Sind die viel beschworenen Werte der EU nur reine Rhetorik?

Premier Alexis Tsipras  Foto: (c) Linde Arndt

Premier Alexis Tsipras Foto: (c) Linde Arndt

 

[jpg] Fassungslos und atemlos schaut man dem Treiben der Verhandlungspartner EU, EZB und IWF auf der einen Seite und Griechenland auf der anderen Seite zu. Nicht nur, dass es nur tröpfchenweise Informationen von den Beiden gibt, die einen jedoch ins Reich der Spekulation vertreiben. Sondern immer mal wieder werden von einem auf den anderen Tag neue Gipfel produziert. Und was kommt heraus? Der eine liefert nichts und der andere hat keine Entscheidungsgrundlage für eine Entscheidung. In den vergangenen 4 Monaten wurde der neuen Regierung unter Alexis Tsypris alles angelastet, was die vergangenen Regierungen sowie IWF, EZB und EU-Kommission alles falsch gemacht haben. Da ist ein unerträglicher Druck auf den Kessel gemacht worden, womit ein konstruktives Arbeiten kaum möglich ist. Der Termin 30. Juni 2015 steht unverrückbar, an dem Griechenland 1,2 Mrd. Euro an den IWF zurückzahlen muss aber auch das zweite Hilfspaket der EU in Höhe von 7,2 Mrd. Euro verfällt. Es kommt einem wie das bekannte Armdrücken in bayrischen Landen vor. Lautes Gejohle bricht aus, wenn Griechenland mal wieder Reformpapiere den Gläubigern zur Verfügung gestellt hat und diese nicht den Vorstellungen der Verhandlungspartner entspricht. Immer mal wieder wird von allen Seiten von dem Grexit, dem Ausstieg der Griechen aus dem Euro, gesprochen. Keiner spricht davon, dass dieser Grexit so nicht möglich ist, bestenfalls könnten die Griechen die gesamte EU verlassen. Ob die Griechen aber wieder rein kommen, kann getrost bezweifelt werden.

Um mal eine Zahl zu nennen die jeden erschrecken muss. 40% der Griechen sind nicht mehr im Gesundheitssystem, sprich, sie konnten ihre Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen. Es sind die Alten, chronisch Kranken, alleinerziehenden Mütter mit Kindern oder Obdachlose. Diese Personengruppe kommt nicht mehr an Medikamente, einen Arzt oder einen Krankenhausplatz heran – kein Geld. So müssen Kranke unter Schmerzen sterben, weil es für sie keine Medikamente gibt, hier kommt noch nicht einmal ein Arzt. Und ihnen wird der Vorwurf gemacht sie würden noch zu viel bekommen? Meint die EU, es wird zu viel aus der Suppenküche ausgeschenkt? Wie kann man nur dies Elend der Griechen komplett ausblenden? Wie kann man sich nur auf die Volkswirtschaftlichen Kennzahlen konzentrieren, wenn nebenan ein Krebskranker unbehandelt stirbt. Das ist jetzt keine Zuspitzung, das ist normal. Gab es Alternativen? Ja, nur man konzentrierte sich auf den Vertrag, den die Vorgängerregierung Samaras mit den drei Institutionen geschlossen hat. Demnach sollten die Zahlungen der Griechen durch Einsparungen im Sozialbereich ( Renten, Gesundheitssystem ) erwirtschaftet werden. Nur die Zahlen waren überhaupt nicht gut für die Griechen, der Vertrag der EU riss die Griechen immer weiter in den Abgrund. Für jede Regierung sind diese Zahlen ein Todesurteil – Syriza wäre also erledigt gewesen und mit dieser Partei Tsypras und Varoufakis. Abzusehen wäre, dass die Konservativen mit dem ehemaligen Premier Samaras wieder gewählt würden. Die Reihenfolge wäre auch jedem Politiker klar, erst die sozialen Unruhen, dann Neuwahlen bei der der Konservative Samaras als Retter auftreten würde. Am Ende stände vielleicht ein Schuldenabkommen. Das Ende wäre der Pariser Club der ein rechtsverbindliches Umschuldungsprogramm entwerfen würde. Die Folge, die Griechen kämen nie wieder auf die sogenannten Beine.

 

Wo ist das solidarische Handeln der EU? Wir reichen den Griechen die Hand zur Hilfe, heißt doch wohl nur, wir wollen unser Geld wieder haben. Mehr ist nicht drin? Seit 2010 werden den Griechen gegen Kredite Rezepte von der EU verschrieben, deren Prognosen in der Realität in den Abgrund weisen.

Griechenland hat keine nennenswerte industrielle Infrastruktur, Touristik, Obst und Gemüse, chemische Halbprodukte oder Bauxit in überschaubarer Menge, damit kann man keine Überschüsse erwirtschaften, zumal die griechische Wirtschaft nach den Rezepten der Troika eingebrochen ist. Und bei der Einführung der Drachme würden sämtliche Märkte in Griechenland zusammen brechen. Die notwendigen zu importierenden Vorprodukte könnten nicht mehr bezahlt werden, weil der Drachme nichts gegenüberstehen würde.

Ach dieses Szenario ist alles nur Gerede der Griechen und der Bedenkenträger, so die selbsternannten Experten.

Nur die Experten, allesamt Ökonomen, haben ja schon mal in Griechenland ohne Erfolg rum gepfuscht, wie so sollte das jetzt klappen? Die Schuld an den Fehlern, die schon gemacht wurden, lag natürlich bei den Griechen.

Wir sind eine Wertegemeinschaft, so das Mantra der EU. Hier könnte die EU einmal beweisen, dass sie nicht nur ein Zusammenschluss von Staaten ist, deren Waren frei gehandelt werden können.

Nur will sie das auch oder sind diese Werte nur reine Rhetorik?

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Brüssel.

Die EU hilflos gegenüber den wirklichen Problemen

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert Foto: (c) Linde Arndt

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert
Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Es war gegen 3:00 Uhr am frühen Morgen als die Pressekonferenzen im Ratsgebäude abgehalten wurden. Die Regierungschefs in ihren Räumen und die Präsidenten im großen Pressesaal.

Vorher wurden aber schon Meldungen aus dem Ratssaal an die versammelte Journalistenschar per Twitter übermittelt. Alle wussten es war eine sehr hitzige Sitzung der Regierungschefs gewesen.

6 Stunden nahm allein das Thema Migration in Anspruch. Die Kommission unter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wollte die Mittelmeerstaaten Italien, Griechenland oder Spanien entlasten, indem mittels fester Quotenregelung 40.000 Flüchtlinge auf die 28 Mitgliedsländer verteilt werden sollten. Es waren hauptsächlich die osteuropäischen Mitglieder die eine feste Regelung ablehnten und eine Regelung auf freiwilliger Basis forderten. Hitzige Debatten entstanden unter den Regierungschefs alle mit dem Ziel die Flüchtlinge abzuwehren. Auch die Seenotrettung im Mittelmeerraum wurde in Frage gestellt. Eine wie immer geartete Solidarität mit den Mittelmeerländern war nicht auszumachen.

Ministerpräsident Matteo Renzi      Foto: (c) Linde Arndt

Ministerpräsident Matteo Renzi Foto: (c) Linde Arndt

 

Ministerpräsident Matteo Renzi forderten jedoch eine Entlastung. Italien und Griechenland haben schon tausende Flüchtlinge aufgenommen wofür es weder Unterkünfte noch Beamte oder Polizeikräfte in hinreichender Zahl gibt um das weitere Prozedere gemäß Dublin III durchzuführen. „Wenn Ihr mit der Zahl von 40.000 nicht einverstanden seid, verdient Ihr es nicht, Europa genannt zu werden.“, so Matteo Renzi ziemlich lautstark. Für Renzi war klar, so konnte es nicht weiter gehen. Denn die mangelhafte Solidarität der EU Mitglieder brachte Italien dazu, die Flüchtlinge an Land zu bringen und sie teilweise ihrem Schicksal zu überlassen. Was dazu führte, dass die Flüchtlinge sich auf den Weg in den Norden Europas machen. Letztendlich werden die 40.000 Flüchtlinge unter den 28 EU Regierungschefs auf freiwillige Weise von den Ländern ersteigert.

Jedes einzelne Land meldet sich um die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge registrieren zu lassen. Bei dieser Vorgehensweise kämen noch 20.000 mehr Flüchtlinge zustande, die von den Ländern aufgenommen werden sollen. Die Innenminister sollen bis zum 31.07.15 die Zahlen nennen, die ihre Länder bereit sind aufzunehmen. Ungarn und Bulgarien wurden dabei ausgenommen, sie hatten erhebliche Probleme mit der Migration. Kommissionspräsident Junker und Ratspräsident Tusk bestanden jedoch darauf, dass die Flüchtlinge gemäß der Dublin Kriterien registriert und erkennungsdienstlich behandelt werden und nicht direkt weiter ziehen dürfen. Von einer unwürdigen Veranstaltung sprach der belgischen Premierminister Charles Michel im Laufe der Sitzung.

