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Die Idiōtae Europas wollen oder können nicht europäisch sein

Plenary-Session in Brüssel Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Wo haben die 27 (28) Staaten der EU eigentlich ein Problem mit Europa? Bei manchen „Europäern“ hat man den Eindruck, als wenn diese sich nach der Zeit zurück sehnten, in der noch Stämme Europa beherrschten. Langobarden, Kelten, Etrusker, Sachsen, Franken, Germanen, Goten (Ost und West) und was weiß ich, welche Stämme durch Europa wanderten, um den anderen die Köpfe einzuschlagen.
Oder, nicht der Neandertaler war unser gemeinsame Vorfahre, sondern ein in Afrika lebendes Wesen, welches sich später auf den Weg machte, die Welt zu erobern – der heutige Homo Sapiens. Denn, diesem heutigen Homo-Sapiens muss es doch möglich sein, den Staat weiter zu entwickeln zu einem größeren Gebilde, welches auch die größeren Probleme des Homo Sapiens lösen kann.

Die viel später nach den Stämmen folgende Staatenbildung wurde offensichtlich nicht richtig durch die einheimische europäische Bevölkerung eingeordnet oder ausgelebt. Deshalb wusste man in Europa immer irgendwo einen Krieg vom Zaun zu brechen, der Millionen Menschen den Tod brachte. Und hatten sich diese Kriege gelohnt? Nein, nicht wirklich!
Über 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg mit rund 50 Millionen Toten, hat Europa (Ausnahme die Balkan-Kriege in den 90ern) nun Frieden! Und warum? Weil die Europäer lieber Handel, Forschung oder Kulturaustausch betrieben haben und für einen Krieg keine Zeit hatten. Gottseidank, sollte man sagen.
Wie kann also der Vorteil einer größeren Einheit, Europäische Union (EU) mit 27 Staaten, dem einzelnen Bürger nähergebracht werden? Und darüber hinaus die Globalisierung der Beziehungen mit multilateralen Bezügen ohne einen Hegemon USA. Lohnt sich Europa für den einzelnen Bürger und seinen Eliten nicht (mehr)? Ist es erstrebenswert Nationalismus, Protektionismus, Isolationismus und Xenophobie und die damit einhergehenden Ängste und Hysterien aufleben zu lassen? Was für einen Vorteil können wir von den angestrebten Änderungen erwarten? Keinen, aber wirklich keinen.

Jean-Cloude Juncker Foto: (c) Linde Arndt

Der „Brexit“, also der Austritt der Briten aus der EU, hat Europa total durcheinander gewirbelt. Weshalb eigentlich? Das Referendum vom 23. Juni 2016 welches mit 51,89 % für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union endete, stellt eine Schande der britischen Eliten dar und nicht der EU. Schande deshalb, weil dieses Referendum die britischen Bürger durch Halbwahrheiten und Lügen zu diesem Ergebnis geführt hat. Von Nigel Farage von der UKIP Partei war man ja Halbwahrheiten, Lügen und populistische Sprüche gewohnt, aber von Boris Johnson (Tory) dem ehemaligen konservativen Londoner Bürgermeister hatte man keine derartigen Verhaltensweisen erwartet. Und Labour? Der linksgerichtete Jeremy Corbyn warb nur halbherzig in dem Wahlkampf für den Verbleib der Briten in der EU, obwohl er für den Verbleib war. Das verstehe, wer will.
Lassen wir einige Halbwahrheiten und Lügen Revue passieren:

    • 445 Millionen Euro wöchentlich soll angeblich Großbritannien an Brüssel überweisen, tatsächlich sind es jedoch knapp die Hälfte, die Großbritannien überweist.
    • Die Türken würden bald Mitglied der EU, tatsächlich ist eine Mitgliedschaft der Türkei eher unwahrscheinlich.
    • Großbritannien werde mit dem Austritt die Kontrolle über seine Grenzen zurück erlangen, tatsächlich gehörte Großbritannien nie zum „Schengen Raum“ und konnte jederzeit seine Grenzen dichtmachen, schützen oder kontrollieren.
    • Der Gipfel der Halbwahrheiten war: Durch den Austritt Großbritannien würde sich für die Briten im Verhältnis zur EU nichts ändern. Es wird sich viel verändern, letztendlich könnte Großbritannien auf einen WTO Status zurückfallen, wenn die jetzt zu tätigenden 2-jährigen Verhandlungen ohne Abschluss geführt würden. Und so sieht das im Moment aus.

    Nachdem die Kündigung der Briten in Brüssel dem Ratspräsidenten Tusk überreicht wurde, wurden auch die Verhandlungsführer benannt, das sind:

    • David Davis (67), britischer Brexit-Minister
    • Michel Barnier (66), Chefunterhändler der Europäischen Kommission,
    • Didier Seeuws (52), Direktor des Europarats und
    • Guy Verhofstadt (64), europäisches Parlament.

    Als wenn, das nicht reichen würde. Dann sind da noch die Probleme der osteuropäischen Staaten, die Visegrád-Gruppe mit Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, die der EU äußerst kritisch gegenüberstehen. Diese Gruppe lässt in sehr großem Maße die Solidarität gegenüber der EU vermissen und tendiert zu der Rückkehr in den Nationalstaatsmodus. Hier geht es um Wirtschaft, Migration, Finanzen und Freizügigkeit. Polen und Ungarn schrammen an den Grenzen der Rechtsstaatlichkeit vorbei und stehen seit geraumer Zeit im Blickfeld der Kommission. Es geht einfach nicht, dass einzelne Staaten die Annehmlichkeiten von Brüssel als Selbstverständlichkeit sehen und die Belastungen die sich durch die Mitgliedschaft ergibt, nach Belieben von sich weisen.

    Zu guter Letzt kommt noch der neue US-Amerikanische Präsident Trump, der der EU nicht gerade gut gesonnen ist. Er sieht die großen Exporte der EU in die USA, die die USA zum Schuldner Nummer eins in der Welt machen. Wobei, wo sind die USA nicht verschuldet? Aber, das ist ein anderes Thema.

    In Brüssel und Straßburg werden personelle Kräfte gebunden die sich mit den jetzt aufgetretenen Problemen befassen. Allein der Brexit bindet auf 2 Jahre hunderte Mitarbeiter; denn es gilt rund 80.000 Seiten Richtlinien oder Gesetze zu überarbeiten, damit die Briten aus diesen Texten getilgt und umgeschrieben werden. Wobei die Parlamente den Änderungten auch noch zustimmen müssen. Für die Briten gilt dies ebenso. Die Kosten dieses Brexit für Brüssel und London wagt keiner zu benennen, geschweige denn zu erwähnen.
    Dabei wäre es wichtiger, wenn Brüssel sich endlich auf den Reformstau stürzen würde, um die kritischsten Stimmen zu dämpfen.

    Abstimmung bei der Plenar-Sitzung in Brüssel Foto: (c) Linde Arndt

    Rückblick: Wie alles begann.

