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Warum wollte Finanzminister Schäuble den „Grexit“ ?

schaeuble-collage[jpg] Der CDU Mann Wolfgang Schäuble ist ein durch und durch konservativer Mensch. Ihm sind Linke und Kommunisten suspekt und als politische Mitbewerber kann er diese Gruppe keinesfalls akzeptieren. Aber auch mit der Demokratie hat er so seine Probleme. Denn als die Wiedervereinigung verhandelt werden musste, verhandelte der gelernte Jurist über einen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Der Vorteil, dass Grundgesetz behielt seine Gültigkeit und das Volk konnte nicht über eine noch zu schreibende Verfassung abstimmen, weil es im Grundgesetz so vorgesehen war. Ein weiterer Vorteil, es brauchte keinen Friedensvertrag, der die Frage der Raparationskosten aufgeworfen hätte. Warum schreibe ich das jetzt? Nun, bei Wolfgang Schäuble gibt es eine klare Linie: Er ist durch und durch Deutscher, der immer wieder den Vorteil für Deutschland suchte und auch fand.

Als nun Griechenland eine linke Regierung an die Macht kam, wobei die Partei Syriza auch noch ein Sammelbecken von linksorientierten Strömungen darstellt,  läuteten sicherlich bei Schäuble, aber nicht nur bei ihm, sämtliche Alarmglocken. Ich kann mir nur einen Gedanken im Kopfe des konservativen Wolfgang Schäuble vorstellen, nämlich, diese Leute müssen weg. Und wie das in der Politik so ist, es musste eine Strategie her.

Premierminister  Alexis Tsipras  Foto: © Linde Arndt

Premierminister Alexis Tsipras Foto: © Linde Arndt

Der neue Premierminister Alexis Tsipras tat auch das was er versprach, er schickte die neokolonialen Abgesandten von EC, IWF und EZB wieder nach Hause und verlangte Neuverträge.

Nun, wir alle wissen wie die Verhandlungen ausgingen. Nach fünf Monaten diktierten EC, IWF und EZB den Griechen einen neuen Vertrag und zwar einen schlimmeren als es ihn vorher gab.

Dieses „Diktat“ musste das Parlament in Athen absegnen damit die EU sich überhaupt mit den Griechen an den Verhandlungstisch setzte. Dieses Diktat wurde maßgeblich von dem deutschen Finanzminister zusammen geschustert. Geschustert deshalb, weil es von Juristen geschrieben wurde und keinen wirtschaftlichen Sachverstand erkennen lässt. Führende Ökonomen in aller Welt sehen in diesem Vertrag nur einen Unterwerfungsvertrag. Ein Beispiel: Wie kann man die Mehrwertsteuer für die Gastronomie um zehn Punkte erhöhen, wenn man in diesem Land von dem Tourismus abhängt. Man treibt doch die Touristen den türkischen Nachbarn in die Arme. Aber lassen wir das.

Finanzminister Wolfgang Schäuble  Foto: © Linde Arndt

Finanzminister Wolfgang Schäuble Foto: © Linde Arndt

Auf einmal wurde eine Meldung aus dem deutschen Finanzministerium an die Presse lanciert, ein „Non-Paper“ zwar, aber wir alle hatten es auf dem Desktop. Der Inhalt: Das Finanzministerium schlägt einen „temporären Grexit“ und einen Treuhandfond für griechisches Vermögen unter EU Verwaltung vor. Ich will jetzt einmal diese beiden „Gedankenspiele“ ( Man wird doch noch…) nicht bewerten. Tatsächlich stellte dies eine Provokation gegenüber den Griechen dar. Denn es war augenscheinlich eine Falle, die den Griechen die Türen weit für einen Austritt öffnen sollten. Das der „Grexit“ gegen die EU Verträge verstoßen würde, war Herrn Schäuble augenscheinlich klar, denn es konnte ja nur einen Austritt aus der gesamten EU zu einem damit verbundenen  Grexit führen. Viele der tausenden Foristen, Experten, Chatter oder selbsternannten Ökonomen fanden diesen Vorschlag durchaus als positiv. Nur, welche Folgen würde dieser Schritt nach sich ziehen. Da blieb es immer im vagen. Herr Sinn, seineszeichen Professor für Ökonomie im IFO Institut, meinte denn auch, da müssten die Griechen ihre Tomaten mal wieder selber anbauen. So einfach ist Ökonomie.