Frieden? Nein, es standen ja noch mehr strittige Probleme auf der Agenda. Und im übrigen, was soll mit den Flüchtlingen passieren die in Europa schon längst rum geistern. Man schätzt rund 800.000 Flüchtlinge die unregistriert auf Bahnhöfen, Straßen oder Plätzen auf ihre Chance warten. Eine Unterkunft, eine Arbeit, einfach nur ein bisschen Ausruhen zu finden, wie es ein Flüchtling vor Calais sagte. Die EU stand hilflos vor diesem Problem, was voraussehbar war und das ihnen jetzt auf die Füße gefallen war.

Ein Problem geisterte jedoch durch alle Räume – Griechenland und der Grexit. Denn parallel tagten die Eurofinanzminister zum gefühlten hundertsten mal. Griechenland hatte in letzter Minute einen Reformvorschlag vorgelegt. Was den Journalisten zu Ohren kam, so wollten die Griechen höhere Steuern für Einkommen ab 50.000,– Euro beschließen und ab 500.000,– Euro sollten die Steuern überproportional steigen. Dies soll der IWF mit dem Grund abgelehnt haben die Unternehmen würden zu stark belastet werden und kein Wachstum erzeugt werden können. Zwei Tage vorher wurde jedoch der Vorwurf laut, die Griechen würden ihre reichen Bürger nicht ausreichend belasten. In den Verhandlungen wurden aber von den Instituten die Kürzungen von Renten zurück gezogen. Auch der Primärüberschuss (Das ist die Differenz im Haushalt zwischen Einnahmen und Ausgaben) fand nun eine Einigung, es sollten 0,93% sein. Das eigentliche Problem war jedoch der Schuldenschnitt. Griechenland wollte in den Vormonaten eine politische Diskussion und auch Regelung über die Schulden grundsätzlich. Danach hätten die Finanzminister jedoch andere Wege beschreiten müssen, wozu sie aber nicht bereit waren. Diese politische Diskussion gibt es schon eine ganze Zeit, sie ist aber noch nicht soweit, dass man einen Handlungsrahmen ableiten kann. Wie dem auch sei, es kamen nur ungeduldige und ablehnende Äußerungen von Seiten der Finanzminister, vorne weg der deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, nach draußen. Überhaupt konnte man den Eindruck haben als wenn Wolfgang Schäuble einen persönlichen Kleinkrieg mit seinem Amtskollegen Yanis Varoufakis führte. Ok, die neue griechische Regierung hat eine andere politische Kultur, aber ist das ein Grund sie zu schneiden? Sie ist eine vom Volk gewählte Regierung und hat also den Respekt verdient, den demokratisch legitimierte Regierungen verdienen. Wegen fehlender Schlipse oder Hemden die nicht in den Hosen steckten, sollte man keine Missachtung konstruieren. Nun, am Donnerstag war noch alles im positiven möglich. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte das Angebot der Eurogruppe mit der Gläubigergruppe ein außergewöhnlich großzügiges Angebot, welches man nicht ausschlagen sollte.

Dieses Angebot muss aber wohl doch nicht so großzügig gewesen sein, wenn am Freitag, nachdem der Rat auseinander ging, Ministerpräsident Alexis Tsipras von Erpressung sprach.

Premier Alexis Tsipras  Foto: (c) Linde Arndt

Premier Alexis Tsipras Foto: (c) Linde Arndt

Schon in der Nacht auf Samstag verkündete Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Referendum für den 5. Juli 2015 an. Am nächsten Tag wird das griechische Parlament mit 178 ja und 120 nein stimmen dem Referendum zustimmen.

Ministerpräsident Alexis Tsipras argumentiert, er habe von seinem Volk für solch einem Vertrag keine wie immer geartete Legitimation, also wolle er das griechische Volk über diesen Vertrag abstimmen lassen. Er würde diesen Vertrag nicht unterschreiben und das wolle er seinem Volk auch sagen. 2011 hatte der ehemalige Premierminister Papandreou schon einmal eine Volksabstimmung angedroht, sie wurde in letzter Minute verhindert.

Eurogruppenchef

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem Foto: European Concil

Der Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem wird später auf seiner Pressekonferenz erklären, dass der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis die Beratungen abgebrochen hat und damit die Grundlage für einen neuen Vertrag nicht mehr gegeben sind. Was aber auch bedeutet, dass die Grundlage für ein Referandum in Griechenland nicht mehr gegeben ist. Denn über was sollen die Griechen den jetzt abstimmen, so Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Gleichzeitig wurde aber von allen Eurogruppenmitgliedern betont, dass die Türen zu weiteren Verhandlungen offen stehen. Allerdings, und das ist gelaufen, die Deadline 30. Juni 2015 ist damit gefallen; denn bei einer Einigung müssen noch die Parlamente sprechen.

Es waren ereignisreiche Tage und eine Schande für das europäische Haus. In vielerlei Hinsicht konnte man sich des Eindrucks einer morbiden Hilflosigkeit bei den Finanzministern aber auch den Regierungschefs nicht erwehren.

Diese Hilflosigkeit gipfelte darin, indem die Themen Sicherheitspolitik und Wachstum akribisch nach vorne gedrückt wurden.

Beschämend aber auch peinlich, wenn man eines bedenkt: Die EU ist die reichste Wirtschaftszone mit immerhin 500 Millionen Menschen. Und solche Probleme sind nicht für alle Beteiligten lösbar?

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Brüssel.

Totgesagte leben länger

Juncker  Foto: Linde Arndt

Jean-Claude Juncker Foto: Linde Arndt

[jpg] Die Europawahl ´14 ist vorbei. In Brüssel haben sich viele neue Abgeordnete eingefunden um sich, wie für Neuankömmlinge wichtig, mit ihren Daten registrieren zu lassen. Es gab die notwendigen Ausweise (Badges) mit denen der Zugang zu den Sitzungen garantiert ist. Es ist für jeden ein Kreuz den administrativen Teil in Brüssel hinter sich zu bringen. Muss aber sein; denn dahinter steht ein ausgeklügeltes Zugangs- und Sicherheitssystem.

Heute sind die Fraktionen und Ausschüsse gebildet und der „Pulverdampf“, der durch die Wahl von Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten entstanden war, ist schon längst verflogen. Es ist aber nicht die einzige Personalie, die in Brüssel anstandt und noch ansteht. Bis Ende des Jahres muss ein neuer ständiger Präsident des Europäischen Rates von den Regierungschefs benannt werden, Herman Van Rompuy wird aufhören.

Federica Mogherini  Foto: Linde Arndt

Federica Mogherini Foto: Linde Arndt

Ebenso wird die „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission“ Catherine Margaret Ashton ersetzt werden. Hier ist im Moment die derzeitige Außenministerin Italiens Federica Mogherini sehr gut im Rennen, wobei die französische Sozialistin Elisabeth Guigou mit großen Erfahrungen im Bereich Justiz, Wirtschaft und Außenbeziehungen ein Schwergewicht im diplomatischen Ring darstellt.

Helle  Foto: Linde Arndt

Helle Thorning-Schmidt
Foto: Linde Arndt

Die Position von Herman Van Rompuy wird sehr schwer zu besetzen sein, denn er muss die 28 sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten der europäischen Regierungschefs zusammen halten – die Fliehkräfte in dieser Gruppe sind sehr stark. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt wird derzeit auf den Fluren gehandelt. Geht aber nicht, wenn der Posten der Hohen Vertreterin wieder von einer Frau eingenommen wird. Zwei Frauen an der Spitze wäre für diese europäische Männerwelt zu viel. Die Spannung bleibt also.

Anders ist es mit den Kommissaren und Kommissarinnen, hier hatten die Regierungschefs vor der Wahl einen Bürokratieabbau versprochen. Denn die Kommission ist die größte Behörde. Sicherlich erinnert sich der eine oder andere Wähler an dieses Versprechen. Nur der Europäische Rat, also das Gremium der Staats- und Regierungschefs, der für die Ernennung der Kommissare zuständig ist, denkt nach der Wahl nicht an einen Bürokratieabbau. Es bleibt bei den 28 Kommissarinnen und Kommissaren mit allen ihren Kabinetten. Das Gedächtnis der Staats- und Regierungschefs hält nicht über die Wahl hinaus.

