Beiträge

Eigentlich ist in Brüssel zur Zeit Stress pur angesagt

 

Udo van Kampen  Foto: © Linde Arndt

Udo van Kampen Foto: © Linde Arndt

[jpg] Seit März 2014 ist in Brüssel die Hölle los. Brüssel heißt nicht nur EU, vielmehr hat die Nato ihr Hauptquartier auch noch in Brüssel. In der Regel hat die EU kaum etwas mit der Nato zu tun. Die Situation in der Ukraine zwang diese beiden Organisationen zur Zusammenarbeit. Mitten in Brüssel am Schumann Kreisel liegen die Gebäude des Rates und der Kommission. Tag für Tag, bis zu 18 Stunden lang, trafen sich die unterschiedlichen Fachminister und die Regierungschefs der 28 EU Mitgliedsstaaten. Hinzu kamen ab Ende März fast die gesamte neue Regierung der Ukraine aus Kiew. Und zu guter Letzt kam der amerikanische Präsident Barack Obama dazu, der zum ersten mal die EU Spitzen besuchte. Kommissionspräsident Barroso und Ratspräsident van Rompuy gaben eine Pressekonferenz nach der anderen. Die Krise in der Ukraine oder auch Krim hielt alle ganz schön in Atem. Zeitweise sah es so aus als wenn wir alle nur noch einen Schritt vor einem neuen Krieg in Europa gestanden hätten.

Im Atrium des Justus-Lipsius-Gebäudes arbeiteten einige Hundert Journalisten aus allen Ländern. Im Atrium gibt es aber noch mehrere Emporen, auf denen die TV Sender ihre Aufnahmen machen.

So auch das ZDF mit Udo van Kampen oder die ARD mit Rolf-Dieter Krause, beides erfahrene Journalisten und Korrespondenten mit sehr viel Erfahrungen in diesem Geschäft. Man sieht sich, kennt sich und grüßt sich.

v.l.: Udo van Kampen und Sparkassendirektor Bodo Bongen  Foto: © Linde Arndt

v.l.: Udo van Kampen und Sparkassendirektor Bodo Bongen
Foto: © Linde Arndt

Udo van Kampen wurde von der Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld für einen Vortrag eingeladen. Rund 260 Kunden waren gekommen um aus berufenem Mund zu hören, wie der Hase in Brüssel so läuft.Und da lag es doch nahe auch mal aus dem „Nähkästchen“ zu plaudern.

Bodo Bongen der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse und Udo van Kampen warfen sich die Stichworte zu um dem Ganzen Farbe zu geben. So wurde die New Yorker Zeit etwas näher beleuchtet nach dem ein Einspieler ein „besonderes“ Verhältnis zu Condoleezza Rice, der ersten Afro-US-amerikanischen Außenministerin, erscheinen ließ. Was denn da gewesen wäre, so fragte Bodo Bongen. Es wurde natürlich nur ausweichend beantwortet. 9/11 erlebte van Kampen hautnah und schickte, ganz Profi, sofort ein Kamerateam zu den nahe gelegenen Twin-towers. Nun, wie das Leben so ist, wurde van Kampen zum Leiter des ZDF Studios Brüssel versetzt. Brüssel als eines der großen Machtzentren auf der Welt. Ja, die Bürokratie ist in Brüssel zu groß geworden aber trotz allem ist Europa eine gute Sache. Der Euro käme uns teuer zu stehen wenn wir Deutschen aussteigen würden und die DM wieder einführen würden. Und es kam die „krumme Gurke“ zur Sprache, warum die auf einmal gerade sein musste und nur mit einem bestimmten Winkel wachsen durfte. Es waren die Händler die einen „Gurkenstandard“ verlangten. Sie wollten es nicht hinnehmen wenn in einer Kiste Gurken mehr und in der anderen Kiste weniger Gurken sind. Und als das Ganze als Unsinn gebrandmarkt wurde, stimmte der Rat der EU gegen eine Streichung dieser Richtlinie. In Summa hat die EU jedoch Europa mehr gebracht als diese „Gurkenrichtlinie“, so van Kampen.

Aufklärend merkte van Kampen an, dass nichts gegen den Rat der EU, also die 28 Regierungschefs, geschehen kann. Und er plädierte für die am 25. Mai stattfindenden Europawahlen. Zum ersten mal wird auch darüber entschieden wer Kommissionspräsident werden soll. Entweder der EVP ( Europäischen Volkspartei) Mann Jean Claude Juncker oder der SPE (Sozialdemokratische Partei Europa ) Mann Martin Schulz. Allerdings hat der Rat der EU noch ein gewaltiges Wörtchen dabei mit zu reden. Dem Vernehmen nach behagt Bundeskanzlerin Merkel ein Kommissionspräsident Martin Schulz nicht.

Zum Schluss des wirklich einmal leicht verständlichen Vortrages mahnte van Kampen noch eindringlich zur Wahl zu gehen, denn Europa kann nur mit seinen Bürgern funktionieren.

 

Frühjahrsempfang 2014 in der Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld  Foto: © Linde Arndt

Frühjahrsempfang 2014 in der Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld Foto: © Linde Arndt

Es war aber noch eine Premiere für die Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld; denn die neue Schalterhalle ist nun auch mit der Haustechnik fertig eingerichtet. Es hat alles geklappt, und die guten Geister der Sparkasse waren wie immer freundlich und zuvorkommend um das Wohl der Gäste bemüht.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

Weitere Fotos in der Galerie

 

 

 

Man muss seine Freunde immer wieder bei Laune halten

 

v.l. Barroso, Barack Obama, Rompuy   Foto: © Linde Arndt

v.l. José Manuel Barroso, Barack Obama, Herman Van Rompuy
Foto: © Linde Arndt

 

[jpg] Ist ist eine schwierige Zeit für die USA. Die europäischen Verbündeten mögen nicht so recht auf die Linie von Präsident Obama einschwenken. Rhetorisch oder auch sprachlich mag man Russland bestrafen. Ein paar Kontensperrungen hier und ein paar Einreiseverbote dort und das Ganze dramatisch vor großem Publikum verkünden. Was Russland tatsächlich schmerzen würde, wären harte Wirtschaftssanktionen, wie die zwei Mistral Hubschrauberträger der Franzosen, die auf der bretonischen Werft von Saint-Nazaire kurz vor der Fertigstellung sind und die schon auf die Namen „Vladivostok“ und „Sébastopol“ getauft sind. Ein Milliardenauftrag, an dem auch Arbeitsplätze der angeschlagenen französische Schifffahrtsbranche hängen. Laurent Fabius, der französische Außenminister, verkündet in den letzten Tagen schon mal lautstark, den Vertrag mit den Russen zu annullieren. Sicher wird diese Ankündigung Barak Obama und die USA freuen. Allerdings haben die Europäer eine andere Kultur im Bereich von Ankündigungen. Wenn die Europäer etwas ankündigen muss das nicht unbedingt umgesetzt werden und wenn, kann diese Ankündigung mit einer sehr langen Verzögerung umgesetzt werden.

Die „Wildwest Politik“ der USA verträgt sich eben nicht mit der europäischen Politik-Kultur.

Auch sind im Moment berechtigte Zweifel im europäischen Raum entstanden, ob man auf die richtigen Personen in der Ukraine gesetzt hat. Dies alles nachdem der ukrainische Abgeordnete der “Swoboda” Partei, Igor Miroschnitschenko, den Fernsehchef des ukrainischen Staatsfernsehens mit Schlägen zur Kündigung gezwungen hat. Die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko legte aber noch eines drauf, indem sie den „Scheißkerl (Putin) in den Kopf schießen will“ oder die Russen in der Ukraine mit einer Atombombe entfernen will. Die ukrainische Armee auf der Krim musste nach dem Referendum unnötigerweise in ihren Kasernen auf der Krim verbleiben, es fehlten schlicht und ergreifend die Befehle des Verteidungsministers der Ukraine, Igor Tenjuch. Kurz darauf wurde der in die „Wüste“ geschickt. Dies verträgt sich alles nicht so recht mit den europäischen Standarts.

Kritische Stimmen sehen auf einmal keine legitime ukrainische Regierung mehr und verweisen deshalb auf die ukrainische Präsidentenwahl am 25.Mai 2014. Die Parlamentswahlen sollten auch zu diesem Termin abgehalten werden, so die Stimmen.

Lady-ashton

Im Vordergrund: Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton Foto: © Linde Arndt

In dieser Stimmung trifft sich der amerikanische Präsident Barak Obama mit dem Präsidenten der EU Kommission José Manuel Barroso, dem Ratspräsidenten des Europäischen Rates Herman Van Rompuy sowie der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton. Es geht um die Ukraine und es geht um die gemeinsame abgestimmte Haltung gegenüber Russland. Die USA haben nicht viel zu verlieren, während Europa sehr viel mehr zu verlieren hat. Obama versucht jedoch die Europäer auf Linie zu halten und mehr Sanktionen gegen Russland zu erreichen. Was tun? Es bleibt nichts anderes übrige als immer wieder die bekannten Drohungen  gen Russland zu wiederholen. Es sind halt Symboldrohungen, die aber so langsam peinlich wirken. Wie kommen die Parteien Obama und die EU aus dieser Nummer wieder raus, denn richtigerweise sollte man sich an einen Tisch setzen und über die Probleme reden, wie es der Außenminister der Russischen Föderation, Sergei Lawrow,  anmerkte. Außenminister Sergei Lawrow schaut dem Treiben des Westens auch ruhig zu und wartet auf die Signale, die der Westen aussendet. In dieser verfahrenen Situation kommt den Deutschen ihre traditionell gute Beziehung zu Russland zu Hilfe. Nur, wo sind die diplomatisch und ausgleichenden Elemente einer guten Außenpolitik sichtbar? Kanzlerin Merkel und ihr Außenminister Steinmeier fallen nicht gerade mit diplomatischen Glanzleistungen auf die bei den Russen Vertrauen erzeugen könnten. Ob sich die Deutschen besinnen und endlich eine selbstbewusste, von den USA unabhängige, außenpolitische Rolle  annehmen?

