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Save-the-Date: DAS DETROIT-PROJEKT

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[ 5. September 2013, Bochum]
Vier europäische Opel-Städte auf der Suche nach der Zukunft. Ein einjähriges internationales Stadt- und Kunstfestival in Bochum mit Partnern aus Deutschland, England, Polen, Spanien und den USA

DAS DETROIT-PROJEKT ist ein einjähriges internationales Stadtprojekt und Kunstfestival in Bochum. Es stellt Fragen und sucht Antworten zur Zukunft der Stadt, der Arbeit und der Kunst und verbindet vier europäische Opel-Städte. Denn nicht nur in Bochum, sondern auch in Zaragoza (Spanien), in Ellesmere Port (Großbritannien) und Gliwice (Polen) fürchten die Menschen, ihre Arbeit zu verlieren. Auch diese Städte und Länder suchen ihren Weg ins 21. Jahrhundert. Gemeinsam mit ihnen werden Möglichkeiten und Chancen für die Zukunft entwickelt.
Vom 10. bis 12. Oktober 2013 eröffnen das Schauspielhaus Bochum und Urbane Künste Ruhr das DAS DETROIT-PROJEKT zusammen mit Gästen aus den europäischen Opel-Städten Zaragoza, Ellesmere Port und Gliwice sowie aus Detroit. Sie laden ein zu einem internationalen Bankett, einem Symposium und zu einem Live-Art-Fest in der Bochumer Innenstadt, zu Konzerten und Partys und zu einem Nightwalk durch Bochum-Ehrenfeld.
Das Eröffnungswochenende vom 10. – 12. Oktober 2013 beginnt mit einem internationalen Bankett im Foyer des Schauspielhauses Bochum: Internationale Gäste sowie Freunde und Partner aus Bochum werden zu „slow food and slow thinking“ – einem Abendessen für nachhaltig gute Ideen, Musik und Gespräche eingeladen sein.
Am Freitag, 11. Oktober 2013 bietet das öffentliche und internationale Symposium „Motorcities im Aufbruch – International Lab (1st edition)“ im Schauspielhaus einen ganzen Tag lang die Gelegenheit, mit internationalen Experten ins Gespräch zu kommen. Am Abend stellen sich die Macher und Partner von DAS DETROIT-PROJEKT in „We are the city“ in den Kammerspielen vor. Insbesondere berichtet Tyree Guyton vom „Heidelberg Project“ aus Detroit über seine 27-jährige künstlerische Arbeit.
Währenddessen und im Anschluss laden die Geschäfte und Gastronomien rund um das Schauspielhaus zum „Nightwalk“ in Bochum-Ehrenfeld ein mit Kunst, Musik, Party, Essen, Shopping und mehr.
Am Samstag, 12. Oktober 2013 heißt es mit über 50 Künstlern „Think global, act local!“ in der Fußgängerzone der Bochumer Innenstadt: Aktion, Kunst und Musik unter anderem mit der Theorie- und Praxisgemeinschaft Dr. Fahimi, der Fräulein Wunder AG, lunatiks produktion, Maiden Monsters, Mobile Albania, Studio Umschichten, Sebastian 23 sowie Schauspielern des Ensembles. Am Abend beendet GUSTAV mit einem Konzert in den Kammerspielen und entspannende DJ-Sounds im Tanas die Eröffnung des Stadt- und Kunstfestivals.

 

Bochum erhält den goldenen European Energy Award

[la] Bereits in  unserem Artikel vom 21.11.2012 (letzter Absatz) haben wir über den European Energy Award berichtet. Im Nachgang hierzu geben wir folgende Mitteilung an Sie weiter:

Bochum erhält den goldenen European Energy Award

[Brüssel/Bochum] Die Stadt Bochum hat als einzige Ruhrgebietskommune gestern Abend in Brüssel den European Energy Award in Gold erhalten. Insgesamt wurden 25 europäische Kommunen und ein Landkreis für ihre ganzheitlichen Klimaschutzstrategien und -projekte, kommunalen Förderprogramme und für den Einsatz regenerativer Energien und die Energieeinsparung ausgezeichnet.
Bochum wurde nach 2009 bereits zum zweiten Mal mit Gold geehrt, u.a. für Anlagen zur Hebung des Grubenwassers auf ehemaligen Schachtanlagen. Das Grubenwasser wird genutzt, um städtische Liegenschaften mit Wärme zu versorgen.80% betrug die Punktzahl die Bochum erreichte.

Den European Energy Award in Gold erhält eine Kommune, wenn sie mindestens 75 Prozent der Maßnahmen umsetzt, die in einer Kommune oder einem Kreis überhaupt möglich sind.

Bereits im November waren die European Energy Award auf Landesebene verliehen worden. [Den European Energy Award in Silber erhält eine Kommune, wenn sie mindestens 50 Prozent der Maßnahmen umsetzt.] Unter den Geehrten waren Castrop-Rauxel, Ennepetal, Hamm, Marl, Oberhausen und Witten. An dem Zertifizierungsprogramm rund um den Award nehmen mittlerweile europaweit 1.000 Gemeinden teil, 500 Kommunen wurden bisher ausgezeichnet.
Infos unter www.EnergieAgentur.NRW.de

 
Ratsmitglieder Ennepetal                                                                                                                                             Foto: ©  Linde Arndt
 

Auch EN-Mosaik bekennt Farbe

 
Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet Auktion 4.11.2012 in der Sparkasse Bochum                  Foto:  © Linde Arndt
 

[jpg] Wir haben in den letzten 6 Jahren ziemlich viel gesehen, standen immer daneben, notierten, fotografierten, schrieben und verschickten. Manches mal wollten wir uns einmischen, hätten dadurch vielleicht dem Ganzen eine andere Wendung gegeben. Wir haben es nicht getan, haben unsere Arbeit gemacht. Jetzt haben wir von Anfang an uns mal mit eingebracht.
Die Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet ruft alle 2 Jahre zu einer Benefiz-Kunstauktion nach Bochum. Künstler sind aufgerufen  ihre Kunstwerke dieser Auktion zur Verfügung zu stellen.und der Erlös fliest in eine Projekt für Kinder.
Es geht um Kinder, Kinder die ein Handycap haben, Kinder wie die erst 1 Jahr alte Theresa deren linker Arm nach einer problematischen Geburt gelähmt ist. 4 mal am Tag muss ihre Mutter mit  der kleinen Theresa  Vojta Gymnastik machen. Jeder Durchgang 25 Minuten lang. Das Mutter, eine Sozialpädagogin, und Tochter manchmal kräftemäßig am Ende sind, ist wohl selbstredend.Die kleinen Erfolge lassen hoffen, nur, es ist für beide Mutter und Tochter ungeheuer schwer. Motivation holt sich die Mutter immer wieder bei ihrer Physiotherapeutin Aidana Rodriguez Salorio in der Kinderklinik der RUB (Ruhr Universität Bochum).

  Hier bekommt die Mutter den notwendigen Halt für eine stabile Grundverfassung um der kleinen Theresa zu helfen. Durch das Credo „Gemeinsam handeln-gemeinsam helfen!“ der Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet Bochum wurde dies möglich.Mutter und Tochter sind nicht alleine.

Unsere Fotojournalistin Linde Arndt, die auch im künstlerischen Bereich tätig ist, hörte von dieser anstehenden Auktion und erklärte sich bereit eines ihrer Kunstwerke zur Verfügung zu stellen.

Kurzes Gespräch in der EN-Mosaik Redaktion und wir brachten das Bild nach Bochum. Am 4. Nov. um 12:00 Uhr war es soweit, das Bild wurde als eines der ersten Bilder im Veranstaltungssaal der Bochumer Sparkasse mit Erfolg versteigert.

 

 Der Auktionator war der in Bochum aufgewachsene Kabarettist Jochen Malmsheimer, der mit dem typischen direkten Ton die zu versteigernden Kunstwerke kommentierte und an die Frau bzw.den  Mann brachte. Die Sparkasse Bochum mit ihrem Vorsitzenden Assessor Volker Goldmann  wusste die Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet an ihrer Seite. Und übrigens Schirmherr dieser Veranstaltung war und ist unser Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert und Bochums Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz stand Pate für diese Veranstaltung. Wir haben damit etwas zurück gegeben, weil uns die Metropole Ruhr schon so viel gegeben hat.

Wir haben uns entschieden, Farbe bekannt, für eine Metropole Ruhr und damit auch für die kleine Theresa und andere Kinder die unser aller Hilfe brauchen.

