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Intendant Johan Simons verabschiedet sich mit einem Götterfunken

[Bochum] Die diesjährige Eröffnung der Ruhrtriennale 2017 am 18.August um 17:30 wird mit einer Festspielrede von Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller eröffnet. Allerdings ist diese Rede schon seit langem ausverkauft.

Die Ruhrtriennale 2017 eröffnet mit Cambreling, Warlikowski und Hannigan in Bochum
Finaljahr der Intendanz von Johan Simons – Festival der Künste thematisiert Utopien und Zukunftsvisionen – Tickets zu einzelnen Terminen noch erhältlich

Bochum, 9. August 2017 – Am 18. August startet die Ruhrtriennale 2017 mit der ersten Oper der Moderne in eine Spielzeit, die sich Utopien und Zukunftsvisionen widmet. Eröffnet wird das Festival in der Jahrhunderthalle Bochum mit „Pelléas et Mélisande“. Im dritten und letzten Jahr der Intendanz von Johan Simons bietet die Ruhrtriennale ihrem Publikum sechs Wochen voller Musiktheater, Musik, Tanz, Schauspiel und Installationen. Das Ruhrgebiet wird zum Schauplatz zeitgenössischer Kunst.

Johan Simons, Intendant der Ruhrtriennale, und Dr. Vera Battis-Reese, Geschäftsführerin der Kultur Ruhr GmbH, berichteten heute in der Jahrhunderthalle Bochum von den letzten Vorbereitungen kurz vor Beginn der Saison 2017. Besonderer Gast der Pressekonferenz war die kanadische Starsopranistin Barbara Hannigan, die in der Eröffnungsproduktion der diesjährigen Ruhrtriennale die Mélisande verkörpert.

Intendant Johan Simons Foto: (c) Linde Arndt

Johan Simons, Intendant der Ruhrtriennale 2015–2017:
„Freude“, „schöner“, „Götterfunken“. Mit diesen drei Begriffen beschließe ich meine Zeit als Intendant der Ruhrtriennale. Seit ich künstlerischer Leiter dieses wunderbaren Festivals geworden bin, hat sich die Welt sehr verändert, wirkte manchmal wie aus den Fugen. Doch spüre ich nun eine positive Energie, ein Wiederentdecken Europas und seiner Kraft. Und vielleicht können wir mit künstlerischen Götterfunken unserem Publikum ein paar Hoffnungsschimmer schenken.“

Kurz vor Festivalbeginn läuft auch der Vorverkauf auf Hochtouren. So hält Dr. Vera Battis-Reese, Geschäftsführerin der Kultur Ruhr GmbH, fest: „Mit dem bisherigen Ticketvorverkauf sind wir sehr zufrieden. Zu den besonders nachgefragten Produktionen gehören „Pelléas et Mélisande“, „Three Stages“, „Bach. Cellosuiten“ und „Cosmopolis“. Nichtsdestotrotz gibt es noch Karten, auch für andere Produktionen und zu Terminen unter der Woche. Wie in den letzten beiden Jahren bespielen wir auch in diesem Jahr eine neue Spielstätte und sind erneut in Dinslaken. Mit „Projecting [Space[“ werden wir eine Tanz-Uraufführung in die Zentralwerkstatt der Zeche Lohberg bringen.“

Vom 18.8. bis 30.9.17 zeigt die Ruhrtriennale rund 135 Veranstaltungen bei 40 Produktionen, davon 28 Eigen- und Koproduktionen, 22 Uraufführungen, Neuinszenierungen, Deutschlandpremieren und Installationen in 14 verschiedenen Spielstätten der Region.

Die Programmhighlights der ersten Ruhrtriennale-Woche

Zum dritten und letzten Mal lädt ab dem 18.8. das Kunstdorf The Good, the Bad and the Ugly von Atelier Van Lieshout auf dem Vorplatz der Jahrhunderthalle Bochum das Publikum und alle Neugierigen zum Entdecken und Verweilen ein. Das Kunstdorf kehrt mit bekannten und neuen Arbeiten zurück und ist für den gesamten Zeitraum das Festivalzentrum der Ruhrtriennale. Einen Staat im Dorf rufen die Teenager des Nachwuchsproduktionsbüros der Ruhrtriennale, Mit Ohne Alles, aus: Zum zweiten und letzten Mal wird mit Teentalitarismus mitten in Bochum ein Teenager-Machtgebiet errichtet. Die Festspielrede zum Auftakt der Ruhrtriennale hält Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller. Im Anschluss wird die Jahrhunderthalle Bochum mit Pelléas et Mélisande, unter der musikalischen Leitung von Sylvain Cambreling und inszeniert von Krzysztof Warlikowski, zum Ort existenzieller Verlorenheit. Die kanadische Starsopranistin Barbara Hannigan singt die weibliche Titelpartie.