Präsident Barack Obama Foto: © Linde Arndt

Präsident Barack Obama Foto: © Linde Arndt

Der EU-US amerikanische Gipfel brachte aber noch etwas anderes zutage. Es sind die Gegensätze, die das Handeln der beiden Gruppen bestimmen. Das Freihandelsabkommen (TTIP) stockt,  weil von den US-Amerikanern der Verbraucherschutz und die Qualitätsstandards der Europäer  nicht getragen werden. Klimaschutz, Cyberkriminalität, Außenhandel, Technologietransfer, Energietransfer, Verteidigungspolitik, überall sind Themen wo eine besondere US-Amerikanische Sicht fernab der europäischen Sichtweise auf einander prallen. Man hat den Eindruck Europa macht einen Emanzipierungsprozess durch. Als einzigen Erfolg können die US-Amerikaner die Wiederbelebung der Nato durch die Krim Krise für sich in Anspruch nehmen. So sollen jetzt Nato Truppen an die Ostgrenzen zu Übungszwecken verlegt werden um den russischen Truppen Präsenz zu zeigen. Da soll uns einer mal sagen der Kalte Krieg 2.0 hätte keine Chance.

Na ja, und weil sich das vor der Presse gut macht, hat man auch noch über die vielseitigen menschlichen Katastrophen gesprochen.

Barack Obama  Foto: © Linde Arndt

Barack Obama Foto: © Linde Arndt

Die Flüchtlingsproblematiken in Syrien, Sudan, Süd Sudan, Kongo oder Zentralafrika sollten besser koordiniert werden. Hier würde die Staatengemeinschaft eine weltweite humanitäre Krise erleben.

Auf den Fluren fragte man sich, darf Russland bei der Bewältigung dieser Krisen nicht mehr mitmachen?

In der abschließenden Pressekonferenz waren nur 2 Fragen zu gelassen. Warum wohl? Überzeugend war Obama in Brüssel nicht, vielleicht verlangen wir europäischen Journalisten ja auch zu viel von einem US-Amerikanischen Präsidenten. Obama flog denn auch weiter nach Italien um dem Papst einen Besuch abzustatten – eine wunderbare Symbolik.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.

Solidarität in der EU sieht anders aus

pressesaal[jpg] Brüssel hat sich entschieden. Der Konfrontationskurs wird weiter gefahren. So hat heute morgen am 21. März die EU in Brüssel den politischen Teil des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine unterzeichnet.

Arseniy Yatseniuk Foto: Linde Arndt

Arseniy Yatseniuk
Foto: Linde Arndt

Ministerpräsident der Ukraine Arsenij Jazenjuk hat sich darin verpflichtet die politischen Werte der EU in der Ukraine einzuhalten. Absichtserklärung?

Aus dem wirtschaftlichen Bereich des Abkommens wurden einige Handelserleichterungen für die Ukraine in Kraft gesetzt, was der Ukraine einen finanziellen Vorteil von rund 500 Millionen durch den Wegfall von Zollschranken verspricht. Weiter wurden der Ukraine 11 Milliarden Euro von der EU als Hilfe (unabhängig von den Hilfen der USA ) zugesichert. Damit kann die Ukraine die kurzfristigen Verpflichtungen bedienen. Mittel- und langfristig benötigt die Ukraine jedoch einen Betrag um 300 Milliarden.

 

Abreise Ministerpräsident Jazenjuk Foto: Linde Arndt

Abreise Ministerpräsident Jazenjuk Foto: Linde Arndt

Nachdem alles unterzeichnet war reiste „Ministerpräsident“ Jazenjuk wieder ab. Kein Wort über die politische Legitimation der Regierung Jazenjuk.

Die Regierungschefs der EU mussten noch die Bannliste mit den Personen fertig machen, deren Konten eingefroren werden sollten und darüber hinaus im Westen als unerwünscht erklärt werden sollen. Es sind alles Russen und ukrainische Russen die dem Umfeld der derzeitigen Regierung von Wladimir Putin zugeschrieben werden. Diese Aktionen gehören noch zur Stufe 2 der EU. Von der russischen Seite hört man, dass die Russen die auf der Liste stehen, sich als geadelt sehen. Teilweise ist es lächerlich bis peinlich wenn zu erfahren ist, dass Personen auf der Liste stehen die überhaupt keine Konten im Westen haben oder auf diesen Konten keine Guthaben nachgewiesen werden können.

Gestern hat die EU Führung einhellig mit der dritten Stufe gedroht. Hier sollen Wirtschaftssanktionen in Kraft gesetzt werden. Die Kommission hat vom Rat den Auftrag, diese Wirtschaftssanktionen schon vorzubereiten und auszuarbeiten. Unter der Hand könnte da eine Summe von 400 Milliarden Umsatz der EU mit Russland zusammen kommen. Abgesehen von dem entgangenen Gewinn stehen hier einige hunderttausend Arbeitsplätze auf dem Spiel. Hier scheint die Solidarität jedoch an Grenzen zu stoßen. Die Engländer möchten ihren Londoner Finanzplatz damit nicht belasten. Immerhin setzen die Russen in London zig Milliarden an der Londoner Börse um. Bei den Franzosen stehen 2 Mistral Hubschrauberträger, die in der bretonischen Werft von Saint-Nazaire für über 1 Milliarde Euro vor der Fertigstellung liegen, vor der Stornierung durch die Franzosen. Dieses Muskelspiel von Hollande werden sich die französischen Arbeiter jedoch nicht gefallen lassen.

Interessant waren denn auch die Nebensätze in den Pressekonferenzen, nachdem offensichtlich die Krim schon verloren gegeben wird. Denn Stufe 3 wird nur in Gang gesetzt wenn die Russen sich an dem Osten der Ukraine zu schaffen machen werden. so haben prorussische Demonstranten in Donezk schon mal den Aufstand geprobt. Die Oblast Donezk, mit der Stadt Donezk als Mittelpunkt, ist eine der wirtschaftlich bedeutendsten Regionen der Ukraine, steht allerdings im Einfluss von Oligarchen. Hier ist es fraglich auf welche Seite die Oligarchen sich schlagen werden. Dem Vernehmen nach werden sich die mächtigsten Oligarchen Rinat Achmetow, Ihor Kolomojskyj, Serhij Taruta auf die Seite der Kiewer „Regierung“ schlagen. Denn wenn die Russen kommen würden müssten sie sich um ihre Pfründe Sorgen machen. Der Kiewer „Regierung“ soll das nur Recht sein; fordern sie doch die Oligrachen auf die Macht in den Bezirken zu übernehmen. Fakt ist jedoch, die dortigen russischen Ethnien streben gleichsam ein Referendum an. Sehen sie doch der Kiewer „Regierung“ misstrauisch entgegen und befürchten zumindest ihre Ausgrenzung.

Vertragsunterzeichnung

Vertragsunterzeichnung v.l.Mr David CAMERON, UK Prime Minister; Mr Arseniy YATSENIUK, Prime Minister of Ukraine; Mr Herman VAN ROMPUY, President of the European Council; Mr José Manuel BARROSO, President of the European Commission Foto: Der Europäische Rat, Brüssel

Kommen wir wieder zu der obigen Vertragsunterzeichnung. Da die EU das Völkerrecht immer wieder reklamiert, fragt man sich schon, wieso die EU mit einer „Putschregierung“ einen völkerrechtsfähigen Vertrag abgeschlossen hat? Zumal bei den Wahlen am 25. Mai eine legalisierte Regierung in der Ukraine als Vertragspartner zur Verfügung gestanden hätte. Die Eile war notwendig geworden, weil Zahlungen oder Umschuldungen kurzfristig fällig gestellt waren. Aus Regierungskreisen wurden die westlichen Banken genannt, die Abschreibungen in ungenannter Höhe bei Nichtzahlung hätten vornehmen müssen, was in den Bilanzen der Banken zu dementsprechenden Verlusten geführt hätte.

Letztendlich führte dieses Verhalten der USA und der EU zu Sanktionen, die diese Bezeichnung nicht verdienen, wobei die Verluste der USA nur als gering zu bezeichnen wären, da keine wesentlichen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland geführt wurden. Allerdings hätten die USA einen gewaltigen Vorteil wenn sie auf Grund eines Gasembargos durch Russland ihr Flüssiggas an die Europäer verkaufen könnten. Die Energiekosten würden in Europa nochmals steigen und der Wiedereinstieg in die Kohle- und Atomkraftwerke würde durch die Bevölkerung toleriert. Das führt jetzt zu weit? Lassen wir das also.

Bleiben wir bei der Solidarität des Westens, die ihre Grenzen dort hat wo die wirtschaftlichen Nachteile einer Sanktion keinen nennenswerten Effekt gegenüber dem Sanktionsgegner hat. Wir sollten uns erinnern, dass Russland zu Zeiten der Sowjetunion dem westlichen Währungs- und Finanzsystem nicht angeschlossen war. Trotzdem wurden Waren und Dienstleistungen damals ausgetauscht.