   
Auktionator Jochen Malmsheimer Foto: © Linde Arndt

Zehn Jahre besteht die Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet jetzt, sie hat schon viel geleistet, ehrenamtlich für die Teresas und andere Kinder im Ruhrgebiet.
Falls sie liebe Leser Interesse an der Arbeit der Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet haben so suchen sie doch einmal die Internetpräsenz auf. Es gibt vielfältige Möglichkeiten sich einzubringen, man muss nur eines: Farbe bekennen. EN-Mosaik hat Farbe bekannt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum

Benefiz-Kunstauktion für Kinder

Am 4. November 2012 ab 12:00 Uhr veranstaltet die Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet eine Benefiz-Kunstauktion "Farbe bekennen für Kinder mit Handicaps"  in der Sparkasse Bochum am Dr.-Ruer-Platz in Bochum. Prof. Dr. Norbert Lammert, MdB und Präsident des Deutschen Bundestages, ist der Schirmherr der Auktion. Eine Besichtigung der insgesamt 58 Bilder und Skulpturen ist in der Zeit von 12.00 bis 14.00 Uhr möglich. Jochen Malmsheimer, der prominente Auktionator,  beginnt um 14.30 Uhr mit der Versteigerung

Hier können Sie sich über die Künstler, ihre Werke und weitere Einzelheiten informieren:

                                             

Bitte klicken Sie auf obiges Foto um eine größere und  detaillierte Ansicht und  zu erhalten.

 Die Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet definiert ihre Ziele wie folgt:

Wir, die Stiftung Kinderzentrum Ruhrgebiet, unterstützen seit 11 Jahren erfolgreich behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche und deren Familien.

Wir übernehmen Verantwortung für Kindergesundheit,
indem wir:
. da ansetzen, wo das öffentliche Gesundheitswesen an seine Grenzen stößt.
. Früherkennung von Entwicklungsstörungen oder -gefährdungen bei Frühgeborenen, Säuglingen und Kleinkindern unterstützen und fördern.
. einen Beitrag leisten zur Gesundheitsförderung der Kinder unserer Region.

Ziel ist es, die Chancen auf ein gesundes, glückliches Leben der betroffenen Kinder und deren Familien zu verbessern. Wir wollen dies begleiten.
Mit Hilfe modernster Methoden, können viele Handicaps verhindert und gemindert werden.
Vermeidbare Fehlentwicklungen wie zum Beispiel
. Bewegungsdefizite
. Hörschäden
. Sehstörungen
. Verhaltensauffälligkeiten
treten immer noch viel zu häufig auf. Wir arbeiten daran, dass vorhandene Möglichkeiten besser genutzt werden.
Ein kleines Stiftungsteam – unterstützt von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern – entwickelt und realisiert Projekte zugunsten unserer
Kinder. Wir fördern ganzheitlich, interdisziplinär und Hierarchie übergreifend- immer gemäß unserem Grundsatz
„Gemeinsam handeln – Gemeinam helfen.“
Die Erlöse der Benefiz-Kunstauktion fließen in eines unserer aktuellen Projekte.

 


Interessierte sind herzlich eingeladen, die Benefiz-Kunstauktion zu besuchen.

 

 

Linde Arndt für EN-Mosaik aus Bochum

 

En Atendant – die zweite Dunkelheit

[jpg] Man könnte es auch mit "auf das Ende wartend" übersetzten, also „En attendant la fin“. Die belgische Choreografin, Anne Teresa De Keersmaeker brachte im Rahmen der Ruhrtriennale 2012 mit ihrer Compagnie ROSAS in der Jahrhunderthalle Bochum ihr Stück „En Atendant“ am 24. August zur Premiere. Es scheint auf die „Zweite Dunkelheit“ in Europa abzuzielen. Die Zeit in Europa, in der die Pest 1/3 der europäischen Bevölkerung tötete, in der Zeit als der hundertjährige Krieg (Erbfolgekrieg) wütete und als Clemens VII in Cesena 4.000 Bürger massakrierte. Und die Zeit der Gegenpäpste, in der in d´Avignon der Mittelpunkt der römisch katholischen Kirche war. Also die Zeit des 14. und 15. Jahrhunderts. Dies alles deshalb weil  Anne Teresa De Keersmaeker die Ars Subtilior als musikalische Grundlage benutzte.

En Atendant ist ein zeitgenössisches Ballett, welches den neuen französischen Tanzstil markiert, er leitet sich ab vom Tanztheater einer Pina Bausch und eines Alwin Nikolais.
Die Bühne in der Jahrhunderthalle ist nackt und wird vorne durch eine rund 20 Meter lange und 5 cm dicke Wulstlinie aus Erde markiert. Sie verläuft rund 10 Meter vor dem beginnenden Parkett. Links und rechts unterhalb der Industriebauten in der Halle herrscht vollkommene Dunkelheit. Im vorderen Bereich, in etwa 20 Meter Entfernung, scheint durch die großen Fenster das restliche Tageslicht in die Halle. Unterhalb der Fenster befinden sich Öffnungen durch die Luft herein strömt. Rechts vorne ist eine Bank aufgebaut. Ansonsten ist die Bühne leer.

   

 

Ein Musiker tritt mit einer Querflöte auf. Er steht vor dem Publikum, vor der Wulstlinie. Ein zuerst leichtes Rauschen aus der Flöte, leicht anschwellend eindringlich warnend erklingt und dies ohne Unterbrechung fast 10 Minuten lang. Eine Sängerin mit einer Musikerin die eine mittelalterlichen Geige mitführt  und ein Musiker der eine mittelalterliche Flöte spielen wird erscheinen. Die Sängerin mit einem zuerst eindringlich rufenden Ton, wie bei einem Lamento. Die Tänzerinnen und Tänzer treten zunächst einzelnd auf, es folgt sodann die Compagnie. Während die Sängerin ihre Geschichte singt, tanzt die Compagnie. Es ist ein Tanz voller Energie, der aufbegehrt und doch letztendlich sich selber, den Menschen zerstören wird, man ahnt es. Die Dämmerung, das diffuse Licht die schwarzen Kostüme der Tänzer lassen einen Kampf erkennen, den niemand gewinnen kann. Ein Aufbegehren des Einzelnen, ein Schutz suchen in der Gruppe. Depressive Phasen lassen die Verzweiflung erkennen. Es gibt keine Rettung mehr. Oder doch? Die Nacht als die Schwester des Todes, sie bringt die Zeit die nötig ist. Wofür? Zu entscheiden zwischen Leben und Tod. Keuchend, stöhnend, stampfend und auch schwingend wird das Band (Wulstlinie) zerrissen, Erde zerstiebt in alle Richtungen.Nichts wird nach dieser Nacht so sein wie es einmal war. Das gegenseitige Halten bringt nur weitere Schmerzen und Nöte, die letztendlich nur zu dem Einen führen, dem einen Tod der alle und alles auslöscht.

Die Musiker haben die Szene verlassen, nichts gibt es mehr zu berichten, worüber sollen wir  uns unterhalten. Die Tänzer verlassen die Szene und verschwinden in die Nacht.

Nacktheit, ohne dem was uns ausmacht, führt es uns dahin wo wir herkamen – ins Nichts. Der Mensch tritt nackt ohne alles ab. Dunkelheit ist über der Szene, der Tod hat alle geholt.

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Anne Teresa De Keersmaeker hat mit en atendant ein Werk geschaffen welches in seiner Dramatik kaum zu überbieten ist. Die von der Compagnie getanzten Botschaften reißen den Betrachter  in den eigenen Gefühlen hin und her. Depression wechselt mit Aggression, Hoffnungslosigkeit überfällt einen, die nur durch die schöne, mit Todesahnungen durchzogene Tanzlandschaft, kaschiert wird. Es sind sehr schwierige Einzelbewegungen, die in Bewegungen der Gesamtgruppe münden. Die Gruppe vollbringt dabei intuitive Gesamtbewegungen die manchmal in eine lebende Skulptur münden. Dann ein mehr beschwingter tänzerischer „danse des troi“, in  der drei Tänzer wie an einem unsichtbarem Band über die Bühne tanzen. Es ist „erschreckend“ wunderbares modernes Tanztheater welches einen über die gesamte Zeit nicht los lässt.
Als die Nacht zu Ende ist, musste man erst einmal Atem holen, so überwältigend war dieses Stück.