Ich denke, wichtiger ist erst einmal der Wechsel in der Ratspräsidentschaft. Griechenland hatte die Ratspräsidentschaft bis zum 30.Juni 2014 und Italien übernahm nahtlos am Folgetag in Straßburg. Der griechische Premierminister Andonis Samaras übergab denn auch mit einer Bilanz an den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi.

Die Europawahl ´14 führte uns mit der erstmaligen „Direktwahl“ von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker das Fortschreiten des europäischen Projektes vor Augen. Manchmal geht das europäische Projekt etwas langsamer aber in diesem Fall war es ein großer Schritt, so Samaras.

Samaras  Foto: Linde Arndt

Andonis Samaras Foto: Linde Arndt

Samaras bilanzierte denn auch das griechische Semester, welches zwar durch die Wahl etwas kürzer war als ein Semester, jedoch konnten viele Projekte zu einem guten Ende gebracht werden. 67 Rechtsakte und 15 legislative Fortschritte konnte das griechische Team bilanzieren. Dazu gehörte die Vertiefung der Währungsunio. Das Wachstum und die Beschäftigung konnte mit der Verabschiedung des Haushaltes einen Impuls an die gemeinsame Wirtschaft aussenden. Der Steuerbetrug erfuhr eine weitere Eindämmung durch gesetzgeberische Maßnahmen der EU. Investitionshemmnisse wurden beseitigt, indem die Kreditvergabe an KMU´s weiter vereinfacht wurden – dies schafft Arbeitsplätze. Die Außengrenzen der EU wurden besser geschützt und das Migrationsmanagement wurde verbessert – eine neue Frontexverordnung (Frontex ist eine Institution der EU, die für den Schutz der Grenzen zuständig ist (d.Red.)) regelte das. Mit Drittstaaten wurde eine bessere Zusammenarbeit hergestellt, die Meerespolitik wurde unter Sicherheitsaspekten überarbeitet. Zu guter Letzt wurden die Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Albanien auf den Weg gebracht.

Europa hat funktioniert und ist nicht auseinandergebrochen, wie es viele vorausgesagt hatten. Und der Euro? Auch er hat sich in diesen schweren Zeiten bewährt und ist härter geworden. Nur wir sollten die Europäische Union näher an die Herzen der Europäer bringen. So der griechische Premierminister Andonis Samaras.

Es vergingen nur ein paar Stunden und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hatte den Staffelstab des logo-italien-2014.jpg
„Vorsitz im Rat der Europäischen Union“ turnusmäßig übernommen. Mit seiner Antrittsrede eröffnet Ministerpräsident Matteo Renzi das folgende italienische Semester ´14.

Der Rat hat mit der Wahl des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker seinen Respekt vor dem demokratisch gewählten EU Parlament gezeigt, so Renzi eingangs.

„Wenn Europa heute ein Selfie von sich selbst machen würde, welches Bild würde sich dann ergeben?“, so fragte Renzi.

Wir würden ein müdes und gelangweiltes Gesicht von Europa sehen. Und das ist unverständlich. Die Welt dreht sich sehr schnell und die Entwicklungen rasen nur so an uns (Europäern) vorbei. Es sind Chancen die an uns vorbeiziehen, die wir nicht ergreifen. Die Zukunft braucht unseren Tatendrang, sie fordert uns heraus und wir lassen sie vorüberziehen. Warum? Weil wir mit einer Wunde beschäftigt sind, die uns 2009 die Finanz- und Wirtschaftskrise geschlagen hatte. Was soll das? Die Wunde ist versorgt, nun sollten wir uns den neuen Herausforderungen stellen. Als erstes sollten wir die Seele Europas suchen um damit unsere Identität zu finden.

Italien wird sofort seine eigenen Probleme lösen, es sind nicht die Probleme Europas, sondern die Probleme Italiens. Italien kann sich voller Kraft diesen Problemen stellen, weil es weiß, es ist stark.

Es geht um Wachstum UND Stabilität, nicht nur für Italien, sondern für ganz Europa. Wachstum kann nur durch Investitionen entstehen, welches dann der Wirtschaft die notwendige Stabilität bringt.

Wir Europäer sind führend in den Umwelttechnologien, warum sollten wir das nicht ausweiten. Wir sind zurück in den digitalen Technologien, warum sollten wir nicht einholen. Beide Bereiche ragen weit in die Zukunft hinein, Europa kann die Zukunft für sich entscheiden.

Wir sollten aber nicht vergessen, Europa ist nicht nur eine geografische Fläche auf eine Karte, Europa ist das Haus mit 500 Millionen Bewohnern. Und diese Bewohner vertrauen und fordern uns, den Mut zu haben die Zukunft zu meistern. Unsere Generation steht in der Tradition von der Antike, über die Verträge von Maastricht bis heute in einer Gegenwart die uns auffordert, die erarbeiteten Errungenschaften unserer vormaligen Generation zu bewahren aber auch in diesem Geiste weiter zu führen.

Renzi  Foto: Linde Arndt

Matteo Renzi Foto: Linde Arndt

Renzie erntete stehenden Applaus aus allen Fraktionen.

Der noch amtierende Kommissionspräsident Barroso fand im Anschluss, die Rede als sehr gelungen, da Renzi auf die Werte, den Stolz und die Würde Europas abstellte. Europa kann immer noch mehr geben, wenn es sich auf seine Stärken besinnt, so der scheidende Barroso.

Alles in allem merkte man aber, es gibt diesen Wermutstropfen, den der Krieg in der Ukraine den Europäern in Brüssel und Straßburg vor Augen führt. Alle sind sich einig, Krieg in Europa sollte der Vergangenheit angehören, ob das in Jugoslawien oder in der Ukraine war oder ist.

In einer der Aussprachen des Parlamentes war man sich nicht so einig in der Vorgehensweise, wie man den Krieg in der Ukraine stoppen kann. Die Kommission mit Štefan Füle; EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, machte es sich etwas zu leicht, indem sie die Schuldfrage auf die Russische Föderation ablud.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

Bayern fordert Brüssel niveaulos heraus

Arbeitssuchende  Fotocollage: © Linde Arndt

Arbeitssuchende Fotocollage: © Linde Arndt

[jpg] Wählertäuschung lieben offensichtlich alle Parteien in Bayern. Da wird über Europa etwas behauptet um Stimmung zu machen. Europa und Brüssel zu diskreditieren scheint ja in Bayern en vogue zu sein. Das aber in diesem Zusammenhang ein ganz niedriger Rassismus gepflegt wird, scheint in Bayern niemanden zu interessieren. Und weil wir die große Koalition haben, scheint die SPD das alles zu goutieren anstatt dazwischen zu gehen.

Nun es sind Kommunal- und Europawahlen in Bayern und anderswo. Anstatt neue Ideen für Europa in den Wahlkampf einzubringen, wird Stimmung gemacht.

Seehofer Foto: ©

Ministerpräsident Horst Seehofer Foto: © VVMünchenTV

Zuerst wird eine Maut für Ausländer gefordert, wobei kurzerhand unsere Nachbarn zu Ausländern ernannt werden, die unsere schönen deutschen Straßen kaputt fahren. Jetzt sollen die aber zahlen, so will es der bayrische Ministerpräsident Seehofer und die „vox populi vox Dei“ in Bayern. Da schreit der bayrische Bergbauer sofort ja, wenn es gegen Ausländer geht. Der Bergbauer bekommt von Brüssel Zuschüsse für seine Milkakühe, was er natürlich auch einsteckt. Berlin hat an Brüssel gezahlt und Bayern kassiert. Die Maut kann es nur geben, wenn, ja wenn die Deutschen auch ihren Inländern (Deutschen) diese Maut abknöpfen. Man will zwar die armen Reichen nicht besteuern aber mit der Maut will man durch die Hintertür doch den Deutschen in die Tasche greifen, und zwar allen. Bayern ist ein Volk des Nehmens, wobei es von allen ohne Skrupel nimmt. Beim Geben ist man da etwas zurückhaltender. Eines haben die Bayern mit ihrem Ministerpräsidenten Seehofer und seinem Atlatus Alexander Dobrindt jedoch erreicht: Die restlichen Mitglieder der europäischen Union denken jetzt auch an eine Einführung einer Maut mittels einer Vignette nach, und, was noch schlimmer ist, denken, welchen Wert Europa für Deutschland darstellt.

Es bedeutet aber auch, für eine Fahrt von Deutschland nach Brüssel könnten 3 Vignetten notwendig sein. Toll, diese deutschen Folkloristen aus dem Süden unseres Landes. Es soll aber noch schlimmer kommen.