Jetzt rächt sich die arrogante Haltung des Westens, die nie eine Russlandpolitik definiert hatte. Russland wurde zur G7 eingeladen indem man eine G7+ benannte, wobei Russland das Plus darstellen sollte. Gleichberechtigung kennt der Westen nicht. Die USA sind unser „Führer“ so versteht sich der Westen. Im Grunde genommen hat die europäische Union alles falsch gemacht was man im Zusammenhang mit Russland falsch machen konnte. Es ist schon nachvollziehbar, wenn Putin heute von einer Demütigung des Westen nach dem Zerfall der Sowjetunion spricht.

Als Russland in die EU wollte, mochte die EU Russland deshalb nicht, weil Russland auch zum asiatischen Kontinent gehört. Gespräche zwischen der EU und Russland, in der Qualität wie man mit den USA sprach, fanden niemals statt. Stattdessen wurde das nationale Ego der Russen immer wieder gekränkt. Polen, Rumänien, die baltischen Staaten, der Balkan – alles Staaten, die im Einflussbereich der ehemaligen Sowjetunion lagen. Diese Staaten wurden wie selbstverständlich von der EU und teilweise von der Nato einverleibt. Eine Kränkung, zumal Absichtserklärungen des Westens und auch Vertragsbestandteile dies normalerweise nicht zugelassen hätten. Der Westen ging aber einfach darüber hinweg. Wieso hatte man nach dem Zerfall der Sowjetunion keine gemeinsame Sicherheits- und Konsultationsstrategie erarbeitet? Wohl deshalb nicht, weil man die Russen nicht ernst nahm. Die Frage ist aber auch: Wieso konnte man ein so rohstoffreiches Land wie Russland einfach so vernachlässigen? Mit einer freundschaftlichen Bindung zu Russland wäre ein Konflikt niemals möglich geworden.

v.l.Angela Merkel wird von Udo van Kampen vom ZDF in der Pressekonferenz befragt.  Fotos: Linde Arndt

v.l.Angela Merkel wird von Udo van Kampen vom ZDF in der Pressekonferenz befragt. Fotos: Linde Arndt

Ein anderer Aspekt zur Krim Krise wirft seine Schatten über Brüssel. Dieser Schatten macht der EU Angst. Es ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker, welches mit einem Referendum aus einem Staat zwei Staaten machen kann. Kann man einem Landesteil das Selbstbestimmungsrecht verweigern? Der Westen hatte mit dem Kosovo die Büchse der Pandora geöffnet.

Schottland steht vor der Volksabstimmung gegenüber Großbritannien. Dies führt zu einem neuen Staat auf der Welt, der aber, man höre, nicht automatisch Mitglied in der EU ist. Oder doch? Venetien probt schon mal online den Aufstand um sich von Italien los zu sagen, Katalonien und die Basken wollen nicht mehr zu Spanien gehören. Flandern und die Wallonen wollen nicht zu Belgien gehören und Korsika will mit Frankreich nichts mehr zu tun haben. Auch deshalb reagiert Brüssel so hysterisch auf die Unabhängigkeitsbewegung der Krim. Diese Art von Selbstbestimmungsrecht der Völker (Wilsonsches System ) ist in den meisten Verfassungen gar nicht vorgesehen und bringt den Zentralstaat in die Bredouille. So hat Brüssel zwar ein Committee of the Regions (COR) in der die Regionen ein Mitwirkungsrecht haben, aber eben nur eine Mitwirkung.

Der Vielvölkerstaat Russland mit seinen ehemaligen Satelliten hat genau die gleichen Probleme, man denke da an Tschetschenien, kann die Probleme aber besser systembedingt dominieren. Und die USA? Texas will sich von den USA lossagen, aber es wird nicht bei Texas bleiben.

Das Problem sind die großen Staatseinheiten in der der Einzelne sich in seiner kulturellen und wirtschaftlichen Selbstbestimmung nicht wieder findet. Der Riese Europa definiert sich zwar „In Vielfalt geeint“, nur, die einzelnen lokalen Landesteile sehen Brüssel als weit entfernte Zentrale, die sie fremdbestimmt. Brüssel sollte das Referendum der Krim als Weckruf sehen, Weckruf deshalb, weil den Europäern in Brüssel die Landesteile der Staaten weglaufen könnten.

Und die europäische Solidarität? Sie existiert nur in den Köpfen der Ratsmitglieder die nicht mitbekommen haben wie sich Europa verändert hat. Mit oder ohne Putin, die Welt dreht sich eben weiter.

Am Mittwoch, dem 26. März wird der US-Amerikanische Präsident Barak Obama in Brüssel zu Beratungen erwartet. Ungewöhnlich, man darf jedoch auf die Ergebnisse dieser Beratungen gespannt sein. Nach 14:00 Uhr wird es eine gemeinsame Pressekonferenz geben. Wir sind sehr gespannt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

Wird der Vernunft noch eine Chance gegeben?

Krisensitzung der EU-Aussenminister 3.3.2014 in Brüssel Foto: © Linde Arndt

Krisensitzung der EU-Aussenminister 3.3.2014 in Brüssel
Foto: © Linde Arndt

[jpg] Die Situation ist ziemlich verfahren. Der Westen, unter der Führung der USA, hat sich auf die neue ukrainische Führung eingeschworen die mit einem Umsturz ans Ruder kam. Man hat den Eindruck, alle gegen Russland. Nur was bringt das? Einen Nervenkitzel, der uns alle an den Rand eines neuen Krieges bringt? Man sollte dieser Tage ein gutes kalibriertes Koordinatensystem haben, welches einen gut durch das Geflecht von Lügen, Spekulationen und Halbwahrheiten führt.

Zur Erinnerung:

2013 wurden die Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine unterschriftsreif abgeschlossen. Die Unterschrift sollte auf dem EU Gipfel in Vilnius Ende Nov. 2013 von den Vertragspartnern vollzogen werden. Nebenbei sollte die ehemalige Ministerpräsidentin Julija Tymoschenko zur Therapie nach Deutschland ausreisen dürfen. Es kam nicht zu dieser Unterschrift. Die EU war bestürzt, mühte sich aber der Ukraine die Tür nicht vor der Nase zu zu schlagen. Der Grund: Der russische Präsident soll interveniert haben und der Ukraine ein Ultimatum gestellt haben, entweder die EU oder Russland, so wurde es kommuniziert. Die erste Halbwahrheit! Tatsächlich hatte Putin die Ukraine auf den Wegfall der Zollunion mit der von Putin als Gegengewicht zur EU angestoßenen Eurasischen Union hingewiesen. Die Konsequenz wäre für die Ukraine, dass sie nicht mehr die Zollfreiheit erhalten würde und könnte. Wirtschaftlich wäre dies für die Ukraine fatal, stand und steht sie doch vor der Entscheidung ihre Währung abzuwerten weil ihre Produkte zu teuer sind. Jahr für Jahr überstiegen „unbemerkt“ die Importe die Exporte. Ein weiteres Problem, Gas und Erdöl, welches von Russland eingeführt wird, wird durch die ukrainische Regierung seit Jahren subventioniert. Allein diese beiden Punkte führten zum immer schnelleren Verbrauch der Geld- und Devisenreserven. Für 2014 stehen 7 Mrd. Dollar Rückzahlungen oder Umschuldungen an, wobei von Russland Forderungen von 20 Mrd. Dollar aus Gaslieferungen fällig gestellt sind. Die Zahlungsunfähigkeit drohte und droht, wenn kein frisches Geld in die Kasse kommt.

Parallel demonstrierten tausende auf dem zentralen Majdan Platz in Kiew gegen die exorbitante Korruption der herrschenden Klasse. Seit der orangenen Revolution von 2004 hat sich jede ukrainische Regierung von Wiktor Juschtschenko über Julija Tymoschenko bis hin zu Wiktor Janukowytsch „bedient“. Das Ausmaß war und ist gewaltig; denn nicht nur die obersten Entscheider bedienen sich, es bedient sich auch der kleine Dorfpolizist von nebenan wie selbstverständlich. Die Unzufriedenheit der Ukrainer mit ihrem System nahm denn auch Ausmaße an, die man an brennenden Reifen oder Autos gut sehen konnte. Und die Möglichkeit der Manipulation war in dieser Atmosphäre ein Leichtes.

Verwundert rieb man sich die Augen als nach dem Gipfel in Vilnius die Demonstranten auf einmal alle in die EU wollten. Nicht die Korruption war jetzt das Problem, sondern das verhinderte Assoziierungsabkommen mit der EU. Und die Gewaltspirale drehte sich schneller. Die Staatsmacht griff ein und versuchte die Gewalt in den Griff zu bekommen, was misslang. Die ersten Schüsse fielen, Molotow Cocktails wurden gegen die Polizisten geworfen. Es gab Tote und Verletzte auf beiden Seiten. Die Anführer auf dem zentralen Majdan Platz bekamen ihre Gruppen nicht mehr in den Griff. Das Ganze lief aus dem Ruder. Zuletzt waren an einem Tag 100 Tote gezählt worden.

Und wieder wurde die Wahrheit untergraben; denn Tote wurden nur auf Seiten der „friedlichen“ Demonstranten gezählt. So konnte es nicht mehr weiter gehen.

[slideshow_deploy id=’45322’]

In dieser Situation machten die EU Außenminister Steinmeier und das sogenannten Weimarer Dreieck, Laurent Fabius aus Frankreich und Radoslaw Sikorski aus Polen einen dramatischen Schlichtungsversuch zwischen den Demonstranten und dem Präsidenten Wiktor Janukowytsch.