Gehen wir einmal davon aus, der deutsche Finanzminister Schäuble wäre mit seinem Vorschlag durchgekommen. Was wären die Konsequenzen?

 

  • Mit einem Schlag hätte die griechische Regierung eine neue Währung einführen müssen, seien es Schuldscheine, Drachmen oder eine sonstige Währung.  Damit hätte man im Inland zwar den Zahlungsverkehr aufrechterhalten können, mehr aber nicht.
  • Die eingeführte Währung hätte an dem internationalen Finanzmarkt bewertet werden müssen. Da Griechenland seine Schuldenzahlungen eingestellt hatte, hätte die Währung keinen Kurs bekommen.
  • Kredite, die der griechische Staat auf den internationalen Kapitalmärkten dringendst benötigt hätte, wären mit Zinsen belegt worden die jenseits von gut und bösen gelegen hätten.
  • Die rund 330  Milliarden Euro an Schulden, die Griechenland mit der neuen Währung     nicht hätte zurückzahlen können, denn die neue Währung wäre ja nichts wert gewesen, hätten auf den interantionalen Finanzmärkten zu einer weiteren Ächtung geführt.
  • Griechenland hätte dann mit seinen Schulden und mit den Mitgliedern des Club de Paris, Paris Club ein Schuldenabkommen, welches eine Schuldenumstrukturieung oder auch     einen Schuldenschnitt beinhaltete, verhandeln müssen.

 

Alleine die Umsetzung nur dieser 5 Punkte, die eine Konsequenz der Gedankenspiele Schäubles darstellen, hätten in Griechenland zu sozialen Verwerfungen ungeahnten Ausmaßes geführt. Armee hätte eingesetzt werden müssen, Ausgangssperren verhängt und auch Lebensmittelzuteilungen ausgegeben werden müssen. Der „Worst Case“ wäre eingetreten, ein unregierbarer Staat.

Und Wolfgang Schäuble, der schon immer in größeren Dimensionen dachte, hätte auf die linke Syriza zeigen können und die Bewegung von unten abgewürgt. Aber nicht nur das, sondern auch in den anderen Staaten, wie Spanien, Portugal oder Italien, wären damit die Linken diskreditiert worden. Weiter wäre die deutsche Vormachtstellung in der EU vergrößert worden, Unsicherheiten gegenüber den Deutschen in Brüssel wären weg gewischt worden; denn die Deutschen haben ja Europa von den „faulen Griechen“ gerettet.

So könnte man sich den Plan des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble vorstellen.

Nur, er hat einen Haken, dieser Plan. Die deutschen Leitmedien haben wie es sich für gute deutsche Medien gehört, im Sinne des Finanzministers geschrieben. Die Gleichung: Der Grieche ist faul und will nur an unser (Der Deutschen) Geld und wir haben genug bezahlt, der bekommt keinen Cent mehr.

Leider zogen die Europäischen und ausländischen Medien nicht mit. Und so wurde der hässliche Deutsche durch das Verhalten des Herrn Schäuble in Europa wieder sichtbar. Nicht in exotischen Medien, sondern in seriösen Medien, wie Le Monde, El Pais oder dem Observer. Und absehbar feiert die Nationalstaaterei im Ansatz wieder fröhliche Urstände.

Und Europa? Im Moment sieht es schlecht aus mit dem Haus Europa, Brüssel steht für Unterdrückung die jederzeit auf die anderen Staaten angewendet werden könnte.

Übrigens ist Herr Schäuble und der EU auch klar, dass Griechenland in der Ägäis auf riesigen Öl- und Gasvorkommen sitzt, die auf einige Billionen Euro geschätzt werden. Vielleicht hilft die Russische Föderation den Griechen die Felder zu erschließen. Für die Zukunft wäre die Dankbarkeit der Griechen den Brüsselern sicher.