Kaum waren die Bundestagswahlen vorbei und CDU und SPD saßen in den Sätteln der Macht und an den Fleischtöpfen der Nation, kamen weitere Ekeligkeiten aus dem Süden. Denn am 1. Januar ging die 7 jährige Ausschlussfrist für Bulgarien und Rumänien zu Ende. 7 Jahre durften diese beiden EU Mitglieder die Freizügigkeit nicht wahrnehmen. Allerdings kamen viele Bulgaren und Rumänen über Werksverträge oder über Subunternehmer in den zweifelhaften Genuss dieser Freizügigkeit. Sie durften schon vorher als Schlachter in den riesigen Niedersächsischen Schlachthöfen für einen geringen Lohn und eine hohe Unterkunftszahlung diese Freizügigkeit geniessen. Die Zahlungen sind dort so niedrig, dass die Osteuropäer kein Geld mehr für ihre Rückfahrt haben. Meckert jemand, fliegt er raus und strandet in einer unserer Städte. Als im Jahre 2000 die Osterweiterung in Brüssel besprochen wurde, die 2004 und 2007 auch kam, wusste man, es konnte zu Überdehnungen in der EU kommen.

 

Pro-Kopf-Einkommen im EU Vergleich im Jahr 2000

EU-Land

Pro-Kopf-Einkommen in Wechselkursen

Pro-Kopf-Einkommen in Kaufkraftstärken

Deutschland

106

106

Bulgarien

7

23

Rumänien

8

27

 

Und gerade Deutschland hatte mit dieser 7 jährigen Ausschlussfrist eine wesentliche Harmonisierung der Lebensverhältnisse dieser beiden Staaten durch die EU im Jahre 2007 gesehen.

Fakt ist jedoch, die Lebensverhältnisse haben sich eher verschlechtert und, was noch schlimmer ist, die Korruption hat in beiden Ländern schweren Schaden angerichtet. Dies führte unter anderem zu 4 Selbstverbrennungen in Bulgarien. Plamen Goranow heißt das letzte Opfer, welches sich in Warna verbrannte. Und zu guter Letzt, in beiden Staaten ist der Analphabetismus mit über 20% erschreckend hoch. Wen wundert es dann, wenn die Gesamtbevölkerung überwiegend keine Ahnung von der EU oder Deutschland hat. Diese kennen gerade einmal das nächste Dorf, die nächste Stadt oder den Stadtbezirk. Das Problem der Sinti und Roma, welches europaweit auf eine Lösung wartet, wollen wir hier nicht kommunizieren.

Vor diesem Hintergrundwissen, welches auch den CDU/CSU Granden zur Verfügung steht, lässt der bayrische CSU Ministerpräsident Horst Seehofer mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ die Hunde auf die Zuwanderer los, die seit dem 1. Jan.2014 auch in Deutschland auf Arbeitssuche gehen dürfen. Von Sozialtourismus, von überdurchschnittlichen Belastungen der kommunalen Sozialkassen, von Selbstbedienung der Sozialsysteme oder gar von Sozialschmarotzertum war die Rede. Seehofer machte damit eine Progromstimmung ohne gleichen aus und zeigte damit den Rassismus in Reinformat. So und nicht anders wurden die ersten Auftritte der NSDAP eines Adolf Hitler befördert. Deutsche sahen sich damals im Unrecht durch Zuwanderer aus anderen Ländern, die nichts anderes wollten als das deutsche „Volksvermögen“. Was jetzt noch fehlt sind die damals marodierenden Freikorps, die willkürlich „Undeutsche“ mordeten. Ist der Ministerpräsident von Bayern noch bei Sinnen? Und Berlin? Berlin wendet sich halbherzig an die Öffentlichkeit, man will die große Koalition nicht aufs Spiel setzten aber auch Brüssel nicht verärgern. Weimar lässt grüßen.

Brüssel meldet sich denn auch, indem man dort die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb Europas als klares Grundrecht des gemeinsamen Wirtschafts-und Währungsraumes sieht. Und im übrigen können sehr wohl in bestimmten Fällen, Arbeitnehmer in einem anderen Land als dem Heimatland unter bestimmten Fällen aus dem bestehenden Sozialsystem Unterstützung bekommen. Das geht noch ein paar mal hin und her, wobei Deutschland immer wieder durch bewusste oder unbewusste Weglassungen der deutschen Gesetze (Die im übrigen mit europäischen Recht übereinstimmen) den Eindruck erwecken will, dass an der bulgarischen und rumänischen Grenze Armeen von Betrügern zum Angriff auf die deutschen Sozialsysteme bereit stehen. In Umfragen wird untermauert: Deutsche wollen keine Bulgaren und Rumänen an den deutschen Sozialtöpfen. Wieder einmal haben wir es erreicht, die EU und Brüssel sinken in den Zustimmungswerten.


Hier einmal zu dem Thema ein Video von VVMünchenTV:



Tatsächlich ist dies alles dummes Zeug, Seehofer will sich nur profilieren. Denn die Bulgaren und Rumänen die hier hin kommen oder auch schon hier sind haben eine sehr große Chance einen Job in Deutschland zu bekommen. Deutschland will ja auch Akademiker, wie Ingenieure, Ärzte oder ITK Abgänger. Und am liebsten wäre es den Deutschen, wenn man an der Grenze sich die Rosinen raus picken könnte. Pfleger z. B. könnten wir dringend gebrauchen, nicht zu teuer, also unterhalb der 8,50 Euro Grenze. Sie sollten nicht meckern und wenn sie nach einer gewissen Zeit den Beruf körperlich nicht mehr ausüben könnten, sollten sie stillschweigend nach Hause fahren.

Und was ist jetzt mit Harzt IV? Kriegen die nicht doch etwas aus unseren Sozialtöpfen?

Ja und Nein. Erst einmal, es gibt kein Hartz IV, sondern nur ALG I und ALG II. ALG I bekommt nur der, wer ein Jahr als Arbeitnehmer beschäftigt war. Es ist eine reine Versicherungsleistung. Nach diesem einen Jahr bekommt er nach Prüfung einen Aufenthaltsstatus zuerkannt wenn er genügend eigene Mittel zur Existenzsicherung zur Verfügung hat, dies muss er übrigens nachweisen. Es folgt noch eine weitere Stufe, damit der EU Bürgern nicht zu einer unangemessenen Belastung der Sozialsysteme wird.

Wenn nun die von Ministerpräsident Seehofer genannten Bulgaren und Rumänen vor den deutschen Sozialämtern, Jobcentern stehen, so können sie nur, nach einer Einzelfallprüfung (was bei allen Antragstellern sicher sein sollte) von den Ämtern abgewiesen werden. Was bleibt ist die Verbringung des EU Bürgers in seinen Heimatstaat.

Wo ist jetzt eigentlich das Problem, Herr Seehofer? Funktioniert der bayrische Beamtenapparat nicht mehr? Bayern könnte auf dem Wege der Amtshilfe, meinetwegen aus NRW, Verwaltungsbeamte anfordern die den bayrischen Beamten hilfreich zur Seite stehen könnten.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Ennepetal

 

 

 

Lage in Afghanistan, ein Blick in das Jahr 2014

panel

Europäisches Parlament, Altiero-Spinelli-Gebäude Brüssel am 24.04.2013
Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung Thema Afghanistan vrnl.Generalleutnant Olivier de Bavinchove,Vygaudas Ušackas, Ausschusspräsident Arnaud Danjean
Foto: Linde Arndt

[jpg] 450 Schulen haben die westlichen ISAF Soldaten und deren Helfer aufgebaut. In Kabul gibt es sogar eine Universität mit 400 Studenten, 80 Kommilitonen davon sind weiblich. Zwei tolle Meldungen, die jeden zivilisierten Menschen erfreuen müssten. Aber es geht ja weiter mit dem Bilanzieren. 90 % der Opiumproduktion kommt aus Afghanistan, die der westlichen Welt Jahr für Jahr zum Konsumieren geliefert wird. Die afghanischen Warlords finanzieren ihre teilweise beträchtlichen Ausgaben mit den Milliardenumsätzen aus dem Opiumgeschäft. Die Warlords haben gelernt, die Schlafmohnernte weiter zu verarbeiten um die daraus gewonnenen Folgeprodukte, wie Opium, Heroin oder Morphium, mit großem Gewinn in der westlichen Welt zu verkaufen. Wobei die Drogen aus Afghanistan geschmuggelt und in der westlichen Welt durch Drogenfahnder wieder kassiert werden – zumindest teilweise.

Das Rechtssystem ist im wesentlichen von der islamischen Sharia geprägt ein restriktives und menschenverachtendes Rechtssystem, alltäglich ziehen die kleinsten Vergehen schwerste körperliche Bestrafungen nach sich.

Trennung von Kirche und Staat, also Laizismus, ihn wird es sicher in den nächsten 40 Jahren nicht geben. Der Islam wird auf lange Zeit den Staat dominieren.