Er gelang, man einigte sich auf Neuwahlen spätestens zum März 2014, Beteiligung der Demonstranten an der Regierung innerhalb von 10 Tagen und eine Rückkehr zur Verfassung aus dem Jahre 2004. Die EU Außenminister waren es zufrieden, zeigten sich auf dem Majdan mit einigen ukrainischen Führern den Demonstranten und verschwanden.

Ein paar Stunden später war diese Vereinbarung keinen Cent mehr wert. Gegen Abend machte sich Präsident Wiktor Janukowytsch mit Hubschrauber „aus dem Staub“. Später wird er sagen, er und seine Familie wurden bedroht.

Das es diese Bedrohung gegeben hat, spricht dafür, dass kurz nach Abflug des Präsidenten ein Haftbefehl gegen Wiktor Janukowytsch wegen „Massenmords“ ausgestellt wurde. Und es wurde „der erste Stein“ gegen Russland geworfen. Nach einem eiligst aufgestellten Gesetz sollte russisch als zweite Amtssprache verboten werden. Eiligst wurde auch per Akklamation auf dem Majdan in Kiew die neue Regierung gewählt. Ob auf dem Platz Ukrainer oder wer auch immer standen, wen kümmerte es. Jeder durfte abstimmen, überprüft wurde da nichts. Man wollte unumkehrbare Fakten schaffen. Heraus kam denn auch eine „bunte“ Mischung von Mitte bis rechts außen Politikern, die die Regierungsgeschäfte übernahmen. Die Demonstranten oder wer auch immer das auf dem Majdan war, waren es zufrieden. Von Korruption war nunmehr keine Rede mehr. Ach ja, da war doch noch die Ministerialdirektorin im US Außenministerium, Victoria Jane Nuland in Kiew, die in einem Telefongespräch mit dem US Botschafter in der Ukraine, Geoffrey Pyatt diesem gesagt hat: „Fuck the EU“.

[caption id=“attachment_2905″ align=“alignright“ width=“350″]Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Catherine Ashton   Foto: Linde Arndt Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Catherine Ashton
Foto: © Linde Arndt[/caption]

Nuland wollte mehr Härte gegenüber den Ukrainern und den Russen (?) im Lande, ihr waren die Gespräche, die die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Catherine Ashton mit allen Beteiligten führte zu lang, zu weich und nicht zielführend. Nuland soll diesen Umsturz mit Geldern der USA finanziert haben und dafür sollte es jetzt Erfolge geben. Es sollten unumkehrbare Fakten geschaffen werden.

Das sich in Kiew der von den Deutschen favorisierte „Preisboxer“ Vitali Klitschko mit seiner 12% Partei rumtrieb und ab und an brav etwas zum Besten gab, mag als Marginalie in diesem Spiel erwähnt werden.

 

Dann verschoben sich auf einmal die Betrachtungen und damit das Krisenszenario auf die Halbinsel Krim. Dort leben rund 60% der Bevölkerung mit russischem Hintergrund, dort befindet sich im Hafen der Stadt Sewastopol die Schwarzmeerflotte Russland. Wie aus dem Nichts tauchten auf einmal Kombattanten auf. Ohne Hohheits- und Rangabzeichen waren sie keiner nationalen Gruppe zuzuordnen. Bewaffnet und in Camouflage-Uniform patrouillierten sie durch die Straßen der Krim Hauptstadt Simferopol und der Hafenstadt Sewastopol. Und es wurden immer mehr, zuletzt werden es an die 8.000 Mann gewesen sein. Sie bewachten die ukranischen Kasernen, Flughäfen, öffentlichen Gebäude aber auch den Regierungssitz. Die Unruhen in Kiew und die daraus entstandene Russenphobie schlug nicht auf die Krim über. Die Kombattanten wurden der russischen Bevölkerungsgruppe zu geordnet. Bis heute fielen nur Warnschüsse auf der Krim. Kein Mensch kam zu Schaden wie in Kiew, die Präsenz der kampfbereiten Kombattanten genügte. Während es im Georgienkonflikt 2008 noch zu Zerstörungen, Toten und Verletzten der Bevölkerung mit russischen Hintergrund kam, blieb es auf der Krim ruhig.

In dieser Situation wurde eine Sondersitzung der 28 Außenminister der EU in Brüssel anberaumt. Alle Pressevertreter erhielten die Pressemitteilung, dass am Nachmittag eine Pressekonferenz stattfinden würde. Unter Leitung der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Ersten Vizepräsidentin der Europäischen Kommission Catherine Ashton wurde um 13:00 h die Sitzung im Justus-Lipsius-Gebäude, dem Sitz des Rates der europäischen Union eröffnet.

Alle internationalen Journalisten saßen auf heißen Kohlen, die Zeichen standen nicht gut für Europa. Die USA, Russland und die Umstürzler in Kiew diktierten die Abläufe. Erlöst wurden wir alle, als um kurz vor 19:00 Uhr Catherine Ashton vor die Presse trat. Sie verlas eine Erklärung in der sie Russland als Aggressor bezeichnete. Russland solle seine Armeesoldaten wieder in die Kasernen zurück beordern und den direkten Dialog mit der „Interimsregierung“ in Kiew suchen.

Dies und nur diese Art des Umgangs zwischen den Staaten würde die Unterstützung der EU finden.

Ansonsten wurde für Donnerstag, den 5. März der Rat der EU (Consilium ) tagen um weitere Schritte, wie Sanktionen, zu beschließen. Angedacht wurde die Bildung einer Fact-Finding-Mission um die unsichere Informationslage zu beseitigen und die Bildung einer Kontakt-Gruppe um eine Lösung des Konflikts herbei zu führen.

Das Leben geht weiter. Schon heute findet eine Sitzung im Rahmen der OSZE in Paris statt, der man den Status einer Kontakt-Gruppe zuschreibt. Gleichzeitig finden zwischen Russland und der Ukraine auf Ministerebene Gespräche statt.

Pressetermin  mit Lady Ashton  Foto: © Linde Arndt

Pressetermin des Außenministertreffens in Brüssel Foto: © Linde Arndt

Was allerdings alle beteiligten Journalisten am Montag störte, die EU hatte sich nicht aufraffen können eine Vermittlerposition einzunehmen, obwohl Catherine Ashton erste Gespräche mit der Ukraine geführt hatte. Das die weiteren Gespräche unter der Ägide der USA stattfinden sollen schränkt mal wieder die Selbstständigkeit Europas, seine eigenen Probleme zu lösen, ein.

Ach ja, 7 Milliarden Dollar haben die EU und die USA an Kreditzusagen und Bargeld der neuen nicht gewählten ukrainischen Regierung als Anschub Finanzierung in Aussicht gestellt. 1 Milliarde haben die USA als Kreditzusage mit gebracht. Nur, die Ukraine braucht schon 2014 37 Milliarden Dollar. Und das ist nicht alles, wenn wir uns die Krise in Griechenland betrachten. Ob die Ukrainer aber bereit sind, den Preis, Abwertung der Landeswährung bei gleichzeitigem Lohnverzicht, für die Abkehr von Russland zu zahlen, wagen viele zu bezweifeln. Schon jetzt ist die Ukraine destabilisiert, wie wird es morgen aussehen?

Jürgen Gehardt für EN-Mosaik aus Brüssel.

Die Sowjetunion und Mauer müssen wieder her

Vorgeschichte

Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt  in der nächtlichen Pressekonferenz bei der EU in Brüssel am 24.10.2013 Stellung zur Abhöraffaire ihres Handys   Foto: © Linde Arndt

Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt bei der EU in Brüssel am 24.10.2013 Stellung zur Abhöraffaire
Foto: © Linde Arndt

[jpg]Ach was war das für eine schöne Zeit. Als die Mauer und die Sowjetunion noch existierte, waren die Bösen immer leicht auszumachen. Der KGB und die Stasi liefen Hand in Hand durch die Gegend um die halbe Welt zu belauschen,zu entführen oder gar mit einer Spritze im Vorbeigehen umzubringen. James Bond oder Rambo setzten sich dafür ein, um den Schaden, den das „Reich des Bösen“ uns zufügen könnte, in Grenzen zu halten. Die Präsidenten John F. Kennedy oder Ronald Reagan wurden zu Berlinern oder wollten gar die Mauer einreißen. Wir Europäer und gerade wir Deutschen waren gerührt, dass ein so starkes und großes Volk wie die USA uns zur Seite stand. Alles was die USA von uns wollte setzten wir in die Tat um.
Und dann fiel die Mauer, die Sowjetunion verabschiedete sich von der Geschichte. Wir hatten unsere besten Feinde verloren. In den 90ern tapperte der ewig alkoholisierte russische Präsident Boris Jelzin durch die Weltgeschichte. In der Zeit konnte der Westen die größten Geschäfte machen, es gab Rohstoffe zu Spottpreisen – Jelzin unterschrieb alles was nach einem Vertrag aussah.