    An und für sich sollte die EU schon 1954 mit der europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) die ersten Schritte auf europäischem Boden machen. Ging aber nicht, da Konrad Adenauer die Zeit für eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik noch nicht für gekommen sah. Auch hätte Adenauer die Westbindung aufgeben müssen, denn der französische Präsident Charles de Gaulle wollte eine reine europäische Verteidigung organisieren, ohne die USA und Großbritannien. Es sollte noch ein Jahr dauern und Deutschland würde stattdessen der Nato beitreten. Adenauer wollte mit Unterstützung Frankreichs die Integration Deutschlands in die Weltgemeinschaft umsetzen, wobei Adenauer nicht drängen wollte. Überhaupt hielt sich Adenauer sehr zurück, verständlich, immerhin war der zweite Weltkrieg erst 10 Jahre her.
    Der erste Schritt fand dann auch am Abend des 25. März 1957 in Rom statt. Zwölf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich im Senatorenpalast von Rom die Staatschefs von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden zusammen um den EWG-Vertrag, den EURATOM-Vertrag und den EGKS (Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl) Vertrag feierlich zu unterzeichnen.
    60 Jahre später trafen sich die 27 Mitglieder der (inzwischen) EU um sich der gemeinsamen Zukunft zu versichern. Die EU ist halt noch nicht reif für die Rente, so der Luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel. Man ist sich aber sicher die EU muss dringend reformiert werden, nur wer soll dies machen? Deutschland mit Bundeskanzlerin Merkel hält sich zurück und harrt der Dinge die kommen.

    Von Gurken, Staubsaugern und Feinstoffen

    In Brüssel schlagen Kommissare oder Parlamentarier regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammen, wenn die Nationalstaaten und deren Regierungschefs meinten wieder einmal die EU schlecht machen zu müssen. Wobei die politischen Parteien und die nationalen Medien mit in diese Kerbe schlagen. Es ist chic auf die EU „einzuprügeln“.
    Als Beispiel mag die Verordnung (EG) 1677/88 herhalten. Im Zuge der Normierung hatte man den Schlangengurken einen Krümmungsgrad verpasst, wonach die Klasse I ( Es wurden die Güteklasse „Extra“ sowie die Handelsklassen I bis III definiert) eine maximale Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge aufweisen durfte. Diese Verordnung wurde als typische Regulierungswut der Brüsseler EU gegeißelt.
    Es war jedoch nicht die Kommission, die diese Richtlinie auf den Weg brachte, sondern der Groß- und Einzelhandel der Länder unter der Regie Deutschlands. Denn die Händler wollten, was ja auch Sinn machte, die Gurken besser und kostensparender verpacken und das ging nun einmal nur mit einer geraden Gurke. Und damit man nicht immer die Verpackungen aufmachen musste, wurde die Klassifizierung auf den Weg gebracht und auf die Verpackung gedruckt.
    Das Geschrei war groß und man ging die EU zu Unrecht an. Als nun die EU um des lieben Friedens Willen diese Verordnung 2009 außer Kraft setzte, hatten zwar die Kritiker gewonnen, nur die Händler waren enttäuscht. In Folge setzten die nationalen Händlervereinigungen sich zusammen und übernahmen die Normierung als eigene Norm. Da scheint die EU doch nicht so schlecht gearbeitet zu haben?
    Beispiel zwei, die Verordnung (EU) Nr.:666/2013 die Staubsaugerverordnung. Demnach darf die Leistung eines in den Handel gebrachten Staubsaugers ab 2017 die Leistung von 900 Watt nicht übersteigen. Daneben sind noch einige andere Parameter in dieser Verordnung, was jetzt einmal nicht erörtert werden sollte. Und wieder war der Aufschrei riesengroß über den Regulierungswahn der EU. Tatsächlich hatte die EU jedoch den Auftrag der Regierungschefs sich Gedanken zu machen wie die Pariser Cop21, also die CO2 Verpflichtungen, durch einen Beitrag der EU umgesetzt werden könnten. Auf diesem Wege stellte die EU fest, dass 900 Watt für Staubsauger vollkommen ausreichend seien um die gleiche Saugleistung zu erbringen wie ein 2.000 Watt Staubsauger. Bei einigen Millionen Haushalten in der EU ist das sicher eine nicht zu verachtende Energieeinsparung was einer CO2 Einsparung europaweit gleichkommt.
    Ein weiteres Beispiel, die „Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa“. In ihr wurden die Grenzwerte für Luftschadstoffe, Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxid (NO2), Stickstoffoxide (Nox) oder Feinstäube verbindlich festgelegt. Nach dem heutigen Stand der Technik dürfte das kein Problem sein.
    Für Deutschland schätzt man z.Bsp. jährlich 12.000 Tote die an Lungenkrankheiten, wie Asthma oder Copd versterben. Nicht nur das, vielmehr sind viele Allergien oder Asthmaerkrankungen auf die erhöhten Luftschadstoffe zurückzuführen. Es wird aber nicht nur in Deutschland eine erhöhte Mortalität geschätzt, vielmehr können die deutschen Zahlen auch auf die anderen Staaten übertragen werden. Die wirtschaftlichen Gesundheitskosten innerhalb der EU sind enorm und verbrauchen finanzielle Ressourcen, die nicht hinnehmbar sind.
    Das wesentliche diese drei Beispiele sollen aber zeigen, wie gut die EU arbeitet, aber, und das ist noch wichtiger, die EU arbeitete immer im Auftrag der 27 Staaten, also nie ohne Weisung. Auch die Richtlinien und Verordnungen wurden immer im Rat der EU von den Regierungschefs abgesegnet.
    Wenn also die Regierungschefs sagen, sie hätten diese Verordnungen nicht gewollt so sagen sie nicht die Wahrheit.
    Aber es ist ja immer gut von dem eigenen Versagen abzulenken und die EU als Watschenaugust einzusetzen.

    José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy
    Foto:(c) Linde Arndt

    Brexit, Trump und die französische Präsidentenwahl

    Als Premierminister Cameron das Referendum über den „Brexit“ auf den Weg brachte, dachte in Europa niemand an einen Erfolg dieses Referendums, selbst Cameron nicht. Nur, niemand hatte mit den Gegnern Boris Johnson und Nigel Farage gerechnet. Und niemand konnte die schwache Haltung von Labour gegenüber Europa voraussehen. Jeremy Corbyn von der Labour Party weiß bis heute nicht, ob er Fisch oder Fleisch ist. Die Befürworter der EU in Großbritannien waren sich zu sicher.
    Durch Halbwahrheiten, ja, sogar klare Lügen wurden die britischen Wähler in die Irre geführt und getäuscht. Das Referendum für den Brexit kam durch und wurde danach auch im Unterhaus beschlossen. Allerdings war das Referendum für die Regierung nicht bindend. Premier Cameron hatte dieses Referendum mit seiner Person verknüpft.
    Premierminister Cameron trat zurück und Theresa May wurde Premierministerin und reichte Ende März 2017 die Scheidungspapiere in Brüssel ein. Danach fixierte May auch noch Neuwahlen, die die Mehrheiten der Tories im Unterhaus verbessern sollen. Die Schwierigkeiten die jetzt auf die Briten und die EU zukommen werden beide, EU als auch Britannien, lähmen, so dass kaum Energien für weitere Entwicklungen in Europa frei gesetzt werden können. Nach der neuerlichen Parlamentswahl in Großbritannien, spekulieren viele Briten damit das Land auf den WTO Standard zurückfallen zu lassen. Denn die Zeit für Verhandlungen ist sehr knapp.
    Auch die USA machen im Moment einen Häutungsprozess durch. Dieser Häutungsprozess ist durch die unerwartete Wahl des Republikaners Donald Trump entstanden. Unerwartet deshalb, niemand hatte dem „Rüpel“, der in der Wahl gelogen hatte dass sich die Balken bogen, eine Chance gegeben. Trump wurde von den Republikaner nicht favorisiert, was ihn jedoch nicht scherte, er setzte sich mit seinem eigenem Geld in Szene und gewann. Wesentlich ist jedoch die Wählerschaft die Trump gewählt hat. Es sind die Abgehängten, sozial vernachlässigten Gebiete die Trump wählten. Diese Gruppe war es Leid von der Washingtoner Elite immer wieder vertröstet zu werden und nicht wahrgenommen zu werden.
    Jetzt versucht Trump seine Wahlversprechen per Dekret umzusetzen, was aber letztendlich den Kongress, also die gewählten politischen Vertreter, auf den Plan rief. Sogar die Gerichte mussten Trump stoppen. Ob das langfristig eine Veränderung der USA Demokratie bedeutet, es herrscht Unsicherheit, die die Welt dazu bringt sich neu zu orientieren. Kontinuität sieht anders aus. Trump war ein Nichts auf dem politischem Radar der USA, wie konnte es zu einer derartigen Wahl kommen?