 

usacka_bavinchove

Botschafter Vygaudas Ušackas (Litauen) und Generalleutnant Olivier de Bavinchove (Frankreich)
Foto: Linde Arndt

Generalleutnant Olivier de Bavinchove (Frankreich) *1) zog dann auch mit seinem Kollegen, dem EU Beauftragten für Afghanistan, Botschafter Vygaudas Ušackas (Litauen), vor den Ausschussmitgliedern eine ziemlich schonungslose Bilanz. Wir befinden uns in einem fragilen Zustand, der uns hoffen lässt. Hoffen, wenn wir 2014 abziehen, dass die von uns erbrachten Leistungen in Infrastruktur, wie Straßen und Gebäude, soziale Veränderungen oder das Bildungssystem von den Taliban nicht wieder zerstört werden. Begründete Hoffnung haben wir aber auch, indem wir an die von uns ausgebildeten Kräfte glauben, die diese neuen Errungenschaften verteidigen. Hoffnung auch, indem wir an die vielen jungen Leute glauben, die das von uns aufgebaute Bildungssystem durchlaufen haben. Wenn nicht 2014, so wird es dieser jüngeren Generation sicher einmal gelingen einen modernen afghanischen Staat aufzubauen.

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Karl Åke Roghe (Schweden), Head of Mission,
EUPOL Afghanistan
Foto: copyright consilium.europa.eu

Karl Åke Roghe (Schweden), Head of Mission, EUPOL Afghanistan sieht für die Polizei im Lande eine Perspektive. Tausende junge Afghanen wurden von den Beamten von EUPOL ausgebildet, die sich sicher nicht so schnell den Job nehmen lassen. Sorge bereitet allerdings zunehmend die Kabuler Regierung aber auch die Provinzregierungen, die zunehmend die Gehälter der Polizisten zurückhalten oder verzögert auszahlen. Letzendlich könnte dies zum Ansteigen der Korruption bei der Polizei führen. In anderen Bereichen bereitet die Korruption immer größere Unsicherheiten im Lande.

Über 2014 hinaus werden von der EU weiterhin in geringerem Maße Polizisten ausgebildet. Auch werden die staatlichen Institutionen des Landes weiterhin bei Bedarf Unterstützung erfahren. Die amerikanischen Kampfeinheiten werden massiv verkleinert, so dass nur noch eine relativ kleine Eingreiftruppe im Lande besteht. Perspektivisch werden diese Einheiten die Kabuler Zentralregierung bei ihren Verhandlungen mit dem Taliban beratend unterstützen. Ziel wird es sein die Bevölkerung respektive die verschiedenen Ethnien wieder zu versöhnen.

Dieser über zehnjährige Krieg hat allein der EU jährlich 1 Milliarde Euro gekostet, dazu kommen noch Milliarden die von den europäischen Kriegsteilnehmer aufgebracht wurden. Und das Ergebnis?

 

Afghanistankrieg, ein Resümee

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Generalleutnant Olivier de Bavinchove
Foto: Linde Arndt

Generalleutnant Olivier de Bavinchove gab dann auch unumwunden die in der Vergangenheit gemachten Fehler zu. In seinen nachdenklichen, reflektorischen Ausführungen, führte er an, dass die westliche Welt die afghanische Kultur und das Staatsverständnis nicht akzeptieren wollte. Ignorant hatte man versucht den Afghanen das westliche System über zu stülpen. Und weiter, wir waren jahrelang nicht in der Lage den Afghanen zu zu hören. Wir wollten schnelle Erfolge und hatten keine Zeit die Afghanen anzuhören. Ergebnis waren jahrelange Misserfolge und Stillstand in allen Bereichen. Unsere westliche Zivilisation ist ja auch über Jahrhunderte gewachsen, also kann diese in anderen Ländern von heute auf morgen umgesetzt werden. . Das die Afghanen sich nicht davon abwandten war unser Glück, wir hatten also nicht alle Gesprächspartner verloren.

Was uns richtig weh tut, sind die Rechte der Frauen in der afghanischen Gesellschaft. Sicher gibt es jetzt gut ausgebildete Frauen, die das Land auch braucht. Nur, sie müssen mit einem bewaffneten Schutz herum laufen, dies ist so nicht tragbar. Es ist fraglich ob die ausgebildeten Frauen nach 2014 noch ihrer Arbeit nach gehen dürfen.

Aber wie gesagt, wir müssen geduldiger sein um überhaupt eine Weiterentwicklung im Lande zu erreichen. Was wir haben ist die Hoffnung, dass dieses Land nach unserem Abzug nicht in einen blutigen Bürgerkrieg zurück fällt.

Afghanistan ist lange über 2014 hinaus ein fragiles Land, in der die Hoffnung, dass aber eine Chance haben könnte. Wir Europäer können diesen weiteren Aufbau dann nur beobachten, unterstützen und begleiten – wenn gewünscht.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

*1) Chief of Staff (Stabschef) of the International Security Assistance Force (ISAF/Kabul)

 

 

Die EU und die Schweiz, eine ambivalente Beziehung

[jpg] Feierabend war in Brüssel angesagt. Feierabend? Als wir auf dem Weg waren die Parlamentsgebäude zu verlassen, bekamen die anwesenden Pressevertreter noch eine Erklärung mit auf den Heimweg. Die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, brachte uns ihre Verärgerung über die einseitige Beschränkung des freien Personenverkehrs, der durch den Schweizer Bundesrat entschieden wurde, nahe.

Catherine Ashton Foto: © European-Union.eu

Catherine Ashton Foto: © European-Union.eu

Gerade das Abkommen über Personenfreizügigkeit, dass am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist, ist nach EU Meinung ein Abkommen, welches durchaus Vorteile hat – sowohl für die Schweiz als auch die EU-25 ( Für Bulgarien und Rumänien bestehen noch Übergangsfristen ).
In diesem Abkommen über Personenfreizügigkeit ist eine Schutzklausel ( Ventilklausel) aufgeführt, die es der Schweiz erlaubt, die Zuwanderung nach ihrem Gutdünken zu begrenzen.
Die Begrenzung wird dann aufgerufen wenn die Zahl der neuen Aufenthaltserlaubnisse für Arbeitnehmer und Selbständige aus der EU in einem bestimmten Jahr 10 Prozent über dem Durchschnitt der drei vorangegangenen Jahre liegt.

Aber wie gesagt, es ist eine Kann-Bestimmung, und ob das letzte Wort hier schon gesprochen wurde, wird sich erst Ende Mai 2013 ergeben, wenn die neuen Zahlen der Statistiker vorliegen.

Zur Information die ungekürzte Meldung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton:

„Ich bedauere die heutige Entscheidung der Schweizer Regierung, die einseitigen Beschränkungen des freien Personenverkehrs für EU-Bürger aus acht Mitgliedstaaten vom letzten Jahr fortzusetzen und diese auf Bürger anderer Mitgliedstaaten auszudehnen.
Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit erlaubt dieses Jahr zum letzten Mal eine Anrufung der Klausel für EU-Bürger aus EU-25 Mitgliedstaaten. Voraussetzung ist, dass die Anzahl der Aufenthaltsbewilligungen für die Bürger dieser 25 Mitgliedstaaten in ihrer Gesamtheit den entsprechenden Schwellenwert überschreitet. Die Maßnahmen, welche die Schweizer Regierung heute beschlossen hat, widersprechen dem Abkommen, da sie zwischen unterschiedlichen Gruppen von Mitgliedstaaten unterscheiden.
Die EU misst der Personenfreizügigkeit im Kontext der gesamten Beziehungen zur Schweiz eine hohe Bedeutung zu. Diese Maßnahmen missachten die großen Vorteile, welche die Personenfreizügigkeit den Bürgern in der Schweiz und in der EU bringt. Ich bedauere die Entscheidung der Schweizer Regierung, vom Vorgehen in 2008 und 2009 abzurücken, als die Ventilklausel nicht angerufen wurde, obwohl die Möglichkeit dazu bestanden hätte.“

Martin Schulz Foto: Linde Arndt

Martin Schulz
Foto: © Linde Arndt

Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, hält diesen Schritt der Schweiz für nicht akzeptabel, zeigte aber auf der anderen Seite Verständnis in der Behandlung dieser Zuwanderungsprobleme.

o-karas

Othmar Karas Foto:
© europarl.europa.eu

Othmar Karas, österreichischer Vizepräsidenten des Europaparlaments und damit Ranghöchster Österreicher in Brüssel, den man zumindest ein freundschaftliches Verhältnis zur Schweiz nachsagt, diktierte auch sein Bedauern über diesen Schweizer Schritt.