Wenn man sich die geschichtlichen Hintergründe ansieht, sieht man die vielfältigen politischen und sozialen Verwerfungen, denen Europa damals ausgesetzt war. Und wenn wir den Begriff der zweiten Dunkelheit an die zweite Pestpandemiewelle  heften, ergibt das die Analogie des Werkes von Anne Teresa De Keersmaeker.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum
 [Fotos: © Linde Arndt]

[Schauen Sie sich auch die Gallery zu diesem Thema an]


Choreografie — Anne Teresa De Keersmaeker
Bühne — Michel François
Kostüme — Anne-Catherine Kunz
Garderobe — Emma Zune

 — Ensemble Cour et Coeur:
Musikalische Leitung und Aufnahmen — Bart Coen
Geige — An Van Laethem
Gesang — Els Van Laethem,, Annelies Van Gramberen
Flöte — Michael Schmid
Sound — Vanessa Court, Alexandre Fostier, Juliette Wion
Technik — Bert van Dyke

Tänzer:

  • Bostjan Antoncic,
  • Carlos Garbin,
  • Cynthia Loemij,
  • Mark Lorimer,
  • Mikael Marklund,
  • Chrysa Parkinson,
  • Sandy Williams,
  • Sue-Yeon Youn

Aus der Zeit in den Raum gefallen

 

 
[jpg] Da wird ein dichter Urwald auf der Bühne aufgezogen und jemand schwingt durch die Bäume. Steine werden mitten auf die Bühne getragen und abgelegt. Dann, etwas später,  poltern weitere Steine mit lautem Getöse ins Bild. Ein Tempel brennt ab. Ein Schiff schaukelt im Meer, welches durch Assistenten belebt bis stürmisch gehalten wird. Ein Riesenfisch mit einem wilden Reiter wird in die Szene geschoben. Und zu allem vergeht die Zeit, die mehrfach rechts und links digital angezeigt wird – Sekunden für Sekunden, die zu Minuten werden.

Wie unbeabsichtigt stehen Sänger und Sängerinnen herum, laufen auf die Bühne oder werden herein getragen,  singen und gehen wieder ab.  Schriftzüge mit Texten in verschiedenen Sprachen werden sichtbar und verschwinden wieder. Die Auftritte werden von 32 Assistenten, die als Statisten, Tänzer oder Techniker auftreten, begleitet.

Da tritt die Walküre, Carmen, Napoleon, ein griechischer Held neben einer nicht zur Rolle passenden Musik auf. Die passende Musik hört man jedoch in einem anderen Zusammenhang an anderer Stelle.

„Europeras 1 & 2“ feierte am 17. August 2012 seine Premiere und war von Heiner Goebbels die Erstvorstellung seiner Intendanz bei der Ruhrtriennale 2012. „Europeras 1 & 2“ von John Cage, der übrigens in diesem Jahre 100 alt geworden wäre, passt zu Heiner Goebbels und seinem Ruf als experimenteller Theaterschaffender.

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Überhaupt scheinen die Zahlen eine große Bedeutung in dieser Inszenierung und dem Zusammenhang zu spielen. Die 64 Felder des I Ging, 128 Opern zur Auswahl, 32 Szenen und 32 Musiker als Solisten ohne Orchestergraben und Dirigenten, all dieses nur für ein Ziel. Die Oper soll von ihren Zusammenhängen befreit werden und als unabhängiges und absichtsloses Musiktheater neu entstehen. Handlungen gibt es nicht, Aussagen auch nicht. Europera 1 stellt sich als eine Aneinanderreihung von Szenen und Elementen dar, die streng voneinander getrennt sind. Das Stichwort: Dekonstruktion kommt bei der Aufführung auf. Goebbels hat mit der Aufführung von Europeras 1 & 2 nach der Sinnhaftigkeit von Kompositionen und ihren Anordnungen gefragt, indem er eben alles aus dem Kontext einer Oper gezerrt hat und dem Besucher zur Überprüfung und Einordnung vorgelegt hatte. Selbst der Fall eines Vorhangs, der ja das Ende einer Aufführungseinheit signalisieren soll, wird als Einzelelement ohne Zusammenhang in Frage gestellt. Aus dem Dunkel der Hinterbühne wird die Technik auf einmal zum Hauptdarsteller des Stückes, indem die Technik einen Bühnenbildversuch ansetzte. Das Stichwort: Fluxus verleitet nach der Analyse von Sinn oder Unsinn einer Oper. Nein, es macht eben keinen Sinn. Der Besucher sollte loslassen von einer Einordnung der Handlungsabfolge mit Musik, Beleuchtung ( Sehr wichtig!) und Personen. Es ist! – mehr nicht. Und John Cage, lässt er uns alleine? Nein. „I welcome whatever happens next.“ (Ich begrüße, was als Nächstes passiert. ), sagte Cage in einem anderen Zusammenhang.
Sprich, für das Neue ist sicherlich der Vergleich mit Vergangenen nicht gerade förderlich.

Nun war da noch Europera 2, das ganz und gar anders angelegt war. War Europera 1 mehr offener und auch ohne Grenzen angelegt, so kam Europera 2 intimer daher. Das Bühnenbild stellte eine barocke Piazza dar, die mit einem Musselinvorhang dar gestellt wurde. Alles in schwarz und weiß. Ein Hund rennt über die Piazza, Tag- und Nacht-Stimmung wird dargestellt, indem dunkle Wolken aufziehen. Mitten im Bild wird die Tiefe mit Linien ausgelotet, die aber wieder verschwinden. Dann sind da die 10 SängerInnen in dunklen Kostümen, welche die Szene betreten, bespielen und nach links oder rechts abtreten. Die Szenen strahlen etwas Konspiratives aus. Die Kostüme erinnern an die italienischen Commedia dell’arte Gruppen, die auf den Piazzen spielten. Hier kommen die Gesten im vorübergehen zum tragen, das Übertragen von Nachrichten aus dem gesellschaftlichen Leben.

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In zweier oder dreier Gruppen steht man zusammen und überbringt das Neuste. Blicke werden gewechselt, Wissende von Unwissenden getrennt, oder auch nur ein Morgenspaziergang mit körperlichen Übungen verbunden. Sicher könnte das der Marktplatz der Eitelkeiten sein. Auch hier passen die vorgetragenen Stücke nicht zu den Bildern Es ist aber durch die etwas intimere Fläche und die einheitlicheren Kostüme eher zu akzeptieren und nicht so anstrengend.

Heiner Goebbels ist mit dieser Erstarbeit im Rahmen seiner Intendanz eine gute handwerkliche Arbeit gelungen. Aber nicht nur das, vielmehr hat er Cage mit allen seinen augenzwinkernden “ Widersprüchlichkeiten" bestens umgesetzt. Er hat sogar durch den Auftritt der Elektro-Hebewagen (Technik) noch etwas drauf gesetzt und ein zerstörerisches Element in das Werk einfließen lassen. Kritisch würde ich jedoch den etwas sparsamen Umgang mit der Beleuchtung sehen. Cage sah die Beleuchtung als eigenständiges Element mit welchem er gerne mehr gearbeitet hätte.

Wie immer ist es der Ruhrtriennale gelungen einen neuen ganz eigenen künstlerischen Akzent zu setzen, der es verdient hat auch außerhalb der Metropole Ruhr Gehör zu finden.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum
[Fotos: © Linde Arndt]

[siehe auch die Gallery unserer Fotojournalistin zu diesem Thema]

Der ewige Kampf zwischen Kopf und Bauch

   
Pressekonferenz im Dampfgebläsehaus der Jahrhunderthalle, Bochum v.l. Michal Rovner / Professor Heiner Goebbels / Lemi Ponifasio
 

[jpg] Sie haben schon einmal eine Oper gesehen? Klar. Da gibt es die Ouvertüre mit einem Leitthema, drei Akte. Das wesentliche ist jedoch: Sowohl in der Komposition als auch im Libretto gibt es eine „Linie“ nach der das Stück aufgebaut wird und letztendlich zu seinem Ende kommt.Vergessen sollte man in diesem Jahr diese Regeln. Musik und Text müssen nicht einer Linie folgen. Oder doch?

Am 6. August 2012 war die Auftaktpressekonferenz der Ruhrtriennale 2012/2013/2014, es geht also wieder los.

Der amerikanische Komponist John Cage wäre in diesem Jahr ( 5. September ) 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Grunde hat sich Professor Heiner Goebbels entschlossen für die Aufführung von Europeras 1+2 die Regie zu übernehmen. Am 17. August ist Premiere und sämtliche Vorstellungen sind restlos ausverkauft, übrigens, wird an diesem Tage Professor Heiner Goebbels 60 Jahre alt.

Warum Cage? Nur weil er 100 Jahre geworden wäre? Nein. Cage deshalb, weil er als Amerikaner mit dieser Oper den Europäern zeigen wollte, dass auch die USA eine eigene Identität haben sollten. Cage deshalb, weil er mit dieser Oper ein experimentelles Werk geschaffen hat. Cage deshalb, weil gerade die Ruhrtriennale bekannt ist für ihre außergewöhnlichen Produktionen. Kurz, es gibt viele gute Gründe Cage zur Aufführung zu bringen.