 

Jürgen Gerhardt für  EN-Mosaik und european-mosaic









Europa versammelt sich am Abgrund

 


Flaggen: Vertretungen, Collage JPG
  [jpg] Griechenland hat gewählt. Mal wieder. Nun sollte man meinen, dass ein Volk nicht die Politiker wählen würde die ihnen eine versalzene Suppe serviert haben. Aber gerade die haben die Griechen gewählt. So wird die Nea Dimokratia (ND) mit Antonis Samaras 29,7% der abgegebenen Stimmen und damit 43% der Parlamentssitze bekommen. Den Rest holt man sich bei der sozialdemokratischen Pasok Partei um den Vorsitzenden Evangelos Venizelos, die immer noch 12,3% der Stimmen bekommen hat und damit drittstärkste Partei wurde.
Diese beiden Parteien sind die Garanten für Steuerschulden, Steuerhinterziehung, Korruption, Klüngel oder Kapitalflucht , die durch die griechische Verwaltung nicht bekämpft wird. 200 Mrd. Euro, so schätzt man vorsichtig, schuldet die obere Gesellschaftsschicht dem Finanzamt und hat diese ohne Probleme auch noch außer Landes gebracht.

In Sachen Korruption erinnert man sich an die Firma Siemens, die mit dem griechischen Staat einen Vergleich geschlossen hat indem 270 Millionen Euro aus der Welt geschafft wurden. Das Parlament stimmte dem Vergleich zu. Dieses  zum Thema saubere Deutsche.

Aber es kam noch eine Partei nach oben bei der Wahl, das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) mit 26,9 % (+10,1%) zweitstärkste Kraft mit seinem Vorsitzender Alexis Tsipras. Tsipras, ein junger, energischer und intelligenter Mann. Er erklärte auch sofort, er wolle die Verträge der Europäer mit den Griechen nicht anerkennen und notfalls zur Drachme zurückkehren. Mainstream aller Europäer war dann auch, hoffentlich kommen die alten Parteien wieder an die Macht. Kurzerhand wurde die Partei Syriza zur radikalen Extremistenpartei erklärt. Von Nea Dimokratia und Pasok verspricht man sich zwar ein mürrisches tragen des Jochs, dass man den Griechen durch die Troika (IWF,EZB, EU – Kommission) auferlegt hat, aber immerhin.

So ist die radikale Linke unter dem jungem Vorsitzender Alexis Tsipras auch in gewisser Weise als Aufstand der Jugend gegenüber ihren Väterparteien ND und Pasok zu verstehen. Waren diese Väter noch nicht einmal in der Lage eine ernstzunehmende Verwaltung aufzubauen. Warum auch. Aber es ist auch ein Aufstand gegenüber der übermächtigen Brüsseler EU Bürokratie, die mit ihrer Verwaltung schon längst die Schwierigkeiten des griechischen Staates hätte erkennen müssen. Brüssel wusste um die „kreative Buchführung“ in Athen und hat, als es noch Zeit war, nichts dagegen getan.

 

Das ist aber noch nicht alles. Jetzt rächt sich die mangelhafte Arbeit der Kommission in Brüssel und des europäischen Parlamentes in Straßburg. Europa steht am Abgrund, ja, aber nicht wegen der griechischen Staatsschulden, sondern weil es ein Europa in der Tiefe nicht gibt. Es gibt und gab keine Vereinbarungen zu den klassisch politischen Bereichen, es gibt nur oberflächlich gemeinsame Erklärungen, teilweise nur Absichtserklärungen. Selbst der Euro wurde finanzpolitisch nicht abgesichert, obwohl dazu jede Menge Zeit gewesen wäre. Wenn man den Scherbenhaufen betrachtet könnte man meinen, die Kommission wollte nie ein geeintes Europa erbauen, sondern nur ein Europa der Kaufleute.

2008 kam die Krise von den USA zu allen Staaten des globalen Dorfes. Billionen haben die USA in systemrelevante Firmen gesteckt, damit die USA nicht kollabierte. Europa steckte ebenfalls Gelder in ungeahnter Höhe in seinen Finanzmarkt. Es wurde ausgebucht, ausgegliedert oder ausgeglichen und das alles auf Kosten des Steuerzahlers.

Es war halt in Europa ein Griechenland XXL was gerettet werden musste – geschätzte 12 Billionen mit den USA weltweit mussten in die Hand genommen werden, genau weiß das niemand. Die Krise in Griechenland ist insofern ein riesiges Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen.

