Sterbehilfe auf Raten?

Es ging ihr von Tag zu Tag schlechter. Sie hatte kaum noch die Kraft aus dem Bett aufzustehen und mit ihrem Gehstock die paar Schritte bis zur Küche hinter sich zu bringen……………..  und das alles nur wegen eines kleinen Irrtums, der ihr fast das Leben gekostet hätte.

 

Diese Seite soll all den älteren Menschen gewidmet sein, die auf Hilfe ihrer Familie oder Mitmenschen angewiesen sind, weil sie nicht mehr die Kraft oder die Kenntnisse haben, um sich in dieser veränderten Welt zurecht zu finden.

Früher war es eine Selbstverständlichkeit, dass Eltern ihren Lebensabend gemeinsam mit der Familie verbrachten, das ihre Kinder ihnen das wiedergaben, was sie umgekehrt für sie getan hatten, als sie eben noch jung und auf elterliche Hilfe angewiesen waren.

Heute verlassen die jungen Menschen ihre Familie auch wenn sie nicht heiraten, sondern um unabhängig und selbständig zu sein. Die vielen Singelhaushalte sind Zeugnis davon.

Nun bedeutet das nicht unbedingt, dass man sich nicht um seine alt gewordenen Eltern kümmern kann, auch wenn man eine eigene  Wohnung  hat, oder diese sich in einer anderen Stadt, oder einem anderen Land befindet. Aber es ist schon etwas anderes, wenn dieser oder diese Angehörige im Alter auf sich gestellt sind und nicht mehr unter der Obhut ihrer Familie sind.

Gerade im Alter häufen sich Krankheiten, die eine medikamentöse Behandlung benötigen. Meist bleibt es nicht bei ein oder zwei Wehwehchen und auch die ständige Einnahme von Medizin macht es oft erforderlich, weitere Medikamente zu sich zu nehmen. Es ist leider kein Einzelfall, dass gerade bei diesen Personen eine Anzahl von 9 und mehr unterschiedlichen Tabletten keine Seltenheit sind.

Im anfangs geschilderten Fall ist es ebenso gewesen. Drei unterschiedliche Ärzte hatten Tabletten verordnet. Davon waren 11 morgens und 5 abends einzunehmen. Ein Abgleich, ob sich diese alle ohne evtl. Nebenwirkungen vertrugen wurde nicht gemacht. So weit, so schlimm.

 

Aber es kommt noch schlimmer. Die alte Dame muss u.a. jeden Tag ziemlich starke Tabletten gegen ihre Rückenschmerzen einnehmen, um den Tag überhaupt irgendwie überstehen zu können. Nun hatte sie einen Arzttermin zur Blutuntersuchung und ließ sich bei der Gelegenheit nochmals Tabletten aufschreiben, damit sie nicht in ein paar Tagen wieder zum Arzt musste.

Der Arzt verschrieb ihr, was sie immer bekommen hatte, allein der Apotheker gab ihr nach dem neuen gültigen Rabattsystem ein Präparat einer anderen Firma mit auch anderem Namen, jedoch wohl gleichen Inhaltsstoffen.

Heutzutage heisst es:

Jeder Patient muss zunächst dieses Ersatzmedikament nehmen, erst wenn starke Unverträglichkeiten auftreten ist der Arzt berechtigt, wieder das Medikament von dem ursprünglichen Pharmaunternehmen zu verordnen!

Wenn das schon schlimm genug ist, dass also der Patient jetzt in gewisser Weise zum Versuchskaninchen degradiert wird, so gibt es noch einen viel übleren Grund.