Zur Oper selber.
Es gibt auf der Bühne 64 aufgemalte Felder in der 100 Meter weiten Jahrhunderthalle in Bochum. Es gibt 10 herausragende SängerInnen, die von ~ 30 Instrumentalisten und von ~60 Assistenten unterstützt werden. Und dann gibt es noch den Zufallsgenerator. Dieser Zufallsgenerator ( I Ging ) wirft nach einer bestimmten Einstellung eine Feldnummer und meinetwegen eine Arie aus 128 bekannten europäischen zur Verfügung stehenden Opern aus. Zu den Opern gibt es 32 Bilder. Kostüme und Bühnenbilder ergeben sich. Europera 1 dauert 90 Minuten und Europera 2 dauert 45 Minuten. So ist der Regisseur vor der Vorstellung teilweise selber gespannt auf den sich ergebenden Verlauf.

Während der Aufführung entsteht somit eine neue Oper oder aber auch ein neues Gesamtwerk, welches aber so nicht wiederholbar ist. Es sind zwar alles alte Werke der letzten 200 Jahre aber durch die willkürliche Zusammensetzung entstehen neue Melodien, Szenen die zwar bekannt, aber in ihrer Zusammensetzung so noch nie gehört wurden. Problematisch wird es für Menschen die in ihrer Neugier schwach ausgeprägt sind. Man muss sich schon darauf einlassen können. Wie sagte der Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen Dr. Frank Hoffmann so treffend: Seien Sie neugierig.

Außer  Cages Europera 1& 2 seien noch folgende interessante Vorstellungen erwähnt:

"Lecture on Nothing"

Robert Wilson liest John Cage
            22.  August 2012, 28. August 2012
            Jahrhunderthalle Bochum
 
Künstlergespräch Europeras 1&2

mit Heiner Goebbels und dem Produktionsteam der Inszenierung
19. August 2012, 31. August 2012, 2. September 2012
            Jahrhunderthalle Bochum

tumbletalks 1 – 8

Heiner Goebbels / Holger Noltze
            ab 17.  August 2012
            Museum Folkwang, Essen

 "Current"

Kommen wir zu der anwesenden Künstlerin Michal Rovner. Die israelische Künstlerin ist mit ihrer Arbeit „Current“, die am 18. August in der Mischanlage, Zeche Zollverein, Essen, präsentiert wird, vertreten.

„Datazone 1, cultur table #, 2003"
Parallel wird in den Räumen des  Museums Folkwang ein weiteres Werk „Datazone 1, cultur table #, 2003 zur Ausstellung gelangen.

Mit Tumbletalk 2 wird am nächsten Tag dem 19. August ein Gespräch mit Michal Rovner und Michael Morris stattfinden.

 
Michal Rovner

 Michal Rovner hat mit ihrem Werk „current“ Spuren und Zeiten der Mischanlage aufgenommen und diese in einer Videoarbeit umgesetzt. Die Mischanlage wurde für die Vermengung von verschiedenen Kohlequalitäten gebraucht. Über die Jahre entstanden Rückstände aus den vergangenen Produktionsprozessen. Nimmt man nun die Bauweise der Anlage, den Nutzungs- und Abnutzungsgrad als auch die verbliebenen Rückstände, ergeben sich drei Terminis die dem Kunstwerk zu Grunde liegen.

Rovner ist bekannt für Grenzüberschreitungen in ihrer Kunst, indem sie Grenzen überdehnt um letztendlich ihre Belastbarkeit zu erkunden. Es scheint ihr Spaß zu machen Räume zueinander in eine andere Beziehung zu setzen um sie damit einer Stresssituation auszusetzen. 

Als Israelin wurde sie einer ständigen wechselnden Realität ausgesetzt, deren Gefährdungsgrad sie immer in die Nähe eines mittleren Bebens brachte.
Zu Michal Rovner sei auch gesagt, dass sie eine international anerkannte zeitgenössische Künstlerin ist, die mit Professor Heiner Goebbels seit 2005 eine enge künstlerische Partnerschaft einging. Mit dem Werk „Fields of Fire“, einer großen Video- und Klanginstallation im Jeu de Paume/Paris, hat sie sich einen internationalen Namen gemacht.

„Prometheus“

Vorgestellt hatte sich nunmehr Lemi Ponifasio, gebürtig aus Samoa, als internationaler renommierter Regisseur  und Choreograf Neuseelands. Er wird in der Duisburger Kraftzentrale Carl Orffs ungekürztes Musiktheater „Prometheus“ nach Aischylos  am 16. September (Premiere) zur Aufführung bringen. Wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass dies eine Neuinszenierung sein wird und darüber hinaus Ponifasios erste Musiktheaterarbeit darstellt. Ponifasio und Carl Orff, zwei Künstler die sich beide  auf die Ästhetik des Beginns (Archetypus) eines wie auch immer gearteten  menschlichen Dialogs zurückziehen. Wobei Prometheus, der Kulturbringer schlechthin, beiden den Stoff liefert, den sie für diese, ihre Arbeit,  gesucht haben. Pontifasio setzt Prometheus in unsere heutige Zeit in der der moderne Mensch sich in der beschleunigten Welt ausgesetzt fühlt. Prometheus und der moderne Mensch begehren in ihren Welten auf um eine andere Welt einzufordern. Regie führt Peter Rundel, Chor wird von dem stimmlich bewährten „Chorwerk Ruhr“ nunmehr unter der Leitung von Florian Helgath, gestellt. Die Tänzer der MAU Company werden die Aufführung verstärken und Prometheus wird von Wolfgang Newerla gesungen.

 
Lemi Ponifasio                


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  Es ist nicht alles beschrieben worden was in der Pipeline ist. Bis zum 17. August werden 900 Künstler angereist sein, die teilweise aus Übersee kommen. Es werden über 100 Veranstaltungen, 37 Produktionen auf 12 verschiedenen Spielstätten aufgeführt. 30 Vorstellungen sind schon ausverkauft, viele haben nur noch Restkarten zu bieten. Wenn es so weiter geht, wird die Ruhrtriennale 2012 eine Auslastung von über 85% haben. Es geht um die Metropole Ruhr und nur dafür ist die Ruhrtriennale geschaffen worden. Jedoch landete der Bereich Kultur in der Metropole Ruhr in einer Studie der Hamburger Berenberg Bank  im unteren Mittelfeld.  Lediglich die Stadt Essen konnte einigermaßen im Kulturranking punkten. Stuttgart, Dresden oder Berlin sind die Städte auf den vorderen Plätzen. 
Wenn man allerdings weiß wo man steht, so kann man seine Kräfte bündeln um nach vorne zu kommen.

Kultur ist und bleibt ein inzwischen harter Faktor bei der Standortfrage eines industriellen Betriebes. Warum? Kultur ist das „Schmiermittel“ der ersten Wahl in einer intakten Gesellschaft. Ein Trost, es wird noch weitere Studien geben. Die Metropole Ruhr wird sicher seine Chancen nutzen.
Bei 900 Künstlern sollte das oben genannte nicht alles sein, woran die Ruhrtriennale arbeitet um am 17. August die Spielzeit 2012/2013 zu beginnen.

Rafael-Lozano Hemmer
Am 17. August wird im Westpark hinter der Jahrhunderthalle Bochum eine interaktive Lichtinstallation, „Pulse Park“ von Rafael-Lozano Hemmer die Besucher überraschen. Der kanadisch-mexikanische Künstler Rafael-Lozano Hemmer  verwandelt mit Einbruch der Dunkelheit den Westpark in einen Lichtpark. Die gemessenen Herzschläge der Besucher steuern einen computergesteuerten Sensor, der übernimmt diese Schläge um sie sodann in Licht- und Tonsignale umzusetzen. Der gesamte Park wird dadurch zu einem einmaligen Begegnungsraum.

"Our CenturY"

Seit dem 16. Juli werden Folke Köbberling und Martin Kaltwasser mit einem Bauprojekt „Our CenturY“ rund um die Jahrhunderthalle Bochum bis zum 30. September mit über hundert Freiwilligen eine Alternative zum derzeitigen sozialen Zusammenleben sichtbar machen. Irgendwie erinnern die beiden an Alexander Mitscherlich mit seinem „Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden“. Unsere heutigen Städte stehen alle vor dem Kollaps, sind fast unbewohnbar, so dass die Menschen aus den Städten fliehen. Folke Köbberling und Martin Kaltwasser setzen unserer eindimensionalen realen Lebensumwelt einen kritischen Widerstand entgegen. Der Fortgang der Arbeiten kann jederzeit bei freiem  Eintritt besichtigt werden. Auch ein Mitmachen ist jederzeit möglich.

