Wir haben uns alle soooo lieb
[jpg] Es geht um die Schwelmer Brauerei, um die zweite Demonstration am 20. August 2011.
In der Zwischenzeit sind sehr viele Gespräche geführt worden, so meint man jedenfalls, als Journalist oder Zuschauer. Auch könnte man sich vorstellen, die Freunde des Schwelmer Bieres haben sich inzwischen soweit organisiert um den Betrieb zumindest ansatzweise zu übernehmen. Es ist ein Verein in Gründung gegründet worden, der sich mit der Erhaltung der Schwelmer Brautradition befassen sollte. Aha. Und auf dieser Demo gab es mehrere Menschen die was zu sagen hatten. Es gab aber niemand der den Mut haben konnte, die Schwelmer Brauerei in Eigenregie zu übernehmen. Nicht der Betriebsrat, nicht die Facebooker, nicht die Plöpper noch sonst wen hörte man: Wir haben uns zusammen getan und wollen den Betrieb in Eigenregie übernehmen.
Es waren in dieser Woche weniger Menschen (250) dem Aufruf zur Demo gefolgt, die Witterung war zu schön, sie rief geradezu nach einem Ausflug.
Aber noch einmal zurück zu den Hintergrundgesprächen die auf allen Seiten geführt worden waren. Es ist ja nicht die absolute Sprachlosigkeit zwischen den Akteuren ausgebrochen. Zuerst einmal zu dem Gerücht, es gäbe schon Investoren die aus der Immobilie Schwelmer Brauerei einen Shoppingtempel machen wollten. |
Wenn an diesem Gerücht etwas Wahrheit sein sollte, so hat sie sich verdammt gut versteckt. Denn bei solch einer Investition wird grundsätzlich vorher ein Gedankenaustausch mit einer Stadt geführt. Die Stadt muss den Abriss genehmigen, die Stadt muss das Denkmal aus der Liste herausnehmen und muss noch dazu eine Begründung liefern. Die Stadt muss eine Nutzungsänderung, eine Bauplanung und noch eine Baugenehmigung genehmigen. Es sind also jede Menge Arbeiten vorab zu erledigen, die darüber hinaus auch noch kosten.
Also greift jeder Investor erst einmal zum Telefon und erörtert mit dem zuständigen Fachbereichsleiter und dem Bürgermeister sein Investment. Ob er denn auf Sicht eine Chance habe. Denn ein Antrag würde ja Kosten verursachen und kein Mensch hat Geld über. So war dieses Gerücht nichts anderes als eine Geschichte die nur einen gewissen Unterhaltungswert hat.
Bürgermeister Stobbe kann weder die Brauerei kaufen, noch kann er Einfluss auf den weiteren Verlauf nehmen. Einer Stadt ist ja sogar gesetzlich verboten sich als Unternehmer zu betätigen. Abgesehen davon, dass Schwelm die Millionen nicht hätte um dieses Investment zu stemmen. Der Bürgermeister kann aber moderieren, er kann die Leute an den Tisch bringen, er kann vermitteln, er kann sich mit seiner ganzen Person für den Erhalt der Brauerei einsetzen. Und das hat er auch getan. Sein Telefon stand nach seinen Angaben und den Angaben aus seinem Umfeld in dieser Woche nicht still.
In der Zwischenzeit hätten sich aber der Betriebsrat und die Facebooknutzer organisieren können und ein belastbares Konzept für die Weiterführung der Brauerei aufstellen können um dann den Gläubigern als auch dem Insolvenz- und Vermögensverwalter die Übernahme in Eigenregie kompetent zu signalisieren. Haben sie aber nicht getan. Vielmehr haben sie sich augenscheinlich in den Tiefen des sozialen Netzwerkes von Facebook getummelt um jede wie auch immer geartete Frage zu beantworten. Und die Anrufe die getätigt wurden?
Was soll man als Unternehmer sagen, wenn man aufgefordert wird den Betrieb weiter zu führen obwohl der in der Insolvenz ist. Wenn Menschen sich äußern die sich nicht einmal die Mühe gemacht haben sich über das Insolvenzrecht umfassend zu informieren? Es waren aber noch mehr Ungereimtheiten zu registrieren.
Um es einmal klar zu sagen, der Brauerei müssen Gelder im einstelligen Millionenbereich zugeführt werden um die Weiterführung des Betriebes auf lange Sicht zu gewährleisten.Personell muss eine Geschäftsführung installiert werden, die aus dem Brauereigeschäft kommt, die die Bierkunden kennt aber auch betriebswirtschaftlich denken kann, sie muss teamfähig sein und gute Führungsqualitäten haben. Und wenn noch etwas Herzblut für die Brauereitradition vorhanden wäre, wäre das Ganze perfekt. Solche Leute liegen nicht auf der Straße. Die Brauerei Schwelm ist halt kein normales Investment, wo man eben mal schnell rein geht, Gewinn macht und wieder raus geht.
Und jetzt kommen wir wieder zu der Demo vom 20. August zurück.
Es waren rührende Szenen auf dem märkischen Platz zu beobachten. „Wir haben uns alle so lieb“ wurde in Menge gerufen. Alle strahlten sich an, nahmen sich in den Arm und herzten sich. Nicht das ich was gegen emotionale Aufwallungen habe, nein, nur alles zu seiner Zeit. Und die Zeit für Gefühle war eben noch nicht gekommen. Hörte man den Akteuren zu, so war nur der Wille zu hören auch Morgen wieder ein Schwelmer Bier zu trinken. Kein Wort über Investitionen die getätigt werden müssen, kein Wort über den Verlauf von Gesprächen die mit dem Insolvenz- und Vermögensverwalter, der Stadtverwaltung, den Banken oder den Gläubigern geführt wurden oder werden. Kein Wort über einen Kapitalbedarfs- oder Finanzierungsplan. Nur, wir haben uns doch so lieb.
Wenn die Facebooknutzer eine Chance haben wollen, so sollten sie sich schleunigst besinnen und die Arbeit machen die sie schon am Anfang hätten machen müssen. Im Recht gibt es den Begriff „ernsthaftes und begründetes Interesse“. Dieses Interesse sollten die Akteure der Facebookgruppe sich erst einmal erarbeiten um dann als Verhandlungspartner akzeptiert zu werden. Sie sollten erst einmal aufhören Feindbilder aufzubauen, denn diese Feinde könnten morgen an einem Verhandlungstisch ihr Gegenüber sein.
Wenn die Facebooknutzer das jedoch nicht können, so sollten sie das machen was alle Gruppen dieser Art machen: Man trifft sich, klopft sich auf die Schulter und bestätigt sich gegenseitig, trinkt sich ein Bierchen, gerne Schwelmer, und hat sich soooo lieb.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Schwelm
Fotos Linde Arndt