Extremsportler Frank Schacht bewältigt Namib Desert Challenge
(pen) Frank Schacht, seit knapp sieben Jahren Chef der Rettungsleitstelle des Ennepe-Ruhr-Kreises, hat als bisher einziger Deutscher am Namib Desert Challenge teilgenommen. Der Lauf über 210 Kilometer durch die Namibische Wüste gilt als einer der anspruchsvollsten Laufwettbewerbe der Welt. Die Teilnehmer müssen ihre Ausrüstung und Verpflegung während des Rennens selber tragen. Um eine Tagesetappe zu schaffen, müssen die Läufer bis zum Abend das Übernachtungscamp erreichen. Die Tagesrouten sind zwischen 28 bis 60 Kilometer lang. Über seine abenteuerlichen Erlebnisse unter sengender Sonne (tagsüber) und bei klirrender Kälte (nachts) hat der 43-jährige Brandamtsrat einen Bericht verfasst, den wir im Folgenden gekürzt wiedergeben.
Tag 1: So wie jeden Tag 4:45 Uhr Wecken. Katzenwäsche unter dem wohl unglaublichsten Sternenhimmel dieser Welt mit der allgegenwärtigen Stirnlampe. Morgendliches Briefing und Start gegen 6:30 Uhr in den Sonnenaufgang. Heute 42,2 Kilometer. Ein Marathon. 28 Starter aus der ganzen Welt, nur einer spricht deutsch. Unglaubliche Menschen. Weltrekordhalter, Toppläufer, wahnsinnige Lebensgeschichten. Was für eine Ehre, mit diesen Menschen eine Leidenschaft zu teilen. Start. Keine Wolken, kein Wind, es wird über 47 Grad Celsius heiß. Unvorstellbare Glücksgefühle und schlimmste Selbstzweifel wechseln sich im kurzen Wechsel ab. Ich denke an Aufgeben und bin im Ziel mit 6:29:20 Zwölfter.
Tag 2: 44 Kilometer. Schlecht geschlafen. Trockener Husten. Muskelschmerzen insbesondere im Schultergürtel. Scheiß Rucksack. Wie immer viel zu schwer. Start ist am Fuß der Elim Dune. Und dass sagt schon fast alles. Fast ausschließlich Sand. Fast ausschließlich Steigung und Gefälle. Ich schaffe es in 6:35:45 und anders als gestern bin ich zufrieden. Es war unerträglich eintönig. Gleich drei geben auf.
Tag 3: 42 Kilometer. Und alles tut weh. Wetter wie gehabt. Heute geht es überwiegend über Geröll. Ohne Pfade oder dergleichen. Ich verliere kurzzeitig die Orientierung und laufe mindestens drei Kilometer zuviel. Na prima. Zieleinlauf trotzdem nach 6:23:38.
Tag 4: Heute Nacht habe ich meine Blasen aufgeschnitten. Sieht nicht gut aus. Dazu kommt eine noch nicht gekannte muskuläre Erschöpfung. Ich habe die Nacht nie länger als 15 Minuten am Stück geschlafen. Wie soll man auch liegen, wenn alles weh tut. Heute wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Heute stehen 56 Kilometer an. Heute hat man gewaltige Hürden eingebaut.
Und was ich noch nicht weiß: heute wird mein Tag. Ich starte mit offenen getapten Füßen in den Sonnenaufgang, um nach etwa acht Kilometern in den Sesriem Canyon einzusteigen. Bis zu 30 Meter tief und bis zu drei Meter schmal. Alles nicht so schlimm, wäre da nicht der bis zu 1,50 Meter hohe Wasserstand. Also: Rucksack auf den Kopf und rein in die brusthohen Fluten. Hinter dem Wasser setze ich mich auf einen Felsen, um die Schuhe auszuleeren. Ich teile den Felsen mit einer Schlange. Nach der ersten Schrecksekunde mach ich noch mutig ein Foto, bevor ich mich verziehe. Als ich Tage später das Foto einem Ranger zeige, erfahre ich: es handelt sich um eine Kobra, eine der häufigsten Giftschlangen der Namib.
Das Ziel liegt am Fuße der Dune 45; einer Touri-Düne, zu der zum Sonnenauf- und Sonnenuntergang die Touristen gekarrt werden, um hinauf zu steigen. Aber jetzt ist Mittag, kein Tourist weit und breit, das Camp am Fuße der Düne aufgebaut, und oben „top of the dune“ weht eine Fahne, auf der ein Aufkleber mit meiner Startnummer klebt. Den gilt es noch zu holen. Und das bringt mich um. Auf diesen wenigen hundert Metern überholen mich noch drei Läufer. Trotzdem. 8:36:55 sind okay.
Tag 5: 26 Kilometer. Das klingt machbar. Die Euphorie und die Nachricht, dass man doch noch kurzfristig einen Biersponsor gewonnen hat, verleihen Flügel. Aber diese Etappe hat es in sich. Unter anderem liegen drei hohe Dünen auf dem Weg; darunter mit Big Daddy die angeblich höchste Düne der Welt. Auch wenn die Aussicht phantastisch ist und zu dem Schönsten gehört, was ich je in meinem Leben gesehen habe. Danach geht es noch durchs Death Vlei, ein unvorstellbar trockenes Tal mit vor Jahrtausenden versteinerten Bäumen, ab ins Ziel. Und da ist es: Windhoek Lager, gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot. Nach drei Flaschen schlafe ich noch im Ziel auf dem Stuhl ein. Ach ja: Gesamt-Achter nach 32:25:33 von 21 Finishern (sieben mussten aufgeben). I’m very proud.
Ich habe in diesen Tagen wunderbare Landschaften gesehen und faszinierende Menschen kennen gelernt. Als Abschluss in Erinnerung bleiben mir die Worte von James Binks aus England: "Frank, perhaps we see us next Year in Brasil at the Djungel-Marathon. Think about it. You knew: Nothing is impossible. Just do it." James ist 64 Jahre alt und wurde Neunter.
Stichwort: Namib Desert Challenge
Informationen über einen der härtesten Läufe der Welt finden sich im Internet unter http://kineticevents.net/ndc/pages/home/deutsch.php. Frank Schacht bereitet eine Vortragsreihe vor, die ihn in Läden der Laufsportkette Bunert führen wird, auf deren Internetseite die Termine, sobald vorliegend, veröffentlicht werden (www.bunert.de).
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