 
Folke Köbberling, dahinter v.l. Martin Kaltwasser und Professor Heiner Goebbels                

Ein weiterer Schwerpunkt der Professor Heiner Goebbels am Herzen liegt, sind Studierende aller Fachrichtungen. Während der Ruhrtriennale 2012 wird es einen „Internationalen Festivalcampus“ geben. Dozenten, Studierende und Künstler aus 12 unterschiedlichen Hochschulen des In- und Auslands werden in einen Diskurs mit dem Theater als eigenständige Realität treten. 150 Teilnehmer  werden mit dem Team der Ruhrtriennale eine sicherlich spannende und interessante aber auch strittige Begegnung haben. Des weiteren wird StudentInnen < 27 Jahre auf alle Vorstellungen ein 50% iger Rabatt eingeräumt – dies ist einmalig für die Ruhrtriennale. Auch sind weitere Vergünstigungen für StudentInnen <27 Jahre durch die Intendanz der Ruhrtriennale veröffentlicht worden. Erwähnt sei das „Last-Minute Ticket“ oder der Studentenpass, aber es wurden auch 50 Freikarten für StudentInnen verlost.


Professor Heiner Goebbels im Gespräch
  Selbstredend sind die Aktivitäten die Professor Heiner Goebbels bist jetzt entwickelt hat andere als die seiner Vorgänger.

Und bis jetzt war es immer ein herausragendes Erlebnis die verschiedenen Intendanten vom Gründungsintendant Gerard Mortier angefangen über Jürgen Flimm und Willy Decker mit ihren Arbeiten zu begleiten.

Heiner Goebbels wird mit seiner Persönlichkeit einen weiteren Pfeiler für die Geschichte der Ruhrtriennale darstellen.

Gefühlsmäßig, also mit dem Bauch, sollten wir in den Stücken Wege erkennen, neue Wege, der Kopf sollte diese Wege alsdann benennen können. Kampf entsteht nur dann wenn unsere Unsicherheit uns nicht verlässt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum

[alle Fotos © Linde Arndt]

Unübersehbares Bekenntnis

Opelplakat am Bochumer HauptbahnhofDie Metropole Ruhr hat EN-Mosaik viel gegeben, aus diesem Grunde solidarisieren wir uns mit den Opelanern. Neun mal 13 Meter groß – nur einen Steinwurf vom Bochumer Hauptbahnhof entfernt. Fünf ebenso markante wie bekannte Gesichter – mit einer eindeutigen Botschaft: „Spielzeitverlängerung für Opel Bochum über 2016 hinaus“ fordert seit dem heutigen Mittwoch ein riesiges Plakat an der Fassade eines Parkhauses in der Bochumer Innenstadt.

[ Bochum 11. Juli 2012 ] Fünf „Bochumer Jungs“ – „Tatort“-Kommissar Dietmar Bär, „Lindenstraßen“-Ikone Joachim-Hermann Luger, Grimme-Preisträger Armin Rohde, Ex-Nationalspieler Paul Freier und Jens Todt, Sportvorstand des VfL Bochum 1848 – treten gemeinsam für die Zukunft des Bochumer Opel-Werks ein, dem nach 2016 das Aus droht. Die Idee zu dieser Plakataktion stammt von der IHK Mittleres Ruhrgebiet und wurde mit Unterstützung der Stadt Bochum umgesetzt.
„Die Plakataktion von IHK und Stadt Bochum ist ein weithin sichtbares Zeichen der Solidarität mit den Opelanern. Seit 50 Jahren gehört Opel zu Bochum. Opel ist ein wichtiger Bestandteil in dieser Stadt und wird ein wichtiger Teil dieser Stadt bleiben. Dafür setzen wir uns ein. Und deshalb unterstützt die Stadt Bochum diese Aktion“, so Bochums Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz.
Für Helmut Diegel, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, ist die aktuelle Aktion eine weitere Facette zahlreicher Aktivitäten der jüngeren Vergangenheit und der Zukunft: „Wir haben mit der Ankündigung, dass das Bochumer Werk nicht schon 2015 geschlossen werden soll, bislang nur eines erreicht: zwei Jahre mehr Zeit, die Konzernspitze von General Motors davon zu überzeugen, dass das Aus für das Bochumer Werk betriebswirtschaftlicher Unsinn ist. Wenn GM Opel endlich den Zugang zu den Zukunftsmärkten der Welt ermöglicht, werden Absatz- und Umsatzzahlen zeigen, wie konkurrenzfähig Opel ist. Und die Effizienz des Bochumer Werkes mit seinen hoch qualifizierten Mitarbeitern ist sowieso unbestritten.“
Nicht nur Künstler und Sportler steigen selbstverständlich ohne Gage für das Bochumer Opel-Werk in den Ring. Auch die EGR stellt ihre Parkhaus-Fassade kostenlos zur Verfügung. Und Roland Niggemeyer, Geschäftsführer der Niggemeyer Bildproduktion, hat für die Plakat-Produktion auch keine Rechnung geschrieben:

„Bochum braucht Opel, aber Opel braucht auch Bochum. Natürlich mache ich als Bochumer bei so einer Aktion sofort mit.“

„Spielzeitverlängerung für Opel Bochum über 2016 hinaus“

wird mindestens bis Anfang August neben dem Hauptbahnhof hängen. Es soll ganz bewusst nicht nur in die Stadt wirken, sondern insbesondere Bahn-Reisenden die Verbundenheit der Bochumer mit ihrem Opel-Werk dokumentieren.

Jörg A. Linden

Extraschicht auch für EN-MOSAIK im Pott

  [jpg] Spannung ohne Ende war angesagt. Um es kurz vorweg zu sagen, man konnte die gesamten Veranstaltungen von 53 Orten der Extraschicht am 30. Juni 2012 nicht besuchen. Wir hatten uns also für die Jahrhunderthalle in Bochum entschieden. In der Halle wurden im Rahmen der »Extraschicht« – Die Nacht der Industriekultur – Klavierklassen der Nordrhein-Westfälischen Musikhochschulen im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr vorgestellt. In der dahinter liegenden Turbinenhalle fand eine Dichterschlacht, neudeutsch Poetry Slam, statt; wobei es hier keine Dichter und Gewinner gab.

Und zu guter Letzt warteten die Performer der Urbanatix  im Westpark, der neben der Turbinenhalle liegt, mit ihrer Show »Welcome to the machine« auf ihre Besucher.

Es war ein ewiges Kommen und Gehen der Besucher in den einzelnen Vorstellungen. Bei den Klavierkonzerten wirkte sich das für meine Begriffe etwas störend aus. Es ist nicht Jedermanns Sache Claude Debussy`s Préludes mit dem Geräuschpegel der kommenden und gehenden Besucher zu genießen. So gingen wir bis nach dem Auftritt der SchülerInnen der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf. Danach hörten wir einem Andreas Weber aus Münster zu, wie er einem Mädchen mit Riesenaugen im Emsland seine Werke vor trug. Die Urbanatix Show »Welcome to the machine« konnten wir nur über TV erleben, für die Presse hatten die Macher der Show kein richtiges Feeling. Doch wir sollten nicht vergessen es ist wie ein organisatorisches Märchen in der Metropole Ruhr: Denn zum zwölften Mal legte die gesamte Metropole Ruhr eine ExtraSchicht ein und feierte in der vergangenen Nacht ihr industrielles Erbe mit viel Licht, Musik und Theater. Knapp 230.000 Besucher folgten bei prächtigem Wetter und wunderbarer Sommernachtsstimmung dem Ruf der 53 ExtraSchicht-Spielorte und gingen auf eine Entdeckungsreise durch die Region.

            

Auch mit 12 Jahren ist die ExtraSchicht – die Nacht der Industriekultur – kein bisschen leise: Unter Faultürmen, an Hochöfen, in Industriemuseen und sogar in Bussen und Bahnen: Besucher erfreuten sich überall im Ruhrgebiet an ungewöhnlichen Kulturinszenierungen. „Unsere Besucher begeistert besonders die außergewöhnliche Kombination aus Industriekulisse und Kultur. Sie ist es, die die ExtraSchicht zu einem absolut einzigartigen Erlebnis macht – ein Kultur-Höhepunkt in der Metropole Ruhr, der auch in der vergangenen Nacht wieder einmal die geballte Energie und Vielfalt des Ruhrgebiets erlebbar gemacht hat“, freut sich Axel Biermann, Geschäftsführer von Ruhr Tourismus, dem Koordinator der ExtraSchicht.