    Die französischen Präsidentschaftswahlen

    Kommen wir zu der französischen Präsidentschaftswahl. Der neue französische Präsident heißt Emmanuel Macron.
    Was war das für ein Bangen, als Marine le Pen vom „Front National“ (FN) mit 21,3 % in die Stichwahl kam und Emmanuel Macron mit seiner Bewegung „En marche !“ mit 24 % nur ein paar Prozentpunkte Vorsprung hatte. Letztendlich reichte es für Marcron, er gewann die Stichwahl mit 66,1 %.

    Mit der französischen Wahl konnte jedoch eines nicht mehr übersehen werden, was sich in Europa und anderswo schon lange abzeichnet.

    • ie klassischen Rechten und Linken lösten sich auf. Aber, und das war auch noch zu sehen, die etablierten Parteien, wie die Sozialdemokraten (Parti Socialiste) und die Konservativen (Les Républicains), verschwanden von der Bildfläche zugunsten einer ganz neuen Bewegung (!), der Bewegung „En Marche“ (Vorwärts) eines Emmanuel Macron. Selbst die der Nationalisten (Front National) einer Marine Le Pen, hängten die etablierten Parteien ab. Die Franzosen wollten etwas neues, nicht mehr die alten Gesichter.
    • Die französische Nation spaltete sich in Eliten und Abgehängte, die Vorstädte und die Innenstädte oder die ehemaligen heruntergekommenen Industriegebiete und die neuen Ökonomien. Hier sollten wir uns die neuen Stichworte Gentrifizierung und „Bobos“ (bourgeois und bohémien) zu Gemüte führen. Die Franzosen waren ja mit Griechenland (Syriza Partei), Spanien (Podemos Partei) oder auch durch das Wiedererstarken der österreichischen Nationalisten unter Strache gewarnt.
    • Die USA haben mit Trump einen nationalistischen und populistischen Präsidenten bekommen, der die Nation spaltet und spaltete. Was aber noch wichtiger ist, die egoistischen Einstellungen Trumps haben weltweite Auswirkungen. Verträge, wie das Klimaabkommen von Paris, werden von den USA jetzt in Frage gestellt und gekündigt.
    • Der neue französische Präsident Emmanuel Macron hat im Wahlkampf eines vorbildlich gezeigt, man muss nicht die Positionen der Nationalisten und Populisten einnehmen, um die Wähler für sich zu gewinnen. Macron wusste die Argumente von Marine le Pen als ein Gebilde von Halbwahrheiten und Lügen zu enttarnen und damit die Nationalisten und Populisten zu entzaubern. Er überzeugte.
    • Was die Franzosen auch gezeigt haben, die Wahlen können aus dem Nichts bestehend Mehrheiten kippen, was die Briten mit ihrer Wahl auch zeigten. May war sich ihrer Mehrheiten sicher, zu sicher aber ihr Widersacher Jeremy Corbyn kippte die Wahl und nahm Theresa May die Mehrheit ab.
    • Für die deutschen Bundestagswahlen sollte das als Mahnung gereichen, dass die Parteien auch hier sich nicht sicher sein können. Merkel für immer? Wer weiß.
    • Eine Anekdote am Rande der französischen Präsidentenwahl. Philippe Poutou Nouveau Parti anticapitaliste (NPA) ein aussichtsloser Bewerber der 11 angetretenen Bewerber machte Furore in dem er Marine le Pen und anderen in der Fernsehdiskussion mit allen Präsidentschafts-Anwärtern einmal richtig die Meinung sagte, so Poutou in einem späteren Interview. So was ist auch nur in Frankreich üblich. Immerhin holte Poutou mit 1,2 % der Stimmen den viertletzten Platz.

    Angela Merkel Foto: (c) LInde Arndt


    Was kann Deutschland daraus lernen?

    Es ist vorbei! Jahrelang haben sich SPD und CDU die Macht in deutschen Landen geteilt, jahrelang haben sie sich mit Sprüchen und gut anhörenden Worten über Wasser gehalten. Sie haben Vertrauen verspielt und ihre Glaubwürdigkeit steht nicht zum Besten. Politik hat sich ihre eigene Welt geschaffen, losgelöst von sämtlichen Realitäten, lebte sie in der Bonner Republik in einem „Raumschiff Bonn“ so finden wir die Politik heute in Berlin in einer Filterblase oder Echokammer wieder. Nur die Eliten dürfen in die „heiligen“ Büros von Abgeordneten oder Amtsträgern. Mehrfach geweihte dürfen sogar im Kanzleramt den privaten Geburtstag feiern. Man sollte jedoch nicht meinen, das wäre eine für Deutschland typische Beschreibung des politischen Systems. Weit gefehlt, die USA haben genauso mit diesem System fertig zu werden, wie andere Demokratien auf der Welt.
    Welche Konsequenzen hat das für Deutschland? Deutschland hat im September eine Bundestagswahl.
    Zuerst einmal sollten die etablierten Parteien nicht die Positionen der nationalistisch, populistischen AfD übernehmen. Denn Frankreich hat gezeigt, es gibt kein politisches ausgeprägtes rechts links Verständnis mehr. Rechts von uns darf es keine Partei mehr geben, wie es die CSU immer wieder formuliert, diese Devise ist damit obsolet. Deshalb gilt, die Halbwahrheiten und falschen Behauptungen der Populisten zu entlarven oder die Zusammenhänge aufzuzeigen die die gemachten Aussagen der Populisten, als das zu enttarnen, was sie sind – Unsinn oder schlimmer noch Lüge.
    Weiter sollten die etablierten Parteien sich an ihre Anfänge erinnern, als sie noch authentische Aussagen machten, als sie Perspektiven aufzeigten, Probleme erkannten und diese auch mit Lösungsansätzen versehen konnten. Sie sollten zeigen, dass sie in der Lage sind, die Generationserneuerung in der Politik positiv zu begleiten – neue, junge und unverbrauchte Gesichter in die Führungsetagen einzubringen. Auch Deutschland könnte einen oder mehrere „Elder Statesmen“ aufzeigen, es muss nicht immer ein 88-jähriger Jürgen Habermas sein.
    Emmanuel Macron hat aber noch eines gezeigt, er hat eine Erzählung, eine Strategie geliefert die den Franzosen eine Zukunft aufzeigen – sie (Erzählung) fängt mit Europa an und schließt Frankreich mit ein. Frankreich eine Führungsmacht mit Deutschland.
    Ein weiter so wird sowohl die Konservativen als auch die Sozialdemokraten in den Orkus der Geschichte befördern. Und bei diesem Spiel, „Weiter so“ wird es nur Verlierer geben.