 

 

 

 

 
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.

 

Armut ist ein Problem in allen EU Ländern

[jpg] Lassen wir einmal die bitterste Armut in der „dritten Welt“ zur Seite legen. Der vorangegangene Satz  war so leicht geschrieben, dass es einen bestürzen muss.
Wie in einem anderen Artikel habe ich über den Ausschuss der Regionen, kurz AdR oder „Die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU“ geschrieben (http://www.en-mosaik.de/?p=37570  und http://www.european-mosaic.de/?p=1166)  um dem User diesen Ausschuss näher zu bringen. Am 11. April 2013 stand die Armut im Sitzungssaal JAN 2Q2 des József-Antall-Gebäudes auf der Tagesordnung.  Ossi Martikainen, Vorsitzender des Stadtrates von Lapinlahti, Finnland und Mitglied der Fraktion „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa, kurz ALDE“ und Parteimitglied in der Suomen Keskusta berichtete vor dem Ausschuss über den „Europäischen Hilfsfond für die am stärksten von Armut betroffenen Personen“ nachdem ihm die italienische Vizepräsidentin Mercedes Bresso (PSE) das Wort gegeben hatte.

25% in der europäischen Union leben in Armut oder relativer Armut, wobei uns die Kinder und Jugendlichen als verlorene Generation entsetzen sollten. In absoluten Zahlen sind es geschätzte 110 Millionen Europäer im Geltungsgebiet der EU, die der Armut ausgesetzt sind. Im Zusammenhang der Europa-2020-Strategie (Im Juni 2010 verabschiedet) hatte Europa es sich zum Ziel gesetzt, diese Zahl um 20 Millionen zu senken. Nur von 2009 auf 2011 stieg die Zahl derer, die von Armut bedroht sind um weitere 6 Millionen, so dass das Ziel  der Europa-2020-Strategie einen herben Rückschlag erlitten hatte. Anstatt nun die Mittel für einen Hilfsfond zu erhöhen, wurden die Mittel um jeweils 1 Mrd. Euro gestrichen. Ein Unding! Dabei sind Linderungen der Armut möglich. Nur mit den Mitteln auf regionaler und lokaler Ebene sind diese Probleme nicht lösbar. Wir sollten grenzüberschreitende Solidarität zeigen und Kinderarmut sowie die Obdachlosigkeit zuerst anpacken.

Um nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, Deutschland habe solch ein Problem nicht, haben wir die in 2009 von der EU vorgenommene Haushaltsbefragung von 125.000 Haushalten, die von der UNICEF aufbereitet wurde, hier eingefügt. Demnach steht Deutschland zwischen Malta und Tschechien mit der Kinderarmut, ein beschämender Rang für eines der reichsten Länder der Erde. 

   

Nun will die europäische Kommission das Nahrungsmittelhilfsprogramm ausdehnen, indem weiter Gruppen als bedürftig eingestuft werden. Nur wie soll das funktionieren wenn die Mittel um 30% im Zeitraum 2014 – 2020 gekürzt werden? Auch sind die Verwaltungsverfahren durch detaillierte Vorschriften zu schwerfällig. Hier sollte die Kommission auf eine aktivere Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften, wie Bezirke, Kreise oder Verbände zurückgreifen. Denn diese haben bereits bewährte Verfahren um die Tätigkeit der Verteilung der Hilfen optimal zu gewährleisten. Flankierend sollten der Nahrungsmittelhilfsfond mit Instrumenten der sozialen Integration und Solidarität kombiniert werden. Denn soziale Ausgrenzung kann sich kein Staat erlauben. Auch ist es sicher, wenn wir unsere landwirtschaftlichen Überschüsse den Hilfsbedürftigen zur Verfügung stellen, was allerdings nicht zu einer Verrechnung mit den Mitteln des Hilfsfonds führen sollte. Die EU sollte die vollständige Finanzierung des Hilfsfonds übernehmen um die Hilfe aus dem Hilfsfond nicht zu gefährden.
Europa sollte sich im Klaren sein, dass eine ausreichende, vielseitige und gesunde Ernährung in vielen Staaten ein verankertes Grundrecht  ist, die EU sollte hier nicht zurück stehen. Mangelernährung in den von Armut betroffenen Bevölkerungsgruppen sind nicht durch diese Bevölkerungsgruppen verursacht worden.

Keine dieser Gruppen kann etwas für:

  • Veränderung der Agrarmärkte
  • Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzflächen für die Nahrungsmittel
  • Strukturwandel
  • Auswirkung der Wirtschaftskrise
  • die hohe Arbeitslosigkeit
  • die Instabilität von Nachbarregionen der EU

Dazu kommen die unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Zustände innerhalb der Staaten der EU, die geradezu nach der Integration von notleidenden Staaten rufen. Die gemeinsamen Werte der EU sehen auf keinen Fall eine Ausgrenzung Einzelner vor.

So bleibt anzumerken, dieser Hilfsfond ist Ausdruck des Zusammenhaltes zwischen den Bürgern, den Regionen und Völkern in Europa; dies rechtfertigt damit die vollständige Finanzierung aus dem EU-Haushalt. So ist die Frage der Kofinanzierungsrate von 85% ( 85% EU Mittel und 15% Eigenmittel ) in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nochmals zu überdenken. Auch ist die Kürzung der derzeitig bereitgestellten Mittel in Höhe von 30 – 40% nicht gerade als eine weitsichtige Entscheidung anzusehen.

Dem Entwurf dieser Stellungnahme durch den Berichterstatter  Ossi Martikainen (Finnland/ALDE) wurde einstimmig durch den Auschuss zugestimmt. Dieser Entwurf ist nunmehr eine bindende Empfehlung für eine Verordnung des europäischen Parlaments und des Rates.

Soweit ich das alles überblicken konnte haben sich so an die 30 Mitglieder der unterschiedlichen politischen Richtungen an diesem Entwurf schriftlich oder durch Wortmeldungen beteiligt. Europa funktioniert besser als die nationalen Ausschüsse und das mit 23 Sprachen.

Jürgen Gerhardt für en-mosaik aus Brüssel


Glossar:

Relative Armut:

Hier gibt es verschiedenste Definitionen. Demnach wird relative Armut  interpretiert als Unterversorgung in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in den Bereichen Wohnen, Bildung, Gesundheit, Arbeit, Einkommen und Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur. Es geht also um die ungleiche Verteilung von Chancen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Absolute Armut:

„Armut auf absolutem Niveau ist Leben am äußersten Rand der Existenz. Die absolut Armen sind Menschen, die unter schlimmen Entbehrungen und in einem Zustand von Verwahrlosung und Entwürdigung ums Überleben kämpfen, der unsere durch intellektuelle Phantasie und privilegierte Verhältnisse geprägte Vorstellungskraft übersteigt.“ (Robert Strange McNamara)

 

Europäischer Denk Cluster tagte in Brüssel

[jpg] In Finnland interessiert sich jemand für Warstein/Westfalen! Wie das? Sie kennen die Picardie mit seinen 1,9 Mio Einwohnern, die Extremadura mit ihren 1,1 Mio Einwohnern? Nein? Sicherlich kennen sie aber Lapinlahti mit seinen 10.000 Einwohnern aber doch Coulaines mit seinen 7.400 Einwohnern? Wenn nicht, dann sicher Budapest mit 1,7 Mio Einwohnern. Na also. Was haben diese Regionen und Städte mit Deutschland zu tun? Sie liegen alle in Europa der 27 (28) Staaten  und aus diesen kommen Menschen, die sich Gedanken über Probleme machen, die auch Deutschland und gerade uns alle betreffen. Es sind 344 Menschen aus den Regionen oder auch Städten der europäischen Union, die sich 5 mal im Jahr treffen um über die Probleme zu diskutieren, die die Menschen in Europa betreffen. Lösungen müssen her, Empfehlungen wie man diese Probleme lösen könnte werden ausgesprochen.

Man hält Brüssel immer vor, alles würde von oben, also dem Rat, angeordnet werden, ohne Nähe zum Bürger. Hier kommt der Bürger zu Wort, hier wird von unten nach oben gedacht. Es ist der Ausschuss der Regionen, kurz AdR oder „Die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU“, der im Grunde genommen ein „Denk-Cluster“ für alltägliche Probleme ist. Ossi Martikainen ist ein Berichterstatter, er ist Vorsitzender des Stadtrates von Lapinlahti in Finnland.  Lapinlahti hat ein paar Einwohner über 10.000 und liegt in der Savo Region, einer Großregion mit großen Seen und riesigen Waldgebieten. Und worüber macht sich dieser  Ossi Martikainen so seine Gedanken? Er macht sich über einen „europäischen Hilfsfond für die am stärksten von Armut betroffenen Personen“ Gedanken. Armut? Dieses Armut-Problem betrifft auch Deutschland. So hat Deutschland über 3 Mio Kinder in Armut. Aber Ossi Martikainen ist nicht alleine, er kann auf viele seiner Kollegen im Ausschuss oder den Fachkommissionen zu gehen und deren Know how nutzen, kann auf nationaler Ebene eines jeden Mitgliedslandes um Rat fragen und wird vorrangig behandelt. So baute  Ossi Martikainen in zwei Jahren seinen Bericht auf und legte diesen am Donnerstag, dem 11.April den 344 Mitglieder des  Ausschuss der Regionen zur Abstimmung vor.

