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Sich von vielen lieb gewonnenen Dingen in Ennepetal verabschieden

[jpg] Die FDP lud zu ihrer öffentlichen Fraktionssitzung am 25.1.10 ins Haus Grebe ein. Der Gast, Herr Kaltenbach, der Stadtkämmerer der Stadt Ennepetal, wollte den Haushaltsplan 2010 vorstellen, der allerdings noch vorläufig ist. Vorläufig deshalb, weil viele Punkte zwar entscheidungsreif aber eben noch nicht entschieden sind. Der 50 Mio. Kassenkredit muss noch von der Bezirksregierung abgesegnet werden, dies soll aber nur eine Formalie sein.

                          

Der in 2009 exorbitante Einbruch der Steuereinnahmen kann bis heute nicht erklärt werden. Nur dieser Einbruch der weit über dem Landesdurchschnitt liegt, sollte unseres Erachtens erklärbar sein. Denn die in Ennepetal ansässigen Unternehmen, hatten zumindest nach unseren Recherchen nur durchschnittliche Umsatz- und Gewinnrückgänge zu verzeichnen, sie lagen alle im Landesdurchschnitt. Hier bleibt die Stadtverwaltung eine Antwort schuldig.

Bedingt durch die Aufnahme eines Kassenkredites in Höhe von 50 Mio,. aber auch durch die Überführung der städtischen Vermögenswerte, oder nur einige hiervon, in eine Anstalt öffentlichen Rechtes (AÖR), welche mit 40 Mio. in den städtischen Bilanzen zu Buche schlagen, konnte und kann das Haushaltssicherungskonzept zumindest bis 2011 abgewendet werden.

Ab 2011 könnte es allerdings passieren, dass über eine Erhöhung der Hebesätze im Bereich der Gewerbesteuer geredet werden müsste, wenn sich die wirtschaftliche Situation nicht verändert. Beim Sparen ist man mit den Fachbereichen "einvernehmlich" zu einer Kürzung der Budgets weiter gekommen. Über die Höhe der Kürzungen kann man nur spekulieren. Letztendlich stellt sich im Moment die Situation so dar: Den politischen Entscheidern, wie auch der Rat der Stadt, haben nur eine Manövriermasse von 4 – 7 Mio. zur Verfügung um Projekte auf den Weg zu bringen. Es ist schwierig, denn den projektierten Einnahmen von 68,8 Mio. stehen im Moment projektierte Ausgaben von 88 Mio. gegenüber, die Differenz muss mit "Schulden" ausgeglichen werden. Alle Investitionen im Bereich Straßenbau und Gebäudemanagement wurden auf 2012/2013 verschoben, wahrscheinlich weil Investionen nicht durch Kassenkredite getätigt werden dürfen und die AÖR in seinem Aufbau noch etwas Zeit benötigt. Denn das Heben der "stillen Reserven" durch die AÖR bringt das Kapital, um erst die Investitionen zu tätigen. Nun, wir wollen einmal nicht zu sehr ins Detail gehen, wobei allerdings einige Ungereimtheiten nicht von der Hand zu weisen sind.

                                

1.    Das Haushaltssicherungskonzept

Es soll unbedingt vermieden werden, so der Kämmerer. Begründung: Weil wir nicht mehr Herr im eigenen Hause sind.
Das stimmt so und stimmt so nicht. Sprich, es ist die halbe Wahrheit.
Nach unseren Gesprächen mit der Bezirksregierung als auch mit dem Innenministerium NRW, will keiner die kommunale Unabhängigkeit der Kommunen in irgendeiner Form auch nur antasten. Im Gegenteil, Ziel ist es diese zu erhalten und ggf. wieder herzustellen. So der Tenor der Gespräche.

Allerdings, und jetzt kommt die andere Seite, würden die Behörden es nicht hinnehmen, wenn die Kommune auf der einen Seite Schulden macht um den Ausgleich zu erreichen, einen wie immer gearteten Sparwillen aber nicht erkennen lässt. Und da kann es schon mal vorkommen, um es mal salopp zu sagen, dass die goldene Kloschüssel und die Ralleykappen des Bürgermeisters nicht mehr ersetzt werden dürfen oder zur Disposition stehen.