    Ist Brüssel noch bei „Sinnen“?

    Mit der Öffentlichkeitsarbeit hat es die EU  nicht so. Oder wollen wir mal so sagen, Transparenz ist in Brüssel nur ein Wort. Wer etwas über die EU wissen will, muss sich schon selber bemühen.
    So kommt es, dass Spekulationen, Unterstellungen und Halbwahrheiten durch die Politik der 27(28) EU Staaten ins Kraut schießen. Jeder einigermaßen intelligente lokale bis nationale Politiker kann seine eigene Unfähigkeit unwidersprochen auf die Brüsseler Politik schieben.
    Wen wundert es, wenn die EU ein denkbar schlechtes Image hat? Wenn die meisten der 500 Millionen Europäer nicht wissen, wofür und für was eine EU eigentlich steht? Wer weiß schon, dass die Regierungschefs der 27 (28) EU Länder die Marschrichtung bestimmen respektive dominieren? Und die Regierungschefs sind nur an einer handzahmen Brüsseler EU interessiert und äußerst wachsam, wenn es darum geht, Kompetenzen an die EU abzugeben.
    So konnte man und kann man Blüten der Inkompetenz beobachten, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Die EU hat zwar einen gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum, nur, wie konnte es da passieren das es ein Roaming im Mobilfunkbereich gab.
    Haben wir nun einen Wirtschaftsraum oder nicht? Und wieder waren es die Deutschen die hier eine „Extrawurst“ von Brüssel serviert bekamen. Erst dem energischen Einsatz der Kommissarinnen Viviane Reding und Neelie Kroes war es zu verdanken, dass die Roaminggebühren für 2017 ganz entfallen. Die Finanzkrise 2008 hatte die unfertige Währungsunion allen EU-Bürgern vor Augen geführt. EU Staaten hatten sich auf Geschäfte eingelassen, die die Staaten in Schwierigkeiten brachten. Griechenland konnte sich verschulden, ohne dementsprechende Sicherheiten zu besitzen. „Billige“ Arbeitsplätze aus den osteuropäischen Staaten konnten die heimischen Arbeitnehmer verdrängen. Speditionen machten in Ländern eine Firma auf die keine strengen technischen Vorschriften und „billige“ Fahrer haben. So leben die Fahrer in Europa auf der Straße, um irgendwo auf einem Parklatz für einen neuen Auftrag geordert zu werden. Ganz zu Schweigen von den Handwerkern, die per Entsendung preiswert ihre Dienste in den EU-Staaten anbieten können.
    Was sich in den letzten Jahren zeigte, es ist die EU der Eliten und weniger der europäischen Bürger. Überall politische Baustellen und keine Lösungen in Sicht.
    Die soziale EU, die die Arbeitnehmer schützen sollte, wurde noch nicht einmal angedacht. So konnte Deutschland jahrelang ohne Mindestlohn die Löhne niedrig halten.
    Reformen wurden immer mal lauter angemahnt, jedoch diese Anmahnungen vernahm man nur als Krächzen. Es musste ja kommen, die Populisten und Nationalisten wussten sich in Szene zu setzen. Österreich, Polen, Holland, Großbritannien und Frankreich stellten immer mehr signifikante Bevölkerungsteile an Europagegnern und Europaskeptikern ab und diese Gruppe ist nicht mehr zu übersehen und zu überhören.

    Donald Tusk – Präsident des Europäischen Rates
    Foto: (c) Linde Arndt

    Der ehemalige Kommissionspräsident José Barroso mit dem Ratspräsidenten Herman Van Rompuy hätten schon längst die ersten Reform-Schritte unternehmen müssen. Die folgende Spitze der EU, Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker mit dem Ratspräsidenten Donald Tusk interessierten Reformen auch nur wenig.
    Transparent hätte man zumindest eine Skizze, eine Vision oder Schritte zu einem weiter entwickelten Europa unternehmen können. Der Brexit hätte als Zäsur verstanden werden können, die zu einem Neuanfang hätte führen können.
    US Präsident Trump ließ die europäische Elite wie Schüler aus der Grundschule dastehen in dem er sie abkanzelte und Investitionen in den militärischen Bereich verlangte. Alles Momente, die ein „weiter so“, verboten haben und förmlich nach Reformen schrien. Wer ist denn die EU? Eine starke Wirtschaftsmacht mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 15 Mrd. Euro in 2016 oder eine Bananenrepublik? Ein bisschen Selbstbewusstsein könnte es schon sein. Die Nato ist obsolet, sagte der US Präsident Trump. Kein Problem, Europa hat seit Ende des zweiten Weltkrieges die europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) als Blaupause in den Schreibtischen der Regierungen. Es gibt ansatzweise militärische Zusammenarbeiten, wie die Deutsch-Französische Brigade oder das Eurokorps, Europa kann also seine Verteidigung in die eigene Hand nehmen. Zumal Europa gem. dem Sipri Institut über 200 Milliarden Euro an Rüstungsausgaben tätigt. Zum Vergleich: Die „bösen“ Russen investieren unter 100 Milliarden in ihre Rüstung. Alles eine Frage von Effizienz. Auch sind die EU in der Lage ihre eigene Rüstung zu entwickeln und zu produzieren, wenn die Politik das nur wollte. Stattdessen spielt man mit einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit mit der Nato, die die EU über das Terrorismusproblem ködern will. Tatsächlich ist die Strategie der Nato hinsichtlich des Terrorismus in keinster Weise erfolgversprechend oder zielführend. Experten sind der Meinung, es müsse ein Mix von Prävention als langfristiges Mittel und Überwachung aufgebaut werden. Die ganze Bomberei bringt doch nur neue Terroristen, die inzwischen mit Messern und Vorschlaghämmern oder Lieferwagen die Toten produzieren, was letztendlich zu sozialen Unruhen führen könnte.
    Die Nato wird von den USA dominiert und die USA haben keine übereinstimmenden Interessen wie die EU. Die EU macht eine gute Miene zum bösen Spiel der USA. Und Brüssel ist nicht in der Lage den USA zu sagen, so geht es nicht mehr weiter. Was ist das denn für eine Freundschaft zu den USA, wo man den Freund nicht kritisieren mag.
    Die EU stellt noch einen nicht zu übersehenden Wirtschaftsblock dar, noch, und sie muss sich weiter entwickeln, um ihre Position in einer globalisierten Welt zu behaupten. Die Welt ist jedoch nicht nur unumkehrbar globalisiert, vielmehr entwickelt sie sich zu einer multipolaren Welt mit mehreren Blöcken in der die USA nicht mehr die restliche Welt dominiert. Die USA werden gleichberechtigt neben China, Russland, Indien eine Position einnehmen. Ob es der EU gelingt, gleichberechtigt in einem Kreis dieser Staaten zu bestehen, ist bei den derzeitigen Bestrebungen der einzelnen EU-Staaten ungewiss. Auch hier entwickelt die EU Führung keinen Ehrgeiz die Dinge so zu regeln, wie es für die EU prosperierend sein sollte.
    Man fragt sich schon, wofür es eine Führung mit Kommissionspräsident, Ratspräsident oder Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik gibt und welche Politik diese vertreten um die EU fit zu machen. Es erscheint alles so sinnlos für den einzelnen Europäer.