Der 19.8. beginnt mit der Eröffnung der Installation Truck Tracks Ruhr – The Compilation in der Mischanlage der Zeche Zollverein in Essen. Die Produktion von Urbane Künste Ruhr nach einem Konzept von Rimini Protokoll und loekenfranke ist eine audio-visuelle Gesamtkomposition aller sieben Alben des Erfolgsprojekts „Truck Tracks Ruhr“. Die Installation kann bei freiem Eintritt besucht werden. Ab 18 Uhr erklingt elektronische Musik in und um die Jahrhunderthalle Bochum bei der dritten und letzten Ausgabe von Ritournelle. Partygänger- und NachtschwärmerInnen feiern bei der Festivalnacht der elektronischen Musik mit zahlreichen Live-Acts wie Nicolas Jaar, Sohn oder Mykki Blanco.

Ab dem 20.8. spannt die Ruhrtriennale den musikalischen Bogen von Monteverdi bis Folkrock. In der Maschinenhalle der Zeche Zollern in Dortmund führt Philippe Herreweghe das Collegium Vocale Gent am 20.8. durch die Klangkathedrale von Monteverdis religiösem Meisterwerk, der Marienvesper. Krzysztof Warlikowski, Barbara Hannigan und Reinbert de Leeuw führen einmalig am 20.8. Socrate von Erik Satie in der Bochumer Jahrhunderthalle auf. Eine einzigartige Gelegenheit, das selten gespielte Werk eines der originellsten Komponisten des 20. Jahrhunderts in einem neuen Setting zu erleben. Mit einem immersiven Konzert des belgischen Quartetts Zwerm beginnt am 21.8. die montägliche Konzertreihe im Maschinenhaus der Essener Zeche Carl. Am 23.8. gastiert Kurt Wagner mit Lambchop und der kanadischen Folkband Timber Timbre für ein Konzert in der Jahrhunderthalle Bochum.

Eine besondere musikalische Kombination verspricht der Programmbeitrag von ChorWerk Ruhr unter der musikalischen Leitung von Florian Helgath: Mit Memoria verbindet ChorWerk Ruhr am 25.8. in der Maschinenhalle der Dortmunder Zeche Zollern Werke von Tomás Luis de Victoria, John Cage und Morton Feldman. Kein Licht. (2011/2012/2017), die Auftragsarbeit und internationale Koproduktion für die Ruhrtriennale, wird am 25.8. in der Gebläsehalle des Landschaftspark Duisburg-Nord uraufgeführt. Philippe Manourys Komposition nach einem Text von Elfriede Jelinek nimmt das Publikum mit in eine Welt nach dem Super-GAU. Die musikalische Leitung übernimmt Julien Leroy. Inszeniert wird die Oper mit Caroline Peters in einer der Hauptrollen von Nicolas Stemann.

Compan< Anne Teresa De Keersmaeker
Foto: (c) Linde Arndt

Trilogien waren ein wichtiges Motiv der Intendanz von Johan Simons und die auf drei Teile angelegten Produktionen kommen 2017 zum Abschluss. So auch die erste Tanz-Trilogie der Ruhrtriennale. Der Choreograf Richard Siegal, dessen Arbeiten für die Spielzeiten 2015-2017 auf Dantes „Göttlicher Komödie“ fußen, zeigt u. a. mit der Uraufführung El Dorado ab dem 25.8. zum ersten Mal alle drei Teile an einem Abend bei PACT Zollverein. Anne Teresa De Keersmaeker kehrt 2017 auch in das Ruhrgebiet zurück. Ihre neueste Choreografie, Bach. Cellosuiten, wird am 26.8. in der Maschinenhalle der Zeche Zweckel uraufgeführt. Begleitet werden die fünf TänzerInnen von Rosas von dem gefeierten Cellisten Jean-Guihen Queyras.

In diesem Jahr wartet das Refektorium auf dem Vorplatz der Jahrhunderthalle Bochum zum letzten Mal mit einem vielfältigen und gänzlich kostenlosen Programm auf. Ab dem 20.8. finden Lesungen, Kinoabende, Performances oder Partys statt. Unter dem Titel The End of Everything is a New Beginning findet am 26.8. eine Veranstaltung gemeinsam mit der innogy-Stiftung für Energie & Gesellschaft statt. 2017 lädt Johan Simons ab dem 27.8. um 12 Uhr zu Johans High Noon. An fünf Sonntagen empfängt der Ruhrtriennale-Intendant KünstlerInnen der Ruhrtriennale zum Gespräch. Seine Gäste beim ersten High Noon am 27.8. sind Anne Teresa De Keersmaeker und Sylvain Cambreling.Tickets sind telefonisch über +49 (0) 221 / 280 210 oder online über http://tickets.ruhrtriennale.de/eventim.webshop erhältlich

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Die Vergangenheit war die Zukunft und ist die Gegenwart

Premiere "ALCESTE!"Ruhrtriennale 2016 Foto: (c) Linde Arndt

Premiere „ALCESTE“ Ruhrtriennale 2016 Foto: (c) Linde Arndt

Vorbemerkung

[jpg] Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das sind die Rufe der Aufklärung die heute unseren Wertekanon ausmachen sollten. Die französische Revolution stellt hierbei in der europäischen Geschichte eine unumkehrbare Zäsur dar und war der Boden für unsere heutige Demokratie. Aber unsere Demokratie ist in die Jahre gekommen, wobei niemand bereit ist an dem immerwährenden Prozess einer Demokratie zu arbeiten. Die Demokratie war nie fertig und wird auch nie fertig werden; nur, wir müssen bereit sein an dieser Demokratie zu arbeiten, sie weiterzuentwickeln. Eine Zwischenstation auf dem Wege der Demokratie war das zu bauende Haus Europa.

 

Einleitende Informationen

Johan Simons inszenierte für die Eröffnung der Spielzeit 2016 am 12. Aug. 2016 die Oper Alceste von Christoph Willibald Gluck in der italienische Urfassung und dem Libretto von Ranieri de’ Calzabigi, der Dirigent René Jacobs und der Dramaturg Jan Vandenhouwe standen ihm hierbei zur Seite.

Nebenbei, es waren viele Prominente anwesend, die aber in diesem Zusammenhang unerwähnt bleiben sollten.

 

Hintergrund

Nun, Alceste geht auf  die Tragödie Alkestis zurück die Euripides im Jahre 438 vuZ auf einem großen Kunstwettbewerb (Großen Dionysien) aufführte, er machte mit diesem Stück den 2. Platz nach Sophokles. Aischylos, Sophokles sind die großen Dramatiker der damaligen Zeit, zu denen sich nunmehr Euripides als gleichwertig gesellte. Zeit seines Lebens war Euripides ein Einzelgänger, er mochte die Athener Gesellschaft nicht und nahm dann auch konsequenterweise die Einladung des makedonischen Königs Archelaos I an, um an dessen Hofe in Pella zu leben und letztendlich auch zu sterben.

Was Euripides in seinen Werken beschäftigt ist die Freiheit des Menschen in seiner Entscheidungen für Gut und Böse. Aus sich heraus findet er, der Mensch, die rechte Entscheidung. Diese rechte und freie Entscheidung führt den Menschen in den Zustand der Würde.

Die Alkestis des Euripides steigt denn auch zur Heldin auf als sie sich für ihren Gemahl König Admetos entscheidet, indem sie an dessen Stelle in den Tod geht. Euripides zeichnet aber in diesem Stück ein Frauenbild, welches auch und noch in unserer Zeit Geltung haben könnte. Dieses Frauenbild ist deshalb möglich, weil das analoge Männerbild gleichberechtigt neben dem Frauenbild existieren kann.

 

Dieses Thema nahm der Komponist Christoph Willibald Gluck 1767 mit dem Librettisten Ranieri de’ Calzabigi auf und wandelte es ab, so fehlen die Rollen des Herakles oder des Vaters von Atmetos, Pheres. Alkestis, die nunmehr Alceste heißt, hat eine viel zentralere Rolle als in der Fassung von Euripides, die die Sinnhaftigkeit des menschlichen Daseins aber auch in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang darstellt. Sie ist die Frau wie sie sich die antiken Griechen vorstellten. Homer zeichnete mit Odysseus und Penelope vierhundert Jahre vorher eine idealtypische Ehe der damaligen Zeit, dem sich Euripides mit seiner Alkestis anschloss.

Johan Simons erweitert nochmals den Kontext indem er symbolisch den europäischen Gedanken, aber auch den Zustand der europäischen Idee, mit einfließen lässt. Fast wäre man geneigt  die Inszenierung als überzogen symbolisch abzutun, zu viel Europa, zu viel Aufklärung und zu wenig griechische Tragödie. Es ist jedoch der Opfergedanke der einen in den Bann schlägt, nicht der banale Opfergedanke, nein, das Opfer für etwas Großes, welches den der das Opfer erbringt zum Helden aufsteigen lässt.

[Hier einige Szenen aus der Premiere „ALCESTE“ – alle Fotos: (c) Linde Arndt]
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Die Aufführung-Inhalt

Atmetos liegt im Sterben. Vor den Toren des Reiches warten die Feinde des Landes auf den Tod des Königs. Das Volk liegt apathisch und gleichgültig in voraus schauender Trauer am Boden, und hat sich schon mit dem zukünftigen Los abgefunden. Alceste erscheint mit den beiden Kindern, total verstört, was ist wenn ihr Mann den sie so liebt sie für immer verlässt? Ein Ausweg bleibt noch, die Götter sollen um Gnade angegangen werden, und, man will ihnen ein Opfer bringen.

Und dann die Botschaft der Götter.

Die Götter wollen nur dann Gnade walten lassen, wenn sich statt des Königs jemand findet, um dessen Tod zu erleiden. Bei allen Beteiligten bricht Entsetzen aus, selbst Alceste weiß nicht wie sie mit dieser Botschaft umgehen soll.

[caption id=“attachment_61130″ align=“alignleft“ width=“258″]Birgitte Christensen (Sopran) als Alceste Foto: (c) Linde Arndt Birgitte Christensen (Sopran) als Alceste Foto: (c) Linde Arndt[/caption]

Langsam bricht es aus Alceste heraus, sie spürt einen Ruf nach ihr, ihr der Retterin. Sie zögert und ist voller Zweifel, kämpft mit sich und findet zu einer Entscheidung: so will sie den Tod anstelle ihres geliebten Gatten wählen. Er soll leben! Kein anderer soll für dieses Opfer einstehen, Alceste sieht die Verantwortung bei sich und bei keinem Anderen. Denn was ist ihre Liebe zu ihrem Mann wert, wenn jeder diesen Platz einnehmen könnte? Alceste ist sich ihrer herausragenden Stellung als Königin bewusst; sie ist sich aber auch ihrer Liebe zu Atmetos bewusst. Sie entscheidet sich ganz bewusst für den Mann Atmetos nicht für den König Atmetos. Und weil sie diese Entscheidung so trifft, steht sie gleichberechtigt und emanzipiert neben ihrem Mann.

Als die Götter sie holen wollen, erbittet sie einen Aufschub um sich von ihren Lieben zu verabschieden.

Atmeto ist gerettet, alle freuen sich, erfährt von dem Opfer eines anderen und will denjenigen kennenlernen um ihm seine Dankbarkeit zu zeigen. Als Alceste erscheint zeigt er Alceste seine Freude über seine spontane Genesung. Die Kraft weiter zu leben verdankt er ihrer Liebe. Da erfährt er von ihrem Opfer.

Atmeto ist nun in einem Bad von widersprüchlichen Gefühlen, Trauer, Depressionen und Wut reißen ihn hin und her, ohne Alceste will er nicht leben. Er will selber sterben und mit Alceste verbunden sein.

Die Götter warten nicht, sie holen Alceste und bringen sie in den Hades. Atmeto, seiner Liebe beraubt, findet sich alleine und zurück gelassen. Sein Schmerz dauert die Götter so sehr, dass sie ein Erbarmen mit den Liebenden haben. Apollon führt die Liebenden wieder zusammen.

 

Die Aufführung-Haus Europa

In soweit kann man Europa im momentanen Zustand analog erkennen. Führungs- und ideenlos ohne Mut sich den Aufgaben zu stellen. Wer tritt für Europa, den europäischen Gedanken ein? Die Fliehkräfte sind sehr groß, wie lange hält die Statik des Hauses Europa noch? In diesem Zustand wird ein Retter gesucht, der Verantwortung übernimmt. Die Liebe zu Europa ist einer Gleichgültigkeit gewichen. Ist das Urteil schon gefällt? Alceste steht für etwas ein was vielen nicht bewusst ist – die Liebe als abstrakter Wert. Als Alceste sich entscheidet, ziehen alle mit, sie opfert sich oder sie verzichtet um für alle  den europäischen Gedanken zu erhalten. Opfer heißt aber auch auf etwas zu verzichten, für den europäischen Gedanken und das Haus Europa, auf einen Grad der Eigenständigkeit der Nation.

Gluck hat bewusst Herakles und Pheres aus dem Spiel gelassen, denn beide sind nicht geeignet den Opfergedanken in die Zeit der Aufklärung zu transportieren und sind deshalb für den europäischen Gedanken ungeeignet.

Johan Simons, selber Europäer, lässt die Hoffnung nicht sterben und zeigt der Liebe zu Europa einen Weg – mutiger Einsatz um das Ganze zu erhalten. Denn der Verlust oder der Tod wäre vorprogrammiert wenn man sich in sein Schicksal ergibt.

 

Die Aufführung – Kritik

 Das Belgische Barockorchester B’Rock, Gent Foto: (c) Linde Arndt

Das Belgische Barockorchester B’Rock, Gent Foto: (c) Linde Arndt

Unter der Leitung von René Jacobs hörten wir das Belgische Barockorchester B’Rock, Gent als außerordentlich lebendiges Orchester das in der Jahrhunderthalle in Bochum, mit seinen noch vorhandenen Industrieaufbauten, ein wunderbares Klangerlebnis ertönen lies. Es war ein konzentriertes Zusammenspiel zwischen dem wunderbaren Chor MusicAeterna aus Perm und den herausragenden Solisten.

Birgitte Christensen (Sopran) spielte eine liebende Alceste die glaubhafter nicht sein konnte und machte aus dieser Alceste eine menschliche Heldin. Georg Nigl (Bariton) war ein leidenschaftlicher Gott Apollon aber auch ein erhabener Todesgott Thanatos , der mit aller Strenge das Recht einforderte. Thomas Walker (Tenor) interpretierte den Atmeto bravourös als tragische Gestalt mit all seiner Verlorenheit.

Kristina Hammarström (Mezzosopran) als Ismene war ein treusorgendes und rühriges Kindermädchen.

Die Kinder Aspasias (Alicia Amo) und Eumelo (Joshua Kranefeld) brillierten mit ihrer Unschuld und zeigten in der Schlussszene mit ihrem Tanz die Erfüllung einer Hoffnung die wahr wurde oder werden kann.

 

Die Aufführung – Technik

Es gehört schon viel Professionalität in einer „Kathedrale“ der Industrie zu spielen. Kirill Petrenko der designierter Chefdirigent der Berliner Philharmoniker hatte mit  Wagners „Tristan und Isolde“ und der Akustik seine liebe Not. Wobei er die Bühne nicht so weit auseinanderzog. Bei Alceste war die Bühne sehr weit und das ging nur auf Kosten der akustischen Qualität. Es ist sicherlich dem Budget geschuldet, wenn man dazu noch die Anordnung der Publikumsränge betrachtete.

Die Kostüme (Greta Goires) waren einesteils klassisch und andererseits modern, der griechischen Tragödie und der modernen heutigen Zeit verpflichtet – aber gelungen. Die griechischen Tragödien sind eben zeitlos, Alceste und Atmeto könnten auch heute in einem konservativen Umfeld ohne Probleme leben.

Dekoration und Bühne waren sehr abstrakt und „sparsam“ teilweise orientierte sich die Aufführung an den Aufbauten der ehemaligen Produktions- und Ausstellungshalle.

 

Trotz allem muss man allerdings sagen, es war eine wunderbare Aufführung die nachdenklich machte. Denn ein Opfer ist nicht unbedingt mit einem Menschenleben gleichzusetzen. Auch der Verzicht auf nationale Egoismen kann schon ein Opfer darstellen, tja, Liebe kann Häuser zum Einsturz bringen, aber sie kann auch Häuser erhalten.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Bochum


 

Wir wollen die Wirklichkeit mitspielen lassen

J. Simons  Foto: © Linde Arndt

J. Simons Foto: © Linde Arndt

[jpg] Es ist ein ungemütlicher Tag in Duisburg auf dem Weg zur Gebläsehalle. Es nieselt und ist nasskalt als wir den Landschaftspark mit der eindrucksvollen Industriekulisse betreten. Heute soll offiziell der neue Intendant für 2015-2017 vorgestellt werden. Seit Mai war diese Personalie schon bekannt. Es soll der derzeitige Leiter der Münchner Kammerspiele werden, eines der bedeutendsten deutschen Sprechtheater, welches sich immer wieder mit der Gegenwart auseinander setzt – und das seit 100 Jahren. Sie ahnen es, es ist der Niederländer Johan Simons, dem das Ruhrgebiet nach eigenen Angaben ein besonderes Anliegen ist.

Es ist der „Pott“, Kommissionspräsident Barroso nannte das Ruhrgebiet den „melting pot“, der alles hervorbringt aber auch alles einsaugt. Er reagiert und reflektiert, er ist Armenhaus, birgt aber auch  einen Reichtum, den sich manche Region wünscht. Hochkultur und Straßenkultur gehen friedlich ineinander über. Nirgends gibt es mehr Spielstätten mit alten stillgelegten Fabrikbauten der schon längst vergangenen Industriewirtschaft.

Johan Simons liebt diese Gegend, sind es doch die außergewöhnlichen Orte die Johan Simons und Paul Koek als Innovations-Theater, Theater Hollandia, berühmt gemacht hatten. Das Theater Hollandia spielte damals in Ställen, auf Schrottplätzen oder unter Brücken. Unabhängigkeit und Autonomie sollten die Kunst befördern aber auch die Freiheit der Kunst sichtbar machen. Nicht die große Masse, der Mainstream, sollte bestimmen, der freie Geist sollte der Kunst die Wege weisen.

 

Am Panel v.l.:

v.l.:Stephanie Paeleke-Kuhlmann (Pressesprecherin der Ministerin) / NRW Ministerin Ute Schäfer (Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport) / Karola Geiß-Netthöfel ( Regionaldirektorin RVR) / Prof. Heiner Goebbels (amtierende Intendant der Ruhrtriennale) / Johan Simons (zukünftiger Intendant Ruhrtriennale 2015-2017) / Foto: © Linde Arndt

Es war ein lockerer Pressetermin der von der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Ute Schäfer, als Aufsichtsratsvorsitzende der Ruhrtriennale organisiert worden war. Ihre charmante Pressesprecherin Stephanie Paeleke-Kuhlmann moderierte souverän das Treffen. Der amtierende Intendant der Ruhrtriennale, Prof. Heiner Goebbels und die Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR) Karola Geiß-Netthöfel wussten aus ihrer Sicht den Wechsel 2015 positiv zu kommentieren.

So ist dies ein normaler wiederholter Wechsel in der Intendanz, der seit Gründung 2002 durch Gerard Mortier nach jedem 3 jährigen Zyklus stattfindet. War der rote Faden bei Professor Willy Decker die Religion, so gestaltete und gestaltet Professor Heiner Goebbels seine Intendanzzeit ohne thematischen Faden. Schwerpunkte waren bis jetzt die Vorstellung von außergewöhnlichen Komponisten wie John Cage oder Harry Partch, beide Avantgardisten der Musiktheorie.

Und jetzt Johan Simons wieder mit einem rotem Faden, er wird die Beziehungen oder Abhängigkeiten zwischen Mensch, Gesellschaft, Staat und den Institutionen in den Vordergrund stellen – also das Soziale. Betrachtungsmaterial findet er im Ruhrgebiet en masse. So versteht er seine Intendanz spartenübergreifend, in welcher Oper, Sprechtheater und Ballett gleichberechtigt nebeneinander stehen. Konkrete Angaben wollte Johan Simons jedoch noch nicht preisgeben. Aus seinen Arbeiten für die Ruhrtriennale konnte man aber schon erkennen, welchen Weg er ab 2015 einschlagen wird. Abgesehen davon, dass seine Äußerungen eine eindeutige Richtung erkennen lassen. So ist besonders das 2002 inszenierte Stück „Fall der Götter“ nach Luchino Visconti mit der Theatergruppe ZT Hollandia als herausragend hervorzuheben und richtungsweisend.

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Bitter stießen bei der Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR) Karola Geiß-Netthöfel die in letzter Zeit aufkommenden Kommentare zum Ruhrgebiet auf, in denen das Ruhrgebiet als Armenhaus dargestellt wurde. Sie verwies auf den ungeheuren Wandel des Ruhrgebietes, weg von Kohle und Stahl und hin zu mehr Dienstleistungen und eines international anerkannten Kunstbetriebes mit anerkannten Einrichtungen wie der Ruhrtriennale. Man müsse mal auf die Parkplätze gehen, wo Autokennzeichen aus der gesamten europäischen Union zu den Aufführungen zu sehen sind. Recht hat sie.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Duisburg (18.11.2013)