Nun, der Bericht wurde den Mitgliedern allerdings viel früher zu geleitet, mit der Bitte, Änderungsvorschläge zu diesem Bericht zu machen. 11 Änderungsvorschläge lagen am Donnerstag, dem 11. April, dem  Ausschuss vor. Zu jedem der Änderungsvorschläge durfte  Ossi Martikainen als Berichterstatter eine ablehnende oder zustimmende Haltung vor der Abstimmung geben. Und die Ausschussmitglieder waren trotzdem frei in ihrer Abstimmung. Von den 11 Änderungsvorschlägen wurden 3 zurückgenommen, 4 angenommen und 4 abgelehnt. Die Abstimmung über den Bericht einschließlich der angenommenen Änderungsvorschläge erbrachte dann eine einstimmige Annahme des Berichtes von  Ossi Martikainen.  Und, was soll das jetzt?

Nun, jeder Mensch hat aufgrund seiner Persönlichkeit eine andere Herangehensweise an Probleme. Der eine verdrängt die Probleme, der anderen handelt unüberlegt und der dritte verweigert sich gar,  Lösungen für Probleme zu suchen. Überwiegend hat man jedoch erkannt, es sind Versagensängste,  die den Einzelnen zu diesen Verhaltensweisen führt. Und weiter, was aber noch wichtiger ist, es gibt kein nationales Problem,  welches nicht auch ein europäisches Problem wäre. Aber  – und das ist das wesentliche auf europäischer Ebene  – es ist ein besserer Lösungsansatz zu erreichen. Ich denke dies ist eine Riesenchance für die 27 (28) Nationen der EU und für das europäische Haus in dem wir alle wohnen. Und was mich so fasziniert hat: Europa funktioniert!

Und warum die Europa Skeptiker,  die am liebsten heute als morgen austreten wollen? Klar, hat die EU Fehler gemacht, die wie die standardisierte Gurke, richtig peinlich waren. Aber haben die Deutschen sich auf nationaler Ebene nicht mit einem Berliner Flughafen, einer Hamburger Philharmonie oder einen Stuttgarter Bahnhof S21 auch Fehler geleistet die richtig peinlich sind? Und diese Fehler werden sich in allen Staaten finden lassen.
Europa macht Fehler, sicher, aber im Vergleich zu den Einzelstaaten weitaus weniger Fehler.

Und diese wenigen Fehler sind zu vernachlässigen, wenn man die großen Vorteile von Europa betrachtet – ein 500 Millionen Einwohner starkes Denk-Cluster,  welches unbefangen anstehenden Probleme  lösen kann. Das hat mir „Die Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU“, der Ausschuss der Regionen (AdR) gezeigt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

 

Europa funktioniert eben anders

[jpg] Europa hat viele ungeschriebene Regeln. Immer wenn wir Europa als überflüssig ansehen und uns auf unsere nationale Couch zurück ziehen wollen, sollten wir uns vorher zumindest ein paar dieser Regeln ansehen. Aus diesen Regeln lassen sich die Alternativen ableiten.

  • Wenn die europäischen Staaten ein Problem haben, redet man über dieses Problem.
  • Wenn die europäischen Staaten eine gemeinsame Entscheidung treffen, wird es auch eine gemeinsame Entscheidung, die jeden der Staaten ein gutes Gefühl vermitteln. Alle gehen als Sieger aus diesen Verhandlungen.
  • Keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Anderen.
  • Alles was im Consilium im Justus-Lipsius-Gebäude in den Räumen des Rates besprochen wurde, bleibt auch in diesen Räumen. Die Inhalte werden über eine gut organisierte Presseabteilung durch den Präsidenten des Rates, zur Zeit Herman Van Rompuy, über die nationalen Pressesprecher an die Öffentlichkeit gebracht.

Es gibt noch mehr solcher Regeln die vernünftig sind und zur Anwendung kommen.

                                     quadriga-bruessel

"Le quadrige du Brabant " in Brüssel

 
Wenn wir uns nun die europäische Geschichte ansehen, so werden wir immer wieder nur kurze Zyklen des Friedens aufspüren. Die Völker Europas haben sehr viel Blut vergossen. Ohne Grund? Nein sicher nicht, jeder Staat hatte einen guten Grund einen Krieg gegen seinen Nachbarn zu führen. Wobei, es gibt eigentlich keinen Grund Menschen zu töten. Die beiden letzten Kriege führten die Völker Europas an den Abgrund. Die verantwortlichen Staatsmänner Europas sahen, dass der nächste Krieg den Untergang Europas bringen würde. Und dies war eine Motivation das Projekt Europa zu beginnen. Und wenn sie die obigen Regeln überdenken wird man zu der Meinung kommen, ein Krieg hat kaum eine Chance. Er ist zumindest fast unmöglich. Aber, und das ist das schlimme an dem europäischen Projekt: Alles dauert so unendlich lange, weil im schlimmsten Falle 27 (28) Staaten unter einen Hut gebracht werden müssen. Was aber wäre die Alternative? Jemand würde den Staaten sagen was sie tun oder zu lassen haben? Nein, um Gottes Willen. Im gleichen Augenblick wäre das Projekt Europa gescheitert. Denn die europäischen Staaten wollen nicht unter einem Hegemon leben, weder unter Großbritannien noch unter Frankreich, Deutschland oder wem auch immer.

Im Moment scheint Europa in Auflösung zu sein, die Währung, der Euro, ist nicht so hart. Die Schulden der einzelnen Staaten gehen über die vereinbarte Grenze von 60% hinaus. Die großen Staaten, einschl. Deutschland, haben diese selbst gesteckte Grenze gerissen. Zypern, welches 2011 noch mit 61 % zu den guten Staaten gehörte, steht Mitte 2012 auf einmal kurz vor dem Staatsbankrott. Es wurde verhandelt bis es nicht mehr ging. Mitte März 2013 war der Staatsbankrott Zyperns unausweichlich und nicht mehr abwendbar. Sind diese Vorkommnisse nun auf Europa oder den Euro zurück zu führen? Wohl kaum. Denn wenn ein Staat schlecht wirtschaftet, kann man doch nicht die Währung verantwortlich machen. Auch ist es sicher weit hergeholt die Staatengemeinschaft für ein Versagen eines einzelnen Staates zur Verantwortung zu ziehen. 

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Herman Van Rompuy  President European Council
   Brüssel hat bis jetzt das einzig richtige getan, es hat solidarisch gehandelt und geholfen. Nur Hilfe kann doch nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. In diesem Zusammenhang kam die Forderung auf, Brüssel sollte doch bitte die gesamten Schulden übernehmen.
Und als Brüssel einen Eigenanteil forderte, war das Lamento groß. Es setzte ein Abgesang der gemeinsamen Währung Euro ein. Die Deutschen meinten sogar, sie müssten jetzt alles bezahlen.
Tatsächlich müssen die Beträge die Zypern und andere Staaten der EU erhalten haben von diesen an die EU zurück gezahlt werden.
 

 Warum aber das Geschrei in vielen Staaten der EU? In Deutschland möchte man von seinen eigenen Schwierigkeiten ablenken, immerhin hat Deutschland eine Staatsverschuldung von über 80%, also 20% über den erlaubten 60%.
Und diese Staatsverschuldung ist eigentlich noch höher, denn die immensen Abschreibungen, die durch die Bildung der Bad Banken notwendig gewesen waren, sind noch nicht getätigt. Milliarden Euro, die nur noch ein paar Cent wert sind, stehen noch in den staatlichen Büchern. Auch sind die notwendigen gesetzlichen Änderungen hinsichtlich der freien Finanzmärkte noch nicht umgesetzt worden, ja, sogar nicht einmal angedacht. Es wird also weiter gezockt werden. Wenn heute so laut nach den nationalen Währungen gerufen wird, haben viele vergessen wie es vor dem Euro war und was zu dem Euro führte. Denn seit es den Euro gibt ist die europäische Währung gegenüber den anderen Währungen, wie Dollar, Pfund oder Franken, stabil und stark geblieben. Das bedeutet für die Exportnation Deutschland, dass ihre europäischen Handelspartner nicht mehr im Nichts landeten und damit weiter zahlungsfähig für deutsche Produkte oder Leistungen bleiben.