    Jürgen Gerhardt für european-mosaik und EN-Mosaik aus Brüssel.

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Die Zukunft der Jugend wurde verspielt

v.l.Premierminister des Vereinigten Königreichs David Cameron, Ratspräsident der EU Donald Tusk, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker,Parlamentspräsident Martin Schulz, Fotocollage: Linde Arndt

v.l.Premierminister des Vereinigten Königreichs David Cameron, Ratspräsident der EU Donald Tusk, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker,Parlamentspräsident Martin Schulz, Fotocollage: Linde Arndt

[jpg] Das Projekt Europa war immer ein Projekt einer jungen Generation, der jungen Generation schlechthin. Die Vätergeneration konnte/wollte die Annäherungen zwischen den Völkern damals, als die römischen Verträge aufgesetzt wurden, nicht richtig verstehen. Erkannt hatten die Alten dennoch, die persönlichen Vorteile die sich mit einem Projekt Europa ergaben. Aber es waren auch die Alten die nach dem zweiten Weltkrieg mit den römischen Verträgen die Vision eines friedliebenden Europas auf den Weg brachten. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten De Gaulle und Adenauer die Vision, ein prosperierendes Europa wird keine Kriege führen. Warum auch? Hatten die Alten damals noch Vision und einen Gestaltungswillen, so haben die heutigen Alten nur noch Ängste und verweigern sich der Zukunft. Und dies bezieht sich nicht nur auf Großbritannien sondern trifft auf ganz Europa zu. So ist es nicht verwunderlich, wenn die Podemospartei des jungen Pablo Iglesias in Spanien die etablierten alten Parteien zum Teufel jagt. Die Methusalixe der europäischen Konservativen, der Sozialisten oder Liberalen haben doch nichts zu bieten. Sie propagieren die Globalisierung, können jedoch nicht damit umgehen. Und so schlummert der Nationalismus weiterhin unter der europäischen Kuscheldecke, die schon seit Jahren darauf wartet einmal gelüftet zu werden. Entsetzt hatten denn auch die Alten bemerkt (was für ein Wunder), dass ihnen eine junge Generation folgte, die ihr Europa gestalten wollte.

So waren es die Alten die der Jugend mit dem Referendum in die Suppe spuckten, indem sie sich nostalgisch der Vergangenheit zuwandten, indem ja bekanntermaßen alles besser war; denn den Brexit wollten mehrheitlich die über 50 jährigen. Da die Alten ihre Jugend nicht mehr in den Krieg schicken konnten, haben sie sich eine andere Missetat ausgedacht.

 

Welche Altersgruppen wollten den Austritt aus der EU
18 – 24 jährige wollten 20% den Brexit

25 – 49 jährige wollten 45% den Brexit

50 – 64 jährige wollten 56% den Brexit

65 und älter wollten 63% den Brexit

Quelle: YouGov UK Online-Umfrage

Die Wiedergeburt des Nationalismus, einhergehend mit dem Egoismus und einer großen Portion von Narzissmus, musste man dieser Brexit Wählerschicht bescheinigen.

Es waren die Eliten aus Eton und Oxford oder bei Farage das Dulwich College die die Briten jetzt in diese Situation gebracht haben, die in Brüssel nichts werden konnten oder wollten. Premierminister David Cameron zettelte dieses Referendum an, weil Teile seiner konservativen Partei mit der EU unzufrieden waren  und wusste nach seinem nicht ganz gelungenen Sinneswandel seine Landleute nicht mehr überzeugend für Europa einzustimmen.

Während des Wahlkampfes wurde von allen Parteien, durch die Protagonisten David Cameron (Conservative Party), Boris Johnson (Conservative Party), Nigel Farage (UK Independence Party (UKIP) unverschämt gelogen, unterstellt, verdreht, so dass ein Bild von dem Projekt Europa entstand, welches schlechter nicht sein konnte. Informationen für die Wähler? Wofür denn. Der politische Gegner machte Propaganda und selber machte man Wahlkampf – Bigotterie hoch drei. Alle machten Propaganda der übelsten Art. Kein Wunder, dass die über 50 jährigen die alte Zeit wiederhaben wollten, wo alles noch klar war. Das Ergebnis: Großbritannien ist zerrissen zwischen Nord und Süd, Arm und Reich, Jung und Alt; Schottland und Nordirland drohen mit Austritt aus Großbritannien.

Aber, wo wurde über die Erasmus Studenten, die Praktikanten die in Brüssel und Straßburg lebten und arbeiteten gesprochen? Das sind nur zwei Gruppen junger Menschen die vom Projekt Europa begeistert sind. Diese junge Generation lebt inzwischen Europa. Kein Wort davon im Wahlkampf.

Sicher haben die Farage, Le Pen, Wilders oder auch Petry Recht, wenn sie den Mangel an Demokratie der EU anprangern. Nur, sie vergessen immer dabei zu sagen, dass ihre eigenen Regierungschefs diese Mängelliste in Brüssel nicht abarbeiten wollten. Dem englischen Premier Cameron oder der deutschen Kanzlerin Merkel war es wichtiger die Interessen ihrer Wirtschaft in der EU umzusetzen, an der demokratischen Weiterentwicklung der EU war niemand interessiert, es sei denn die wirtschaftliche Interessenlage erforderte eine Weiterentwicklung der EU. Und Marine le Pen von der französischen FN und Nigel Farage von der UKIP konnten sich im Europaparlament nur provokativ gegen alles und jeden der nicht ihrer Meinung war stellen, wobei sinnlose Provokationen die erste Wahl waren. Konkretes konnte nicht registriert werden.

François Hollande, Staatspräsident der Französischen Republik, Foto: (c) Linde Arndt

François Hollande, Staatspräsident der Französischen Republik, Foto: (c) Linde Arndt

Und die Eliten der EU in Brüssel? Tusk, Schulz oder Juncker sahen dem ganzen Treiben höflich zu und wussten kaum den Mund aufzumachen. Gegen die Desinformation hilft immer nur eines Information. In Brüssel hatte man manchmal den Eindruck die Eliten der EU sitzen den ganzen Mist den diese Populisten ausbringen aus. Auch Merkel, Hollande waren in diesem Brexit Kontext verdächtig ruhig, allerdings waren beide mit sich selber beschäftigt.