Aber – und das war das Schlimme – wir hatten keinen Feind mehr! Wofür also die NSA, CIA oder MI6 und MI5 in den Ländern der Anglosphäre überhaupt noch beschäftigen? Zumindest in der Größenordnung. Dieses Innehalten der Dienste währte nicht lange; denn der Terrorismus in seiner vielfältigen Ausformung trat auf die Bühne der Geschichte. Und die vorgenannten Dienste wurden noch vergrößert. Heute sind die Dienste personell und finanziell doppelt so groß wie zu Zeiten der bösen Sowjets. Und das hat seine Gründe. Die digitale Revolution mit dem Internet drängte sich in den Vordergrund. Und je mehr die Marktdurchdringung dieser Revolution fort schritt taten sich Möglichkeiten auf, die man vorher nicht hatte. Es ging alles so schnell. Der Speicherplatz im privaten Bereich ist auf Terrabyte angestiegen, vielfach verkehren wir mit einer Hightspeed Anbindung von bis zu 50 Mb/sec. Mit unserem Notebook stellen wir uns unsere Fernsehprogramme zusammen, die wir in unserer Wohnung sehen wollen. Sendungen aus Neuseeland, USA, Frankreich sind kein Problem für die deutschen Wohnzimmer. Über Hilfsprogramme wie Skype fand man Freunde in der ganzen Welt mit denen man Probleme lösen konnte. Jetzt gehört Skype zu Microsoft und wird nicht mehr zu verwenden sein, weil Microsoft mit der NSA kooperiert. Videokonferenzen, Datenaustausch, gemeinsame Programmnutzung oder Diskussionen mit hunderten von Menschen rund um die Welt ist über tausende Kilometer eine Selbstverständlichkeit. Das ist aber noch nicht alles. Und diese Entwicklungen gingen in riesigen Schritten voran. Und Deutschland aber auch Europa war nicht dabei. Dabei waren viele Technologien von den Deutschen auf den Markt gebracht worden. Das Frauenhofer Institut brachte die Komprimierungssoftware für mp2, mp3 und mp4 (H264) heraus und arbeitet eng mit Microsoft und Cisco zusammen. Siemens, Suse und SAP stellten im IT Universum immerhin eine recht kleine Nische dar.

Nur die deutsche Politik sah in diesen Bereichen keine Zukunftspotenziale und tat diesen Bereich als Unterhaltungskram ab. Ein schwerwiegender Fehler; denn inzwischen läuft nichts mehr ohne diesen Bereich. Nur dieser Bereich ist fest in den Händen der USA. Apple, Microsoft, Sun, IBM, Google oder Icann sind US-amerikanische Firmen die den Weltmarkt beherrschen! Und wen wundert es, wenn in den Programmen dieser Weltfirmen Spionagesoftware einprogrammiert wurde? Auch die Standards, wie HTTPS oder VPN wurden mit Backdoorsoftware versehen, so dass die Kommunikation mitgeschnitten werden kann.

Möglichkeiten nutzen und Profile erstellen

Wen wundert es wenn die USA und UK diese Gelegenheit ausnutzen? Sicher waren am Anfang nur langweilige Datensätze mitgeschnitten worden. Man hat sie gefiltert und nach bestimmten Kriterien zusammen gefasst. Und heraus kamen Profile die man anpasste. Man ist von den immensen Datenmengen etwas überfordert – im Moment.

Und dann passierte etwas was so nicht vorgesehen war.
Nach WikiLeaks mit Julian Assange trat Edward Joseph Snowden mit dem Guardian auf den Plan. Snowden hatte Dossiers ohne Ende, die fein säuberlich sortiert, Stück für Stück präsentiert wurden. Namen, Programme oder konkretisierte Personenkreise wurden genannt. Verblüffend wie viel Länder abgegriffen wurden unter anderen auch der gesamte deutsche digitale Datenverkehr.
Die deutsche Regierung verfiel in den Verharmlosungsmodus und wies alles in den Bereich von Märchen und Fabeln.

Der Sündenfall

Bis eines Tages unsere Bundeskanzlerin selbst davon betroffen wurde. Es wurde in Brüssel während der Ratssitzung bekannt. Die Information, „die Kanzlerin ist von der NSA abgehört worden“, machte unter den Kollegen die Runde. Das Kanzleramt handelte schnell und sprach von einem ernsthaften Vorgang. (Allerdings wurde auch dieser Vorgang durch Snowden ins Spiel gebracht).

Hollande und Cameron  Fotos & Collage © Linde Arndt

v.l.: Francois Hollande und David Cameron Fotos & Collage © Linde Arndt

Regierungssprecher Steffen Seibert teilte denn auch telefonisch auf Anfrage mit, nur das private Handy von Merkel sei betroffen. Und abends stand die Reaktion des Rates fest. Hollande und Merkel werden sich auf den Weg machen und bis zum Jahresende eine Klärung der Abhöraktion mit den USA herbeiführen, so Ratspräsident van Rompuy. Merkel sprach denn auch recht friedlich in ihrer Pressekonferenz von den USA als Freunde, die uns ja befreit hätten und mit denen man in Afghanistan gemeinsam gekämpft hätte. Man müsse halt miteinander reden. Ratspräsident Herman Van Rompuy meinte es können sich auch andere Ratsmitglieder mit Frankreich und Deutschland auf den Weg nach den USA machen.

Premier David Cameron wollte der Presse zur Abhöraffäre keine Auskunft geben, obwohl UK fleißig die Leitungen abgreift und die gewonnenen Daten auswertet.

Es waren insgesamt peinliche Momente, die der Rat in Brüssel den versammelten Journalisten bot. Europa mit 500 Millionen Einwohnern hätte mehr Selbstbewusstsein seiner Regierungschefs erwarten dürfen, stattdessen Hilflosigkeit auf allen Kanälen.

Die Konsequenzen

Plötzlich war allen Teilnehmern klar, die EU hat bei den US-amerikanischen „Partnern“ keinen Respekt. Wofür auch? Wer sich so ohne Gegenwehr abhören lässt wie die EU muss sich über die mangelnde Respektlosigkeit der USA nicht wundern. Was sollte die EU auch tun? Das Swift Abkommen aussetzen oder die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen ruhen lassen? Das würde die Datenabgreiferei nicht stoppen. Ein Antispyabkommen mit den USA abschließen? Klar, aber wer sollte die Einhaltung kontrollieren? Alles untaugliche Mittel. Kurzfristig waren keine Optionen vorhanden.
Eine Option ist die Unabhängigkeit und eine Distanz zu den USA auf zu bauen.Wir erinnern uns: Bei der öffentlichen Ausschreibung für die US-amerikanischen Tankflugzeuge hatte Airbus mit seinem A330 /KC-45 in der dritten Ausschreibung gegenüber Boing das Nachsehen. Damals wusste Boing auf einmal wichtige Daten des Airbus Produktes und konnte sein Angebot dementsprechend anpassen. Ein Auftrag von immerhin 100 Milliarden ging für Airbus verloren. Wirtschaftsspionage? Schon damals hätte die EU eine dementsprechende Abwehr gegenüber Cyberangriffen aufbauen müssen. Hat sie aber nicht. Grotesk wird das ganze wenn die belgische „Belgacom“, die die gesamte digitale Infrastruktur in Brüssel bereithält, immer mal wieder von Trojanern der vorgenannten Dienste heimgesucht wird. Belgacom hat keine Techniker um den Trojaner aus dem Netz zu entfernen und heuert dann einen Spezialisten der NSA oder des britischen GCHQ (Government Communications Headquarters) an. Bis heute ist nicht geklärt wer die Schadsoftware freisetzt.
Dieser Vorfall der belgischen Belgacom ist aber typisch für die derzeitige digitale Situation in den 28 EU Staaten. Was fehlt ist eine gemeinsame digitale Agenda, die die europäischen Resourcen bündelt und als Gegenpol aufbaut. Es sind ja nicht nur die USA die sich in den europäischen Netzen tummeln. China und Russland, ja selbst Indien sind inzwischen in der Lage Daten abzugreifen. Was also fehlt ist entschlossenes Vorgehen um die Netze gegenüber anderen Mächten sicher zu machen.

USA versus Europa

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den USA und der EU ist die Vielfalt der EU. Während die USA sich wirtschaftlich auf nur wenige Industriebereiche mit einer nur geringen Tiefe konzentrieren, sieht man die EU mit einem riesigen Tableau von Industriebereichen, die mehr auf Qualität als auf Quantität ausgerichtet sind. Die europäischen Infrastrukturen, wie Energie oder Verkehr, sind in einem weitaus besseren Zustand als die der USA. Reserven werden wie selbstverständlich in der EU vorgehalten. In den USA bricht schon mal das Stromnetz für riesige Gebiete für einige Tage zusammen. Das Bewusstsein, dass unsere Wirtschaft an ihren Grenzen angekommen ist, ist in den USA nur in elitären Kreisen vorhanden. In der EU wird seit zwei Jahren über die Konzeption eines intelligenten Wachstums gesprochen. Erste Handlungsanweisungen sind auf dem Weg.

Es sind die unterschiedlichen Philosophien, die die USA von den Europäern trennen und die auf beiden Seiten zu Irritationen führt. Beispiel: Das Gesundheitssystem von US Präsident Obama ist für uns Europäer eine Alltäglichkeit die in Europa noch weiterführt. Erstaunt blicken die Europäer über den Atlantik wenn es regelmäßig zu Streitereien über dieses Gesundheitssystem kommt.

Epilog

Es muss den USA klar gemacht werden, dass die Europäer keine schwache Staatengemeinschaft sind. Und wenn die Europäer die komplette Infrastruktur aufbauen um ein Ausspähen zu verhindern, damit aber auch selber zum Ausspäher werden. In dem Moment liegen wir aber auch alle in einem Schützengraben, der mit Misstrauen gefüllt ist. Beide Parteien können nur eines – verlieren. Die USA mehr als die EU. Ob das aber der kurze Erfolg, den die USA durch diese Ausspäherei hat, wert ist, kann ruhig bezweifelt werden.