Europa ist die reichste Region unserer Erde und sollte, würde es nach seinen Gründungsvätern gehen, schon längst mit einer Stimme sprechen. Tut es aber nicht. Europa ist eine Region in der es die besten Köpfe gibt, die mit Forschung und Lehre großes Tag für Tag hervor bringen könnte. Tut es aber nicht. Und warum tut Europa das alles und noch viel mehr nicht? Weil die Regierungen sich lieber mit Berechnung der gebogenen Gurke befassen. Nicht ein vertikaler und horizontaler Finanzausgleich unter den Ländern der Eurogruppe und der EU wurde geschaffen, nein, es wurde ein Verteilungsmonster geschaffen, welches Fehlinvestitionen erbrachte. Die großen EU Länder wollten unbedingt ihre Märkte alimentiert sehen. Alle anderen mischten kräftig mit. Es entstand ein Markt bei dem volkswirtschaftliche Schäden in ungeahnter Höhe entstanden. Man schrie nach der Marktwirtschaft und bekam die Plan- und Vetternwirtschaft.

Zurück zu Griechenland. Griechenland hat inzwischen mehr Waffen als Deutschland, nur Deutschland hat 82 Millionen Einwohner gegenüber 11 Millionen Griechen. Deutschland hat 250.000 Menschen unter Waffen, Griechenland 120.000 Menschen. Und warum? Die griechische Führung redete sich immer ein, sie würde von dem Nato Land Türkei einmal angegriffen. Deshalb wurden Waffen in ungeahnter Höhe eingekauft, letztmalig 400 Panzer , womit Griechenland jetzt mehr Panzer hat als Deutschland. Man nennt so was Misswirtschaft. Nur die anderen europäischen Freunde hat es gefreut als man die Aufträge sah und bekam. Man könnte über Griechenland seitenweise schreiben, es würde sich nur der Blutdruck über soviel Unverstand erhöhen. Bleibt die Frage: Wäre Europa aus dem Schneider,  wenn die Griechen  das ihnen von der Troika auferlegte Joch tragen würden?

Nein! Es geht ja jetzt erst richtig los. Wenn die EU mit solch einem Tempo und Sachverstand weiter macht, wird Europa unweigerlich vor die Wand gefahren. Portugiesen, Iren, Spanier, Zyprioten und Italiener stehen schon an der Garderobe um sich mit Rettungsschirmen einzudecken. Im Moment bastelt man an einem vorgezogenen,  größeren und dauerhaften Rettungsschirm ESM genannt. Angela Merkel, die inzwischen zur Domina oder auch Führerin (je nach Laune) ernannt wurde, hat schon mal ihr Portemonnaie geschlossen. Sie ruft lauthals wie alle Konservativen zum Hardcore Sparen auf. Wenn Maschinen kaputt gehen, wird es eben keine neuen geben und die Produktion wird eingestellt. So einfach ist das bei den Konservativen. Und die Liberalen wollen auch noch Steuergeschenke verteilen. Womit? Klar mit neuen Schulden. Da geht das eben.

Und da wundert man sich, wenn die jungen Politiker wie Alexis Tsipras die Alten zum Teufel jagen wollen, wenn die Alten ihnen die zukünftige Überlebenschance verprassen.

 

Wenn doch die europäischen Politiker die Krise als Chance sehen würden. Wenn sie alles als Zäsur begreifen um endlich an einem Europa der Tiefe zu arbeiten. Auch das Wirtschaftswachstum einer Volkswirtschaft als allein selig machendes Werkzeug für alles Übel in einer Ökonomie ist inzwischen nicht mehr die erste Wahl. Es geht schon lange nicht mehr um John Maynard Keynes gegen Adam Smith in der Nationalökonomie, es geht um Reformen und auch tiefgreifende Korrekturen um zukünftige schwere und schwerste Schäden von Staatengemeinschaften fernzuhalten. Europa hat die Kraft solche Reformen zu stemmen; China ist zu jung und die USA sind zu schwach. Europa war immer stark wenn es um höchste geistige Leistungen ging. John Maynard Keynes und Adam Smith waren Europäer die immerhin die Wirtschaftsmodelle der letzten 200 Jahre und mehr geprägt haben. Jeder zu seiner Zeit. Nur die Zeiten haben sich verändert.

Ich denke Europa sollte das ewige starren in den Abgrund sein lassen und sich auf das besinnen was es ist – eine starke Region in jeder Hinsicht.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus dem Netz der Netze