          

Ob Lesungen übers Baden, Führungen über Industrieflächen, Theaterperformances auf dem Kanal, Lichtkunst auf Bibliotheksfassaden oder Poetry Slam in Bussen – für jeden Fan von Industrie-, Hoch- und Unterhaltungskultur war in dieser Nacht etwas dabei. Die ExtraSchicht-Teilnehmer erlebten auf ihrer Reise durch die Nacht eine aufregende Mischung aus exklusiven Einblicken, Premieren und Höhepunkten: Die Kläranlagen Deusen in Dortmund und Emschermündung in Dinslaken öffneten erstmals ihre Tore, das Wasserkraftwerk Kahlenberg am Spielort Haus Ruhrnatur und der Chemiepark Marl boten Einblicke in den laufenden Betrieb und kamen beim Publikum sehr gut an.

         

Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr ist „stolz auf das, was die ExtraSchicht in diesem Jahr geleistet hat. "Ich bin sicher, wir werden die Rekorde brechen. Besonders froh bin ich über die Verbindung von Information und Kultur im Nahverkehr und das gemeinsame Erlebnis, das die Menschen während der ExtraFahrt haben.“ Die ExtraFahrt stellt bereits zum zweiten Mal Programm an ausgewählten Haltestellen und in den Bussen und Bahnen während der Nacht der Industriekultur.

Äußerst beliebt bei den ExtraSchicht-Teilnehmern war das Museum der deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg. Dr. Bernhard Weber, Leiter des Museums war „überwältigt vom großen Andrang. Sogar der Shantychor sorgte bei den jüngeren Besuchern für Begeisterung!“. Vom Welterbe Zollverein meldet Nikolaos Georgakis „Freude über 38.000 Besucher, die gleich zu Beginn auf das Areal strömten. Die Stimmung war heiter bis fröhlich, besonders die polnischen Musiker und Dundu Du und Du, Kunstwort), die überlebensgroße Marionette beeindruckten die ExtraSchichtler.“ Elmar Weiler, Rektor der Ruhr-Universität Bochum, erstmalig Spielort der ExtraSchicht, war von der tollen Stimmung auf dem Campus begeistert. „Es waren unheimlich viele Menschen auf dem Campus, die außerhalb der ExtraSchicht nicht kommen würden. Insgesamt hatten wir an diesem Abend sehr viel Publikum und sind absolut zufrieden.“ „Ich bin stolz auf über 3500 Stunden ehrenamtliche Arbeit, die unsere 17 ansässigen Vereine an diesem Abend geleistet haben“, sagt Reinhard Ostermann vom Bergwerk Bergmannsglück, einem der neun neuen Spielorte in diesem Jahr. Im Rahmen der Emscherpassage, die den Umbau der Emscher an vier Standorten thematisierte, waren Führungen in den beiden Klärwerken Deusen in Dortmund und Emschermündung in Dinslaken besonders beliebt, aber auch der Emscherquellhof in Holzwickede, ein lauschiger Spielort, zog viele Besucher an. Die Brücke Slinky Springs to Fame (Rehberger-Brücke) in Oberhausen bot bei traumhaftem ExtraSchicht-Wetter ein wunderbares Open-Air Erlebnis.

  Zu den großen Finalveranstaltungen von URBANATIX mit „Welcome to the Machine“ in der Jahrhunderthalle Bochum, dem 1. Deutsche Stromorchester mit ihrer Toysymphonie No 4 an der Kokerei Hansa, der Hochofensinfonie des Theaters Titanick an der Hattinger Henrichshütte, der Musical-Choreographie „Mixtape“ von Studenten der Folkwang Universität der Künste im MüGa-Park in Mülheim an der Ruhr und dem Finalfeuerwerk zum 150jähriges Stadtjubiläum von Oberhausen im LVR-Industriemuseum Zinkfabrik Altenberg pilgerten mehrere zehntausend Besucher.

Klaviermarathon in der ehemaligen Gaskraftzentrale, Mountainbike-Stuntshow an der Zeche, Projektion auf Faultürme oder Musikshow im Park – die ExtraSchicht hat es wieder geschafft, verschiedene Kunstformen und Besuchergruppen zu einem großen Kulturfest zu vereinen.

Zum ersten Mal feierte nicht nur das Ruhrgebiet seine industriekulturellen Wurzeln: Auch Polen und die Ukraine zelebrierten ihre industrielle Vergangenheit am Vorabend des Fußball-EM. Die beiden Regionen präsentierten ihr industriekulturelles Erbe zeitgleich zur ExtraSchicht im Ruhrgebiet. In Oberschlesien feierten über 45.000 Besucher an 36 Spielorten in 22 Städten von 10 Uhr bis 1 Uhr nachts ihre Industriada mit über 220 Veranstaltungen. In Donbass in der Ukraine bereiteten Besucher der Industriekultur ein wahres Fest. 10.000 Teilnehmer an der „Zweiten Schicht“ sahen sich (industrie-) kulturelles Programm in Donezk und Lugansk an fünf Spielorten an. Die europäische Nacht der Industriekultur hat Polen, die Ukraine und Deutschland einen Tag vor dem Finale der EURO 2012 vereint, die Erlebnisse in beiden Regionen werden auch über die Fußballeuropameisterschaft in den Köpfen der Besucher bleiben!

ExtraSchicht-Fans merken sich schon jetzt den 6. Juli 2013 vor, wenn es wieder heißt: Licht an – ExtraSchicht!

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum

[Alle Fotos © Linde Arndt]

 

 

 

Ankunft! In Deinen Augen mein Leben

 

[jpg] Die Zeit der Ruhrtriennale mit Prof. Willy Decker war und ist noch in diesem Jahr eine bunte, nachdenkliche und inspirierende Zeit. Nachdenklich aber auch, weil man sich an die vielen schönen Momente der Intendanz von Prof. Willy Decker erinnert und den Abschied etwas gemildert betrachtet. Angebote der Metropolitan Opera und des Neuen Nationaltheaters, Tokio versüßen sicher den Abschied. So wird es ein freund- und friedliches Übergehen auf die Intendanz von Prof. Heiner Goebbels geben. Deshalb lassen Sie uns doch die restlichen Tage mit dem Intendaten Decker im Ruhrgebiet geniessen.

 

Prof. Willy Decker nahm als roten Faden für seine Intendanz drei Weltreligionen als Thema. Zu Beginn 2009 das Judentum mit Aufbruch! – Suche nach dem Wort,  2010 dann den Islam mit der Wanderung!- Suche nach dem Weg und nun 2011 den Buddhismus die Ankunft! – Suche nach dem Jetzt.

In einer Zeit in der das religiöse mal wieder die Gewalt hervorbringt, befasst sich Prof. Decker mit der Religion. Nicht das spaltende war Grundlage seiner Aufführungen, vielmehr zeigte er, was für einen kulturellen Wert die Religion hervorbringt. Wie die immerwährenden Fragen der Menschheit durch die Religion im Ansatz auf eine annehmbare Weise beantwortet werden.

Es ist der Glaube der die Menschheit zusammenhält und das Sinnhafte des Handelns erkennen lässt.

 


Willy Decker                               Foto: © Linde Arndt


Ministerin Ute Schäfer Foto: © Linde Arndt
  Nicht Gewalt ist die Triebkraft des Menschen, die Liebe bringt die Kraft hervor um ihn in dem Morgen bestehen zu lassen.
So ist es auch Prof. Willy Decker gelungen Geschichte für die Ruhrtriennale zu schreiben und damit das Ruhrgebiet zur Bühne einer herausragenden Kunst hervorzuheben, findet auch die Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen Ute Schäfer vor der internationalen Presse in der Jahrhunderthalle in Bochum.

Wie in den beiden vorhergehenden Jahren, so wird es auch in diesem Jahr bis zum 9.Oktober über 130 Vorstellungen mit 600 beteiligten KünstlerInnen in den Spielstätten des Ruhrgebietes geben..

  Zur Zeit haben die Vorstellungen eine Auslastung von 80%. Nur für wenige Vorstellungen sind noch Karten zu haben. Die Internetseite http://www.ruhrtriennale.de mag Ihnen ein Führer durch die Veranstaltungen sein.