 Das gilt aber auch für alle anderen 27 Staaten der EU, allerdings etwas eingeschränkter.  Im Counsil auf dem Weg zu den Gesprächen[/caption] Also, wie funktioniert denn nun Europa? Es funktioniert sehr schwierig, aber, es funktioniert immer besser. US Amerika nimmt die EU sehr ernst, China, Russland und alle großen Länder wollen mit dem Brüsseler Europa an einem Tisch sitzen und gute Geschäfte machen. Nicht nur das. Dies wäre wohl kaum der Fall, wenn unsere gemeinsame Währung, der Euro, nichts wert wäre. Und wirtschaftlich?   zum-gespraech
Im Counsil auf dem Weg zu den Gesprächen

Die Europäer haben mit Airbus den größten Luftfahrtkonzern auf die Beine gestellt und die US Amerikaner innovativ und auch umsatzmäßig auf die Plätze verwiesen.

Galileo ist der Name des europäischen Navigationssatellitensystems, welches viel genauer als das US Amerikanische oder russische System ist, es könnte mit weiteren Modulen die Verkehrsströme auf der ganzen Welt optimieren und revolutionieren. Verkehrsstaus könnten optimal gelenkt werden und riesige CO2 Mengen dadurch eingespart werden. Erst 2020 wird Galileo bereit sein können; denn die US Amerikaner hatten etwas dagegen, weil dieses System ihrem eigenen weit überlegen ist. In diesem Zusammenhang sei auch auf Europa als gleichberechtigtes Mitglied im Club der Weltraumproduzenten hingewiesen. Mit den Ariane Raketen haben die Europäer ein kostengünstiges Produkt und mit dem europäischen Weltraumzentrum in Französisch-Guayana sogar einen konkurrenzfähigen und ernstzunehmenden Standort für die notwendigen Raketenabschüsse. Aber nicht nur wirtschaftlich haben wir was vorzuweisen. Was uns besonders auszeichnet sind unsere sozialen Strukturen. Menschen- und Bürgerrechte haben in Europa ein Haus mit einem eigenen Gerichtshof in Haag. Genug der Lobhudelei. Es gibt noch etwas, was in Europa nicht so ausgeprägt ist – das europäische Selbstbewusstsein. Es ist noch nicht selbstverständlich wenn ein Franzose, Brite,Tscheche oder Deutscher sagt: Ich bin Europäer mit …… Wurzeln. auf der anderen Seite ist es aber auch so, Brüssel will überzeugen nicht anordnen. In Brüssel gibt es einen Sonderausschuss: Organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche (CRIM). Der Berichterstatter: Salvatore Iacolino schrieb direkt zu Anfang in seinem Bericht: „Vorab ist anzumerken, dass selbst in Fachkreisen keine übereinstimmende Definition des Begriffs der organisierten Kriminalität existiert.“ So funktioniert Europa. Es gibt keine übereinstimmende Definition in den 27 (28) Ländern der EU, also müssen wir darüber reden. In jedem Staat, wie zum Beispiel der USA, würde jemand diesen Tatbestand definieren und dann wäre dieser für alle gültig. Europa ist ein mehr demokratischer Staatenverbund und lernt von Tag zu Tag dazu.

im-gespraech
Janez Janša, Prime Minister Slovenia stellt sich
den Fragen der Presse
  Aber das dauert alles so lange – also Geduld. So tickt Europa und darauf können wir stolz sein. 

Das Brüsseler Europa ist aber auch nicht ohne Fehler. Der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis ist erst seit Februar 2013 im Amt und machte keine gute politische Figur. Seinen Landsleuten wollte er die von der EU garantierten 100.000,– Euro Sparguthaben nicht zubilligen.

Ein schwerer Fehler der jedoch von den Zyprioten selber korrigiert wurde.

Der neue Euro-Gruppen-Chef und niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, auch erst seit Januar 2013 im Amt, ging nicht gerade professionell in dem Fall Zypern an die Öffentlichkeit, indem er die Vorgehensweise der EU in der Zypenkrise als Blaupause für alle einstufte.
Dies war falsch; denn die Volkswirtschaften der 17 Eurostaaten sind nicht vergleichbar und haben alle unterschiedliche Schwachpunkte. Der Luxemburgische Finanzminister Luc Frieden und der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn meinten, die EU hat nicht das Recht ihrem Staat vorzuschreiben, welches Geschäftsmodell ein Staat ausüben wolle. Recht haben die beiden. Nur, dies alles waren die Aufgeregtheiten in Brüssel, die doch nur eines bewiesen haben: Die Europäer reden miteinander und ringen um Problemlösungen.      

 

Jürgen Gerhardt für european-mosaic aus Brüssel

[Alle Fotos: © Linde Arndt]

Falsche Schuldzuweisung

[jpg] Dafür ist Merkel nicht zuständig Manch einer macht es sich sehr einfach. So der neu gewählte konservative zyprische Präsident Nikos Anastasiadis; denn Zypern ist in finanziellen Schwierigkeiten. Bundeskanzlerin Angela MerkelUnd das seit Mitte 2012. Dem Land fehlen kurzfristig 17 Milliarden Euro um die anstehenden Zahlungen zu begleichen. Was lag näher als nach dem europäischen Rettungsschirm ESM ( European Stability Mechanism ) zu rufen. Nur, so einfach geht das nicht. Vorab wurde die Troika, also der IWF ( Internationaler Währungsfond ), EZB ( Europäische Zentralbank ) und die EU Kommission, auf den Weg geschickt.

Auftrag: Betrifft dieses finanzielle Problem nur Zypern oder kann sich dies auch auf die europäische Union bzw. den Euro auswirke? Denn nur im zweiten Fall würde der ESM in Anspruch genommen Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzenwerden können.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir in Brüssel um über das Consilium zu berichten. Bei der abschließenden abendlichen Pressekonferenz der EU Spitze als auch der Bundeskanzlerin wurde der Presse einhellig auf Nachfrage gesagt: Es sind noch keine weitergehenden Gespräche geführt worden. Worüber denn, wenn keine Informationen aus Zypern vorliegen. Wir warten alle erst einmal auf den Bericht der Troika. Dies war die einhellige Stellungnahme.

Zu diesem Zeitpunkt hätte es also durchaus sein können, dass die Zyprioten ihr Problem hätten selber lösen müssen. Dann kam die Troika nach Brüssel mit der Einschätzung, die finanziellen Probleme Zyperns würden sich auch auf den Euroraum auswirken.

Die Konsequenz im Justus-Lipsius-Gebäude in Brüssel
: 10 Milliarden würde die EU den Zypern zur Verfügung stellen.
Die Bedingung:
Zypern soll einen Eigenanteil zusätzlich aufbringen. Wie, das war den anwesenden Regierungschefs erst einmal egal.

Nicos AnastasiadesEs war  der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis der nun den anwesenden Regierungschefs die sogenannte Zwangsabgabe vorschlug. Danach sollten Bankguthaben bis 100.000,– Euro mit einer Abgabe von 6,75%  und über 100.000,– Euro mit einer Abgabe von 9,9% belastet werden. Trotz Kritik aus den Reihen der Regierungschefs blieb  der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis bei seinem Plan.

Die danach einsetzende internationale Kritik als auch die wütenden Proteste der Zyprioten brachten diesen Plan letztendlich vor dem zypriotischen Parlament zu Fall. Ein Plan B musste her, der die Sparer unter 100.000,– Euro unberücksichtigt lies. Täglich hören wir nun wie an dem Plan B in Zypern gearbeitet wird.

Was hierbei irritiert, wieso die Bundeskanzlerin Angela Merkel als diejenige ausgegeben wird, die die Bankguthaben der kleinen Leute haben wollte. Merkel ist bekannt für ihre Entscheidungsschwäche, die solche Entscheidungen nie als erste treffen würde. Vielmehr würde sie solche Entscheidungen erst nach einer klaren Mehrheit mittragen. Es war also nicht fair, als durch gezielte Informationen, Merkel als Sündenbock ausgegeben wurde. Tatsächlich war der zyprische Präsident Nikos Anastasiadis auf den Fluren in Brüssel schon als derjenige ausgegeben, der die Zwangsabgabe, auch der Kleinstsparer von seinen Landsleuten verlangte. 

Man muss ja Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht lieben, nur an allem kann sie nun wirklich nicht Schuld sein.

Jürgen Gerhardt für european-mosaic aus Brüssel.
 

[Alle Fotos: © Linde Arndt]