Gut, jetzt ist es passiert. Die Briten haben sich mehrheitlich gegen die EU entschieden. Was also tun? Und wieder handeln die EU Eliten gegen alle Vernunft. Es wird Druck gemacht. Wie ein kleines Kind verkündet Brüssel, die Briten sollen jetzt aber hin machen, damit endlich Verhandlungen aufgenommen werden um den Austritt zu vollziehen. Die Außenminister der 6 Gründerstaaten haben mit Bundesaußenminister Steinmeier in Berlin gleichgezogen indem sie die Briten aufforderten den Austritt endlich zu melden.

Dabei ist keinesfalls solch ein Druck vonnöten, wenn man bedenkt, dass dieses Referendum anders gelaufen wäre, wenn die Wähler nicht mit solchen Ängsten konfrontiert worden wären.

Zuerst einmal muss die britische Regierung dieses Referendum nicht akzeptieren, dieses Referendum ist für die britische Regierung nicht bindend, eher eine Empfehlung. Auch die Erklärung nach Artikel 50 des „Vertrages über die Europäische Union“ muss nicht sofort abgegeben werden. Die Arbeit in Brüssel geht auch so weiter.

Wenn die Brüsseler und Londoner Eliten einmal ihre Eitelkeiten vergessen würden und sich darauf besinnen, dass beide Parteien nur verlieren können, dann sollten sie sich zusammen setzen und einen gemeinsamen Neuanfang formulieren, heißt, diese Abstimmung als Zäsur verstehen.

Zur Erinnerung, die Briten hatten weitgehend die Probleme im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008/2009 gelöst oder zumindest tragbare Vorschläge auf den Tisch gelegt, während die anderen Finanzminister vor Entsetzen keinen klaren Gedanken fassen wollten. Das britische Schatzamt reagierte besonnen und hatte ein hervorragendes Krisenmanagement vorzuweisen. Es war für die EU ein wertvoller Beitrag.

Der Neuanfang könnte in Kooperation mit den Briten mehr Demokratie bringen, die Kommission und die Eurogruppe müssten sich dem Parlament unterordnen. Nicht der Rat bestimmt die Kommissare oder den Chef der Eurogruppe, sondern das Parlament wählt die Personen aus seiner Mitte. Auch die Forderung nach mehr Selbstverwaltung der einzelnen Staaten könnte besprochen werden und Lösungen vorgeschlagen werden. Was hat das mit Europa zu tun, wenn jeder seine krummen Gurken oder Glühbirnen behalten will und Brüssel seine Gleichmacherei (Harmonisierung) umsetzen will? Was damit, dass die Kleinbauern auf Kosten einer überbordenden subventionierten Landwirtschaft in ihren Existenzen vernichtet werden. Oder, wie jetzt in Griechenland passiert, dem Land eine Steuerpolitik diktiert wird, welche negative wirtschaftliche Auswirkungen hatte und noch hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel Foto: (c) Linde Arndt

Bundeskanzlerin Angela Merkel
Foto: (c) Linde Arndt

Entscheidungen, wie in der Flücht- lingskrise durch Bundeskanzlerin Merkel bedürfen der Zustimmung des Europaparlamentes oder muss von diesem auf den Weg gebracht werden. Merkel hat zwar richtig entschieden, nur die anderen EU-Mitglieder fühlten sich übergangen, abgesehen von dem nicht vorhandenen demokratischen Prozedere. Die Öffentlichkeitsarbeit muss intensiviert werden. Es kann nicht sein, dass landauf und landab bis auf die lokale Ebene jeder Vorstadtpolitiker unwidersprochen behaupten kann, Brüssel hat die Probleme zu verantworten. Hier darf man ein großes Wissensdefizit, was Brüssel macht, einer mangelnden Öffentlichkeitsarbeit der Brüsseler Behörde zuschreiben. In den vier Jahren meiner Tätigkeit in Brüssel konnte die Presse einen ziemlich großen Reformstau registrieren. Und die Wahlen 2014: Sie wurden mit gezielten Desinformationen geführt. Immer wieder wurde der Eindruck erweckt, Juncker und Schulz würden als Kommisionspräsidenten gewählt werden können, was natürlich nicht zutreffend war. Das ist einer Demokratie abträglich.

Und das letzte Problem, die Briten wollten weder Schulz noch Juncker oder Tusk, sie wollten nach der Wahl eine neuere Mannschaft die jünger und dynamischer sein sollte. Heute weiß jeder, die Briten hatten recht gehabt. Wer aber könnte die Brüsseler Führungsmannschaft abbilden. Die Deutschen auf keinen Fall, sie haben weder die Kompetenz, noch, durch ihre Vergangenheit, die Akzeptanz der EU Familie. Zumal denn Finanzminister Schäuble den altbekannten Deutschen während der Griechenlandkrise herausholte.

italienische Ministerpräsident Matteo Renzi Foto: (c) Linde Arndt

italienische Ministerpräsident Matteo Renzi
Foto: (c) Linde Arndt

Nun, gehandelt wird der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, er ist jung, entscheidungsfreudig, hat eine schnelle Auffassungsgabe und kann strukturell denken, wobei er auch noch ein gewisses Fingerspritzengefühl besitzt. Und, er ist vermittelbar. Als Partner wird über die ehemaligen Ministerpräsidenten Schwedens John Fredrik Reinfeldt oder den Niederländer Mark Rutte gesprochen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel müsste führen, kann dies weder aus persönlichen Gründen durch ihren eingeschränkten Führungsstil nicht, noch sprechen aber andere Gründe gegen sie. Das Merkel mit ihrem Herzen keine Europäerin sein will, sieht jeder; denn sie kann Europa nicht überzeugend rüber bringen. Was Merkel aber kann, über die Franzosen führen denen Europa mehr am Herzen liegt als Merkel. Wobei die Franzosen auch noch die besseren Diplomaten haben. Allerdings haben beide in 2017 Wahlen, die eine Menge an Energie bindet. Frankreich hat allerdings im Moment noch einige andere Probleme zu lösen.

Und wenn die Reformen mit den Briten umgesetzt wurden, könnte man eine neuerliche Befragung der Bevölkerung vornehmen. Und jede Wette, die Briten werden mit Zweidrittelmehrheit in der EU bleiben wollen. „In Vielfalt geeint“ ist das Motto der EU. Die Briten sind anders (Wer denn nicht), sie haben ein Referendum abgehalten, warum sollen wir Europäer sie ziehen lassen, europäische Bürger sind vielfältig und machen manchmal nicht das was ihre Eliten von ihnen erwarten. In diesem Fall setzten wir uns mit den Briten an einen Tisch weil sie die konstruktivsten Kritiker sind und kurbeln die Reformen an.

 

 

Jürgen Gerhardt für european-mosaic und EN-Mosaik aus Brüssel.

 

 

 

Europa torkelt und sucht sich selber

Europafahnen Foto: Linde Arndt

Europafahnen Foto: Linde Arndt

[jpg] Am Vorabend des Brexit ( EU-Referendum in Großbritannien am 23.Juni 2016) ist es Zeit noch einmal über Europa nachzudenken.

Es war der britische Premiermininister Edward Heath (Konservativer) der 1973 den Beitritt Großbritanniens in die damalige EWG gegen alle Wiederstände durchsetzte und seine Unterschrift unter das Beitrittsdokument setzte. Zwei Jahre später also 1975 fand ein Referendum von Premierminister Harold Wilson (Labour) iniiert in Großbritannien statt, indem die Briten entscheiden sollten ob sie in der EWG bleiben sollten oder nicht.

67% der Briten entschieden sich damals in diesem 75er Referendum für den Verbleib in der (damals) EWG. Waren die Briten zum Zeitpunkt des Beitritts noch skeptisch, hatte sich dies nun grundlegend gewandelt. Die Befürworter und Gegner dieser Mitgliedschaft fanden sich, wie heute auch, in allen Parteien. Wobei Margaret Thatcher, die damalige Vorsitzende der Konservativen, eine aktive Befürworterin der Mitgliedschaft in der damaligen EWG war. Ein paar Jahre später wird Thatcher den berühmten Britenrabatt aushandeln. Die Mehrheit der Labour-Politiker sprachen sich gegen die EWG aus, während die Konservativen überwiegend für die EWG waren. Wobei die Regionen Schottland, Wales und Nordirland damals mehrheitlich gegen die EWG waren.

Und dann das Ergebnis, 67% für die EWG!

Heute 40 Jahre danach hat sich die Einstellung der Briten zur heutigen EU grundlegend geändert. Quer durch die Parteien macht man, wie zu Beginn der Mitgliedschaft, Gegner und Befürworter aus – die Briten haben sich polarisiert. Wie schlimm die Stimmung ist, kann man an dem Mord der Parlamentsabgeordneten der Labour Party Jo Cox festmachen, die eine starke Befürworterin des britischen Verbleibs war. Der Mörder von Jo Cox war ein Gegner der EU und stach deshalb bewusst die Parlamentsabgeordnete nieder.

Brüssel, so der Vorwurf des Konservativen Boris Johnson, will einen Superstaat aus Europa machen. Wobei Johnson inzwischen Nigel Paul Farage von der UK Independence Party rechts überholt hat und beide lautstark nach einem sofortigen Austritt aus der EU rufen. Premierminister David Cameron ist ein Befürworter des Verbleibs in der EU obwohl er dieses Referendum angestoßen hatte und den Brexit als erster ins Spiel brachte. Damit nicht genug, die Regionen Schottland, Wales und Nordirland wollen mehrheitlich in der EU bleiben und drohen mit einer Abspaltung falls der Brexit Realität wird. Die britische Wirtschaft, einschließlich der „City of London“ hat mehrere Brandbriefe an Cameron geschickt um auf die außerordentlichen Nachteile bei einem Austritt aufmerksam zu machen. Eine differenzierte Umfrage der Demoskopen sieht 74% der Briten als Gegner der EU, 53 % sind fest für einen Austritt und rund 20% würden gerne austreten wenn sie die Vor- und Nachteile überblicken würden.

Nun sollte man meinen, die Briten stehen mit diesem Loslösen von der EU alleine da. Weit gefehlt. Polen oder Ungarn stehen der EU inzwischen kritisch gegenüber und fühlen sich von Brüssel dominiert. Italien oder Griechenland sehen die EU auch nicht mehr so positiv. Und derweil feiern die Nationalisten in allen 28 EU Staaten fröhliche Urstände, so als wenn sie nie weg gewesen wären.

Stellt sich nun die Frage, wie konnte das passieren? Ein 70 Jahre altes europäisches Friedensprojekt vor dem Aus, die Briten sind immerhin auch schon 40 Jahre dabei.

Sind es nur die normalen Abnutzungserscheinungen die einer Institution nach einer gewissen Zeit den Garaus, wegen Reformunwilligkeit, beschert? Fehlt es an Führungspersönlichkeiten mit Führungsqualitäten? Haben die Zielvorstellungen sich verändert? Sind die Gemeinsamkeiten aufgebraucht? Sehen sich die 28 Staaten als gleichberechtigt in diesem Verbund?

Nun, es ist von allem etwas, eine schwierige Gemengelage. Lösbar? Ja, nur die Entscheider sollten sich etwas mehr auf den „Brückbau“ konzentrieren und nicht übereinander herfallen.

Auf den Fluren des Parlaments diskutieren die demokratisch gewählten Abgeordneten über den „Zerfall“ der EU, nur, das Problem liegt bei den Regierungschefs und den Fachministern die in den Ratssitzungen keine Grundeinigkeit erzielen.

v.l. François Hollande (französischer Staatspräsident), Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister des Vereinigten Königreichs David Cameron Foto: (c) Linde Arndt

v.l. François Hollande (französischer Staatspräsident), Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister des Vereinigten Königreichs David Cameron Foto: (c) Linde Arndt

Eines kann man jedoch sagen, die EU hat mehr Probleme als sie vertragen kann.

 

Problem Finanzen

 

Die Deutschen dominieren mit ihrer Sparpolitik die sie als alternativlos hinstellen, sie blockieren jede Art von Diskussionen über eine Finanz- und Währungspolitik. Das Eurosystem müsste unbedingt einer Reform unterzogen werden da einige EU-Länder Schwierigkeiten  aufgrund der Geburtsfehler des Euro haben mussten. Deutschland hat jedoch die meisten Vorteile in puncto des Euro-Systems, deshalb sieht Deutschland auch keine Notwendigkeit für eine Reform.

 

Problem Flüchtlinge

 

Merkel hat im September ´15 richtig entschieden, nur, sie hat sich nicht mit den anderen Staaten abgestimmt. Deutschland hat das nicht zum ersten mal gemacht. Diese Staaten sehen sich als übergangen und nicht gleichberechtigt. Die Österreicher kommen jetzt mit dem Vorschlag die Kriegsflüchtlinge so zu behandeln, wie die Australier, die die Kriegsflüchtlinge auf eine einsame Insel aussetzen und dort versorgen. Der österreichische Außenminister Kurz sieht sowieso die Schlepper als Verursacher des Flüchtlingsproblems. Er macht wie einige anderen Staaten die Grenzen wieder dicht und sonnt sich in der Nationalstaaterei. Nicht Kriege oder Hunger sind das Problem der Flucht sondern die Schlepper und die fehlenden Nationalstaaten.

 

Problem Griechenland

 

Alle Staaten mussten mit ansehen wie Griechenlands neue linke Regierung vorgeführt wurde. Der damalige Finanzminister Yanis Varoufakis hatte gute konstruktive Vorschläge (Ewigkeitskredit) die aber alle von dem deutschen Finanzminister und dem Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem öffentlich nieder gemacht wurden. Das Diktat der Troika (IWF|EZB|EU-Kommission) führt Griechenland in den Bereich der Staatsarmut – um  40% sind die wirtschaftlichen Leistungen gesunken. Bis heute sind die Lösungsmöglichkeiten, die die EU anzubieten hat, eher suboptimal.

 

Problem Freizügigkeit

 

Die EU garantiert die Freizügigkeit von Personen, Finanzen, Waren aber auch Dienstleistungen.

