergebnis. Die Franzosen lieben zu rund 60% den deutschen Nachbarn wegen seiner Ordnungsliebe und Verlässlichkeit und möchten ihn nicht missen. Die Deutschen ihrerseits lieben den französischen Nachbarn wegen seiner Lebensart, dem  savoir-vivre. Aber auch das soziale Miteinander in Frankreich wird von den Deutschen bewundert. Franzosen haben jedoch noch einiges zu bieten was die deutschen Freunde bewundern. Wirtschaft, Wissenschaft aber und vor allen der Kulturbereich lassen Frankreich immer weit an der Spitze aller Nationen stehen. Und so stellen wir fest, wir haben einen selbstbewussten und starken Freund der zu uns passt und mit dem wir auf Augenhöhe verkehren können und wollen.

   

Und so zog die Vision des Élysée-Vertrages in Frankreich und Deutschland seine Kreise, es fanden sich 10 Jahre später zwei Städte die eine Freundschaft eingingen die bis heute ihren Bestand hat. Vendome im französischen Departement Loir-et-Cher und Gevelsberg im westfälischen EN-Kreis gingen eine Städtepartnerschaft ein, die Verträge wurden auf französicher Seite von Bürgermeister Robert Lasneau und auf deutscher Seite von Bürgermeister Helmut vom Schemm auf den Weg gebracht. Was folgte waren gegenseitige Besuche die herzlicher nicht sein können in der Zwischenzeit wohnen die Besucher nicht mehr in Hotels sondern finden immer wieder ein liebevolles zuhause in einem Privathaushalt des jeweiligen Städtepartners. Gevelsberg ist aber noch ein Stück weiter gegangen, indem das sizilianische Butera und das polnische Sprottau zu den Freunden gehört. Die vier Städte sind in vielen Bereichen die unterschiedlichsten Beziehungen eingegangen – dies ist der Geist des europäischen Élysée-Vertrages der alles auf den Weg gebracht hat.

   

Auch Schwelm steht hier mit seiner Partnerstadt Fourqueux als Beispiel einer deutsch-französischen Freundschaft, die seit 1995 gepflegt wird und in gegenseitiger Herzlichkeit besteht.

Im Oktober 2010 startete das Folkwang-Museum in Essen eine einmalige Ausstellung unter dem Titel "Bilder einer Metropole" Die Impressionisten in Paris  (wir berichteten). Auch hier wieder ein Zeichen der deutsch-französichen Gemeinsamkeiten.

 

Aber – und das sollte man nicht vergessen – Freundschaften, richtige Freundschaften, müssen immer wieder gepflegt werden, sie sind nicht so selbstverständlich wie sich das alles immer darstellt. Denn nie wieder sollte es zu den Kriegen oder auch Feindseligkeiten kommen, unter denen Europa so zu leiden hatte.

Herzlichen Glückwunsch zum 50.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Europa

[Fotos: © Linde Arndt]