Der anvisierte Personalbedarf von 14,9 Mio. und erweitert auf alle Betriebe in Höhe von 19,4 Mio. würde sicher dann etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Aber, und jetzt kommt es: "Die vielen liebgewordenen kleinen Dinge an die wir uns gewöhnt haben, gehen dann nicht mehr", so der Kämmerer. Welche das sind, dass wollte er uns nicht verraten. Auch war es unredlich Hagen und Wuppertal argumentativ vergleichend heranzuziehen, beide Städte sind nicht mit Ennepetal vergleichbar, aber Äpfel und Birnen sind eben auch Obst.

2.    Solidarprinzip

Die Bundesrepublik ist ein föderaler  Staat und zwar bis auf Kommunalebene herunter, dies hat seine guten historisch gewachsenen Gründe. Wir sind über die Jahrhunderte gut damit gefahren, wobei viele Gebiete der Republik davon profitierten. Dieses Prinzip bedingt, dass die reicheren den ärmeren unter die Arme greifen. Beispiel: Finanzausgleich der Länder auf Bundesebene. Analog gibt es den so genannten Finanzausgleich auf Kreisebene. Es kann aber nicht sein, wenn ehedem Länder oder auch Kommunen die aus diesem Topf Zuschüsse bekommen haben, sich verabschieden wenn sie dementsprechende Überschüsse erwirtschaften.

Bayern hatte nach dem Weltkrieg sich nur deshalb entwickeln können, weil auch NRW in den Topf einzahlte. Heute steht Bayern auf und möchte, da es Überschüsse erwirtschaftet, nicht für die Anderen einstehen. Ennepetal konnte sich auch nur entwickeln, weil der Kreis in der Gründungsphase der Stadt der Kommune unter die Arme gegriffen hat. Abgesehen davon, dass der Kreis viele Aufgaben wahr nimmt die sonst die Stadt wahrnehmen müsste. Dieses Solidarprinzip in Frage zu stellen ist schlicht und ergreifend nicht in Ordnung, entsteht doch damit der Eindruck wir auf unserer "Insel der Glückseligen" würden bedingt durch die Zahlungen an den Kreis in die Bredouille kommen.

Auch wir haben Kreistagsabgeordnete die sich per Antrag dafür einsetzen können, dass Ennepetal nicht mehr zahlen muss. Nur, ich denke, wir würden uns lächerlich machen.

Thema Ausbildung:  Der Kämmerer führte aus, dass er hier mit dem BM über Kreuz lag. Er vertritt die Meinung, dass die Stadt nicht ausbilden solle, während der BM jedoch ausbilden wolle. Auch hier wird ein Prinzip in Frage gestellt. Denn wenn niemand mehr ausbilden will, wo sollen die Fachkräfte herkommen? Der Kämmerer meinte, es gäbe genug Juristen die kurzfristig in die Verwaltungsjobs wechseln könnten oder wollten, falls Bedarf wäre. Eine fatale Einstellung die unser Ausbildungssystem in Frage stellt.

3.  Die Anstalt öffentlichen Rechts, kurz AÖR

Hier erläuterte der Kämmerer, dass er durch die Gründung und die daraus folgenden "Umbuchungen" der Stadt rund 40 Mio. zuführen würde. Soweit so gut. Ich persönlich halte das mehr oder weniger für einen "Taschenspielertrick", aber, und das will ich auch ausdrücklich betonen dies ist alles legal.Allerdings darf die Stadt selber nicht diese "versteckten" Gewinne realisieren und deshalb muss eine AÖR gebildet werden.
Ich will einmal versuchen das Problem und seine Auswirkungen zu schildern.
Nehmen wir einmal an die Stadt hat als einzigen Vermögenswert sein riesiges Kanalnetz welches als Abwassernetz fungiert. Dieses Abwassernetz hat nur eine Aufgabe, die Abwässer und Fäkalien der Ennepetaler Haushalte zu sammeln und einem Klärwerk zu zuführen, etwas einfach dargestellt. Nun müssen die Kanäle gewartet und Teile evtl. erneuert werden. Das führt logischerweise alles zu Kosten. Diese Kosten werden den Hausbesitzern als Gebühren in Rechnung gestellt und diese stellen es ihren Mietern als Nebenkosten wieder in Rechnung. Das ist der Kreislauf. Jahr für Jahr macht das die Stadt. Die Kanäle selber haben einen Wert, sagen wir einmal von 15 Mio. Jetzt geht die Stadt her und verkauft diese Kanäle für 40 Mio. an die AÖR. Die Stadt hat auf einmal 40Mio und die AÖR 40 Mio. Schulden aber auch das Kanalnetz.