Nachdem es der alten Dame  immer schlechter ging habe ich sie zum Arzt begleitet. Der normale Checkup ergab nichts Auffälliges, außer das der Arzt sich über ihre so spontan aufgetretene Gebrechlichkeit und ihr fades Aussehen wunderte. Als ich das Thema 14 Tabletten pro Tag anschnitt, folgte ein erschrockener Blick und wir vereinbarten, alle Medikamente in einen Beutel zu packen, in der Praxis vorbeizubringen und zu überprüfen. Hierbei stellte sich folgendes heraus:

Die Patientin, die immerhin knapp über 90 Jahre alt ist, hatte das vom Arzt zu vor verschriebene Medikament eingenommen  und dann zusätzlich noch das neue Austauschmedikament. [Es war eine andere Verpackung, ein anderer Name und statt der bisherigen kleinen runden Tabletten jetzt  zweifarbige Hartkapseln, so dass sie annahm, es müsse zusätzlich genommen werden]. Also nahm sie statt 20 mg jetzt 40 mg pro Tag zu sich und natürlich die übrigen Tabletten auch noch.

Jetzt hat sie einen genauen Einnahmeplan. Wir haben einen Wochencontainer aus der Apotheke besorgt, wo jetzt die jeweils benötigte Menge pro Tag und Tageszeit einsortiert sind. Übrigens das mit der Doppeleinnahme hatte sich bei dieser Kontrolle herausgestellt. Wie von ärztlicher Seite selbst zugegeben wurde, hätte dieses Versehen  evtl. fatale Folgen haben können.

Ich meine, ich höre jetzt schon Stimmen die sagen "Ist die Alte doch selbst schuld, soll sie doch aufpassen". Lieber Leser, diese Dame ist trotz ihres hohen Alters im Kopfe noch top fit, was auch eine Untersuchung des EEG ergeben hat. Als ich die Tabletten in den Wochencontainer einsortierte hatte selbst ich meine Schwierigkeiten, alles richtig einzuordnen.

Wird eigentlich bei heutigen Gesetzesänderungen, Verordnungen und Anweisungen eigentlich noch der Mensch als solcher gesehen?

Was ist aus unserer Gesellschaft geworden? Sind alte Menschen nur noch eine Belastung? Haben sie keinen Platz mehr bei und mit uns?

Wir wollen keine  Sterbehilfe in Deutschland, aber leisten wir nicht im Grunde durch Gedankenlosigkeit Sterbehilfe auf Raten?

 

Mir tun all die Menschen leid, die keine Angehörigen mehr haben und völlig auf sich alleine gestellt sind. Hoffentlich gibt es für sie noch eine funktionierende Nachbarschaftshilfe oder nette Bekannte mit Herz, die mitfühlen können, wie sich dieses Alleingelassen und nicht mehr Zurechtkommen anfühlt.

Wann haben Sie Ihre Mutter / Ihren Vater das letzte Mal besucht? Haben Sie einmal kontrolliert, wie viele Medikamente sie/er pro Tag einnehmen muss und ob sie/er mit der Einnahme zurecht kommt. Wäre es evtl. auch einmal angebracht, mit dem behandelnden Arzt eine Überprüfung dieser Medis durchzuführen?

Oder haben Sie nur noch Zeit und Gedanken für sich!

Und Sie? Haben auch Sie einen alleinstehenden Nachbarn oder eine Nachbarin, die Sie evtl. schon ein paar Tage nicht gehört und gesehen haben?
Wann haben Sie zu letzt einmal angeklingelt, einfach nur um zu fragen, ob alles in Ordnung ist?

Jeder, der von uns das Glück hat halbwegs erträglich gesund alt zu werden kommt irgendwann an den Punkt, wo er Dinge wahrnimmt, die er bisher nicht bewusst wahrgenommen hat und wo er sich auf einmal mit dieser Situation und den evtl. Folgen identifiziert.

 

Es heißt immer "Alles was Du denkst und tust kommt auf Dich zurück".

Vielleicht ist es möglich auch in unserer veränderten, schnelllebigen Zeit unseren älteren Mitmenschen Nächstenliebe und Verständnis entgegen zu bringen.

In diesem Sinne

Ihre

Linde Arndt

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