Professor Willy Decker wagte etwas mit doppeltem Risiko, er führte Regie in einer Industriehalle mit einer Oper die sowieso als unspielbar eingeschätzt wird – mit der Oper „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner. Verwundert schaute man zum Ruhrgebiet als man diese Nachricht hörte. Voller Spannung und neugierig wartete man auf die Premiere.

     
v.l.:  Anja Kampe [Isolde] /  Willy Decker [Intendant] / Ministerin Ute Schäfer / Kirill Petrenko [Dirigent]
Foto: © Linde Arndt
 

Decker, der bekennender und praktizierende Buddhist ist, sieht diese Oper als logisches Bindeglied zu dem fernöstlichen Buddhismus. Wagner, aber auch andere Künstler haben sich mit dem Buddhismus befasst, es war ihnen also nichts Fremdes. Und so beschreibt auch Wagner seiner Freundin Wesendonk seine Bedenken hinsichtlich der Oper Tristan und Isolde in Verbindung mit dem Buddhismus und der Aufführbarkeit der Oper.

Nun um es vorweg zu nehmen, es hat trotz vieler Hindernisse geklappt einen Tristan zu spielen der die Zuschauer in ihrem Innersten packt und sie auf sich selber zurück wirft.

Zur Oper wollen wir etwas später kommen.

Professor Decker hat die Premiere von Tristan in einen ganzen Köcher von Hintergrundveranstaltungen gepackt, die für sich schon alleine jeweils eigene Veranstaltungen sind.

So wurde eine Gesprächsrunde mit Prof. Decker, Regisseur Luk Perceval, Hans Günter Golinski dem Leiter des Kunstmuseums Bochum und Prof. der Religionswissenschaften Michael Brück etabliert.

„Suche nach dem Jetzt“ war das Thema in der Turbinenhalle Bochum. Es sollte eine große Besinnung und gemeinsame Verortung aller Teilnehmer für ein gewaltfreies Leben gegenüber der Umwelt und der Natur werden. Solche Gespräche gibt es meines Erachtens leider viel zu wenig.

 
Gesprächsrunde                            Foto EN-Mosaik

 


Oberbürgermeisterin
Dr. Ottilie Scholz
Foto:EN-Mosaik
  Das Kunstmuseum Bochum eröffnete mit der Bochumer Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz die Austellung „Buddhas Spur“.

Im Vorfeld konnte man die Gedanken zum Buddhismus von verschiedensten Persönlichkeiten der buddhistischen Philosophie erfahren.

Die Ausstellung selber, die so prominente Besucher wie unseren Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert vorzuweisen hatte, zeigte die heutige zeitgenössische Kunst aus Asien.

Prof. Decker betätigte sich hier zum ersten mal als Kurator. Die Exponate beschäftigten sich in der Vielzahl mit dem Inhalt des Buddhismus.

 Heitere Gelassenheit, die Anwesenheit des Nichts oder das Füllen der Leere, diese Begrifflichkeiten aus dem Buddhismus wurden in den zu sehenden Artefakten verwirklicht.

Es war ein meditierendes Gehen und Sehen der Ausstellung im Kunstmuseum Bochum. Hier der Link zu dieser wunderbaren Ausstellung, http://www.bochum.de/kunstmuseum, wo Sie auch weitere Informationen erhalten werden. Bis zum 13. November kann diese Ausstellung noch besucht werden.

   

Die Kunst der Kalligraphie mit dem Zenmeister Sasaki Gensô Rôshi war nur etwas für Kenner. Diese Kunst ist uns Europäern fremd und doch auch vertraut. Rôshi verstand es den Besuchern Einblicke in den Buddhismus über die Kalligraphie zu vermitteln. Die kalligraphischen Werke, die das Thema der Ruhrtriennale reflektierten, wurden danach in der oberen Etage dem Publikum zugänglich gemacht. „Schnee in einer Silberschale“ sind elf Kalligraphien in der der Meister seine Erfahrung mit dem Ruhrgebiet wieder gibt. Wir haben sie als pdf für Sie zur Verfügung gestellt .

Die gesamten Veranstaltungen habe ich mit den Kollegen auch wirklich als heitere und gelassene Veranstaltungen erlebt. Die Zeit verging wie im Fluge, die Worte waren wie Schwalben die ihre Botschaft trugen und die künstlerischen Werke eröffneten sich den sie ansehenden Menschen.

 

    

 
  vl: Anja Kampe (Isolde) und Christian Franz (Tristan)                    Foto: © Paul Leclaire  

Und dann kam dieser Tristan, diese Aufführung die jeden packte und an seinen Ursprung zurück führte. Vielen blieb die Luft weg in und von dieser Aufführung des Tristan.

Vorweg etwas, was Decker immer wieder betonte, die Funktion des Punktes auf dem alles sich vereinigt aber von dem auch alles ausgeht. Dieser Punkt ist ein Element der Bühne, auf welchem verdichtet wesentliche Aussagen begleitend oder auch erläuternd erscheinen. Überhaupt das Bühnenbild von Wolfgang Gussmann ist eine gelungene Reduktion des Tristan Stoffes. Gussmann und Decker passen in dieser Hinsicht vorzüglich zusammen. Gussmann hat die bestehenden Aufbauten der Industriehalle aufgenommen, die dadurch nicht störend wirken. Vielmehr fließen sie in die Abstraktion der Bühne ein. Die Bühne selber besteht aus drei nach allen Seiten beweglichen Teilen, zwei Ebenen die Räume schaffen und eine Kugel (Punkt!). Die untere Ebene ist das worauf man steht. Man steht fest oder man kommt ins trudeln, je nachdem was auf einen einwirkt. Die obere Ebene dient als Element was an äußeren Einflüssen einwirkt – sozialer Druck. Die Kugel dient der Projektion der eigenen Phantasien aber auch der Rückbesinnung. Gussmann hat mit Susana Mendoza aber auch die Kostüme gemacht. Auch hier die Reduktion auf den Inhalt des Stückes. Die Beleuchtung von Andreas Grüter schaffte mit den Videoinstallationen der "fettfilm" zusammen eine gute und stimmungsvolle unter die Haut gehende Atmosphäre.

Den schwersten Part hatten allerdings Kirill Petrenko mit den Duisburger Philharmonikern und dem Chor Werk Ruhr. Die Tristan Partitur gilt nicht nur als ambitioniert, vielmehr löst sie auch in großen Häusern öfter Irritationen aus, Irritationen; wie sollen wir den Tristan umsetzen. Gilt es doch äußerste Disziplin zu wahren, der kleinste Patzer bringt der Aufführung die schwersten Probleme. Deshalb gab es im Vorfeld auch die berechtigte Frage, warum Decker nicht den Parzival von Wagner für sein buddhistisches Jahr genommen hat. 

Nun, Decker entschied und stellte sich dieser, auch für ihn, neuen Tristan Aufgabe. Für den Tristan stimmte in dieser Halle nichts im Sinne einer Anforderun an ein  Theater. Mit Petrenko hatte er sich einen, wenn nicht gar den Partner, geholt, der dieser Aufgabe nicht nur gewachsen war. Vielmehr löste er die vorhandenen musikalischen Probleme par excellence um einer brillianten Aufführung gerecht zu werden. Die Duisburger Philharmoniker sind ein hervorragender Klangkörper, welcher in Zusammenarbeit mit Petrenko keiner manchmal bei anderen Orchestern vorhandene Selbstverliebtheit der eigenen Musik nachgeht, sodass die Sänger mit einem Wagnerstoff erdrückt werden. Sänger und Philharmoniker taten das was sie immer bei Wagner tun sollten – sich unterstützen um eine Oper wirken zu lassen.

So ging Petrenko während der Proben immer wieder mal in verschiedene Positionen der Halle um den Ton zu überprüfen. Auch die Sänger hatten Probleme die sie durch Neupositionierungen auf der Bühne lösten.

Alles in allem hat Kirill Petrenko mit den Duisburgern eine außerordentlich hervorragende und ungewöhnliche Arbeit gemacht. Er hat Wagners herausragende Tristan Oper in der Jahrhunderthalle Bochum für jeden Menschen nahe gebracht – kurz, er hat die Menschen berührt.

Nur eines sollte man nicht vergessen, die Jahrhunderthalle ist kein Opernhaus mit all seinen Möglichkeiten. Ich denke mir jedoch, dass Decker mit Petrenko den Tristan in dieser Industriehalle, mit seinen restlichen Aufbauten, den Tristan dem Publikum inhaltlich näher bringen konnte als es in einem renommierten Hause möglich gewesen wäre. Und demnächst sehen wir Kirill Petrenko ja als General Musikdirektor in München an der Staatsoper.

 
Kirill Petrenko Foto: © Linde Arndt

 

Nun zum Stück selber.