Die Stadt ist also nicht mehr Eigentümer dieser Kanäle. Sie braucht sie nicht mehr zu warten, alte nicht mehr zu ersetzen oder neue zu verlegen.
Was ist aber nun mit den Gebühren die ja durch die Kosten anfallen? Nun da gibt es zwei Wege. Die AÖR berechnet die Kosten selber und stellt sie der Stadt in Rechnung, diese wiederum berechnet sie wie gehabt an die Hausbesitzern weiter. Oder aber, die Stadt tritt ihr Recht Gebühren zu erheben an die AÖR ab.
Dieses Konstrukt ist hochproblematisch, wobei die Probleme erst Jahre später zu Tage treten.
a) Es werden Schulden mittels Gewinne die es nicht gibt ausgelagert, ähnlich wie beim   
     Sondervermögen des Bundes und der Länder.
b) Auf die Höhe der Gebühren hat die Stadt keinen Einfluss mehr, dies obliegt der AÖR
c) Es entstehen Personalkosten in doppelter Höhe für die Verwaltung.
d) Die Stadt wird ihrer Vermögenswerte beraubt, Folge: Bei einer Kreditvergabe sehen die Banken
     höhere Risiken, die Kreditzinsen steigen.
e) Die AÖR ist gehalten wirtschaftlich zu arbeiten, sie wird also notwendige Reparaturen nicht zwangs-
    läufig ausführen also die Kosten so gering wie möglich halten. Folge: Das Kanalnetz wird mit der Zeit
    immer weniger wert, ja sogar marode. Siehe Haus Ennepetal, das einen geschätzten Sanierungsbedarf
    von 2 – 5 Mio. aufweist, der aber durch die GmbH & Co. KG nicht aufgebracht werden kann.

Sie sehen selber wie problematisch diese Entscheidung, so sie kommt, sein wird. Übrigens ist dies alles in den USA und dem Vereinigten Königreich mit demselben Misserfolg schon vor Jahren umgesetzt worden, hier versucht man heute gegen zu steuern. Deutschland ist da eben etwas langsamer und möchte seine Fehler selber machen, wobei Ennepetal sowieso hinter Deutschland herhinkt.

Und das alles um das Haushaltssicherungskonzept zu umgehen? Wie viel Leichen muss es im Keller der Stadtverwaltung geben, wenn man das HSK so fürchtet und zu solchen Mitteln greift.

Auf meine Frage ob die Stadt nicht das hochdefizitäre "Platsch" schließen will und mit den Nachbarstädten ein oder zwei Schwimmbäder zusammen zu betreiben, antwortete der Kämmerer. Mit den Nachbarstädten eine Regelung hinsichtlich des Schulsportes zu treffen würde sich sicherlich schwierig gestalten, deshalb würde man davon absehen. Interkommunale Zusammenarbeit, ja, das war eine Absichtserklärung im Wahlkampf, eben nur eine Absichtserklärung. Es scheint  sehr schwierig, sich mit seinen BM Kollegen in Schwelm und Gevelsberg an einer Tisch zu setzen, um die gemeinsamen Probleme zu lösen.

Übrigens die Bezirksregierung in Arnsberg findet interkommunale Zusammenarbeit als einen Schlüssel, um die finanziellen Probleme der Städte in Zukunft zu lösen. Die Städte würden, falls sie denn kommen würden, offene Türen einrennen, so die Bezirksregierung in Arnsberg.

Ja, so kann man sich halt nicht von so allzu lieb gewonnenen Dingen aber auch lieb gewonnenem Denken verabschieden.
Macht ja nichts, die Auswirkungen haben unsere Kinder zu bewältigen, Hauptsache es geht uns heute gut.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik