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40.000 Flüchtlinge zu 500 Millionen Europäern, geht das klar?

Syrische kurdische Flüchtlinge auf dem Weg in die Türkei   Foto: © UNHCR / I. Prickett

Syrische kurdische Flüchtlinge auf dem Weg in die Türkei Foto: © UNHCR / I. Prickett

 [jpg] Parlamentspräsident Martin Schulz besuchte neulich eine Grenzstadt in der Türkei. Rund 100.000 Einwohner hatte diese Grenzstadt aufzuweisen, nur, diese türkische Grenzstadt hatte 125.000 Flüchtlinge aufgenommen.

Seit zwei Wochen wird das Flüchtlingsproblem zerredet. Die Schlepper sollen bekämpft werden und ihre Boote vom Militär zerstört werden. Allerdings könnten die Boote noch Flüchtlinge auf dem Schiffsboden haben, also lieber nicht. In Libyen will man ein Lager aufbauen, mit Antragsstelle für Asyl. Doch halt, Libyen hat kein funktionierendes Staatswesen mehr – Bürgerkrieg halt. Nordafrika ist eben ein unsicheres Pflaster. Libanon und Jordanien haben zusammen 10,9 Millionen Einwohner und gehören zu den armen Ländern, sie nehmen zusammen 3 Millionen Flüchtlinge auf. Drei Millionen Flüchtlinge!

Und Europa? Nach dem Auslaufen der italienischen Rettungs-Operation „Mare Nostrum“, mussten erst einmal 700 Menschen ihr Leben durch ertrinken lassen, ehe die EU reagierte. Frontex, die Grenzer der EU, wurden ins Mittelmeer geschickt, die allerdings die Flüchtlinge abwehren sollten und nur den, dem internationalen Seerecht zutreffenden Schiffsnotstand, Schiffbrüchigen zur Hilfe eilen sollten. Und wieder fanden Schiffsbrüchige den nassen Tod, die EU reagierte und schickte nun mehrere Kriegsschiffe die sich an der Rettungsaktion beteiligen sollten. Hunderttausende sind inzwischen seit 2013 an den Küsten der EU an Land gebracht worden. Die Lager in Griechenland und in Italien sind überfüllt, die Flüchtlinge haben sich auf den Weg in den Norden gemacht. Kein Mensch kümmert sich darum oder hält sie auf. Dublin sah was anderes vor. Auf der Straße, auf Bahnhöfeb und in Elendsquartieren überall übernachten sie, auf dem Weg nach Norden. Und der Strom der Flüchtlinge reißt nicht ab. Und wieder reagierte die EU. 40.000 Flüchtlinge (plus 20.000) sollen nach einem Schlüssel auf ganz Europa verteilt werden. Nur 16 von 28 der EU Staaten wollen keine Flüchtlinge zugeteilt bekommen. Brüssel ist anscheinend nicht in der Lage ein derartiges Problem zu lösen. Sonntagsreden ja, aber Probleme beherzt anpacken und lösen? Eher nicht.

Gott sei Dank überlagert das Griechenland Problem alle andere Probleme. Es ist etwas ruhiger um das Flüchtlingsproblem geworden, dadurch das die Griechen ein Plebiszit angekündigt haben. Brüsseler Kalkül?

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Menschen fliehen vor Krieg und Elend über internationale Grenzen Photo: © UNHCR / A. Harper

So können wir uns der Ursachenrecherche widmen, warum die Menschen des Balkans oder aus Afrika sich nach Europa auf den Weg machen.

Hal Far/Malta, Amygdaleza|Lesbos/Griechenland, Lampedusa|Palermo|Messina/Italien, das sind nur sechs Camps innerhalb der EU in denen tausende von Flüchtlinge unter unwürdigen und unmenschlichen Bedingungen „hausen“ müssen. Die UNO mit der Flüchtlingsorganisation UNHCR hat die EU ermahnt ihren Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Einhaltung, der auch von der EU unterzeichneten „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ nach zu kommen.

UNHCR-Sondergesandte Angelina Jolie spricht mit syrischen Flüchtlingen in Domiz Camp, das rund 50.000 Menschen beherbergt.  Foto: © UNHCR / A. McConnell

UNHCR-Sondergesandte Angelina Jolie spricht mit syrischen Flüchtlingen in Domiz Camp, das rund 50.000 Menschen beherbergt. Foto: © UNHCR / A. McConnell

Die Sonderbotschafterin für das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) Angelina Jolie rief im Uno-Sicherheitsrat die internationale Gemeinschaft zum besseren Schutz von Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsland Syrien auf. „Es ist abscheulich zu sehen, wie Tausende Flüchtlinge vor der Haustür des reichsten Kontinents der Welt ertrinken“

Seit 2013 brennt das Flüchtlingsproblem der EU auf den Nägeln. Eine grundsätzlich Regelung dieses Problems ist noch nicht einmal im Ansatz in Sicht. Wie selbstverständlich werden die Leistungen der Südländer der EU in Anspruch genommen. Bei Griechenland, das tausende Flüchtlinge aufgenommen hat, klingt es sogar zynisch, wenn Brüssel den Rotstift im sozialen Bereich ansetzen will, Griechenland aber die Flüchtlinge nach den Dublin Verträgen versorgen muss.

In der Zwischenzeit hat sich noch eine weitere Flüchtlingsroute aufgetan, die Bulgarien und Ungarn tangieren. Deutschland, Belgien, Holland oder Frankreich zucken mit den Schultern, denn sie haben ja keine Probleme und verweisen auf die Südländer. Solidarität einer Wertegemeinschaft sieht anders aus.

Wieso machen die Flüchtlinge sich jetzt auf einmal vermehrt auf den Weg? Und warum nach Europa?

Der Balkan

  • Dem Zusammenbruch der Sowjetunion, folgte der Zusammenbruch des ehemaligen Jugoslawien. Was folgte waren blutige Kriege. Das Land zerfiel in mehrere Einzelstaaten, die Wirtschaft brach ein und eine hohe Arbeitslosigkeit konnte man registrieren. An der Neuordnung der Staaten war maßgeblich die EU beteiligt, wobei die europäischen Staaten auch militärisch unter dem Schild der Nato eingriffen. Wir erinnern uns an die hunderten von Jagdbomber, die ihre zerstörerische Last über dem ehemaligen Jugoslawien abwarfen. Viele der Staaten des ehemaligen Jugoslawien sind heute nicht überlebensfähig und besitzen keine Zukunftsperspektiven, weil die wirtschaftliche Infrastruktur und deren Basis fehlt oder zerstört wurde. Aufgrund der fehlenden Zukunftsperspektiven fliehen viele der Menschen, überwiegend aus dem Kosovo und Bosnien-Herzegowina,  in den EU Raum. Da aber die Staaten des ehemaligen Jugoslawien als „sichere Herkunftsländer“ eingestuft wurden, werden alle Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer zurück geschickt. Da gibt es Kroaten, Serben, Slowenier, Montenegriner, Mazedonier, Albaner, Kosovaren und Menschen aus Bosnien-Herzegowina in Deutschland die inzwischen schon in Deutschland eingebürgert wurden.Fakt ist jedoch, Deutschland und die EU haben aufgrund der Vorgehensweise im damaligen Jugoslawien Krieg eine Verantwortung übernommen, die mit dem Abzug der Jagdbomber nicht aufhörte. Europa hatte 1991 damit zum ersten mal versucht eine ernstzunehmende Rolle zu spielen, was in einem Fiasko endete. Die jetzigen Flüchtlinge sind eine Spätfolge des damaligen Eingreifens der EG (Heute EU); denn bis heute haben diese Staaten nicht wieder Tritt gefasst. Kroatien ist zwar EU Mitglied, tatsächlich gehört es jedoch zu den „Zwergen“ der EU. Die restlichen Beitrittskandidaten des ehemaligen Jugoslawiens, müssen wohl erst einmal warten da die EU-Kommission eine Konsolidierungsrunde einlegt. Trotz allem oder gerade weil es so ist, werden wir weiter mit Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien rechnen müssen.
  • Das nächste Problem ergibt sich aus dem weit zurückliegenden Kolonialismus in Afrika. Die europäischen Staaten und die USA hatten sich in Afrika das geholt was sie brauchten. Die USA ihre Sklaven und die Europäer die Rohstoffe. Die Afrikaner wurden wie Leibeigene behandelt und waren rechtlos, sie waren ja Untermenschen für die westliche Welt. Als im Zuge der afrikanischen Aufstände eine Kolonialmacht nach der anderen die afrikanischen Staaten in die Unabhängigkeit entließen, ließen die Europäer eines zurück – europäisches Chaos. Das einzig positive was man den Europäern anrechnen konnte, war das eingeführte Bildungssystem und rudimentäre Teile eines Gesundheitssystems. Es gab zwar ein europäisch ausgerichtetes Wirtschafts- und Finanzsystem, womit die Afrikaner jedoch nichts (noch nichts) anfangen konnten. Schnell stellten die ehemaligen afrikanischen Kolonien fest, dass ihre Abhängigkeiten zu ihren ehemaligen Kolonialmächten noch Bestand hatte. Das Postkoloniale Zeitalter brach an und der Neokolonialismus tat sein übriges um die alten Abhängigkeiten in neuer Form wieder aufleben zu lassen. Nehmen wir zwei Beispiele:

Republik Kenia

Die Republik Kenia wurde 1963 von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen. Die wirtschaftlichen Infrastrukturen haben sich bis heute kaum verändert. Die Briten haben Tee, Kaffee und Blumen von den Einheimischen anpflanzen lassen. Touristik ist ein weiteres Wirtschaftsfeld mit 53% des BIP. Tatsächlich ist Kenia aber nicht in der Lage sich selber zu ernähren. Die fruchtbaren Böden sind alle für Tee, Kaffee oder Blumen in riesigen Monokulturen angebaut. Die restlichen Böden taugen nur bedingt zum Anbau von Nahrungsmitteln. Die Einfuhren übersteigen die Ausfuhren und die angebauten landwirtschaftlichen Erzeugnisse können nicht zu Ernährung der Bevölkerung herangezogen werden. Nennenswerte Industrie ist nicht zu registrieren. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund 40% und das seit Jahren.

Dies führt dazu, dass die Jugendlichen oder jungen Erwachsenen keine Lebens-Perspektiven haben und sich auf den Weg machen. In Europa werden sie dann als Wirtschaftsflüchtlinge wieder nach Afrika abgeschoben. Ach ja, und noch eines. Die Touristik bringt eine hohe HIV/Aids Quote < 6,9% und damit eine Absenkung der durchschnittlichen Lebenserwartung auf < 59,8 Jahre. (Alle Zahlen CIA World Fact Book )

Elfenbeinküste (Republik Côte d’Ivoire)

Die Elfenbeinküste wurde 1960 von Frankreich in die Unabhängigkeit entlassen. Auch hier haben sich die wirtschaftlichen Strukturen nicht und nur unzureichend verändert. Hier werden Kakaobohnen, Kaffee oder auch Palmöl angebaut. < 25 % der Menschen leben von der Landwirtschaft. Daneben gibt es noch einen kaum nennenswerten Industriebereich. Und neuerdings die Erdölproduktion die Geld in die Kassen der Eliten spült. Trotz allem gehört die Elfenbeinküste zu den hochverschuldeten Ländern, auch nachdem 2008 ein Schuldenschnitt gemacht wurde.

Vergleicht man die Wirtschaftsstrukturen des Jahre 1960 mit denen des Jahres 2013 sind kaum Veränderungen in der Entwicklung festzustellen. Dazu hatte die Elfenbeinküste mehrere Bürgerkriege zu überstehen, die die Entwicklung des Landes zurück warf.

Demokratische Republik Kongo

Der Kongo wurde 1960 von Belgien in die Unabhängigkeit entlassen. In der Folge wurde das Land von unzähligen Kriegen zerrissen und ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen.
Wirtschaftlich besitzt der Kongo ungeahnte Mengen an Rohstoffe, wie Diamanten, Gold, Kupfer, Blei oder Zinn sowie Holz und Kaffee aber auch weitere landwirtschaftliche Produkte. Und was noch wichtiger erscheint ist die Coltan Produktion. Coltan aus dem Niob und Tantal gewonnen wird ist für die Produktion von Elektrogräten von großer Bedeutung.

Aber auch hier muss man feststellen, der Kongo kann seine Bevölkerung nicht ernähren; denn es reicht nicht Landwirtschaft zu betreiben, vielmehr müssen die Erzeugnisse einen Preis haben den die Bevölkerung auch entrichten kann.

Flüchtlinge, die vor der Zentralafrikanischen Republik vor Jahren flohen pflügen ein kleines Stück Land, das verwendet wird, um neu angekommene Flüchtlinge zu ernähren  Foto:  © UNHCR / C. Fohlen / Mai 2014

Flüchtlinge, die vor der Zentralafrikanischen Republik vor Jahren flohen pflügen ein kleines Stück Land, das verwendet wird, um neu angekommene Flüchtlinge zu ernähren Foto: © UNHCR / C. Fohlen / Mai 2014

Ich gebe zu, ich habe die Übersicht über die drei Länder verkürzt dargestellt, es geht aber um den Sachverhalt, warum Menschen aus vermeintlich sicheren Staaten keine Perspektiven mehr sehen und sich tausende Kilometer unter unsäglichen Bedingungen auf den Weg machen. Viele dieser Flüchtlinge landen in Containern in meinetwegen Jordanien, viele in Zelten in der Türkei oder landen unter Pappkartons auf den Klippen am Rande des Hafens von Calais.

Zurück zu dem Skandal, der ein Skandal der Europäer gegenüber den Ländern ist wo die Flüchtlinge herkommen.

Alle Balkan- oder afrikanische-Staaten bekommen gebetsmühlenartig mitgeteilt, kommt ihr zum Westen werdet ihr „blühende Landschaften“ erhalten. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt nur „blühende Landschaften“ für die korrupten Eliten. Die Eliten in Afrika wohnen in schwer befestigten Stadtteilen mit bewaffneten Sicherheitskräften. In der Regel sind die Eliten korrupt, werden von Transparency International im Ranking auf den hinteren Plätzen geführt. Die Balkanländer sind zwar nicht so korrupt, jedoch funktioniert auch hier der Staat nicht.

Das zweite Problem ist die Bildung. Die Bildungseinrichtungen sind meistens nicht kostenfrei. Nur zahlen, können nur die Eliten. Folge: Analphabetismus.

2.000 Milliarden Dollar oder 2 Billionen Dollar sind in den letzten 50 Jahren von den reichen Ländern in den armen Süden an Hilfsgeldern geflossen. Und was ist passiert? Wirtschaftliche Entwicklung oder ein irgendwie gearteter Wirtschaftsaufschwung? Fehlanzeige. Das Bildungssystem oder das Gesundheitssystem beide Systeme wurden nicht weiterentwickelt. Das Geld wurde nur dazu verwendet um die bestehenden Strukturen zu erhalten, die uns unsere Rohstoffe oder landwirtschaftlichen Erzeugnisse garantieren. Und was auch wichtig ist, die Absatzmärkte sollen erhalten bleiben oder bereitet werden, um den westlichen Produkten den Boden zu bereiten. 50,– Dollar/Monat verdient ein Landarbeiter, trotzdem hat er mit seinen Produkten keine Chance gegen die subventionierten Produkte der EU anzukommen.

Die Alimentierung der Völker führt nur bedingt zu einer Ruhigstellung der Länder. Denn, ob Europäer, Asiaten oder Afrikaner, alle wollen eine bessere Perspektive. Und nach über 50 Jahren haben die Völker es einigermaßen kapiert, es gibt keine Perspektive für sie. Die einzige Perspektive ist das Leben in den Slums der Großstädte, teilweise ohne Wasser und unter hygienischen Verhältnissen die für uns Europäer unvorstellbar sind. In den Dörfern Afrikas kann es keine Entwicklung geben, weil das Land Großgrundbesitzern gehört. So werden Nahrungsmittel aus  Europa oder den USA ins Land gebracht um den Menschen den Tagesbedarf an Nahrung zu ermöglichen. Das der fruchtbare Boden nebenan für Tee, Kaffee oder Kakao verwendet wird oder nicht bewirtschaftet wird, wird da übersehen.

Der dritte Grund sind die ewigen Kriege die geführt werden. Kinder werden nachts aus den Dörfern entführt und zu Soldaten ausgebildet, andere Dörfer werden überfallen, die Frauen misshandelt um sie aus dieser Gegend zu vertreiben, weil dort Rohstoffe vermutet werden.

Um es kurz zu machen, die Länder die im Würgegriff des Westens sind, können sich nicht entwickeln, der Kolonialismus war nie weg gewesen.

Die Folge ist eine riesige Völkerwanderung von sage und schreibe 60 Millionen Menschen, die nichts aber auch gar nichts zu verlieren haben. 20 Millionen leben in Flüchtlingscamps, sei es in Containern oder Zelten und werden von der UNHCR versorgt. Jedes Jahr läuft die UNHCR den Staaten hinterher, weil das Geld auszugehen droht. Trotz allem verhungern jedes Jahr Menschen die auf der Flucht sind. Mütter mit ihren Kleinkindern liegen im Straßengraben vollkommen ausgezehrt, weil sie es nicht geschafft haben ein Flüchtlingscamp zu erreichen.

Viele sehen den Weg nach Europa als Ausweg für sich und ihre Angehörigen, es sind die stärksten die es geschafft haben, die schwächeren mussten zurückbleiben oder sind verhungert, verdurstet.

Sie nehmen jede Chance wahr, um sich aus dieser Misere zu befreien.

Boat-People auf einem überfüllten Boot. Photo: © UNHCR

Boat-People auf einem überfüllten Boot. Photo: © UNHCR

Sie kommen seit 2012 mit Booten verschiedenster Art, die überladen sind, über das Mittelmeer. In dieser Zeitspanne haben schon 15.000 Menschen ihr Leben gelassen. Im Mittelmeer ertrunken, begraben ohne Namen, Maltas Premierminister Joseph Muscat nannte in Brüssel das Mittelmeer den Friedhof Europas. In der Zwischenzeit gibt es mehrere Routen über die Europa erreicht werden kann.

Da geht Brüssel her, und verhandelt über 60.000 Flüchtlinge die unter den EU Staaten verteilt werden sollen. Da werden Kriegsschiffe ins Mittelmeer geschickt um Schlepperboote zu zerstören.

Außenbeauftragte Federica Mogherini  Photo:  ©  Linde Arndt

Außenbeauftragte Federica Mogherini Photo: © Linde Arndt

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos erklärte den Schleppern den Krieg und die Außenbeauftragte Federica Mogherini erarbeitet ein neues Konzept, welches nun humanere Züge trägt. Das eigentliche Problem, die Ursache dieser „Völkerwanderung“, wird jedoch ausgesessen.

Viele Ökonomen fordern ein Ende der derzeit gescheiterten Entwicklungspolitik des Westens. Umdenken ist angesagt. Die Afrikaner sind keine „kleine Kinder“ die strahlend ein gebrauchtes Smartphone zeigen und glücklich mit dem Erreichten sind. Sie wollen gefordert und ernst genommen werden nicht alimentiert werden, ein Sack Hirse und der Monat ist gerettet? Sie wollen ihr Land bewirtschaften, dafür bedarf es aber einer Landverteilung. Die europäischen Großgrundbesitzer weg und Kleinbauern ran. Und sie brauchen keine hochsubventionierten Produkte der EU die die afrikanischen Märkte kaputt machen.

Europa ist der reichste Kontinent, reich nicht nur im monetären Sinn, sondern Europa hat Köpfe die weit schwierigere Probleme gelöst haben und lösen könnten. Und diesen Köpfen gelingt es nur 60.000 Flüchtlinge unter 500 Millionen Europäern zu verteilen? Was für ein Armutszeugnis. Als Europa 1945 zwei bestialische Kriege hinter sich hatte, halb Europa in Schutt und Asche lag, machten sich Millionen von Menschen auf den Weg um neue Perspektiven zu suchen und fanden sie bei den Nachbarn. Während der Kriege nahmen viele Staaten europäische Flüchtlinge auf, auch hier wieder waren es Millionen. Und heute sind wir nur für 60.000 Flüchtlinge gut?

Die Länder des Balkans und die afrikanischen Länder sind in diese Situation gekommen, weil der Westen und damit auch Europa den Kopf in den Sand gesteckt hat. Europa sollte Verantwortung übernehmen und sich mehr einfallen lassen, als eine Verteilung von 60.000 Flüchtlingen die ja doch nur als eine Alibiveranstaltung gedacht ist.

Jean-Claude Juncker  Photo:  ©  Linde Arndt

Jean-Claude Juncker Photo: © Linde Arndt

Europa hat großes Glück; denn mit der Griechenlandkrise ist das Flüchtlingsproblem winzig klein geworden, wen interessieren schon die paar Ertrunkenen im Mittelmeer. Ich denke die Berliner Regierung und die Brüsseler Administration würden gerne über die Wochen die Griechenlandkrise in den Schlagzeilen der Mainstreammedien oder Hofberichterstatter sehen. Alexis Tsipras als Dämon Europas, verdrängt jede andere Schlagzeile, auch tausende ertrunkene Flüchtlinge.

Unsere Verteidigungsministerin Ursula Gertrud von der Leyen macht einen lustigen werbewirksamen PR Besuch bei den deutschen Kriegsschiffen die just ein paar Flüchtlinge aufgefischt haben. Damit ist das Problem für unsere Regierung erledigt? Und unser Innenminister Karl Ernst Thomas de Maizière hat das Bleiberecht etwas geschmeidiger gemacht, jetzt können (Kriminelle) Flüchtlinge schneller abgeschoben werden oder in Abschiebehaft genommen werden. Schön das wir noch andere Probleme haben, als diese Flüchtlinge.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel




Sind die viel beschworenen Werte der EU nur reine Rhetorik?

Premier Alexis Tsipras  Foto: (c) Linde Arndt

Premier Alexis Tsipras Foto: (c) Linde Arndt

 

[jpg] Fassungslos und atemlos schaut man dem Treiben der Verhandlungspartner EU, EZB und IWF auf der einen Seite und Griechenland auf der anderen Seite zu. Nicht nur, dass es nur tröpfchenweise Informationen von den Beiden gibt, die einen jedoch ins Reich der Spekulation vertreiben. Sondern immer mal wieder werden von einem auf den anderen Tag neue Gipfel produziert. Und was kommt heraus? Der eine liefert nichts und der andere hat keine Entscheidungsgrundlage für eine Entscheidung. In den vergangenen 4 Monaten wurde der neuen Regierung unter Alexis Tsypris alles angelastet, was die vergangenen Regierungen sowie IWF, EZB und EU-Kommission alles falsch gemacht haben. Da ist ein unerträglicher Druck auf den Kessel gemacht worden, womit ein konstruktives Arbeiten kaum möglich ist. Der Termin 30. Juni 2015 steht unverrückbar, an dem Griechenland 1,2 Mrd. Euro an den IWF zurückzahlen muss aber auch das zweite Hilfspaket der EU in Höhe von 7,2 Mrd. Euro verfällt. Es kommt einem wie das bekannte Armdrücken in bayrischen Landen vor. Lautes Gejohle bricht aus, wenn Griechenland mal wieder Reformpapiere den Gläubigern zur Verfügung gestellt hat und diese nicht den Vorstellungen der Verhandlungspartner entspricht. Immer mal wieder wird von allen Seiten von dem Grexit, dem Ausstieg der Griechen aus dem Euro, gesprochen. Keiner spricht davon, dass dieser Grexit so nicht möglich ist, bestenfalls könnten die Griechen die gesamte EU verlassen. Ob die Griechen aber wieder rein kommen, kann getrost bezweifelt werden.

Um mal eine Zahl zu nennen die jeden erschrecken muss. 40% der Griechen sind nicht mehr im Gesundheitssystem, sprich, sie konnten ihre Krankenkassenbeiträge nicht mehr bezahlen. Es sind die Alten, chronisch Kranken, alleinerziehenden Mütter mit Kindern oder Obdachlose. Diese Personengruppe kommt nicht mehr an Medikamente, einen Arzt oder einen Krankenhausplatz heran – kein Geld. So müssen Kranke unter Schmerzen sterben, weil es für sie keine Medikamente gibt, hier kommt noch nicht einmal ein Arzt. Und ihnen wird der Vorwurf gemacht sie würden noch zu viel bekommen? Meint die EU, es wird zu viel aus der Suppenküche ausgeschenkt? Wie kann man nur dies Elend der Griechen komplett ausblenden? Wie kann man sich nur auf die Volkswirtschaftlichen Kennzahlen konzentrieren, wenn nebenan ein Krebskranker unbehandelt stirbt. Das ist jetzt keine Zuspitzung, das ist normal. Gab es Alternativen? Ja, nur man konzentrierte sich auf den Vertrag, den die Vorgängerregierung Samaras mit den drei Institutionen geschlossen hat. Demnach sollten die Zahlungen der Griechen durch Einsparungen im Sozialbereich ( Renten, Gesundheitssystem ) erwirtschaftet werden. Nur die Zahlen waren überhaupt nicht gut für die Griechen, der Vertrag der EU riss die Griechen immer weiter in den Abgrund. Für jede Regierung sind diese Zahlen ein Todesurteil – Syriza wäre also erledigt gewesen und mit dieser Partei Tsypras und Varoufakis. Abzusehen wäre, dass die Konservativen mit dem ehemaligen Premier Samaras wieder gewählt würden. Die Reihenfolge wäre auch jedem Politiker klar, erst die sozialen Unruhen, dann Neuwahlen bei der der Konservative Samaras als Retter auftreten würde. Am Ende stände vielleicht ein Schuldenabkommen. Das Ende wäre der Pariser Club der ein rechtsverbindliches Umschuldungsprogramm entwerfen würde. Die Folge, die Griechen kämen nie wieder auf die sogenannten Beine.

 

Wo ist das solidarische Handeln der EU? Wir reichen den Griechen die Hand zur Hilfe, heißt doch wohl nur, wir wollen unser Geld wieder haben. Mehr ist nicht drin? Seit 2010 werden den Griechen gegen Kredite Rezepte von der EU verschrieben, deren Prognosen in der Realität in den Abgrund weisen.

Griechenland hat keine nennenswerte industrielle Infrastruktur, Touristik, Obst und Gemüse, chemische Halbprodukte oder Bauxit in überschaubarer Menge, damit kann man keine Überschüsse erwirtschaften, zumal die griechische Wirtschaft nach den Rezepten der Troika eingebrochen ist. Und bei der Einführung der Drachme würden sämtliche Märkte in Griechenland zusammen brechen. Die notwendigen zu importierenden Vorprodukte könnten nicht mehr bezahlt werden, weil der Drachme nichts gegenüberstehen würde.

Ach dieses Szenario ist alles nur Gerede der Griechen und der Bedenkenträger, so die selbsternannten Experten.

Nur die Experten, allesamt Ökonomen, haben ja schon mal in Griechenland ohne Erfolg rum gepfuscht, wie so sollte das jetzt klappen? Die Schuld an den Fehlern, die schon gemacht wurden, lag natürlich bei den Griechen.

Wir sind eine Wertegemeinschaft, so das Mantra der EU. Hier könnte die EU einmal beweisen, dass sie nicht nur ein Zusammenschluss von Staaten ist, deren Waren frei gehandelt werden können.

Nur will sie das auch oder sind diese Werte nur reine Rhetorik?

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Brüssel.

Schuldig, schuldig, schuldig der fahrlässigen Tötung

[jpg] Als die EU zum ersten mal von dem Untergang der Flüchtlinge im Mittelmeer erfuhr, hätte sie direkt handeln müssen. Stattdessen bekam die Öffentlichkeit nur weich gespülte Sprachhülsen um die „Ohren“ geschlagen. Und das geht jetzt schon monatelang, inzwischen haben wir geschätzte 2.000 Tote im Mittelmeer gezählt. Und die EU? Sie hat ihre Frontex Operation Trident vor der italienischen Küste des Mittelmeers. Die Leitmedien hatten die Ukraine und Griechenland auf dem Radar. Da waren ein paar ertrunkene Afrikaner mehr oder weniger nicht so wichtig. Und dann kam am Sonntag, dem 19. April 2015 die Katastrophe mit 700 bis 900 ertrunkenen Afrikanern, die vor den Augen der Besatzung des Containerschiffes “King Jacob” ertranken. Über Twitter gingen die Bilder mit den Nachrichten um die ganze Welt. Der Papst und der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon meldeten sich zu Wort und erinnerten die EU an ihre Verantwortung. Und diesmal hielten die westlichen Leitmedien nicht still oder schrieben den Vorfall runter.

Die EU konnte sich jetzt nicht mehr wegducken um die Verantwortung auf andere abzuwälzen. Schnell rief der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk,  einen Sondergipfel der Regierungschefs zum 23. April 2015 nach Brüssel. Das war schnell, sehr schnell für eine Ratssitzung der Regierungschefs der EU. Nachher wird sich herausstellen, es war nur Aktionismus.

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(c) Guardia Costiera

 


Und der 23. April kam, ein Donnerstag, Bundeskanzlerin Angela Merkel traf um 14:00 Uhr ein und gab nach 7 Stunden um 21:20 Uhr ihre abschließende Pressekonferenz. Kein Wort der Trauer, so wie das eben bei den terroristischen Aktivitäten immer der Fall ist.  Immerhin gab es Tote und Verletzte und das in tausendfacher Höhe.

Die Entscheidungen der EU waren: Die Kosten der Frontex Mission „Triton“ sollen verdreifacht werden. Der Auftrag, den die Grenzschutztruppe der Frontex durch den Rat bekommen hatte, wird jedoch nicht geändert. Also weiterhin Grenzsicherung und nur im Wege des Internationalen Seerechts sollte Seenotrettung betrieben werden. Später setzt Ratspräsident Donald Tusk in seiner Pressekonferenz eins drauf, indem er anmerkte „Triton“ würde nur bei Aufforderung die Seenotrettung nach internationalem Recht betreiben. Deutsche und englische Kriegsschiffe werden im Mittelmeer kreuzen um der Grenzschutzmission hilfreich zur Seite zu stehen. Die italienische Mission „Mare Nostrum“ will man allerdings nicht mehr. Die aufgenommenen Flüchtlinge werden bei den Mittelmeer Küstenstaaten an Land verbracht, dort sollen sie gemäß den Dublin Verträgen „erkennungsdienstlich“ (Fingerabdrücke, Fotografien) behandelt um sodann in Lager verbracht zu werden, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist. Die Dublin Verträge sollen nicht geändert werden und die Anliegerstaaten des Mittelmeeres sollen keine Unterstützung für den Aufwand bekommen.

Schuldzuweisungen

Was folgte, ist eine mehr oder weniger offene Schuldzuweisung an die Schlepper, an die Heimatstaaten und an die Flüchtlinge selber. Authentisches Mitleid der EU konnte man getrost vergessen. Die EU hatte einen Scheck ausgestellt, hatte gegen alle Gruppen um die Flüchtlinge gedroht und gut war es. Im Juni 2015, zum 25. und 26., wird man das Thema nochmals behandeln. Angela Merkel: Am Geld soll es nicht liegen, bei Bedarf legen wir noch was drauf.

Peinlich und schlimm wurde es mit einem Satz des Ratspräsidenten Donald Tusk den dieser Eingangs der nachfolgenden Pressekonferenz von sich gab: „Europa hat diese Tragödie nicht verursacht“, so der Ratspräsident. Für viele der Kollegen war das eine Frechheit und Zynismus pur. Denn Europa hat diese Katastrophe verursacht. Hat der Ratspräsident die Kolonialzeit vergessen, die bis heute die afrikanischen Staaten belastet?

Neuere europäisch/afrikanische Geschichte

Lassen wir einmal ein bisschen die Geschichtsbücher des afrikanischen Kontinents aufschlagen um zu sehen wie es zu dieser Tragödie nur kommen konnte.

Es dürfte zur Allgemeinbildung eines jeden Europäers und US Amerikaners gehören, dass Afrika durch die europäischen Staaten und die USA wirtschaftlich ausgebeutet wurde und immer noch wird. Lassen wir den schwunghaften und gewinnbringenden Sklavenhandel einmal sein, der etwas zu weit zurück liegt. Und betrachten wir stellvertretend die Entwicklung von belgisch Kongo.

Als die belgische Regierung 1960 ihre ehemalige Kolonie Kongo ( Heute Demokratische Republik Kongo) in die Unabhängigkeit entließ, war diese Republik, trotz eines immensen Reichtums an Bodenschätzen, nicht oder kaum lebensfähig. Die Belgier hatten zwar gutes Geld mit Kupfer, Uran, Gold, Eisen und anderen Mineralien gemacht, hatten aber nichts in eine ordentliche Bildung, Staatswesen oder Gesundheitssystem investiert. Die Folge waren Unruhen als die Belgier abzogen. Ein junger Mann Mitte 30 trat mit einigen Mitstreitern auf die politische Bühne und verlangte einen Ausgleich von der belgischen Regierung. Patrice Émery Lumumba, so hieß der junge Mann, wurde nach der ersten demokratischen kongolesischen Wahl der erste Premierminister des Kongo (Kongo-Léopoldville). Auf einem feierlichem Festakt der mit dem belgischen  König Baudouin I und vielen internationalen Honorationen begangen wurde, musste König Baudouin I unbedingt die angeblichen Errungenschaften der belgischen Regierung vor den gesamten Gästen erwähnen.

In seiner Erwiderungsrede widersprach Premierminister Patrice Émery Lumumba dem belgischen König, mit folgenden Worten:

[…] erniedrigender Sklaverei, die uns mit Gewalt auferlegt wurde. […] Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt und mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. […] Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir Neger waren. […] Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. […] Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten.“ (Quelle: „Der gewaltsame Tod von Patrice Lumumba“ Von Bill Vann)

Starke Worte des jungen Premierministers. König Baudouin I, wollte abreisen, seine Begleiter rieten ihm jedoch ab. Ein Jahr später war der junge Lumumba tot, er wurde gefoltert, erschossen und sein Körper mit Bleisäure aufgelöst, der Rest der wurde verbrannt. Später wird herauskommen, dass die CIA mit dem belgischen Königshaus und dem britischen Geheimdienst den Mord an Lumumba betrieb. Man hatte Angst die Rohstoffe nicht mehr zu bekommen, da man davon ausging, dass Lumumba ein Kommunist war. Der Sohn von Lumumba wird später Klage gegen zehn Belgier wegen Mordes in Belgien einreichen. Ein Untersuchungsausschuss in Belgien wird die Verwicklungen Belgiens mit dem Mord an Lumumba feststellen.

Bis heute hat Belgien mit anderen westlichen Staaten noch einen Fuß im Land um seine Rohstoffversorgungssicherheit zu gewährleisten. Bis heute ist die demokratische Republik Kongo militärischen Unruhen ausgesetzt. Und bis heute gehört der Kongo zu den ärmsten Ländern der Welt und steht im Armutsranking auf dem vorletzten Platz.

Durch die immerwährenden Kriege und gewaltsamen Auseinandersetzungen konnte keine wirtschaftliche Entwicklung registriert werden. Das BIP pro Kopf beträgt in der demokratischen Republik Kongo rund 650,– Dollar (Stand: 2013, Quelle: IWF), zum Vergleich. Dass BIP von Deutschland beträgt rund 40.000,– Dollar (Stand: 2013, Quelle: IWF).

Das in solch einem Land für die Menschen keine Perspektiven vorhanden sind ist selbstredend. Nur, wer ist an solch einem Elend Schuld? Die Kongolesen selber? Nein, sie hatten ja nie eine Chance gehabt aus dem natürlichen Reichtum ihres Landes Profit zu ziehen, wenn von außen die Destabilisierung des Landes betrieben wird, wie jetzt im Osten des Landes.

Nun, der Kongo ist nicht der einzige Staat der noch heute vom Westen gesteuert wird, nehmen wir Somalia, Nigeria, Kenia, Eritrea, Elfenbeinküste (Republik Côte d’Ivoire) oder Uganda. In der Regel alles Staaten in denen Politiker regieren die vom Westen gesteuert werden. Auch die destabilisierten Länder im Norden des afrikanischen Kontinents, sie alle können ihren Bewohnern keine Perspektiven mehr bieten. Die Losung lautet also: Verhunger (neuerdings verdurste) oder versuch dein Glück im Westen. Das diese Menschen nie eine Chance haben zu leben, i.S. von etwas zu essen, ein Dach über den Kopf oder Bekleidung zu haben, ist offensichtlich.

In den Dörfern wird für ein oder zwei Bewohner gesammelt, damit diese im Westen etwas verdienen und davon etwas dem Dorf zu gute kommen lassen können.

Ratspräsident Donald Tusk weiß entweder nichts von diesem Elend oder steckt bewusst den Kopf in den Sand. In beiden Fällen scheint er für dieses Problem überfordert zu sein.

Was sollte die EU als Sofortmaßnahme tun?

Die erste Entscheidung sollte sein, die italienische Operation „Mare Nostrum“ wieder einzusetzen. Denn die Italiener haben die Erfahrungen gemacht, mit der sich die Operation „Mare Nostrum“ noch verbessern könnte. Sie fuhren zumindest die Schifffahrtsrouten im Mittelmeer ab, während die Frontex nur 30 Kilometer vor der Küste Italiens patrolliert. Die Flüchtlinge mit ihren Schleppern steuern doch grundsätzlich die Schifffahrtsrouten an, wegen der größeren Chance von einem Handelsschiff aufgenommen zu werden.

Parallel sollten die Aufenthaltsbedingungen für Flüchtlinge für die Mittelmeerstaaten ausgebaut und verbessert werden. Die subventionierten Nahrungsmittel Exporte der EU sollten unterbunden werden. Stattdessen sollte in den afrikanischen Staaten mit den Afrikanern eine funktionierende Landwirtschaft aufgebaut werden. Das Bildungs- und Gesundheitssystem der afrikanischen Staaten sollte reformiert und den dortigen Möglichkeiten angepasst werden. Es ist so viel zu tun, es wird nicht so viel kosten um den Menschen in ihrem Heimatland eine Perspektive zu bieten.

Es hat sich alles verändert, es gibt neue News.

Was müssen die europäischen Regierungschefs aufgeatmet haben, als in Nepal ein schweres Erdbeben mit der Stärke 8 viele Dörfer und Teile der Hauptstadt Kathmandu in Schutt und Asche legten.

Es darf wieder im Mittelmeer gestorben werden, unbemerkt und namenlos. Und morgen wird der Ukrainekrieg und die Finanzkrise in Griechenland von dem Sterben im Mittelmeer ablenken.

Und warum? Nur weil die EU, die ja angeblich eine Wertegemeinschaft sein soll, keine Entscheidung für den Menschen, den Fremden, treffen will. Die EU hat Zeit gewonnen, mehr nicht. Denn an der Nordküste des afrikanischen Kontinents stehen heute schon 1 Millionen Menschen, bereit das nächste Schiff zu nehmen und sich auf den Weg zu machen. Was haben sie schon zu verlieren? Nur ihr Leben. Wen kümmert es?  Die EU?  Wohl kaum.

Jürgen Gerhardt aus Brüssel für european-mosaic  und en-mosaik

 











 

Was sind die europäischen Werte nur wert?

Flüchtlinge auf dem Mittelmeer  Foto: © Graphies.thèque

Flüchtlinge auf dem Mittelmeer Foto:Fotolia © Graphies.thèque

[jpg] 25.000 Menschen sollen im Mittelmeer seit 1990 ertrunken sein. Jahr für Jahr wurden die Ertrunkenen gezählt, soweit man sie aus dem Meer „fischen“ konnte. Eine Kehrtwende sollte das Jahr 2013 bringen. Am 3. Oktober 2013 war ein Schiff mit etwa 500 Flüchtlingen vor der Küste der italienischen Insel Lampedusa untergegangen. 150 Boatpeople, vorwiegend aus Eritrea und Somalia konnten die Italiener retten. 200 Boatpeople wurden danach in Särgen, unter anderen Kinder, in einer Halle aufgereiht, die restlichen Boatpeople werden bis heute vermisst.
Die italienischen Fischer trauten sich nicht die in Seenot geratenen zu retten, weil ihnen Strafen für Menschenhandel angedroht wurden.
Italien, Malta, Zypern und Griechenland stritten um die Zuständigkeit der Seenotrettung. Denn wer die Seenotrettung ausübt ist auch zuständig für das Asylverfahren, die erkennungsdienstliche Bearbeitung der Flüchtlinge und letztendlich für deren Unterbringung, Versorgung und evtl. für deren Rückführung in ihre Heimatländer. Brüssel ließ die Mittelmeeranrainer mit diesen Problemen alleine.
Aber, wie gesagt, 2013 sollte die Wende sein. Die Bürgermeisterin von Lampedusa Giusi Nicolini, schrieb einen Brief an die EU in Brüssel in

Parlamentspräsident Martin Schulz  Foto: Linde Arndt

Parlamentspräsident Martin Schulz
Foto: Linde Arndt

der sie die Frage stellte:“Wie groß muss der Friedhof meiner Insel noch werden?“ Der Brief endete mit einem Apell nach einer Asyl- und Flüchtlingspolitik, die der EU und den Menschen ihre Würde gibt. Giusi Nicolini durfte denn auch ihr Anliegen mit dem Präsidenten der Region Sizilien, Rosario Crocetta, vor der Kommission und dem Rat Ende Oktober 2013 vortragen. Die Kommission war sichtlich betroffen, weil Nicolini als auch Crocetta mit ihren Emotionen sich kaum zurück halten konnten. Der Premierminister von Malta, Joseph Muscat, wollte das Mittelmeer nicht als Friedhof gesehen wissen. Parlamentspräsident Martin Schulz und Kommissionspräsident Mario Barroso versprachen Abhilfe. Barroso reiste denn auch nach Lampedusa um die Zustände zu besichtigen, wobei die damalige zuständige Flüchtlingskommissarin Cecilia Malmström nur Absichtserklärungen abgab, das Problem aber nicht löste.

Dimitris Avramopoulos  Foto: European Commission press service

Dimitris Avramopoulos Foto: European Commission press service

Heute soll der neue Kommissar Dimitris Avramopoulos den Flüchtlingskarren flott machen.
Zu guter Letzt hob die italienische Regierung das Projekt „Mare Nostrum“ aus der Taufe, ab Oktober 2013 sollten die Marineeinheiten die in Seenot geratenen Flüchtlinge frühzeitig aufnehmen. 130.000 Menschen wurden so 2013/2014 gerettet. Mare Nostrum wurde dann aber aus vielen Gründen beendet. Einesteils wollte die EU den Italienern ( Aber auch den anderen Mittelmehranrainer) nicht beistehen und andererseits geriet die italienische Regierung innenpolitisch unter Druck wegen der Kosten.
So wurde von der EU Kommission die Operation Triton durch der EU-Grenzschutzagentur Frontex ins Leben gerufen. Dies hatte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström dem italienischen Innenminister Alfano am 27. August 2013 zugesichert. Kontrolle und Abwehr standen nun im Fordergrund, Rettung war nebensächlich. Statt 9 Millionen Euro wurden nun 2,8 Millionen Euro monatlich eingesetzt – mehr war nicht drin. Wobei die technischen Ressourcen, wie Schiffseinheiten, durch die Mittelmeeranrainer gestellt werden sollten. Bis heute wurden die gemachten Zusagen, eine belastbare Lösung des Flüchtlingsproblems herbeizuführen, nicht umgesetzt. Auch das Einsatzgebiet wurde verkleinert. Nicht mehr bis an die Grenzen des afrikanischen Kontinents, sondern nur noch in einem 30 Km Umkreis vom Festlandsockel der EU Mitgliedsländer.
Wieder wurden rund 3.500 Ertrunkene an den Küsten aufgesammelt, denn die Seenotrettung stand ja jetzt nicht mehr im Vordergrund.

Und die angekündigte gemeinsame EU Flüchtlingspolitik? Sie stellte sich als eine Kakophonie von Abwehr und Absichtserklärungen dar. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière brachte in einer Äußerung die Konsequenz daraus auf einen Punkt: Wenn die Flüchtlinge es bis an unsere Grenzen (Deustsche Grenzen. Anm.der Red.) schaffen, werden wir sehen was wir machen, so der Innenminister. An Zynismus ist dies kaum zu überbieten. Dann kam die Welle von Diskussionen, welches Land wie viel aufnehmen kann. In Deutschland stritten sogar die Bundesländer und die Kommunen. Im französischen Calais bildete sich ein „Dünen-Camp“ in der Industriezone mit Hunderten von Menschen die unter freiem Himmel unter Kartons campieren. Regelmäßig kommt es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Eritreern und Äthiopiern. Eine Hundertschaft der Polizei wurde abgestellt um die Gewalt einzuschränken. Sie leben wie die Tiere, ohne Toiletten, Strom oder Waschgelegenheit, angewiesen auf Menschen die ihnen Nahrungsmittel überlassen. Ständig auf dem Sprung einen Lkw zu entern der sie nach Großbritannien bringt – zu ihrem Ziel.

Die EU Staaten nennen immer wieder absolute Zahlen oder wenn es besser klingt relativen Zahlen, um allen klar zu machen: „Das Boot ist voll“. Politische Entscheidungen oder gar Konzepte, Fehlanzeige.

In der Zwischenzeit starben und sterben jeden Tag Menschen im Mittelmeer, leben Menschen in Kartons auf den Straßen der EU oder unter unmenschlichen Bedingungen in Behausungen. Ein Jahr war vergangen, seit die Bürgermeisterin von Lampedusa Giusi Nicolini ihren Brief veröffentlichte und die Kommission war nicht in der Lage eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik auf den Weg zu bringen.

Ach Europa, beschwörst du nicht in so vielen (Sonntags) Reden immer wieder deine Wertegemeinschaft? Nur, ein Wirtschafts- und Währungsraum wolltest du nicht sein. Welches sind denn nur die gemeinsamen Werte? Die Werte des Geldes, des Gewinns und des Konsums um jeden Preis?

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO hat Europa unterschrieben, ratifiziert und damit anerkannt. Aber was ist zum Beispiel mit Artikel 3 der Erklärung: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“, um nur einen Artikel zu nennen. Befindet sich dieses Recht in der Abschiebehaft?

Trotz allem wollte die EU Kommission eine gemeinsame Flüchtlingspolitik vorbereiten, die den Werten der EU auch entsprechen sollte. Die nationalen Regierungen im Rat wollten aber augenscheinlich keine gemeinsame Flüchtlingspolitik und bremsten das Vorhaben aus. Hauptsächlich UK, Frankreich und Deutschland wollten dies nicht, ein Freihandelsabkommen (TTIP) versprach mehr Gewinn.
Zynisch wird dieses Flüchtlingskonzept wenn Dublin II und Dublin III, Richtlinien der EU-Kommission, wie mit Flüchtlingen „umgegangen“ werden soll, ins Spiel kommt. Da kommen Menschen bis zu 8.000 km aus Ländern, schlimme Diktaturen, mit denen Europa zusammenarbeitet und die auch noch gefördert werden. Und diese Menschen landen in einer Gefängniszelle um nach einem evtl. dreijährigen Verfahren abgeschoben zu werden.

Viele afrikanische Länder wurden durch die Europäer erst zu dem gemacht, was sie heute sind – Diktaturen, mit Kleptokraten und Oligarchen die das sagen haben. Viele afrikanische Staaten, die sich früher ernähren konnten, müssen heute Nahrungsmittel importieren. Hochsubventionierte Nahrungsmittel werden durch die EU in Afrika eingeführt, so dass die eigene Landwirtschaft nicht mehr mithalten konnte. In der Regel leben die Afrikaner von durchschnittlich 1 Dollar pro Tag. Es leiden über 200 Millionen Afrikaner unter Hunger, Das World Food Programm der UNO kann nicht allen Menschen in Afrika helfen, weil die finanziellen Mittel fehlen. Alleine 6 Millionen Kinder müssen jährlich an Hunger sterben. Und da spricht der Europäer von Wirtschaftsflüchtlingen die nur an unsere Fleischtröge wollen? Wobei alleine die Deutschen bis zu 50% ihrer Nahrungsmittel wegwerfen, teilweise landen die Nahrungsmittel noch nicht einmal in den Regalen, weil sie irgendeiner Norm nicht entsprechen, so die Dokumentation „Taste the Waste“ von Valentin Thurn und das Verbraucherschutzministerium bestätigt das ganze auch noch.

Zurück zu unseren Flüchtlingen die entweder ertrinken müssen, oder, wenn sie Glück haben von einem Schiff der Frontex Operation Triton aufgenommen zu werden, um dann in menschenunwürdigen Verhältnissen in der Regel auf ihre Abschiebung zu warten. Und was macht die EU-Kommission? Es soll nun verstärkt gegen die Schleuser vorgegangen werden. An die Ursache dieser Flüchtlingskatastrophe will man nicht ran, dabei wäre das langfristig der sicherste Weg den Afrikanern eine Perspektive zu schaffen.

Das Flüchtlingsproblem hat 2014/2015 eine neue Dimension angenommen, nicht mehr nur die kleinen Schlauchboote treten die Fahrt über das Mittelmeer an, jetzt werden sogar Schiffe benutzt, die auf irgendeinem Schiffsfriedhof vor sich hin gerostet haben. Es nützt dabei nichts, wenn man nur die Schuldfrage zwischen den einzelnen Institutionen und EU-Staaten hin und herschiebt. Eine Lösung dieses Problems muss geschaffen werden, und zwar schleunigst. Und die Lösung kann nur so aussehen, dass den Afrikanern mit unserer Hilfe in ihren Ländern Perspektiven geschaffen werden, die zum bleiben anhalten. Und zwar nicht auf europäische Art in Nischen kleckern, sondern ein ganzheitliches Konzept muss her.

Dieses ganzheitliche Konzept führt uns direkt zu den Werten für die wir Europäer so gerne eintreten, zum Beispiel dem Solidarprinzip. In diesem Falle könnten die Europäer es sogar beweisen.
Und noch eines sollten unsere europäischen Werte befeuern und zum handeln anhalten, da sind „die namenlosen Flüchtlinge“, die im Mittelmeer begraben liegen. Die EU sollte den Flüchtlingen ihre Würde wieder geben, indem sie zumindest die Namen der Ertrunkenen ermittelt. Und, wie kann die zur Zeit mit hohen moralischen Werten vertretene Ukrainepolitik der EU glaubhaft sein, wenn auf der anderen Seite solch eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik der EU Tag für Tag sichtbar wird?
So, sind die gemeinsamen Werte, wenn sie nicht gelebt werden, nur für die Sonntagsreden zu gebrauchen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

 

Chaotisches mit der Ratssitzung in Brüssel

Hollande - Merkel  Foto: Linde Arndt

Francois Hollande und Angela Merkel Foto: © Linde Arndt

[jpg] Soldaten des belgischen Militärs streifen bewaffnet durch die Straßen des Europaviertels in Brüssel, dazwischen fahren Spezialeinheiten der Polizei mit Blaulicht herum. Das alles wegen der Terroranschläge in Paris vom 7.1.2015. Präsenz des Staates war angesagt, und zwar nicht zu knapp. Allerdings wussten die Soldaten und Polizisten sich dezent im Hintergrund zu halten. Beschaulichkeit war diesmal nicht auf der Agenda.

Dazu wurde das Consilium, also der Rat der Europäischen Union, von 13:00 Uhr auf 15:00 Uhr verschoben, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande in Minsk einen Friedensplan für die Ukraine verhandelten. 17 Stunden dauerten die Marathonverhandlungen bis OSZE Botschafterin Heidi Tagliavini, der ehemalige Präsident der Ukraine, L. D. Kuchma, der Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine, M. Yu. Surabov, A.W. Sakharchenko für das Donezk Gebiet und I.W. Plotnitski für das Luhansker Gebiet ihre Unterschriften unter das erarbeitet Dokument gesetzt hatten.Die Präsidenten Poroschenko (Ukraine), Hollande (Frankreich), Putin (Russische Förderation) und Bundeskanzlerin Merkel unterschrieben wohlweislich das ausgefertigte Dokument nicht.

Poroschenko   Foto:  ©  Linde Arndt

Poroschenko Foto: © Linde Arndt

Der ukrainische Präsident Poroschenko, drohte fortwährend mit dem Kriegszustand. Übrigens sprach keiner von einem Kessel Debalzewo, nicht einmal der Ort wurde erwähnt, obwohl in dem Kessel „fleißig“ getötet wurde. Danach ging es ab in den Flieger und rund 1.600 km nach Brüssel.

Der Bundeskanzler der Republik Österreich Werner Faymann hat es am Eingang des Ratsgebäudes auf den Punkt gebracht: „Es ist ein besonderer Tag indem der erste Schritt für einen Friedensplan in der Ukraine gemacht wurde, man muss jetzt mal sehen wie es weiter geht.“  Ab Sonntag sollen in der Ukraine die Waffen ruhen, die schweren Waffen sollen von der Front zurück gezogen werden. Und man hatte sich auf eine Frontlinie geeinigt. Allerdings waren die Verträge noch nicht einsehbar. Aus dem Umfeld der beiden Parteien waren über die einzelnen Punkte keine begeisterten Kommentaren zu hören. Alexander Sachartschenko, Präsident der Donezk Republik, wollte mit seinen Leuten die Unterschrift unter dem Vertrag verweigern. Überhaupt waren viele Punkte des Vertrages, so wie sie bekannt wurden, als zu schwach formuliert. Zu viele Interpretationsmöglichkeiten sind schon immer für Verträge schlecht gewesen. Minsk I hielt auch aus diesem Grund nicht lange. Auch soll kein Folge-Terminplan und Umsetzungs-Plan existieren. Wer die Vereinbarungen kontrollieren soll, wurde auch nicht festgelegt. Nur eines wurde klar festgelegt, die Zentralregierung in Kiew erhält 17,5 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern vom IWF. Wesentlich ist jedoch, die Europäer haben ihr europäisches Problem alleine gelöst. (Haben sie das?) Es scheint so, als wenn ein größerer europäischer Krieg, der nicht in den  Griff zu bekommen wäre, vorerst einmal mit diesem Friedensplan abgewendet wurde.

Normalerweise wäre dieses Problem für jeden genug, nur die EU bekam noch ein nicht unwesentliches Problem dazu – Griechenland. Beide Themen korrelierten sogar mit einander, indem der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras gedanklich die Russische-Föderation als Ersatz-Geldgeber ins Spiel brachte.
320 Milliarden Euro Schulden hat Griechenland bei EU, IWF und EZB. Im Gegenzug hat sich Griechenland verpflichtet umfangreiche Reformen durchzuführen, die von einer Troika überwacht werden. Griechenland ist gut bei den Reformen voran gekommen, nur es entstand kein Effekt im Hinblick auf eine Schuldensenkung – im Gegenteil. Nach Jahren stellt sich heraus, die Austeritätspolitik der EU hat bei den Griechen versagt. Es sind in Griechenland umfangreiche soziale und wirtschaftliche Verwerfungen zu beobachten, die absehbar den Griechen keine Luft für eine Investitionspolitik lassen. Der Schuldenabbau geht aber auch nicht voran, im Gegenteil.

Die Bevölkerung hat reagiert und die alte konservative Regierung von Antonio Samaras ( Nea Dimokratia ) wurde abgewählt und von der 2012 gegründeten linken Syriza abgelöst. Alexis Tsipras hat auch direkt nach der Vereidigung als Ministerpräsident sofort alle Verträge gekündigt und Neuverhandlungen gefordert. Die „verhasste Troika“ die, Tsipras Meinung nach, dem griechischen Volk die Würde nimmt, die möchte er in seinem Land nicht mehr sehen. Nach diesen spektakulären Ankündigungen tourte Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis erst einmal durch die EU Mitgliedsstaaten um Verbündete zu suchen. Er fand sie in Italien oder Spanien, wobei Spanien mit der neuen linken Partei Podemos eines Pablo Iglesias Turrión die Mehrheit im spanischen Parlament in diesem Jahr übernehmen könnte. Tsipras mit seinem Finanzminister Yanis Varoufakis fordert nicht mehr und nicht weniger als einen Pradigmenwechsel im Hinblick auf den Schuldendienst eines Staates.

Es kann doch nicht sein, dass in einem Staat wie Griechenland ohne Ende Suppenküchen aufgemacht werden müssen, die Menschen von heute auf morgen keine Krankenversicherung mehr haben, ihr wohl verdientes Einfamilienhaus verlieren und sich auf der Straße wieder finden, ohne jemals Aussicht auf eine Besserung der Lebenssituation zu haben. Die Suizidrate bei Erwachsenen und bei Kinder  steigt signifikant. In Griechenland ist vieles schief gelaufen ohne das eine Troika dies jemals registrierte.

Was Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis wollen, ist ein vernünftiger Mix aus sparen und investieren. Es kann nicht mehr gespart werden als das, was ein Land erwirtschaftet. Und, die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble haben in ihren Äußerungen schon erkennen lassen, dass sie nicht auf der Seite der neuen griechischen Regierung sind. Für sie gilt, die Griechen sollen weiter so verfahren, wie mit der Vorgängerregierung abgemacht. Das hört sich so an wie Operation wird gelingen, auch wenn der Patient dabei sterben wird.

Rsipreas - Renzi  Foto: © Linde Arndt

Alexis Tsipras und Matteo Renzi Foto: © Linde Arndt

Ein weiterer Aspekt ist die Jugend der neuen Politiker-Generation aber auch das viel umfangreichere Wissen. Die Generation Schäuble ist mit 72 Jahre, gegenüber der Generation Alexis Tsipras oder Matteo Renzi, die rund 40 Jahre sind, in die Jahre gekommen. Die europäische Linke ist radikaler als die Sozialisten der europäischen Party of European Socialists (PES).  Zu lange haben die europäischen Sozialisten mit der Mitte immer mehr an Stimmen verloren. Die Generation Alexis Tsipras oder Matteo Renzi sind frisch und unverbraucht und könnten einer europäische Sozialpolitik mehr Kraft geben.

Selbst Parlamentspräsident Martin Schulz verhehlt nicht seine Sympathie mit der neuen griechischen Regierung und plädiert dafür ihnen eine Chance einzuräumen, damit sie sich zuallererst einmal findet um in eine klarere Linie hinein zu wachsen.

Am Rande des Treffens wurde auch über das Massengrab Mittelmeer gesprochen. Über 300 tote Flüchtlinge wurden von den Italienern aus dem Wasser gezogen. Parlamentspräsident Schulz mahnte zum wiederholten mal eine Flüchtlingspolitik an. Allerdings sagte er in der gleichen Konferenz, dass die Grenzen der EU, und dazu gehören auch die Seegrenzen im Mittelmeer, besser bewacht werden sollten.

Die EU bleibt eine riesengroße politische Baustelle, die nicht wesentlich weiter kommt als wie zu einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Migrationspolitik ist für Brüssel nur ein Fremdwort.

Jürgen Gerhardt für european-mosaic aus Brüssel.

 

 

Wo Demokratie draufsteht muss nicht Demokratie drin sein

Panel 12. Debatte TTIP  Foto: Linde Arndt

Panel 12. Debatte TTIP Foto: Linde Arndt

[jpg] In Brüssel muss man differenzieren. Und zwar immer. Es geht um die demokratisch legitimierten Kräfte oder Institutionen. Demokratisch in Brüssel legitimiert heißt, es fand europaweit eine demokratische legitimierte Wahl statt. Wichtig ist das dann, wenn man wissen will, für wen Die- oder Derjenige spricht und auch handelt. Für seinen Staat, für Europa, für seine Wirtschaft oder gar für eine übergeordnete Macht.

So ist der Rat der europäischen Union (Rat), also die 28 Regierungschefs, die oberste Instanz in der EU,  nichts geht gegen ihn. Die Regierungschefs der zur Zeit 28 Länder treffen sich regelmäßig und entscheiden über Gesetze, Richtlinien, Verordnungen, die von dem Parlament und der Kommission erarbeitet wurden. Fast die Hälfte aller Arbeiten wandern durch den Rat in den Papierkorb.  Nur ein Land braucht gegen eine Vorlage zu stimmen um die Vorlage zu Fall zu bringen. Das wesentliche am Rat, die Teilnehmer, wenn es sich um einen Regierungschef handelt, werden von ihren nationalen Parlamenten gewählt, nicht von ihrem Volk und schon gar nicht vom europäischen Volk. Der Rat ist also weit davon entfernt demokratisch legitimiert zu sein.

Kommen wir zu der zweiten Institution, der Europäischen Kommission (Kommission). Die Kommission besteht aus ihrem Präsidenten und zur Zeit aus 27 Kommissaren. Das sind 28 Personen, die vom Rat vorgeschlagen werden und vom Parlament „abgesegnet“ werden. Die Kommission wird zwar vom europäischen Parlament gewählt, das Parlament hat jedoch nur indirekt Einfluss auf die qualifizierte Zusammensetzung der Kommission. Auch hier, die Kommission ist weit weg von einer demokratischen Legitimation. Rat und Kommission stellen den immer wieder reklamierten größten Bürokratieaufwand dar. Dieser Bürokratieaufwand ist jedoch alleine von den Regierungschefs des Rates zu vertreten. eu-grafik


Entfernung von der demokratischen Legitimation.

  Und zum letzten gibt es noch eine Besonderheit, „Der Ausschuss der Regionen“ (ADR) oder ​“The Committee of the Regions“ (CoR). Mitglieder sind die Bürgermeister, Landräte oder Mitglieder einer Gebietskörperschaft (Stadtrat oder Regionalverbände). Dieser ADR hat ein Mitwirkungsrecht und wird bei Vorlagen zu Rate gezogen. Er empfiehlt, schlägt vor oder nimmt Stellung, gegenüber den Ausschüssen oder der Kommission zu den Vorhaben der EU. Seine Legitimation ist die Wahl seiner Mitglieder in ihren Gebietskörperschaften. Sie sollen aus der lokalen Sicht die vorgelegten Arbeiten betrachten. Da die 353 Mitglieder in ihren Regionen direkt oder auch indirekt gewählt wurden, haben sie eine hohe demokratische Legitimation. Die Kommission führt zur Zeit Verhandlungen mit den USA über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), TISA (Trade in Services Agreement) und das ISDS (Investor-State Dispute Settlement). TTIP ist der freie Handelsbereich, TISA ist der freie Dienstleistungsbereich und ISDS ist der Bereich des Investorenschutzes. Das mit Kanada verhandelte CETA Abkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement)  steht vor der Ratifizierung bis Ende 2014.

Plenar-Sitzung  Foto: Linde Arndt

Plenar-Sitzung Foto: © Linde Arndt

Nun hatte die Kommission zwar das Parlament und die Ausschüsse über TTIP und ISDS informiert, nicht jedoch den ADR/COR. Die Mitwirkung des Ausschusses wurde schlicht vergessen. Das der Ausschuss sich dies nicht gefallen ließ war vorprogrammiert. Denn die vorgenannten Abkommen gelten als „Geheimabkommen“. Selbst in den USA dürfen die beiden Häuser, Kongress und Senat, den Stand dieser Abkommen nur einsehen und dürfen sich keine Aufzeichnungen machen. Für eine Demokratie wie die USA, die als Führungsnation dastehen will, unhaltbar. Und in Brüssel? Auch hier sind die Verhandlungsprotokolle nicht einsehbar. Was bis heute über die Verhandlungsdelegationen herauskam, war für die europäischen Abgeordneten erschreckend. Denn es kann doch nicht sein, so der Tenor, dass Europa seine  Standarts einem nicht beweisbaren Wachstums- und Arbeitsplatzversprechen opfert. Denn das NAFTA (North American Free Trade Agreement) hat in seiner Umsetzung nur eines gezeigt, die Kleinen verlieren und die Großen gewinnen.  Für Mexiko kam zum Beispiel nur ein Sterben kleiner landwirtschaftlicher Betriebe heraus, tausende Arbeitsplätze waren davon betroffen. Es kam heraus, dass die diversen Studien zu diesem Abkommen geschönt wurden. Tatsächlich kam nur ein Wachstum von 0,05 pro Jahr heraus, als sich jemand mal die Mühe machte die Studien zu überprüfen. Unterm Strich kommen in den neuerlichen Berechnungen ein paar tausend Arbeitsplätze heraus. Warum also, wurde der ADR übergangen? Warum sind die Verhandlungen geheim? Der ADR/COR bat aus diesem Grund EU-Handels-Kommissar Karel de Gucht und den amerikanischen Botschafter bei der EU Anthony L. Gardner zur Sitzung, um die drängenden Fragen zu klären. Der neue ADR/COR Präsident Michel Lebrun betonte zu Beginn der Sitzung im Charlemagne-Gebäude, ein Gebäude der Kommission, die Bedeutsamkeit dieses Abkommens für Wachstum und Arbeitsplätze. Kommissar Karel de Gucht zeichnete ein allgemein positives Bild von diesem Abkommen – Handelshemmnisse, wie die Teilnahme an den Ausschreibungen, Abbau von Regulierungen oder aber auch die noch bestehenden Zölle bei Textilien. Hindernisse zwar abbauen aber den bestehenden Schutz der Bürger in der EU nicht beseitigen. In den Sektoren Pharma oder Automobil könnten die Standards angeglichen werden. In Punkto Investitionsschutz, also ISDS (Investor-State Dispute Settlement befindet man sich mit den USA noch in einer Streitpause. Die Pause will man jedoch in den nächsten Monaten beenden und mit weiteren Diskussionen beginnen. Warum dieses Abkommen nicht mit der WTO in der stockenden DOHA Runde umgesetzt wird, kein Wort darüber. Überhaupt waren nur allgemeine Argumente zu vernehmen, die nichts klärten.

Auch von US Botschafter Anthony L. Gardner war nichts Konkretes zu erfahren, außer dass er sich auf die weiteren Verhandlungen mit der neuen Handels-Kommissarin Cecilia Malmström aus der neuen Junker Kommission freue. Diese hatte sich ausdrücklich bei einer Parlamentsanhörung für dieses Abkommen ausgesprochen. Bei TTIP gehe es nicht ausschließlich um Profit, vielmehr will die USA Mitglied des bestehenden EU-Binnenmarktes werden, dadurch würden die USA attraktiver in Europa. Gleichzeitig würden die KMUs gefördert, sprich der Mittelstand.(Und jetzt kommt es) 4,2 Millionen Arbeitsplätze werden geschaffen! (Das sind schon wieder die bekannten Studien, die ja bereits widerlegt sind) Die Botschaft von US Botschafter Anthony L. Gardner – es ist alles gut. Und wir (USA) werden die Öffentlichkeit mit ins Boot holen. Allerdings schränkte er ein: Nicht alle Dokumente können zugänglich gemacht werden. (Warum?) Weil wir darüber noch verhandeln und die Veröffentlichungen zu Unsicherheiten führen würden. (Wer es glaubt.)

Markus Töns (SPD) aus NRW will TTIP nicht zu jedem Preis und stellt die Frage, ob TTIP nur den Konzernen nutzt. ISDS lehnt er ab; denn die EU ist für ihn eine Wertegemeinschaft und keine Wirtschaftsgemeinschaft.
Markku Markkula (EVP/FI) will das Abkommen nochmals überprüfen, da der ADR nicht zu den Gesprächen der Kommission eingeladen war. Was ist bei den öffentlichen Anhörungen heraus gekommen, 150.000 Einwände sind zu ISDS eingegangen? Was passiert wenn ISDS aus dem Abkommen heraus genommen wird?
Karl-Heinz Lambertz (SPE) will nicht den Kopf für etwas hinhalten, ohne zu wissen worum es geht. Solche Abkommen lassen sich nicht so einfach bei der Bevölkerung durchsetzen.
Anthony Gerard Buchanan (EK/EA) reklamiert die mangelnde Transparenz. Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis. Eine Privatisierung des Gesundheitssystems lehnt er vollkommen ab. Und so ging es im Tenor weiter.

 

Markus Töns (SPD) ist demnach der Berichterstatter für TTIP. Nachdem die Mitglieder des ADR/COR ihre Positionen vor dem Ausschuss dargelegt hatten, nahmen Kommissar Karel de Gucht und US Botschafter Anthony L. Gardner noch einmal Stellung. Karel de Gucht wollte schon früher das Abkommen offen legen, wurde aber durch den Rat daran gehindert, namentlich nannte er die deutsche Bundeskanzlerin, die die Zustimmung zur Offenlegung des Abkommens verweigerte. Auch sieht er es als unmöglich an, eine Offenlegung anzustreben, wenn die USA alles geheim behandelt, so Karel de Gucht.

US Botschafter Anthony L. Gardner unterstellt den Mitgliedern und den Kritikern eine falsche Wahrnehmung, denn bei den Stakeholder (Teilnehmer) Versammlungen haben wir alle Informationen heraus gegeben. (Besser kann man es nicht machen?) Und im übrigen wird die Schwelle der ISDS sehr hoch sein um ein Schiedsgericht anrufen zu können, so Gardner.

Im Grunde wollten oder konnten beide nichts Konkretes von sich geben, deshalb auch nur die Worthülsen und einige Sprachregelungen, die kaum etwas zur Aufklärung taten. Auf den Fluren waren die Mitglieder des ADR auch etwas enttäuscht, man wird sehen welche Informationen der Berichterstatter bekommt. Aber wie gesagt, der ADR/COR hat nur! ein Mitwirkungsrecht. Mit Demokratie hatte das nichts zu tun.

Jürgen Gerhardt für european-mosaic und EN-Mosaik aus Brüssel.

Totgesagte leben länger

Juncker  Foto: Linde Arndt

Jean-Claude Juncker Foto: Linde Arndt

[jpg] Die Europawahl ´14 ist vorbei. In Brüssel haben sich viele neue Abgeordnete eingefunden um sich, wie für Neuankömmlinge wichtig, mit ihren Daten registrieren zu lassen. Es gab die notwendigen Ausweise (Badges) mit denen der Zugang zu den Sitzungen garantiert ist. Es ist für jeden ein Kreuz den administrativen Teil in Brüssel hinter sich zu bringen. Muss aber sein; denn dahinter steht ein ausgeklügeltes Zugangs- und Sicherheitssystem.

Heute sind die Fraktionen und Ausschüsse gebildet und der „Pulverdampf“, der durch die Wahl von Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten entstanden war, ist schon längst verflogen. Es ist aber nicht die einzige Personalie, die in Brüssel anstandt und noch ansteht. Bis Ende des Jahres muss ein neuer ständiger Präsident des Europäischen Rates von den Regierungschefs benannt werden, Herman Van Rompuy wird aufhören.

Federica Mogherini  Foto: Linde Arndt

Federica Mogherini Foto: Linde Arndt

Ebenso wird die „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission“ Catherine Margaret Ashton ersetzt werden. Hier ist im Moment die derzeitige Außenministerin Italiens Federica Mogherini sehr gut im Rennen, wobei die französische Sozialistin Elisabeth Guigou mit großen Erfahrungen im Bereich Justiz, Wirtschaft und Außenbeziehungen ein Schwergewicht im diplomatischen Ring darstellt.

Helle  Foto: Linde Arndt

Helle Thorning-Schmidt
Foto: Linde Arndt

Die Position von Herman Van Rompuy wird sehr schwer zu besetzen sein, denn er muss die 28 sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten der europäischen Regierungschefs zusammen halten – die Fliehkräfte in dieser Gruppe sind sehr stark. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt wird derzeit auf den Fluren gehandelt. Geht aber nicht, wenn der Posten der Hohen Vertreterin wieder von einer Frau eingenommen wird. Zwei Frauen an der Spitze wäre für diese europäische Männerwelt zu viel. Die Spannung bleibt also.

Anders ist es mit den Kommissaren und Kommissarinnen, hier hatten die Regierungschefs vor der Wahl einen Bürokratieabbau versprochen. Denn die Kommission ist die größte Behörde. Sicherlich erinnert sich der eine oder andere Wähler an dieses Versprechen. Nur der Europäische Rat, also das Gremium der Staats- und Regierungschefs, der für die Ernennung der Kommissare zuständig ist, denkt nach der Wahl nicht an einen Bürokratieabbau. Es bleibt bei den 28 Kommissarinnen und Kommissaren mit allen ihren Kabinetten. Das Gedächtnis der Staats- und Regierungschefs hält nicht über die Wahl hinaus.

Ich denke, wichtiger ist erst einmal der Wechsel in der Ratspräsidentschaft. Griechenland hatte die Ratspräsidentschaft bis zum 30.Juni 2014 und Italien übernahm nahtlos am Folgetag in Straßburg. Der griechische Premierminister Andonis Samaras übergab denn auch mit einer Bilanz an den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi.

Die Europawahl ´14 führte uns mit der erstmaligen „Direktwahl“ von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker das Fortschreiten des europäischen Projektes vor Augen. Manchmal geht das europäische Projekt etwas langsamer aber in diesem Fall war es ein großer Schritt, so Samaras.

Samaras  Foto: Linde Arndt

Andonis Samaras Foto: Linde Arndt

Samaras bilanzierte denn auch das griechische Semester, welches zwar durch die Wahl etwas kürzer war als ein Semester, jedoch konnten viele Projekte zu einem guten Ende gebracht werden. 67 Rechtsakte und 15 legislative Fortschritte konnte das griechische Team bilanzieren. Dazu gehörte die Vertiefung der Währungsunio. Das Wachstum und die Beschäftigung konnte mit der Verabschiedung des Haushaltes einen Impuls an die gemeinsame Wirtschaft aussenden. Der Steuerbetrug erfuhr eine weitere Eindämmung durch gesetzgeberische Maßnahmen der EU. Investitionshemmnisse wurden beseitigt, indem die Kreditvergabe an KMU´s weiter vereinfacht wurden – dies schafft Arbeitsplätze. Die Außengrenzen der EU wurden besser geschützt und das Migrationsmanagement wurde verbessert – eine neue Frontexverordnung (Frontex ist eine Institution der EU, die für den Schutz der Grenzen zuständig ist (d.Red.)) regelte das. Mit Drittstaaten wurde eine bessere Zusammenarbeit hergestellt, die Meerespolitik wurde unter Sicherheitsaspekten überarbeitet. Zu guter Letzt wurden die Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Albanien auf den Weg gebracht.

Europa hat funktioniert und ist nicht auseinandergebrochen, wie es viele vorausgesagt hatten. Und der Euro? Auch er hat sich in diesen schweren Zeiten bewährt und ist härter geworden. Nur wir sollten die Europäische Union näher an die Herzen der Europäer bringen. So der griechische Premierminister Andonis Samaras.

Es vergingen nur ein paar Stunden und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hatte den Staffelstab des logo-italien-2014.jpg
„Vorsitz im Rat der Europäischen Union“ turnusmäßig übernommen. Mit seiner Antrittsrede eröffnet Ministerpräsident Matteo Renzi das folgende italienische Semester ´14.

Der Rat hat mit der Wahl des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker seinen Respekt vor dem demokratisch gewählten EU Parlament gezeigt, so Renzi eingangs.

„Wenn Europa heute ein Selfie von sich selbst machen würde, welches Bild würde sich dann ergeben?“, so fragte Renzi.

Wir würden ein müdes und gelangweiltes Gesicht von Europa sehen. Und das ist unverständlich. Die Welt dreht sich sehr schnell und die Entwicklungen rasen nur so an uns (Europäern) vorbei. Es sind Chancen die an uns vorbeiziehen, die wir nicht ergreifen. Die Zukunft braucht unseren Tatendrang, sie fordert uns heraus und wir lassen sie vorüberziehen. Warum? Weil wir mit einer Wunde beschäftigt sind, die uns 2009 die Finanz- und Wirtschaftskrise geschlagen hatte. Was soll das? Die Wunde ist versorgt, nun sollten wir uns den neuen Herausforderungen stellen. Als erstes sollten wir die Seele Europas suchen um damit unsere Identität zu finden.

Italien wird sofort seine eigenen Probleme lösen, es sind nicht die Probleme Europas, sondern die Probleme Italiens. Italien kann sich voller Kraft diesen Problemen stellen, weil es weiß, es ist stark.

Es geht um Wachstum UND Stabilität, nicht nur für Italien, sondern für ganz Europa. Wachstum kann nur durch Investitionen entstehen, welches dann der Wirtschaft die notwendige Stabilität bringt.

Wir Europäer sind führend in den Umwelttechnologien, warum sollten wir das nicht ausweiten. Wir sind zurück in den digitalen Technologien, warum sollten wir nicht einholen. Beide Bereiche ragen weit in die Zukunft hinein, Europa kann die Zukunft für sich entscheiden.

Wir sollten aber nicht vergessen, Europa ist nicht nur eine geografische Fläche auf eine Karte, Europa ist das Haus mit 500 Millionen Bewohnern. Und diese Bewohner vertrauen und fordern uns, den Mut zu haben die Zukunft zu meistern. Unsere Generation steht in der Tradition von der Antike, über die Verträge von Maastricht bis heute in einer Gegenwart die uns auffordert, die erarbeiteten Errungenschaften unserer vormaligen Generation zu bewahren aber auch in diesem Geiste weiter zu führen.

Renzi  Foto: Linde Arndt

Matteo Renzi Foto: Linde Arndt

Renzie erntete stehenden Applaus aus allen Fraktionen.

Der noch amtierende Kommissionspräsident Barroso fand im Anschluss, die Rede als sehr gelungen, da Renzi auf die Werte, den Stolz und die Würde Europas abstellte. Europa kann immer noch mehr geben, wenn es sich auf seine Stärken besinnt, so der scheidende Barroso.

Alles in allem merkte man aber, es gibt diesen Wermutstropfen, den der Krieg in der Ukraine den Europäern in Brüssel und Straßburg vor Augen führt. Alle sind sich einig, Krieg in Europa sollte der Vergangenheit angehören, ob das in Jugoslawien oder in der Ukraine war oder ist.

In einer der Aussprachen des Parlamentes war man sich nicht so einig in der Vorgehensweise, wie man den Krieg in der Ukraine stoppen kann. Die Kommission mit Štefan Füle; EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, machte es sich etwas zu leicht, indem sie die Schuldfrage auf die Russische Föderation ablud.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

Krisenmanagement in Ennepetal

Demo-Symbolfoto  Foto: © Linde Arndt

Foto: © Linde Arndt

[jpg] Staunend schaut man zur Kleinstadt Ennepetal. Auf einmal sieht sich Ennepetal mit einem Problem konfrontiert, welches durch eine Entscheidung unserer Regierung in Brüssel vor vielen Jahren entstanden ist.
Es ist schon etwas länger her, dass der Europäische Rat in Luxemburg (1997) die Beitrittsverhandlung zur Osterweiterung für 10 Staaten beschlossen hatte. Drei deutsche Bundeskanzler, Kohl, Schröder und Merkel, hatten dieser Osterweiterung von 10 Staaten zugestimmt, sie sogar begrüßt. Allerdings mit einer Einschränkung, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern innerhalb der Gemeinschaft – Zugang zur Beschäftigung –  konnte Einzelstaatlich um sieben Jahre ausgesetzt werden. Trotz massiver Warnungen, die EU würde durch diese Erweiterung überfordert werden, wurde diese weiter betrieben. Am 1. Mai 2004 wurden die ersten Osteuropäer in der EU willkommen geheißen und am 1. Januar 2007 war der Erweiterungsprozess mit Bulgarien und Rumänien abgeschlossen. Für die nun aufgenommenen Staaten galten aber noch die 7 jährigen Aussetzungsfristen, wobei die Staaten sich innerhalb der 2-3-2 Jahre geltenden Intervalle erklären konnten. Für Deutschland waren die 7 Jahre am 1.1.2014 abgelaufen, ab jetzt galt die volle Freizügigkeit. Im Zuge dieser damit vollendeten Erweiterung der Europäischen Union wuchs mit einem Schlag die Anzahl der in der EU lebenden Roma auf rund 12 Millionen. Damit stellen die Roma die größte Minderheit in der EU und wir haben mehrere Armenhäuser in der EU. Wobei mit Bulgarien und Rumänien die größten Armenhäuser in der EU dargestellt werden.

Branco Barisic

Branco Barisic (c) Twitter

Hier (Rumänien) siedelten die Roma, ohne Perspektiven. Arbeit musste her. Und die erhoffte man sich in Deutschland, wurde doch immer wieder gesagt, Deutschland brauche dringend Arbeitskräfte. Viel früher kamen die Roma nach Deutschland. Duisburg, Hamburg oder Dortmund standen für Arbeit. Schon 2012 suchten die Roma hier Arbeit als Gewerbetreibende (Unternehmer statt Arbeitnehmer) mit einem Gewerbeschein. Gelandet sind die Roma auf dem „Straßenstrich“ auf dem sie sich jeden Morgen für Arbeit aufstellen mussten. Sie bekamen Arbeit, erst als Subsubunternehmer und dann ab 1.1.2014 als Arbeitnehmer. Manchmal bekamen sie keinen Lohn und manchmal war der Lohn so minimal, das es schwer war die Familie durch zu bekommen. Aufstocken mit ALG II konnten sie nicht, da die Entlohnung eben in der Regel ohne Abgaben vorgenommen wurde. Miete, Strom, Gas oder Wasser konnten nicht bezahlt werden. Dazu kam noch in Duisburg-Rheinhausen ein äußerst feindliches soziales Umfeld. In den Peschen Ecke Beguinenstraße waren die Wohnungen die die zweifelhafte Duisburger Größe Branko Barisic sein eigen nannte. Die fehlenden Mietzahlungen trieb dieser zuletzt mit einer „Sicherheitsfirma“ ein. Da musste halt das Kindergeld der Romagroßfamilien dran glauben.

Andre Hüsgen bei der Demo

Andre Hüsgen (lks) bei der Roma Demo  (c) Twitter

Die Häuser fanden dann eine traurige internationale Berühmtheit an der permanent Demonstrationen von der rechten „Pro Deutschland“, „Pro NRW“ stattfanden. Selbst den ehemaligen Ennepetaler Ratsherrn Andre Hüsgen sah man bei den pöbelnden Demonstranten. Mit den Gegendemonstranten und einer Hundertschaft Polizei standen manchmal bis zu 2.000 Menschen um die Häuser der Roma. Lautstark ging es zu.
Mahnwachen wurden aufgestellt, man wollte kein Rostock-Lichtenhagen in Duisburg-Rheinhausen. Peter Hilbrands, Pressesprecher der Stadt Duisburg sah sich von immer neuen Hiobsbotschaften in dieser Causa konfrontiert. Das ging von grasenden Schafen auf dem Dach, über Hühnen und Ziegen vor den Häusern und massiven Müllproblemen vor den Häusern. Die Müllprobleme entstanden teilweise dadurch, indem deutsche Nachbarn ihren Sperrmüll vor den Häusern abluden um damit die Roma zu diskreditieren. Ausbaden musste dies der Hausbesitzer Branko Barisic, der eine gepfefferte Rechnung der Abfallbeseitigungsfirma in fünfstelliger Höhe vorgelegt bekam. Branko Barisic handelte und kündigte die Wohnungen. Wo aber hin mit den Mietern? In der Zwischenzeit hatte sich eine Organisation hilfreich den Romas zugewendet – Zukunftsorientierte Förderung“ (Zof). Teilweise konnten sie einige Mieter in Duisburg unterbringen, nur, es waren tausende. Die Stadtverwaltung  und die Wohnungsbaugesellschaft GEBAG Duisburger Baugesellschaft mbH versuchten sich denn auch mit dem Problem der Umsiedlung, jedoch nicht sonderlich intensiv. Duisburg wollte sich keine Laus in den Pelz setzen; denn wie man mit dem Problem der Ansiedlung von Romas umgeht, man konnte es nur falsch machen. Im Moment befinden sich noch rund 6.000 der Roma in Duisburg.

Es wurde in Duisburg so viel falsch gemacht, dass sich einem der Verdacht aufdrängt, die Duisburger wollten die Roma mit einer Strategie los werden, die eben kein schlechtes Licht auf die Stadt werfen sollte. In der letzten Konsequenz hat das Innenministerium in Düsseldorf ein Wohnungsaufsichtsgesetz auf den Weg gebracht, welches mit der Überbelegung von Wohnungen Schluss machen soll. Wie schön für eine Stadt, wenn sie einen Innenminister und Parteikollegen in ihren Stadtmauern hat. Demnach kann ein Vermieter mit einer Strafe von bis zu 50.000,– Euro belegt werden, wenn die Wohnverhältnisse nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

So weit ein kurzer Abriss der Vorgeschichte der 108 Roma die nun in Ennepetal Hasperbach in ehemaligen Werkswohnungen ein Zuhause gefunden haben.

Irritiert hat mich den Einstieg in dieses Problem, wurde doch zum ersten mal in einer nichtöffentlichen Auschuss – Sitzung (Ausschuss für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung) in Ennepetal darüber gesprochen. Die Kollegen von der WAZ wussten auch nicht früher etwas von diesem Zuzug. Wohlgemerkt es sind keine Flüchtlinge, es sind 108 EU Bürger, die nun in Hasperbach wohnen. Wenn man jedoch die Vorgeschichte betrachtet, so stellt man unzweifelhaft fest, es sind Menschen die Arbeit suchen. Und da Deutschland sich immer mit seinen guten Arbeitsmarktdaten hervor getan hat und noch hervortut, muss man sich nicht wundern wenn solche Menschen voller Hoffnung in Deutschland Arbeit suchen.

Auch Ennepetal wurde in der Online Presse zitiert, als eine Stadt die händeringend nach Arbeitskräften sucht. Wir erinnern uns, der Ennepetaler Bürgermeister wollte höchst persönlich spanische Arbeitnehmer in Ennepetal einführen. Und weiter, Ennepetal eine der reichsten Städte in NRW ist es, die Jahr für Jahr Millionen in die Umlagen der Gebietskörperschaften einzahlt. Geld was über ist. Solche Nachrichten ziehen von Armut gezeichnete Menschen an. Wundert das jemanden?

Zurück zum Problem. Offensiv geht man normalerweise solch ein Problem an. Die Öffentlichkeit wird nicht über die Buschtrommel informiert, sondern die Stadt informiert über die Pressestelle. So waren schon längst die Tratscher am Werk um ihr Gift zu versprühen, die Stadt war noch unter der Hand aktiv. EN-Mosaik bekam seit der Zeit Tag für Tag emails und Leserbriefe die sich inhaltlich um dieses Thema drehen.

Konzepte und Perspektive müssen her um den Bewohnern zu zeigen: He, wir haben alles im Griff. Stichwort. Integration. Nur über die Integration bekommt man das Problem der Neu-Ennepetaler in den Griff. Stichwort: Partizipation und Transparenz. Wo war ein Treffen der Hasperbachern mit den Romas und der Stadtverwaltung?
Was also sollen die 108 Roma in trauter Nachbarschaft. Hier sollte schon ein Konzept vorhanden sein um die Roma auf Ennepetaler Gebiet zu verteilen. So leistet man der Ghettobildung Vorschub, es fehlt die soziale Verbindung zu den Einheimischen. Gut die Stadt hat ihre gesetzliche Pflicht getan, hat die Kinder für die Schule vorbereitet. Grundschüler wurden von den Schülern für die weiterführenden Schulen erfasst und den Schulen zu geführt. Die Kommunikation wurde von der Hasperbach Roma Gruppe mit der Duisburger „Zukunftsorientierte Förderung“ (Zof) Gruppe aufgebaut. Nur, weiß sicher noch niemand, was die Gruppe im Hasperbach will. In Duisburg verging kein Tag ohne Provokation, und das ist auch noch heute so. Vertrauen ist dadurch verspielt worden. Wie bekommt man Vertrauen wieder hergestellt? In den Ennepetaler Facebook Gruppen, entbrannte eine Hetze ohne gleichen, Progromstimmung kam auf. Leserbriefe in der Onlineausgabe der Westfalenpost waren auch nicht besser. Im Online Bereich fehlte eine kompetente Moderation.
Dann zu guter Letzt der Artikel, es werden Schüler extra zur Schule gebracht, Hasperbacher Schule für die Grundschüler und Friedenshöhe für die weiterführenden Schüler. Wie kann man besser Kinder stigmatisieren? Kinder ohne Stigma sind normale Kinder. Jetzt haben wir Kinder von den Roma und unsere Kinder.

Es sind Europäische Kinder die die gleichen Rechte haben wie unsere. Die Freizügigkeit ist ein Grundrecht der EU, keine Regierung der 28 Staaten hat das jemals in Frage gestellt.

Nur, eines ist bekannt, die Leute kommen weil sie arbeiten wollen, weil sie Geld verdienen wollen, sie sind jedoch mit unserer Kultur überfordert und brauchen deshalb Hilfestellungen.

„Es kann nicht sein, dass Freizügigkeit so missbraucht wird, dass man ein Land nur deswegen wechselt, weil man höhere Sozialhilfe haben möchte.“ so der ehemalige CSU Minister Friedrich. Er forderte ein Einreiseverbot für Armutszuwanderer in Deutschland. Inzwischen ist das die Sprachregelung der CSU, wie wir von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer erfahren durften.

In Brüssel fand EU Kommissarin Cecilia Malmström, Ressort: Inneres, das ganze Gerede der Deutschen doch etwas übertrieben. Wenn die Verteilung der Zuwanderer sich auf wenige Städte beschränke so ist das wohl ein Innerdeutsches Problem, was sicher lösbar ist. Und tatsächlich könnten die Romas im Sauerland (Beispiel) als Arbeitnehmer unterkommen.

Von dem Zuwanderungsproblem oder der Freizügigkeit abgesehen wird immer wieder das Flüchtlingsproblem in den deutschen Medien behandelt. Deutschland blockiert mit anderen Staaten der EU eine endgültige Lösung. Das inzwischen tausende afrikanische oder arabische Flüchtlinge nach Europa kommen ist einer verfehlten Flüchtlingspolitik zu verdanken. Im Moment werden die Flüchtlinge in die Staaten zurück geschickt von wo sie als letztes ihre Reise nach Europa aufnahmen. Sie kommen aber immer wieder zurück. Über die bestens gesicherten Spanischen Enklaven Ceuta und Melilla kommen inzwischen tausende, die die Anlagen schwer verwundet überwinden und verlangen Asyl. Nur rund 10 % bekommen Asyl, der Rest wird wieder zurück geschickt. Was aber tun, wenn nicht bekannt ist woher ein Flüchtling kommt? Der Aufwand ist immens für die spanischen Behörden. Malta, Griechenland aber auch Italien nehmen im Moment Tag für Tag tausende Menschen aus Afrika auf, die es über das Mittelmeer geschafft haben. Tausende sind jedoch schon auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrunken. Das Mittelmeer der Friedhof der EU, wie Premierminister Joseph Muscat es in Brüssel in 2013 anmerkte.

Die zuständigen Kommissarinnen Kristalina Georgieva und Cecilia Malmström appellieren an die anderen EU Staaten, die Lasten des Flüchtlingsproblems besser zu verteilen.

Tatsächlich ist das Flüchtlingsproblem auch ein von Europa gemachtes Problem. Hoch subventionierte Nahrungsmittel der Europäischen Landwirtschaft konkurrieren mit afrikanischen Nahrungsmitteln die da nicht mithalten können. Der primäre Wirtschaftssektor in Afrika ist nur noch rudimentär vorhanden. Afrika kann sich nicht mehr ernähren. Die Subventionen müssen weg, dass weiß jeder, nur alle EU-Länder wollen ihre Landwirtschaft schützen. Die EU produziert jedoch zu viel und muss exportieren. Die EU Selbstkostenpreise für Nahrungsmittel können nicht mit den afrikanischen Preisen konkurrieren, also subventioniert man solange bis die Preise konkurrenzfähig sind. Und das mit Einwilligung der EU-Kommission und des europäischen Rates.

In der Zwischenzeit schlagen 108 Roma in Ennepetal auf, die nur die Rechte haben wollen, die ihnen als europäische Bürger zustehen. Kohl, Schröder und Merkel wollten das so. Die Krise, die jetzt in Ennepetal und anderswo entsteht, ist der gedankenlosen Politik aus Berlin zu zuschreiben, nicht der Brüsseler Politik.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

Politische Leistungen werden vom Wähler auch belohnt

Wahlparty 2014  Foto: Linde Arndt

Wahlparty 2014 Foto: Linde Arndt

[jpg] Wahlen allerorts. Im Vorfeld der Wahlen, die am 25.Mai 2014 stattfinden sollten, gab es vielfältige Diskussionen. Politikverdrossenheit, Rechtsruck, Wählermüdigkeit usw. waren die Themen die Politik und Medien beschäftigten. Es war ein spannender Tag der eines bestätigte  – gute politische Arbeit wird vom Wähler auch belohnt. Da EN-Mosaik eine starke Affinität für die Europäische Union hat, haben wir die Europaanalyse hier mit eingebunden.

Europawahlen

Die bayrische CSU hat in Deutschland als erstes das deutsche „Gejammere“ eröffnet. Die (CSU)  hat mit lediglich 40% zu dem Wahlergebnis der EVP beigetragen. Danach wurde die AFD zum Thema erkoren, die den Einzug aus dem Stand ins europäische Parlament mit 7 Sitzen schaffte. Der Vorsitzende der AFD, Bernd Lucke, sah seine Partei denn auch schon als Volkspartei neben CDU und SPD. Die eigentliche Sensation waren jedoch die kleinen Parteien die durch Wegfall der 3% Hürde im europäischen Parlament nun anzutreffen sind. Wer hätte das gedacht, dass solche exotischen Parteien wie die Tierschutz-, Familienpartei oder „Die Partei“ eines Martin Sonneborn im europäischen Parlament je verortet werden könnten.
Nationalisten, europakritische bis –feindliche Parteien wurden vom Wähler auserkoren seine Interessen zu vertreten. Welche Interessen?  Frankreich, United Kingdom oder Ungarn sehen wie ihr Parteiensystem sich total verändert.
Die Partei Front National (FN)  von Marine Le Pen in Frankreich landete nach der Auszählung mit rund 25% auf dem ersten Platz (vor den regierenden Sozialisten), die UK Independence Party (Ukip) des Nigel Farage in Großbritannien (UK) (das ist eine englische Tea Party) bekam rund 28% und die ungarische Jobbik Partei (mit faschistischen Zügen) rund 15%.

Brüssel nimmt dies zur Kenntnis sieht dem Treiben eher gelassen entgegen, es werden kaum politische Veränderungen zu registrieren sein. Die EVP und die PES, also die Volksparteien zu der die CDU gehört und die PES zu der die SPD gehört, haben die Mehrheiten im EU Parlament erhalten, die sie zu einem politischen Handeln benötigen. Das die PES stärker wurde und die EVP etwas schwächer, an den Verhältnissen ändert dies kaum etwas. Das Haus Europa gerät nicht so schnell aus den Fugen. Es ist noch viel in Europa zu tun – Stichwort: Soziales Europa. Die neuen Parteien über die sich die Medien so aufregen, haben eine nicht ernstzunehmende Sitzanzahl innerhalb des 751 Sitzen zählenden EU Parlaments. EU Parlamentsarbeit ist eine Arbeit, die dem bohren von dicken Brettern gleicht.
Eher betrachte man das Image der EU mit Sorgen, denn die 28 Regierungschefs der EU haben es sich zur Regel gemacht ihre eigene schlechte Politik Brüssel anzulasten. Die nationalen Medien unterstützen dieses „Schwarze Peter“ Spiel auch noch. Kein Wunder wenn viele Wähler die EU aufgrund dieser Tatsache nicht mehr wollen oder an der Leistungsfähigkeit der EU zweifeln.

Ein Wort zum Kommissionspräsidenten, der ja neu durch den Rat ernannt werden muss. Jean Claude Juncker, (EVP), Martin Schulz, (PES), Guy Verhofstadt, (ALDE), Ska Keller, (Grüne/EFA), José Bové, (Grüne/EFA), Alexis Tsipras, (GUE–NGL) haben (nicht überall) sich an vielen Orten für ihre politischen Meinungen in Debatten geschlagen (Zumindest da wo sie gemeinsam auftraten). Da wo sie sich dem Wähler stellten, war die Europa-Begeisterung. Bundeskanzlerin Angela hat sich dagegen nur plakatieren lassen um ihrem Ego zu genügen. Die Wahlbeteiligung war EU-weit rund 43%, was den 6 Spitzenkandidaten sehr hoch anzurechnen ist. Das alles nutzt aber nichts wenn in Deutschland die EU kaum oder nur unzureichend dargestellt wurde und wird. Heute, am Dienstag, wird der Rat zum ersten mal am Rande über diese Wahl und deren Auswirkungen sprechen. Über eine Verkleinerung der Kommission, die ja immerhin 28 Kommissare hat, wird man jedoch nicht sprechen. Obwohl die Kommission und deren Kommissare von den 28 Regierungschefs ernannt werden.
Ein wesentliches Thema wird jedoch die Ukraine Krise mit der am Sonntag stattgefundenen Präsidentenwahl sein.

Ukrainewahlen

Die Ukraine kann man nach den diversen Vorkommnissen wohl kaum als Demokratischen Staat einordnen. Ob das der Putsch in Kiew, die Abspaltung der Krim, die Ausrufung einer Republik Donbass, der Einsatz von Militär gegen die eigene Bevölkerung ist, dies kennen wir nur von Diktaturen.
Die Präsidentenwahl am Sonntag sollte eine Heilung der verschiedenen demokratischen Sünden bringen oder zumindest eine demokratische Legitimation der Kiewer Administration.
Kurz vor der Wahl wurde noch schnell das Wahlgesetz geändert! Danach muss nicht jede Stadt oder jede Region wählen um eine gültige Wahl zu bekommen. Es genügt wenn die verfügbaren Städte oder Regionen gewählt haben. Für Demokratien eigentlich unmöglich. Das war aber für viele nicht das Problem.
Die Kandidaten (!) die zur Verfügung standen waren das Problem. Mit Petro Poroschenko und Julija Tymoschenko standen dem Wähler zwei ausgesuchte Oligarchen zur Wahl, wovon einer den durch Putsch an die Macht gekommenen Olexandr Turtschynow ablösen soll. Es soll ja anscheinend nur eine Pseudolegitimation werden. So wie es am Sonntagabend aussah hat der Milliardär und Oligarch Petro Poroschenko die Präsidentenwahl gewonnen, also keine Stichwahl.
Was dabei bestürzt ist folgendes: Der Maidan demonstrierte Ende 2013 gegen die korrupten Oligarchen die der Ukraine den Staatsbankrott gebracht hatten. EU und die USA hatten dafür vollstes Verständnis und unterstützten diese Bewegung mit Geld und guten Worten. Und genau diese Oligarchen standen den Ukrainern jetzt zur Wahl? Wie groß muss die Enttäuschung bei den demokratischen Kräften jetzt sein. Oder waren es keine demokratischen Kräfte?

Ganz anders die Kommunalwahlen im EN-Südkreis, die mit den vorgenannten nur etwas gemeinsames hatten, es gab keine Themen die die Wähler an die Wahlurnen trieb. Aber es gab ein politisches Highlight.

Gevelsberg

claus-jacobyHier wurden die Bürgermeister- und die Gemeinderatswahl ´14 zusammen abgehalten. Es wurde ein überwältigender Sieg des derzeitigen Bürgermeisters Claus Jacobi (SPD) und seiner SPD. Jacobi bekam 88% (+10,2) die SPD bekam 63,5% ( +8,1%), DDR Verhältnisse raunte man auf den Fluren. Nein, es waren keine DDR Verhältnisse, es war die Belohnung für eine gute Arbeit die der derzeitige und zukünftige Bürgermeister bekam. Es ist eine Liebeserklärung der Gevelsberger an ihren Bürgermeister. Und Jacobi hat in den 5 Jahren diese Liebeserklärung immer wieder erwidert.
Tatsächlich hat er ja auch sehr viel vorzuweisen – Vorzeigbares aber auch sehr vieles nicht sofort Sichtbares. Nun, es wurde von seinen Bürgern registriert und auch goutiert.
Das Wahlergebnis konnte mit einer Wahlbeteiligung von 52,5% aufwarten – ein gutes Ergebnis.
Gevelsberg taugt als Blaupause für Städte dieser Größenordnung.

Für die Chronistenpflicht: CDU 18,8%,  FWE/FDP 6,5%, Grüne 6,3%, Die Linke 4,4%.
Bürgermeisterwahl: Frau Dietz für die FWE/FDP 8,4%, und Herr Schock für die Linke 3,6%

Ennepetal

Die Gemeinderatswahl hat keine wesentlichen Veränderungen gebracht. Haben doch die Sozialdemokraten nicht von den Verlusten der CDU und FDP profitieren können. Von dem Verlust von gesamt 11,5%, wobei CDU -7,5% und die FDP – 4 % erhielten, konnte die SPD nur ein +2,6 % und damit nur einen Sitz einfahren. Die eigentlichen Gewinner sind die neue AFD mit 4,7% und damit 2 Sitzen, Die Linke mit 4,0% und damit 2 Sitzen, die Piraten mit 1,9% und 1 Sitz.
Schuld an diesem umfangreichen Revirement ist der schlecht organisierte Generationswechsel der CDU der danach auch noch zu einer Häutung führte. Der Wähler traute dieser CDU nicht (noch) wirklich was zu – sie wurde mit Minus 7,5% abgestraft.

Charline Zwick  Foto: Linde Arndt

Charline Zwick Foto: Linde Arndt

Nebenbei schlug ein Newbie Charline Zwick (CDU) Elmar Herrmann (SPD), immerhin Vorsitzender des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung der Stadt Ennepetal. Tja, so ist das in der Politik. Und eine Besonderheit: Die SPD holte 16 der 20 Direktkandidaten, so dass 2 Überhangkandidaten in den Rat zogen.
So konnte man auch keine richtige Mehrheit ausfindig machen. Die Sozialdemokraten als auch die anderen Parteien saßen mehr oder weniger unter sich und es kam keine richtige Stimmung auf.
Major Minor spielte lustig auf und ein Moderatorenpärchen erklärte die Ergebnisse. Es gab die üblichen Frikadellen und frittierten Schnitzelchen, zu einem Buffett reichte es eben nicht. Einzig Güzel Albayrak von der Linken freute sich über seine Fraktion, die nunmehr mit zwei Stimmen in den Rat einzieht.
Warscheinlich werden wir nunmehr 6 Jahre vor uns haben, die für Ennepetal nichts bringen werden, wo die Stadtverwaltung den Rat weiter dominieren wird um die eigenen Ziele durch zu drücken. Man wird sich streiten über die Gewerbesteuererhöhung, während man derzeitig die Kreisumlage recht großzügig bedient. Wofür eine Steuererhöhung, wenn die Steuern dann dem Kreis zugeführt werden. In Milspe wird die Berlet Ansiedlung ausgeführt, die die Situation in diesem Stadteil verschlimmbessern wird. Verlorene Jahre für Ennepetal. Und das, weil niemand auf den anderen zugehen mag, um für eine Ennepetaler Politik mit einem politischen Partner auf Augenhöhe einen konstruktiven Dialog zu führen.

Für die Chronistenpflicht: Wahlbeteiligung: 46,4%

SPD 38,5%, CDU 26,3%, Grüne 9,8%, FDP 6,1%, FWE 8,8%, Die Linke 4,0%, AfD 4,7%,
Piraten 1,9%

Schwelm

Vorab muss man festhalten, 2 Stimmbezirke konnten nicht ausgezählt werden, weil die Kandidaten kurz vor der Wahl verstorben sind. Die Nachwahl findet am 15. Juni 2014 statt. Wir arbeiten also mit dem vorläufigem Wahlergebnis.

Vorläufiges Zwischenergebnis nach 18 von 20 Stimmbezirken

SPD 31,4% (+0,9%), CDU 29,3% (-1,2%), FDP 7,0% (-4,8%), Grüne 9,1% (-2,0%), SWG/BfS 6,6% (-4,1%), Die Linke 5,9% (+0,2), Bürger 9,6% (+9,6%)

In allen drei Standorten wo Wahlpartys stattfanden spürte man die Enttäuschung und es war eine deprimierende Stimmung auszumachen. Im Ratssaal des Rathauses huschten die Kandidaten herum um die ausgedruckten Ergebnisse einzusehen und sodann einzustecken. Gespräche fanden vereinzelnd statt um Möglichkeiten auszuloten.
Sieht man sich im Kontext mit der vergangenen Sitzungsperiode das derzeitige Zwischenergebnis an, so ergäbe sich rein rechnerisch eine Mehrheit mit SPD/Grüne/Bürger die für die nächsten 6 Jahre halten könnte. Allerdings könnte auch die CDU eine Mehrheit mit FDP/SWG/BfS/Bürger bilden. Wesentlich sind die Schnittmengen, die die einzelnen Parteien verbinden. Politische Inhalte und Entscheidungen sind in den letzten 5 Jahren genug aufgrund der Blockadehaltungen des Rates verschoben worden oder liegen geblieben. Was fehlt sind Parteipolitiker, die sich zu einem Dialog zusammen finden um eine Zusammenarbeit zu verabreden. Auch fehlen Parteipolitiker die mit wechselnden Mehrheiten umgehen können.
Schwelm kann kein weiteres Jahr mit einer Blockade leben nur weil den Politikern der politische Gegner nicht behagt. Auch sollte das „schwarze Peter“ Spiel aufhören wonach die Stadtverwaltung an allem Schuld ist, was so alles falsch laufen könnte. Die Ratsmitglieder haben in der Vergangenheit keine rühmliche Figur gemacht, indem man mehrfach rechtsirriges Verhalten registrieren konnte. Zuletzt konnte eine falsche Arbeitsweise erkannt werden, wonach die bürgerliche Mehrheit nach dem alten Doppelspitzenmodell der Gemeindeordnung die letzten 5 Jahre gearbeitet hatte. Die Bürgerlichen haben vieles gegenüber dem Schwelmer Bürger wieder gut zu machen. Man sollte sich eine mehr konstruktivere Arbeit des Rates im Sinne von Schwelm wünschen. Die jetzige Sitzungsperiode dauert 6 Jahre, wobei 2015 die Bürgermeisterwahl auf Schwelm zukommt.
Was nun die neue Partei „Die Bürger“ angeht, sind ja schon Gemeinsamkeiten in der Schulpolitik als auch in der Stadtplanung auszumachen gewesen. „Die Bürger“ sind frisch und unverbraucht und könnten Probleme sicher unkonventionell anpacken. Zumal mit der Schulpolitik wesentliche Nacharbeitungsmöglichkeiten vorhanden sind, womit man sich politisch profilieren könnte. Da sind die Sekundarschule oder der Inklusionsunterricht als erste Stichpunkte auf einer noch zu erstellenden Agenda aufzuführen.
Ansonsten sollten die Schwelmer sich auf einen Nothaushalt und einen Sparkommissar einrichten, den es nicht die Bohne interessiert welche politischen Eitelkeiten zu solch einer finanziellen Situation führten. Dann wird der Rat nur noch nach den gesetzlichen Vorgaben alle 2 Monate tagen und hat die Maßnahmen des Sparkommissar nur noch zur Kenntnis zu nehmen. Für manch einen Schwelmer Politiker sicher gut, braucht er doch dann keine Verantwortung mehr zu übernehmen. Ob das aber Sinn macht als Ratsmitglied nichts mehr entscheiden zu dürfen. Ich weiß nicht.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik

Europa bedeutet mehr als nur ein paar Richtlinien

Tagung des Ausschusses bei der EU in Brüssel  Foto: Linde Arndt

Tagung des Ausschusses bei der EU in Brüssel Foto: Linde Arndt

[jpg] Vor Ostern sprach mich ein Kollege, der im lokalen Bereich arbeitet, an. Ob ich den neusten Schwachsinn der EU kennen würden. Nein, erwiderte ich. Die wollen jetzt nur noch Kaffeemaschinen produzieren lassen, die die Heizplatten nach 15 Minuten ausschalten, so mein Gesprächspartner. Dabei schaute er mich erwartungsvoll an. Über mein Smartphone sah ich den Bericht der EU ein um ihm dann zu antworten: Es geht um das Energiesparen. Und ob er denn wisse, wenn man diese Idee umsetze, das Europa tausende Tonnen von Co2 sparen könne? Er fand es trotzdem nicht so toll wenn er solch eine Kaffeemaschine hätte. So ist es wenn man die Zusammenhänge nicht wissen will und stattdessen sein Vorurteil pflegt.

Solche und andere Gespräche habe ich im letzten Jahr dutzendfach geführt und konnte niemanden von Europa und der EU überzeugen. Wie kommt das?

Es ist ein diffuses Gefühl was Menschen Brüssel ablehnen lässt. Es ist die größere Einheit von 28 Staaten und rund 500 Millionen Menschen die den Europäer zurück schrecken lässt. Und es sind die mangelnden Informationen über Brüssel, Straßburg, Frankfurt oder auch Warschau, eine gewisse Unaufgeklärtheit der Bürger. Sicher ist die EU an der Aufklärung nicht ganz unschuldig, wenn man sich manche Publikation ansieht.

Aber, und das ist für mich irritierend, die nationalen Politiker aller Parteien verstehen es den Bürger gegen Brüssel aufzuhetzen. Der Nationalstaat wird als hilflos gegenüber Brüssel dargestellt. Brüssel als Krake, die alles regulieren will.

Alles dummes Zeug der jeweiligen nationalen Politiker um die Menschen zu manipulieren. Denn wenn der Regierungschef eines Nationalstaates NEIN zu einer Richtlinie sagt, landet die Richtlinie in der Tonne. Alle Vorlagen müssen durch den Rat der Europäischen Union, der auf dem Consilium in Brüssel tagt. Mit Einstimmigkeit im Rat werden die Richtlinien verabschiedet, ein Staat der EU kann eine Richtlinie zu Fall bringen, wenn er NEIN sagt.

Die krumme Gurke und sonstige Einzelvorschriften wurden vom Rat abgesegnet, also von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande oder dem britischen Premierminister David Camaron. Und das sind nur drei der 28 Regierungschefs.

v.l.: Angela Merkel, Francois Hollande und David Cameron  Foto: © Linde Arndt

v.l.: Angela Merkel, François Hollande und David Cameron
Foto: © Linde Arndt

Manchmal ist dieses Spiel unerträglich für die 751 Abgeordneten des europäischen Parlaments. Denn für die Fehler, die man noch nicht einmal gemacht hat, gescholten zu werden und für gute Ideen, die sich die Regierungschefs als Eigenverdienst ans Revers heften, nicht gelobt zu werden, macht den Parlarmentarier traurig und manchmal auch wütend.

96 deutsche Abgeordnete werden über die Listen nach der Europawahl 2014 nach Brüssel geschickt, 24 Parteien bewerben sich in NRW um Wählerstimmen. Neben den etablierten Parteien, wie CDU, SPD, FDP, GRÜNE und die Linke bewerben sich eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Parteien wie die NeoNazis oder christliche Parteien. Sperrklauseln, die in Deutschland fest verankert sind, wie die 5% Hürde des Bundestages, gelten für das Europaparlament ausdrücklich nicht – hier zählt am Ende jede Stimme. So hatte es das Bundesverfassungsgericht am 26. April 2014 unter Vorsitz von Richter Andreas Voßkuhle am Bundesverfassungsgericht gewollt.

Rund 60% der Vorlagen schaffen es durch den Rat, werden dann in nationale Gesetze der einzelnen Staaten umgesetzt. Die restliche 40% werden von Merkel und Co. abgelehnt.

Es sind Europawahlen am 25. Mai und wieder werden böse Spiele auf nationaler Ebene gespielt. So wird vorgegaukelt, der Kommissionspräsident, der derzeitige heißt Manuel Barroso, könne durch den Wähler bestimmt werden. Das ist falsch. Fakt ist, die Mitglieder des Rates, also die 28 Regierungschefs, bestimmen den Kommissionspräsidenten hinter verschlossenen Türen und zwar einstimmig.

v.l.: Martin Schulz und Jean-Claude Juncker  Foto: © Linde Arndt

v.l.: Martin Schulz und Jean-Claude Juncker
Foto: © Linde Arndt

Jean-Claude Juncker (Christlich Soziale Volkspartei), der ehemalige Eurochef und Martin Schulz (SPD) werden als wählbar für das Spitzenamt dargestellt. Sachlich ist auch das indirekt total falsch. Bei der deutschen CDU wird sogar noch einer drauf gesetzt, Bundeskanzlerin Angela Merkel wird indirekt als wählbar plakatiert. Ein Etikettenschwindel? Sicherlich erkennt man an solchen Verhaltensweisen nicht den Einsatz für Europa, den man sich wünschen würde. Europa ist für die Parteien nicht gerade ein Liebesprojekt für das man sich einsetzen sollte. Eben gerade sieht man in der Ukraine Krise wie die europäischen nationalen Spitzenpolitiker versagen und letztendlich den US-Amerikanern das Feld der Diplomatie in Europa überlassen. Mangels Selbstbewusstsein ist ihnen Europa egal. Wenn aber den Parteien Europa egal ist, wie soll sich denn dann der Wähler für Europa erwärmen?

Dann stellt sich doch die Frage, warum sollte der Wähler sich für Europa erwärmen und sein Parlament wählen?

 

Es gibt es, das Europa für das es sich einzusetzen lohnt.

Und aus dieser Behauptung kann man die Wahl am 25. Mai 2014 ableiten. Es ist das Europa, welches seit fast 70 Jahren Frieden hatte. Wenn man die ParlarmentarierInnen in den Ausschüssen und im Parlament beobachtet, was sie sagen, wie sie handeln und wie sie sich für eine Sache einsetzen, so sind sie sich der Verantwortung für unseren Kontinent bewusst. Sie sind engagiert und hochmotiviert etwas für Europa zu bewegen. Nicht alle, jedoch die überwiegende Mehrheit. Einige wenige sind noch mit Parteireflexen ausgestattet und denken in nationalen Kategorien, sie werden jedoch immer weniger.

Was ist mit den Grenzen? Auf dem Kontinent sehen wir an den Grenzen nur noch Ruinen der alten Grenzstationen und Wechselstuben aus längst vergessenen Zeiten. Womit wir das sind wo Europa hin wollte. Ein gemeinsamer Raum der gleiche Regeln hat, aber seine kulturellen Eigenheiten bewahrt. Die Vielfalt ist Europas Stärke.

Begonnen hat es mit der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion ( WWU ) als konsequente Folge des Europäischen Binnenmarktes. Der Euro wurde eingeführt und die Verrechnung von Warenlieferungen und Dienstleistungen wurden vereinfacht. Kaum einer erinnert sich an die teilweise großen Kurssprünge der internationalen Währungen, die unsere Exporte und Importe manchmal unkalkulierbar machten. Heute haben wir trotz der Unkenrufe nach der Finanzkrise, einen harten Euro der stabil ist. Wobei der Euro in vielen Ländern die Leitwährung ist und den Dollar abgelöst hat. Was die USA nicht gerne sieht, da die Wechselkursgewinne nun in Europa anfallen.

Der Vorteil für die 500 Millionen Europäer? Wir können ohne Probleme, ohne Zölle in jedem Land der EU einkaufen oder verkaufen. Wir haben die Wahl, kein Papierkram mehr.

Nun das hört sich jetzt so an, als wenn alles so wunderbar und fehlerfrei laufen würde. Nein, weiß Gott nicht, es sind noch Fehler zu beseitigen. Die Finanzkrise hat uns Europäer gezeigt, dass wir die Hände nicht in den Schoß legen können. Ungeheure Anstrengungen der EU führen letztendlich zu einer starken Absicherung des Finanzsektors. Der letzte Schritt läuft noch – die Bankenunion.

Abgeordnete in einer Ausschuss-Sitzung   Foto: © Linde Arndt

Abgeordnete in einer Ausschuss-Sitzung
Foto: © Linde Arndt

Was war passiert? Ein Systemfehler, der sich aus dem Konstrukt der EU ergab, der die EU in den Abgrund hätte reißen können. Aber die EU hatte ja die EZB, die sich des Fehlers annahm und nachjustierte. Allerdings kann man heute sagen, hätten wir die EU und keine EZB gehabt, hätten wir in Europa eine Wirtschaftskrise erlebt, die einen weitaus größeren Schaden angerichtet hätte als der „schwarze Freitag“ von 1929. Die 500 Millionen Europäer solidarisierten sich und wehrten die Finanzkrise aus den USA erfolgreich ab.

Die Wirtschafts- und Währungsunion brachte aber noch andere Freiheiten, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die bis heute zu immer mal wieder größeren Aufregungen führte, besonders und gerade nach der Osterweiterung der EU 2004 und 2007. Es wurde die Ausnahmeregelung „2-3-2-Formel“ eingeführt. Deutschland nahm denn auch mit Österreich das Recht in Anspruch, die aus dem Osten kommenden Arbeitnehmer 7 Jahre von ihren Arbeitsmärkten fern zu halten. Trotz allem hatte auch Deutschland und Österreich der Osterweiterung zugestimmt. Ein einfaches NEIN der beiden vorgenannten Länder hätte die Osterweiterung unmöglich gemacht.

Am 31.12.13 liefen alle Fristen ab, so dass Bulgarien und Rumänien jetzt auch die volle Freizügigkeit genießen. Beide Länder sind jedoch die ärmsten Länder in der EU. Wie vorauszusehen war, haben wir nunmehr das Problem der Freizügigkeit in Deutschland und Österreich obwohl nicht mehr Arbeitnehmer aus dem Osten in die Länder kamen. Aber auch hier wurden handwerkliche Fehler sichtbar. Unverständlich, zumal alle Regierungschefs ihre Fachbeamten zu den jeweiligen Sitzungen nach Brüssel mitbringen, denn es soll ja entschieden werden.

 

  • Kindergeld

Das Prinzip, wenn Leistungen eines Staates vorhanden sind, gelten die auch für die in diesem Staat vorhanden EU Ausländer, also für alle EU Bürger. Das gebietet die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion, die auch die Deutschen wollten. Konkret: Wenn ein EU Bürger in Deutschland ist hat er auch ein Recht auf Kindergeld. Das Kindergeld bezieht sich nach dem Gesetz nur auf die Kinder, es ist egal wo sich ein Kind befindet. Beispiel, EU Eltern arbeiten als Spargelstecher in Deutschland, die Kinder sind bei der Oma in irgendeinem EU Land. Somit gibt es Kindergeld solange hier gearbeitet wird. Aber es gibt das Kindergeld auch, wenn die Eltern in Deutschland nicht arbeiten oder weiter gehend, es in dem anderen EU Land kein Kindergeld gibt. Ungerecht? Nein, wenn sich unsere Regierung was dabei gedacht hat, denke ich nicht. Nur unsere nationale Regierung äußert sich ja nicht, abgesehen davon macht sie ja keine Fehler. Eine Besonderheit von Fehlleistungen der 28 EU Nationen stellt die Problematik der Sinti und Roma dar. Immer wieder werden hier die bestehenden Problem der EU Brüssel angelastet um von dem eigenen Versagen abzulenken. Einmal sind die Sinti und Roma mehr oder weniger Asylanten und auf der anderen Seite kommen sie aus einem der 28 EU-Staaten. Welchen Status die Sinti und Roma bekommen ist manchmal verwunderlich. Letztendlich ist dieses Problem ein reines europäisches Problem, denn die Gebiete wo die Sinti und Roma herkommen befinden sich alle in Europa. Lösungen wurden in Brüssel erarbeitet, nur sie müssen auch von den Regierungschefs umgesetzt werden.

 

  • Aufenthaltsrecht

Es gehört zur Freizügigkeit der EU, ArbeitnehmerInnen können überall in der EU einen Arbeitsplatz suchen und auch annehmen. Im Gewerbebereich hat jeder EU Bürger Niederlassungfreiheit. Das hört sich gut an, in der Praxis waren jedoch ein paar Fehler sichbar geworden.

Wenn aus einem anderen EU Land ein Arbeitnehmer in einem anderen EU Land eine Stelle sucht und nicht findet, haben alle EU Staaten ein Problem. Irgendwann sind evtl. die finanziellen Reserven aufgebraucht und dieser Arbeitnehmer versucht über die Sozialsysteme seinen Lebensunterhalt zu sichern. Hat er eine gewissen Zeit in dem Land gearbeitet und in die Sozialsysteme eingezahlt, so wird er auch einen Beitrag zu seinem Lebensunterhalt aus den Sozialkassen bekommen. Ist das aber nicht der Fall steht er ohne auf der Straße. Der Gaststaat tut so als wenn er nicht da ist.

In der Regel passiert jetzt folgendes – der Arbeitssuchende wird versuchen sich am Arbeitsmarkt als Tagelöhner mit ganz niedrigen Hungerlöhnen zu verdingen um die Zeit zu überbrücken. Das geht eine kurze Zeit gut, dann wird er entweder obdachlos oder er rutscht ab in die Beschaffungskriminalität. Wo ist jetzt das Problem? Nun, er ist mittellos und ist nicht in der Lage die Heimfahrt zu finanzieren. Die Jobcenter oder Sozialämter können diesen Leuten keine Fahrkarte geben, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Bei den afrikanischen Flüchtlingen ist es da einfacher, die werden in einen Flieger gebracht und auf Staatskosten mit Begleitung nach Hause gebracht.

 

Beide Problemfelder sind Konstruktionsfehler der nationalen Staaten. Die Lösung wäre Brüssel. Denn Brüssel könnte zentral die in den 28 Einzelstaaten aufgetretenen Probleme vereinheitlichen und von dort auch die Umsetzung betreiben. So bekämen die Eltern ihr Kindergeld und die Arbeitnehmer ohne Arbeitsstelle würden wieder in ihre Heimatländer verbracht. Nur, das wollten die 28 EU Staaten nicht, sie wollten die Entscheidung in ihrem Machtbereich belassen.

 

Noch ein Wort zum Vorwurf über die „Regulierungswut“ der Brüsseler Administration. Die EU hat 28 Staaten und jeder dieser Staaten hat „Anspruch“ auf einen Kommissar in der Kommission. Selbstverständlich bekommt der Kommissar in der Kommission ein Büro mit Personal und ein Aufgabengebiet. Und das schafft Verordnungen und Regeln ohne Ende. Nur die Kommissare werden vom Rat, also wieder den Regierungschefs, eingesetzt.

 

Im Grund stehen die Parlamentarier des europäischen Parlaments immer außen vor und dienen der Kommission und dem Rat als Ideengeber und Problemlöser. Eine starke Position hat in diesem Spiel der Parlarmentspräsident, z.Zt. der deutsche Martin Schulz (SPD), sein Vorgänger war der Pole Jerzy Buzek (PO), beides Präsidenten des Ausgleichs, die sich nie gegen den Rat stellen würden. Beide wirken aber motivierend auf die Mitglieder des Parlaments ein. Und so kann man den Parlamentariern der EU eine gute handwerklich politische Arbeit attestieren.

Sie sind es, die Europa nach vorne bringen, die Europa leben, mit ihnen macht Europa Sinn. Wenn man einmal erlebt hat wie 4 – 5 Personen aus unterschiedlichen Staaten in den Ausschüssen über eine Sache diskutiert haben und letztendlich zu einem positiven Ergebnis kamen, geht man mit einem gewissen Stolz auf Europa aus dem Ausschusssaal.

Und deshalb sollte es für jeden überzeugend sein die 96 deutschen Abgeordnete für das europäische Parlament am 25. Mai 2014 zu wählen. Europa ist nirgendwo ein Problem, Europa ist die Lösung.

Schlussendlich muss man noch anmerken, viele Rechtspopulisten wollen ihr nationales Süppchen wieder kochen, aber auch unser westlicher Verbündete, die USA, steht der EU misstrauisch gegenüber. Denken ist Gott sei Dank noch nicht verboten. Wenn man etwas negatives über Brüssel erzählt sollte man immer an den römischen Staatsmann Cicero denken, der mit seinem Ausspruch „cui bono“ eine Verteidigungsrede verstärkte. Cui bono, wem nützt dieser vorgebrachte Sachverhalt? Europa braucht jedoch nicht nur Wähler, Europa braucht Menschen die sich für die europäischen Werte einsetzen. Der Jugendaustausch, der Studentenaustausch, die Städtepartnerschaften oder auch der Kulturaustausch, dies alles ist möglich um zusammen zu rücken, voneinander zu lernen oder aber nur mitzumachen.

 

Es ist unser und Ihr Europa, fühlen Sie sich angesprochen!

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.