 

Die Tristan Sage ist eine alte Variation der Artus Sage. Es war Gottfried von Straßburg, der im Mittelalter immer andere Variationen dieser alten Sage in die Welt setzte. Die Tristansage selber existiert nur in Fragmenten und wurde Wagner nahe gebracht. Dieser war von dem Stoff begeistert und komponierte dann in seiner Züricher Zeit diese Oper. Er unterbrach sogar seine Arbeit am Siegfried.

Die Handlung dieser Sage ist selbst für heutige Zeiten eine ungemein spannende und packende Geschichte, Hollywood könnte solch eine Spannung nicht bringen.

 

…. er sah mir in die Augen, so sagt Isolde. Isolde wollte sich rächen und Tristan töten. Und dann dies, dieser Blick der sie nie mehr verlässt, der alles bedeutet und alles sagt aber auch alles eröffnet. Dieser eine Blick der für Beide die ganze Welt bedeutet – nicht mehr und nicht weniger. ( Dies ist der Punkt für Willy Decker) Und jetzt erst setzt die Oper Wagners ein, es hebt sich also jetzt erst der Vorhang. Im Grunde ist ja schon alles geschehen! Aber es braut sich jetzt eine Ungeheuerlichkeit sonder gleichen zusammen. Isolde wird von Tristan als Braut für seinen König geholt. Beide erkennen sich mehr oder weniger.

Isolde ist wütend und voller Zorn. Tristan den sie doch am Leben ließ erkennt sie nicht, ja, behandelt sie so ganz von oben herab? Ihre Liebe die durch seinen Blick entstand sollte keinen Bestand haben? Sie sinnt auf Rache und will diese mit einem Todestrank in die Tat umsetzen. Ihre Dienerin Brangäne soll ihr bei einem Treffen mit Tristan diesen Trank bringen. Isolde will sodann in diesem Gespräch die Sühne. Als Zeichen dieser Sühne soll er mit ihr einen Sühnetrank trinken. Brangäne bringt diesen vermeintlichen Sühnetrank der ja ein Todestrank sein soll. Beide trinken diesen Trank und meinen nun zu sterben. Nur, Brangäne hat diesen Trank durch einen Liebestrank ausgewechselt. Im nun vermeintlichen Angesicht des Todes bekennen sich die Beiden zu ihrer Liebe. Alle gesellschaftlichen Zwänge die auf Beiden lasten fallen von ihnen ab. Was bleibt ist eine Leere die mit ihrer beiden Liebe gefüllt wird. Eine Liebe die nur ein Ziel hat, eins zu werden. Diese Liebe geht über diesen einen Blick hinaus, sie schafft etwas was man das Urvertrauen nennen kann. Ängste, Eitelkeiten oder auch Stolz haben keinen Sinn mehr. Tristan und Isolde können das machen was sie zwar dachten und sich wünschten, es aber nicht konnten. Den Neubeginn, indem das Ich abfällt und nur das Sein vorhanden ist. Körper, Geist und Psyche sind in dieser Leere nicht mehr vorhanden. Den anderen und sich selber zu erfahren und mit ihm zu verschmelzen um eine ganz andere Körperlichkeit zu erreichen. Ohne Sinn und ohne Ziel nur mit der Unendlichkeit der Liebe.

Beide erwachen aus dieser Welt und finden sich in der realen Welt unsanft wieder. Es hätte nicht sein dürfen. Tristan und Isolde waren in der realen Welt doch nicht für einander bestimmt! Was haben die beiden nur getan? Das ganze Tun der Beiden ist natürlich nicht verborgen geblieben. So kommt Melot und klagt König Marke die Schuld der Beiden. Der König ist enttäuscht und entsetzt. War es doch Tristan der ihn zu dieser Heirat überredet hat. Er, der König, wollte doch nicht mehr heiraten. Tristan, der treuste der Treuen, sieht sich in einer tiefen Schuld. Sein Ausweg: Er stürzt sich in das Schwert des Melot. Isolde versucht verzweifelt Tristan nochmals zu retten – vergebens. Isolde kann nicht anders als dem Geliebten in den Tod zu folgen.

Das Wagner einer der herausragendsten Komponisten der Weltgeschichte war, darüber sollten wir keine Unterhaltung führen. Auch sollten wir uns nicht über seine weiter reichenden politischen Ansichten unterhalten. Seine Genialität in der Musikgeschichte ist es die wir uns anhören sollten. Seine Herangehensweise an solch eine Handlung wie die des Tristan wie er die Handlung befördert, wie er aber auch die Sänger fordert.


Anja Kampe                        Foto: © Linde Arndt
  Hier ist es die Ausnahmekünstlerin Anja Kampe der man diese Isolde ohne Fragen abnimmt. Ihr Zorn, ihre Liebe und das Fallen lassen, sie ist das Weib schlechthin, welches in den Sagen zu Hause ist. Sie dominiert mit klarer Stimme die Szene, es gibt hier kein Überhören.

Dagegen wirkt Christian Franz (Tristan) nicht gerade als Held. Stimmlich kann er allerdings überzeugen.

Vielleicht liegt es daran, dass Anja Kampe eine  (gottseidank) zu starke Isolde ist. Sicher hätte Wagner Anja Kampe jederzeit für seine Opern verpflichtet. Sie singt ja Wagners Frauenrollen, wie zum Beispiel die Sieglinde, mit besonderer Bravour.

Ob es nun Stephen Milling als braver und altersmüder König Marke, Claudia Mahnke als quirlige und treue Brangäne, der treue Kurwenal von Alejandro Marco-Buhrmeister und Boris Grappe als undurchsichtiger Melot ist. Alle Sänger konnten ihre Rollen überzeugend dem Publikum nahe bringen.

Einige Gedanken müssen wir noch über den Buddhismus verlieren. Einen Buddhismus als Religion gibt es nicht. Vielmehr ist der Buddhismus eine Art von Philosophie. Es gibt auch keinen Buddha, wie einige glauben machen wollen. Es gibt nur eine Buddhaeigenschaft die jeder in sich trägt. Die Lehre spricht nur von einem Kreislauf der Widergeburten aus dem es gilt auszuscheiden und ins ewige Nichts einzutauchen. Dieses Nichts ist kein Paradies, wie es die anderen Religionen „versprechen“. Vielmehr ist es ein Nichts indem die Leiden nicht mehr anwesend sind. Es ist der reine unverfälschte Geist anwesend. dem nichts anhaftet. Jetzt hat die Lehre des Buddha nur ein Problem. In dem großen Buddhaversprechen kann jemand der die Buddhaeigenschaft erreicht hat nicht ins Nichts eintauchen. Vielmehr hat er versprochen nicht eher ins Nichts einzutauchen bis er allen Wesen geholfen hat diese Buddha-Eigenschaft erreicht zu haben. Dazu gehört sicherlich eine unendliche Liebe aber auch ein genau so großes mit  Leiden. Und hier haben wir die Analogie zur Oper Tristan und Isolde. Das Werden des einzelnen der dann eine Ebene erreicht der alles anhaftende (i.S. von Normen und Regeln) zerfließen und abfallen lässt. Dieses Eintauchen, dieses Stille halten, geschieht nur im Zustand der Meditation. (Im Zen nennt man das Zazen) Es ist ein Schwebezustand der einen in eine Zeit die nicht Tag und nicht Nacht ist, hinein versetzt. Form, Funktionen und Farben sind nicht wahrnehmbar. Vollkommener Geisteszustand ist vorhanden, die Dualität der Dinge gibt es nicht mehr. So singen denn auch beide im Duett: …gib Vergessen, dass ich lebe (!) …löse von der Welt mich los..Stille. Der zweite Akt von Tristan, reines Dämmerlicht, die Protagonisten sich zugewandt, sich wie Kinder alles erklärend. Alles fließt bei den Beiden, nichts bleibt stehen.

Es ist die Abwesenheit von Leben im herkömmlichen Sinne, welches keinen Bestand haben kann. Es ist das Leben auf einen winzigen Augenblick und Punkt reduziert – ein nicht wahrnehmbarer Moment der nun ewig dauert.

 

Weitere Vorstellungen : 9., 13., 17., 20. September 2011.

 

Ich möchte noch auf die „Macbeth“ Aufführung des Regisseur Luk Perceval in der Maschinenhalle Zweckel/Gladbeck hinweisen. Auch hier ein Thema welches die buddhistische Philosophie hervorragend reflektiert. Das Shakespeare Drama in der Maschinehalle zur Aufführung zu bringen hat sicherlich einen ungemeinen Reiz. Aus zeitlichen Gründen konnten wir einer der Vorstellungen nicht persönlich folgen.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum