Aus der Unsichtbarkeit ins Licht – Vol.I
[jpg] Karin Kramer *, 15 Jahre, hat vor vier Wochen die Diagnose erhalten: ALS.
Die ALS-Krankheit (Amyotrophe Lateralsklerose) ist eine chronisch-degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. Sie macht sich durch den sichtbaren Schwund der Muskulatur zuerst an den Armen und Beinen, später auch im Gesicht und am übrigen Körper bemerkbar. Die Lebenserwartung ab Diagnose lässt sich sehr schwer vorhersagen, jedoch ist bei früher Diagnose in der Regel eine hohe Lebensqualität möglich. In einem gut organisierten häuslichem Umfeld kann man eine ambulante Betreuung erwarten, erst in einer späteren Phase der Krankheit ist eine stationäre Behandlung vonnöten.
Die Eltern und der Bruder sorgen sich rührend um Karin, nachdem sie den Schreck überwunden hatten. Auch Karin hat inzwischen gelernt ihr neues Leben zu akzeptieren. Ein bis zwei mal die Woche kommt eine ehrenamtliche Kraft des nahen Ambulanten Hospizes vorbei. Sorgen und der Verlauf der Krankheit werden gemeinsam besprochen.
Karin ist in den vier Wochen stärker geworden und möchte nicht auf ihre Krankheit reduziert werden, sie ist Karin geblieben, nur die Krankheit ist hinzugekommen. Ihre Freunde, aber auch die Freunde der Familie, können mit der Krankheit nicht umgehen und haben sich entfernt. Andere sind vereinzelt näher gekommen. Die mitleidenden Blicke sind weniger geworden, sie sind den ganz normalen Gesprächen über Neuigkeiten oder Interessen von Karin gewichen. Manchmal ist es so als gäbe es diese Krankheit nicht. Achtsamkeit ist der Alltag in der Beziehung, das Gesagte hat jetzt einen Wert. Karin erzählt manchmal von ihren Träumen, was sie sich so als Kind alles erdacht hatte. Ihre Eltern und ihr Bruder oder auch die Freunde sitzen dabei und tauschen sich mit Karin aus. Die Eltern, Karin und ihr Bruder erfahren in ihrer Beziehung und im Umgang eine viel größere Intensität.
Auch in der Schule haben sich viele MitschülerInnen auf Karin eingestellt, FreundInnen sind weggeblieben, andere haben sich gefunden. Nach einer kurzen Zeit die mit Berührungsängsten geprägt war, kann die Welt manchmal auch wieder ein gemeinsames Lachen von Karin und ihren Freunden wahrnehmen.
Durch den regelmäßigen Besuch einer Hospizmitarbeiterin erfährt Karin Gespräche ohne Tabus mit Herzlichkeit, die ihr eine gewisse Geborgenheit vermitteln. Bei diesen Gesprächen fühle ich mich verstanden und begleitet, so Karin. Inzwischen ist für Karin die Hospizmitarbeiterin sehr vertraut, manchmal vermisst sie sie auch, weil nur sie es versteht richtig zuzuhören. Da sie im Verbund mit dem Palliativzentrum arbeitet, weiß ich, dass ich bei einer Veränderung meiner Krankheit medikamentös neu eingestellt werde, das beruhigt ungemein, sagt Karin.
Jürgen Gerhardt für Kulturgarten.nrw und EN-Mosaik
* Name von der Redaktion geändert
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