Im Verhältnis beider Parteien muss jetzt eine Kontrollinstanz installiert werden, die jederzeit Zugang zu den sensiblen Bereichen der Spionage und der Spionageabwehr hat um über die Aktivitäten zu berichten. Das geht, ohne konkrete Sachverhalte zu veröffentlichen.
Die Sowjetunion und die Mauer brauchen wir sicher dafür nicht.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Brüssel

 

Lampedusa als Menetekel der europäischen Menschenrechte

Joseph Muscat [Ministerpräsident Malta]Foto: Linde Arndt

Joseph Muscat [Ministerpräsident Malta] Foto: Linde Arndt

Hunderte Tote sind auf der Insel Lampedusa in Italien aufgebahrt. Nun das zweite Unglück direkt danach, allerdings ist nun Malta betroffen. Regierungschefs und Innenminister der 28 Staaten der EU bedauern und melden unterschiedliche Handlungsszenarien an.
Der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat brachte es auf den Punkt: „Ich weiß nicht, wie viele Menschen noch sterben müssen, bevor etwas geschieht. Wie die Dinge im Moment stehen, machen wir unser eigenes Mittelmeer zum Friedhof“ .

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der italienische Ministerpräsident Enrico Letta wurden bei ihrem Besuch auf Lampedusa von den Bewohnern ausgebuht. Was läuft schief in unserem gemeinsamen Europa?

Da ist zuerst einmal das Dublin II Abkommen der EU-Innenminister, indem festgelegt wurde, dass die Flüchtlinge dort einen Asylantrag stellen müssen wo sie an Land gehen. Dort soll dann auch über den Asylantrag entschieden werden.

letta-barroso

Enrico Letta [Ministerpräsident Italien] und José Manuel Barroso EU-Kommissionspräsident
Foto: Linde Arndt

Das bedeutet, Italien, Malta, Griechenland oder Spanien, um nur einmal die Mittelmeerproblematik anzusprechen. Die Innenminister hatten jedoch nicht die betroffenen Länder in die Lage versetzt, dem Ansturm der Flüchtlinge gewachsen zu sein. Die Länder sind administrativ total überfordert. Immer mal wieder wurde im Rat die Problematik angesprochen, die Regierungschefs sahen jedoch keinen Handlungsbedarf. Frust breitet sich bei den Mittelmeerländern aus. So wurden immer mehr Flüchtlinge einfach durch gelassen, was bei den nördlichen Ländern wie Deutschland zu Konsultationen mit den Südstaaten führte.

Nun diese beiden Katastrophen. Man fragt sich nur mit welchem Radar die Küstenwache Italiens ausgerüstet ist. Denn moderne Radargeräte sind in der Lage innerhalb der 12 Meilen Zone jedes Objekt auszumachen und evtl. zu identifizieren. Die gekenterten Boote waren jedoch nur 1 – 2 Meilen von den Küsten entfernt. Wir wollen jedoch nicht weiter mutmaßen, wir wollen eine Lösung dieses Problems.

Wenn nun die Mittelmeerstaaten mehr Solidarität von den EU-Staaten fordern, weil sie sich allein gelassen fühlen, so muss man diesem Ansinnen sicherlich nachgeben. Die beste Lösung wäre: Weg mit Dublin II. Dann würden die Flüchtlinge nach Mitteleuropa durch gereicht und diese Staaten müssten sich mit den Asylanträgen herum schlagen. Warum nicht. Denn die Nordländer haben schon immer die meiste Erfahrung mit der Abwicklung von Asylanträgen gehabt. Deutschland ist hierbei führend seit 1993. Seit dieser Zeit müsste ein Asylsuchender schon mit einem Faltschirm abspringen um bei den Deutschen Asyl zu bekommen.Auf der anderen Seite gibt es in Warschau die Frontex, eine Institution der EU. Sie ist für die Außengrenzen der EU zuständig. Der Rat in Brüssel hat der Frontex jedoch keinen Auftrag für dieses Problem gegeben, ob wohl die Frontex in der Lage wäre dieses Problem menschenwürdig zu lösen.

Trotz allem bleibt ein bitterer Beigeschmack. Die westlichen Länder, auch die EU-Staaten, können nicht ihre Waffen in unsichere Staaten liefern und wenn die ganz Sache explodiert, so tun, als wenn sie nichts damit zu tun hätten. Die Flüchtlingsströme, die inzwischen 5 Millionen betragen und in Afrika von Zeltlager zu Zeltlager herum irren, müssen versorgt werden. In vielen Staaten Afrikas kommt man unter normalen Umständen nicht mehr an sauberes Wasser, weil der Wasserbedarf für die europäischen Touristen das Grundwasser absinken lies.

Wie dem auch sei, Europa ist keine Staatengemeinschaft die durch mangelndes Menschenrechtsbewusstsein in die Schlagzeilen kommen sollte. Europa kann das besser, davon muss man ausgehen. Wir sollten gespannt auf die Ratssitzung der EU am 24. und 25.Oktober 2013
in Brüssel sein ob dieses Problem durch die Regierungschefs gelöst werden kann.

Als wir jetzt im Ausschuss der Regionen der 103. Plenarsitzung in Brüssel beiwohnten, wurden zwei Schweigeminuten abgehalten: 1 Minute für das Zugunglück bei Santiago de Compostela und 1 Minute für das Unglück auf der Insel Lampedusa. Beide Unglücke hätten vermieden werden können und es wird Zeit das Europa handelt. Übrigens Europa hat eine
gute Organisation die sich schon erfolgreich mit den Grenzangelegenheiten befasst – Frontex in Warschau. Diese müsste nur von den Ratsmitglieder den Auftrag und die finanziellen Mittel bekommen. Warum tun die Regierungschefs dies nicht?



Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic.

Nur gegen den Terrorismus?

digital-c

Digitaler Datensatz

[jpg] In Ägypten hat das Militär geputscht und den gewählten Präsidenten unter Hausarrest gestellt.

Der „Whistleblower“ (Enthüller) Snowden sitzt noch immer im Transitbereich des Moskauer Flugplatzes. Das Flugzeug des südamerikanisch gewählten Präsidenten Morales wurde zum Landen auf dem Wiener Flughafen vom Himmel geholt.

Das sind die Schlagzeilen die die deutschen Medien z. Zt. beherrschen. Wobei die Enthüllungen des ehemaligen NSA Mitarbeiters Edward Snowden nicht wirklich überrascht haben. Was allerdings überraschte war das Ausmaß der Schnüffelei durch die USA und Großbritannien, immerhin sind das unsere Verbündeten. 500 Millionen Datensätze monatlich machen schon nachdenklich. Und dann, von einem Tag zum anderen Tag zu einem Verbündeten dritter Klasse ernannt zu werden ist schon kurios. Rücken wir doch damit in eine Ecke von Staaten, die uns nicht genehm sind. Wenn man jedoch weiter denkt so macht diese Aktion einen erschreckenden Sinn.

 

  • Die USA dürfen ihre eigenen Bürger nicht beschnüffeln, andere jedoch schon. Genauso verhält es sich rein rechtlich auch in den anderen Staaten. Die Dienste der einzelnen Staaten werden untereinander kooperieren. Beschnüffelst du meine Bürger mache ich das auch mit deinen. Der Sinn: Die Dienste tauschen die gewonnenen Daten danach aus. Wenn also Deutschland mitmachen will, muss der deutsche Dienst meinetwegen die USA beschnüffeln und den USA eine Schnittstelle zu seinen Datenbanken überlassen. Damit haben die USA ihre eigenen Bürger eben nicht beschnüffelt. Umgekehrt bekommt der deutsche Dienst den Zugang zu den gewonnenen Daten der USA. Clever!

  • Klar ist auch, es werden Industrie- oder Wirtschaftsdaten über die Kommunikationskanäle fließen, die gilt es natürlich abzugreifen. Auffällig war dabei das relativ schnelle Nachziehen der USA bei den Kohlefaserverbundstoffen, die bei Airbus einen Wettbewerbsvorteil darstellten.

  • Kurz danach wusste Boing seinen Dreamliner auch mit diesen Werkstoffen zu bauen. Es sind die geistigen Errungenschaften der Europäer, die auch auf dem Radar der USA stehen. Da geht es um Milliarden an Entwicklungsgeldern, die die eigenen US Firmen nicht mehr aufwenden müssen.

  • J. Edgar Hoover, der Direktor des US amerikanischen FBI von 1924 bis 1972, hatte eine analoge (digital gab es damals noch nicht) „Sammelwut“. Von den gesammelten Daten legte er Akten der verschiedensten Personen an. Diese Akten nutze er später um die Personen zu erpressen, oder besser, sie in seinem Sinne zu manipulieren. Selbst Präsident Kennedy hatte eine umfangreiche Akte, die Hover auch zu nutzen wusste. Nun wurde damals alles akribisch mit der Hand eingetragen und verwaltet. Heute bestehen durch die moderne IT Verarbeitung ungeahnte Möglichkeiten. Bei einem 80 Millionen starken Volk wie das der Deutschen, kann man jeden einzelnen Bürger anhand der Daten filtern und eine persönliche Akte erstellen. Da stehen für jeden Deutschen dann die netter und weniger netten Vorkommnisse in dieser Akte. Dadurch ist jeder Deutsche auf Dauer erpressbar. Ich habe nichts zu verbergen, so lautet die einhellige Meinung. Aber, was ist mit dem Finanzbeamten, der das Wissen über die Steuerdaten anderer hat, er hat zwar nichts zu verbergen, hat aber Informationen über einen Steuerpflichtigen, die ein Dienst benötigt.

  • Fasst man die Daten zusammen, so kann man mittels der Psychologie ein Profil eines gesamten Volkes erstellen. Mit dem gewonnenen Wissen, „Wie tickt ein Volk“ kann man manipulativ auf das gesamte Volk einwirken. So wird es dann ein leichtes sein, bilaterale Verhandlungen zu torpedieren damit der angestrebte Vertrag nicht zustande kommt.

  • Ach ja, Verhandlungen. Es wäre ungemein wichtig zu wissen, welche Strategie der Verhandlungsgegner verfolgt um mit einer Gegenstrategie während der Verhandlungen aufzuwarten. So geht jede Strategie ins Leere.

Angela Merkel   foto: Linde Arndt

Angela Merkel Foto: Linde Arndt

 

Es geht gar nicht um die persönlichen Daten des Einzelnen, diese Daten sind nur Beiwerk für das große Ganze, die es gilt zu einem Ganzen zusammen zu fügen und aus diesen Daten Informationen über Firmen zu gewinnen. Es geht um Sozial- und Psychoprofile von Gebieten oder ganzen Ländern oder das Festlegen von Multiplikatoren eines Gebietes. Es geht um Manipulation und Domination von Teilen bis hin zu einer Gesamtheit einer Gesellschaft.

Wobei der Kampf gegen den Terrorismus immer noch ein Kampf einer personell gut ausgestatteten Polizeibehörde ist. Es kann kein einziges Bombenattentat durch diese Daten verhindert werden, so der Londoner Polizeipräsident. Und weiter, die meisten Erfolge hatten wir durch die Bürger die uns ihre Beobachtungen übermittelten.

Im Grunde genommen geht es doch um die Sicherheit in der Informationstechnologie. Was nutzt uns allen die moderne Technologie wenn der Staat sie nicht schützen kann? Wenn meine Erfindung, in die ich zehntausende Euro reingesteckt habe auf dem digitalen Wege zu meinen Partnern kopiert wurde und danach ohne einen Cent verwendet wird? Wenn ich durch geschickt auf unsere Gesellschaft zugeschnittene placierte Informationen eine Entscheidung treffe, die ich sonst nie getroffen hätte.

Deutschland hat zwar ein Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nur es hat auch einen Bundesnachrichtendienst. Beide haben unterschiedliche Aufgaben die teilweise nicht zusammen gehen. Deutschland ist ein europäisches Land, welches in der IT führend ist. Deutschland hat weltweit mit DE-CIX in Frankfurt mit 2,4 Terrabyte Datendurchsatz den größten Knoten. Aber wir haben auch die dümmsten Politiker im Zusammenhang mit der modernen Informationsgesellschaft, wenn man sich den Ausruf der Bundeskanzlerin, „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ jetzt der Tage in Erinnerung ruft. Das Bundesinnenministerium ist für die Sicherheit der Netze zuständig. Was aber soll man tun, wenn Innenminister Friedrich auf Pressekonferenzen das Internet mehr oder weniger als Tummelplatz für Spieler und Sexbesessene einstuft? Man spürt es sind noch nicht einmal ansatzweise Kompetenzen in der Politik erarbeitet worden.

Und die EU in Brüssel? 2005 brachte der Rat einen Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme heraus. 2008 vergab ein Bericht der Kommission ein „relativ gut“ bei den Fortschrittsbemühungen der europäischen Staaten. Und so schreibt der Rat der EU, also alle Regierungschefs, bindent für seine 28 Mitglieder in dem vorgenannten Rahmenbeschluss:

 

„Um diesen Gefahren wirksam begegnen zu können, ist

ein umfassender Ansatz zur Gewährleistung der Sicher-

heit der Netze und Informationen erforderlich, wie dies

im Aktionsplan„eEurope“, in der Mitteilung der Kommis-

sion „Sicherheit der Netze und Informationen: Vorschlag

für einen europäischen Politikansatz“ und in der Ent-

schließung des Rates vom 28. Januar 2002 zu einem

gemeinsamen Ansatz und spezifischen Maßnahmen im

Bereich der Netz- und Informationssicherheit hervor-

gehoben wurde“

Und was ist passiert? Offensichtlich nicht viel, wenn sich alle Länder unseres Erdballes die Daten aller europäischen Staaten abgreifen.

ausschuss-panel

Sitzung Ausschuss der Regionen am 11.4.2013 Foto: Linde Arndt

Als der Ausschuss der Regionen (COR) der europäischen Union sich in seiner 102. Plenartagung am 3./4.Juli mit dem kriminellen Akt der Cyberkriminalität befasste, befasste er sich auch mit dem Cloud Computing. Es ist ein weiterer Schritt im Bereich der modernen Informationsgesellschaft. Nur in Gesprächen waren sehr viele Irritationen: Was nützt es wenn wir uns hier um etwas Gedanken machen, wenn die Mehrzahl der nationalen politischen Entscheider alles was das Internet betrifft als irrelevant einstuft. Die Staats- und Regierungschefs des Rates müssten ein anderes Bewusstsein entwickeln um den Cyberraum als das zu begreifen was er ist, ein virtueller Arbeitsraum analog dem realen Arbeitsraum.

bob-bright

Robert Bright

Eine der Ideen, die der Berichterstatter Robert Bright (UK) aus Newport vortrug, war die Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (Städte und Kreise in Deutschland). Dezentrale Cyberstrukturen oder Werkzeuge, die den Cyberraum schützen, wären die erste Wahl. Alle „offline“ Rechte und Werte sollten sich „online“ wieder finden. Sicherheit und die Bekämpfung der Cyberkriminalität funktioniert nur im Zusammengehen aller Gruppen und Gebiete in Europas Staatengemeinschaft.

 

Und der immer wieder viel zitierte Terror? Nun, wenn man 9/11 in New York mit dem Amoklauf von Erfurt am Gutenberg Gymnasium vergleicht, stellt man fest: Beides sind kriminelle Akte auf die Gesellschaft, die man hätte verhindern können. Die Täter dieser kriminellen Akte können nicht durch die „Schlapphüte“ ermittelt werden, sondern durch gute alte Polizeiarbeit vor Ort. Dazu braucht es aber andere gesellschaftlich soziale Strukturen und Prioritäten im System. Allerdings haben wir dafür kein Geld.

Das wir aber für einen potenziellen Wirtschaftsschaden in Milliardenhöhe keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen ist jedem unbegreiflich.

 

Bleibt zu hoffen, dass die Schamgrenzen der internationalen Dienste noch nicht ganz gefallen sind und der private Informationsaustausch unserer Bundeskanzlerin nicht abgegriffen wird. Aber Scham ist wieder etwas was diese Dienste nicht kennen, genauso wie Freundschaft,Vertrauen, Partner oder Verbündete. Es sind nur Datensätze, die einen verwendbaren Wert haben. Bei der Sprachregelung wird der Kampf gegen den Terror nur vorgeschoben.

Den Verhandlungsbeginn für ein Freihandelsabkommen mit der europäischen Union und den USA sollte man jedoch verschieben. Denn sicher ist nicht, ob die Verhandlungsziele der europäischen Union als auch die Strategie dazu, durch die US amerikanischen Dienste nicht schon bekannt sind.

Dass das Ausspähen der Daten mit dem Terrorismus zu begründen ist, ist sicher wenig wahrscheinlich.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.

Ennepetaler Rat auch noch als Zyniker

[jpg] Die UNO hat das Recht auf Wasser im November 2002 mit dem allgemeinen Rechtskommentar Nr.: 15 beschrieben. 2010 wurde das Recht auf sauberes Wasser in den

Wasserarmut Foto:  AFP

Ein Kind in einem Entwicklungsland verbraucht 30 bis 50 Mal weniger Wasser als ein Kind in einem Industriestaat.
Foto: AFP

Menschenrechtskatalog aufgenommen. Daraus wurde die Verpflichtung der Staaten, dies nunmehr als allgemeines Menschenrecht zu akzeptieren und dafür einzustehen. Hintergrund war und ist , dass Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer annehmbaren Wasserversorgung und zu einer sanitären Grundversorgung haben. Die EU übernahm dieses Menschenrecht automatisch.

Jedes Jahr sterben Millionen  Menschen durch diese nicht hinnehmbaren Zustände. Wasser ist Bestandteil der Ernährung und stellt auch somit durch den fehlenden Zugang eine Einschränkung der Würde des Menschen dar.

Man schätzt, dass 1- 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu einer Wasserversorgung haben und 2 – 3 Milliarden Menschen keine oder nur eine unzureichende Abwasserentsorgung haben.

Für die Ärmsten der Armen schuf man ein Recht, welches jedoch nicht einklagbar war und ist. Seit 2002 haben sich die Probleme in keinerlei  Weise entspannt, vielmehr musste eine Verschärfung der Situation registriert werden.

In den reichen Ländern trieb und treibt man analog ein zynisches Milliarden Monopoly Spiel mit dem Wasser. Der Gipfel dieses  Spiels waren die Verkäufe der Wasserwerke in den Industrieländern. Es wurden und werden milliardenschwere Umsätze, sei es mit Preissteigerungen oder Werksverkäufen, mit Wasser getätigt. Deutschland steht da nicht abseits, sondern mischt bei diesen Geschäften kräftig mit – grenzüberschreitend.

Michel Barnier Foto: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier  © ec.europa eu

Foto: EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier © ec.europa eu

Und weil die Wasserwerke ohne Regeln verkauft wurden und werden, kümmerte sich die EU Kommission um dieses Problem. Michel Barnier der EU Kommissar, sollte hierzu klare Regeln ausarbeiten, was er auch tat. Der Tenor dieser Regeln sollte denn sein: Wenn schon ein Wasserwerk verkauft werden soll, so sollte der Verkauf öffentlich ausgeschrieben werden. Womit dem in vielen Ländern vorherrschenden „Klüngel“ ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Dass das den großen Versorgern und Großkonzernen die Zornesröte ins Gesicht trieb war nach zu vollziehen. Aus dem Nichts entstand eine Bewegung  gegen die Privatisierungspläne. Wobei Deutschland und Österreich sich besonders hervor taten. Denn die Wasserwerke befinden sich in Deutschland und Österreich überwiegend in den öffentlichen Händen, wie z.B. der Kommunen. Im Februar 2013 zogen Abgesandte des deutschen Städte- und Gemeindetags und Vertreter der kommunalen und privaten Wasserwirtschaft vor die Kommission um gegen die Pläne Barniers zu protestieren. Kommissar Barnier versprach seine Pläne nochmals zu überdenken, was auch sonst.

So weit so gut. Und nun geht der Rat der Stadt Ennepetal her und stimmt über eine Resolution ab, die den Verkauf von Wasserwerken an die Privatwirtschaft untersagen soll. Alles soll so bleiben wie es ist. Wasserwerke in kommunale Hände, die mehr Verantwortung zeigen als Private. Der Antrag wurde von den Bündnisgrünen eingebracht. Nur sie verkennen, dass auch der EN-Kreis und damit Ennepetal den Versorger AVU zu 50%  ( Wahrscheinlich 50% plus eine Aktie) an den Großkonzern RWE  „verhökert“ hat. Und die RWE aus Essen kann und wird sicherlich auch die Geschäftspolitik beeinflussen.

Was aber noch schlimmer ist, ist die Wasserversorgung  der Ärmsten mit der unseren (Industrieländer)  gleichzusetzen, als wenn Deutschland Probleme mit der Wasserversorgung hätte; denn wie anders sollte der Hinweis auf die UNO zu verstehen sein. Eher ist das Gegenteil der Fall. Scheinheilig und zynisch ist dieser Antrag denn auch  zu nennen. Oder haben sich die Bündnisgrünen gar von RWE oder anderen Großkonzernen mit Parteispenden instrumentalisieren lassen? Wie dem auch sei, der Rat nahm bei 5 Enthaltungen diesen Antrag an.

Wie  inkompetent der Antrag auch ist zeigt, dass er auf die Landesregierung und den Landtag zeigt, die doch bitte in Brüssel vorstellig werden und diese Richtlinie verhindern sollen. Hier zeigt sich einmal mehr, wie wenig Ahnung dieser ganze Ennepetaler Rat von unserer Demokratie, respektive der EU,  hat.

Erst mal dieses stupide und penetrante Zeigen auf die EU in Brüssel, die an allem Schuld sein soll um den Eindruck zu erwecken als wenn aus Brüssel alles Schlechte kommt.
Wenn Kommissar Michel Banier diese Richtlinie fertig hat, müsste er sie dort erst dem Rat zur Abstimmung vorlegen. Dieser müsste einstimmig diese Richtlinie absegnen. Der Rat besteht aus den Regierungschefs und evtl. Fachministern. In diesem Fall also der Bundeskanzlerin  – oder diese delegiert an den zuständigen Fachminister.
Wenn alle der Vorlage zugestimmt haben, hat aber das europäische Parlament noch ein Einspruchsrecht. Erst wenn dieses nicht wahrgenommen wird, muss es in nationales Gesetz um gesetzt werden.

Das Land, hier also Nord-Rhein-Westfalen, hat in der Entscheidungskette nichts zu suchen.
Insofern ist dieser Antrag stümperhaft und scheinheilig. Dass die Ratsmitglieder dem zugestimmt haben, zeigt einmal mehr die Inkompetenz dieses Rates. Und die Stadtverwaltung? Sie hätte zumindest dem Rat die rechtlichen Konsequenzen aufzeigen müssen. Sie hätte auf die falschen Grunddaten dieses Antrages aufmerksam machen müssen. Und der Rat? Da fehlt es mächtig an Grundkentnissen.

Auch auf die Gefahr der Wiederholung: Brüssel verbietet die Privatisierung der Wasserversorgung nicht aber Brüssel betreibt sie auch nicht! Sie stellt es den Kommunen und Gebietskörperschaften frei, die Wasserversorgung bei sich zu belassen oder eine Privatisierung zu betreiben. Und wenn die Kommunen oder Gebietskörperschaften die Privatisierung betreiben, so sollten bestimmte Regeln vorherrschen. Und diese Regeln will Kommissar Barnier eben aufstellen. Macht doch Sinn, oder?

buendnisgruenen

Bündnisgrüne Ennepetal
v.l. Sven Hustadt, Stefan Mayer-Stoye , Olaf Ehlert und Jürgen Hofmann
Fotos : © Linde Arndt

Ein Tipp für die Ennepetaler Grünen, womit sie im Bereich Wasser punkten könnten. Die Partei sollte sich einmal mit dem Import von Wasser befassen: Im Durchschnitt isst jeder Deutsche jährlich 22 Kg Tomaten. Das bedeutet jeder Deutsche importiert 4.000 Liter Wasser! (wovon allerdings 6% Eigenproduktion abgehen). Und dieses Wasser wird vom wasserarmen Süden Spaniens mit Hilfe von Bewässerungssystemen  den Tomaten beim Wachstum zugesetzt. Noch schlimmer sieht es bei den argentinischen Steaks oder den afrikanischen Kakaobohnen aus, die wir alle gerne importieren.

Seit Jahren setzt sich das Water Footprint Network dafür ein. Die Grünen hatten mal die Idee, der regionalen Vermarktung dazu.
Heute scheint es Mainstream im Westen zu sein sich mit den Ärmsten der Armen an der Wasserstelle um die letzten Liter Wasser zu prügeln, indem man diesen Weltbevölkerungsteil als Argumentationshilfe benutzt. Toller Antrag.

Die Grünen haben sich sehr weit von ihren Ursprüngen entfernt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

 

Die EU und die Schweiz, eine ambivalente Beziehung

[jpg] Feierabend war in Brüssel angesagt. Feierabend? Als wir auf dem Weg waren die Parlamentsgebäude zu verlassen, bekamen die anwesenden Pressevertreter noch eine Erklärung mit auf den Heimweg. Die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, brachte uns ihre Verärgerung über die einseitige Beschränkung des freien Personenverkehrs, der durch den Schweizer Bundesrat entschieden wurde, nahe.

Catherine Ashton Foto: © European-Union.eu

Catherine Ashton Foto: © European-Union.eu

Gerade das Abkommen über Personenfreizügigkeit, dass am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist, ist nach EU Meinung ein Abkommen, welches durchaus Vorteile hat – sowohl für die Schweiz als auch die EU-25 ( Für Bulgarien und Rumänien bestehen noch Übergangsfristen ).
In diesem Abkommen über Personenfreizügigkeit ist eine Schutzklausel ( Ventilklausel) aufgeführt, die es der Schweiz erlaubt, die Zuwanderung nach ihrem Gutdünken zu begrenzen.
Die Begrenzung wird dann aufgerufen wenn die Zahl der neuen Aufenthaltserlaubnisse für Arbeitnehmer und Selbständige aus der EU in einem bestimmten Jahr 10 Prozent über dem Durchschnitt der drei vorangegangenen Jahre liegt.

Aber wie gesagt, es ist eine Kann-Bestimmung, und ob das letzte Wort hier schon gesprochen wurde, wird sich erst Ende Mai 2013 ergeben, wenn die neuen Zahlen der Statistiker vorliegen.

Zur Information die ungekürzte Meldung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton:

„Ich bedauere die heutige Entscheidung der Schweizer Regierung, die einseitigen Beschränkungen des freien Personenverkehrs für EU-Bürger aus acht Mitgliedstaaten vom letzten Jahr fortzusetzen und diese auf Bürger anderer Mitgliedstaaten auszudehnen.
Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit erlaubt dieses Jahr zum letzten Mal eine Anrufung der Klausel für EU-Bürger aus EU-25 Mitgliedstaaten. Voraussetzung ist, dass die Anzahl der Aufenthaltsbewilligungen für die Bürger dieser 25 Mitgliedstaaten in ihrer Gesamtheit den entsprechenden Schwellenwert überschreitet. Die Maßnahmen, welche die Schweizer Regierung heute beschlossen hat, widersprechen dem Abkommen, da sie zwischen unterschiedlichen Gruppen von Mitgliedstaaten unterscheiden.
Die EU misst der Personenfreizügigkeit im Kontext der gesamten Beziehungen zur Schweiz eine hohe Bedeutung zu. Diese Maßnahmen missachten die großen Vorteile, welche die Personenfreizügigkeit den Bürgern in der Schweiz und in der EU bringt. Ich bedauere die Entscheidung der Schweizer Regierung, vom Vorgehen in 2008 und 2009 abzurücken, als die Ventilklausel nicht angerufen wurde, obwohl die Möglichkeit dazu bestanden hätte.“

Martin Schulz Foto: Linde Arndt

Martin Schulz
Foto: © Linde Arndt

Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, hält diesen Schritt der Schweiz für nicht akzeptabel, zeigte aber auf der anderen Seite Verständnis in der Behandlung dieser Zuwanderungsprobleme.

o-karas

Othmar Karas Foto:
© europarl.europa.eu

Othmar Karas, österreichischer Vizepräsidenten des Europaparlaments und damit Ranghöchster Österreicher in Brüssel, den man zumindest ein freundschaftliches Verhältnis zur Schweiz nachsagt, diktierte auch sein Bedauern über diesen Schweizer Schritt.

 

 

 

 

 
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.