Finanzen und Waren, kein Problem. Bei Personen und Dienstleistungen sehen viele Staaten jedoch immense Probleme. So wollen Polen oder Rumänien ihre Bürger sofort als Arbeitnehmer in andere Staaten schicken, was den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme des Ziellandes durcheinander bringt. Viele Staaten, auch Deutschland haben gewisse Abwehrmechanismen welche die Freizügigkeit unterminieren. Jahre musste Polen oder Rumänien warten bis ihre Staatsbürger die volle Freizügigkeit genießen durften. Und heute? Großbritannien, wie andere EU-Staaten auch, möchte die Freizügigkeit für Arbeitnehmer eingeschränkt sehen und schiebt den Sozialmissbrauch in den Vordergrund.

 

Problem regionale Befindlichkeiten

 

Nur ein Beispiel: Das Polen in seiner wechselvollen Geschichte zwischen den beiden Großmächten Russland und Deutschland immer mal wieder zerrieben wurde, scheint in der EU nicht bekannt zu sein. Jetzt entwickelt sich daraus ein Nationalismus der den Polen das Gefühl gibt eine Identität wieder zu erlangen.

So ist es übrigens mit allen Ländern der EU die alle ihre eigenen Befindlichkeiten haben, die aber immer mal wieder von Brüssel missachtet werden. Brüssel ist nicht in der Lage die Vorteile der Identitäten, die ja gewollt sind, positiv zu kommunizieren.

 

Problem der Motor Frankreich/Deutschland

 

Beide Länder haben schwere innenpolitische Probleme. Der französische Staatspräsident Hollande musste mehrfach Einschränkungen bei den Gesetzesvorlagen hinnehmen. Im Moment kämpft er für seine Arbeitsmarktgesetze die er mit dem Artikel 49.3 durchsetzen will. Gleichzeitig lebt Frankreich im Ausnahmezustand wegen der Terroristen. Die Fußballeuropameisterschaft bringt Hollande auch keinen Punkt in der Beliebheitskala ein, zumal die permanenten Schlägereien das Fußballfest vermiesen. Hollande hat einen Tiefpunkt in der Beliebtheit erreicht wie noch kein Staatspräsident vor ihm. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel? Sie steht seit 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge von Deutschland aufgenommen wurden mit ihrem „Wir schaffen das schon“ und dem von ihr vermittelten Türkeiflüchtlingsdeal innenpolitisch unter Dauerbeschuss. Merkel hat wie Hollande anderes auf der Agenda als den Zusammenhalt von Europa. Und so sieht man einen Hochleistungsmotor Frankreich/Deutschland, der nicht mehr laufen will.

 

Warum eigentlich keinen Brexit?

 

Ja, warum eigentlich nicht? Hört man die Briten auf der Insel zum Beispiel die Grafschaften Cornwall, die ihre Strukturkrise nicht in den Griff bekommen oder Kent die sich mit ihren landwirtschaftlichen Betrieben über die überbordende Brüsseler Bürokratie beschweren, so kann man meinen die Briten wollen das Aus. Auch das europäische Festland ist nicht zufrieden mit den ewigen Sonderregelungen die die Briten aushandeln.

 

Alternativen zu einem Brexit.

 

EU Austritte sind eigentlich nicht vorgesehen, obwohl Wolfgang Schäuble die Griechen rausschmeißen wollte. Jedoch, die EU Regeln sind ja nicht in Stein gemeißelt, Regeln können immer verändert werden. Da kommt doch der Gedanken des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing der mit dem deutschen Außenminister Fischer im Disput aufgenommen wurde – die EU der zwei Geschwindigkeiten. Danach könnten die Briten, mal salopp gesagt, eine Runde aussetzen. Ein Kerneuropa mit klaren Regeln, die für alle Gültigkeit haben und ein Europa um dieses Kerneuropa. Die Briten bekämen einen Status wie, meinetwegen, Kanada ohne Ceta und würden nach einer gewissen (definierten) Zeit ihre endgültige Entscheidung treffen.

 

Ist Europa führungslos?

 

Deutschland, so haben viele der umliegenden EU-Staaten vorgeschlagen, sollte die EU führen. Nur, was versteht Deutschland unter Führung? Dominieren hat nichts mit Führung zu tun. Deutschland hat es nie verstanden eine kollegiale Führung auszuüben. So muss man sich nicht wundern wenn das Haus Europa im Rohbau bleibt und die Wirtschafts- und Währungsunion im Ansatz stecken geblieben ist. Von einem sozialen Europa wollen wir mal nicht reden. So war das von den Gründungsvätern des heutigen Europas De Gaulle und Adenauer nicht angedacht. So sind die 70 Jahre Frieden in Europa den Ideen der Gründungsväter zuzuschreiben.

Und wie weiter? Brüssel selber sollte sein Herz in die Hand nehmen und den 28 EU-Mitgliedern offensiv die Mitgliedschaft in Frage stellen. Wer jetzt kündigen will, soll es tun, wer nicht sollte als Gleicher unter Gleichen bleiben. Wir haben über 500 Millionen Einwohner in der EU der 28, haben aber ein Selbstbewusstsein wie ein Kleinstaat. Wir hatten ein Wertesystem bis zur Ukrainekrise, wir gaben es für die Einkreisungspolitik der USA auf. Schon 2013 hat Europa seine eigenen Werte verraten, dann wurden die Werte immer weiter abgebaut. Zuletzt wurden die Nationalstaaten wieder aus der Mottenkiste der Geschichte herausgeholt und scheinbar unüberwindbare Mauern errichtet.

Heute ist es Europa  egal ob im Mittelmeer tausende Kriegsflüchtlinge ertrinken. Die Ertrunkenen müssen noch zynische Kommentare ertragen. Was soll´s, nicht die Kriege haben die Kriegsflüchtlinge erzeugt, sondern die Schlepper. Nicht die von Europa gelieferten Waffen haben die Kriege ermöglicht, sondern das Unvermögen der Staaten in denen die Kriege entbrannt sind.

Ja Europa torkelt wie ein Betrunkener, der nicht mehr weiß wo sein zuhause ist, Menschenrechte haben wir durch Gesetze beseitigt und mit ihnen direkt auch die Menschlichkeit. Europa fängt jetzt einen neuen Krieg an, einen Krieg der Religionen der mit der Abschaffung der Toleranz einhergeht.

Ob Europa sich besinnt? Wohl kaum. Und doch besteht noch eine Chance wenn wir ein gutes Geschäft machen können, dann,  ja dann lässt Europa noch einmal eine Sektflasche knallen.

Schade eigentlich. Europa hatte und hat die besten Chancen auf der Welt. Von Europa kamen die besten Ideen, die fähigsten Leute die unseren Erdball reicher machten und macht. Die 28 Staaten haben sich gegenseitig inspiriert wie keine andere Region auf der Welt.

Und warum das alles? Nur weil ein paar ewig gestrige wie die französische FN (Front National), die britische UKIP (United Kingdom Independence Party), die niederländische PVV (Partij voor de Vrijheid) oder die österreichische FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs) mit markigen Sprüchen die Leute verängstigt. Die etablierten Parteien haben nicht die Aufklärung entgegenzusetzen, sondern nichts anderes zu tun als die rechtspopulistischen Forderungen zu überbieten. Überzeugend ist das nicht.

Was mich in Brüssel immer wieder bekümmert ist ein wesentlicher Widerspruch den man Tag für Tag beobachten kann. Das europäische Haus ist im Aufbau, es ist ein immerwährender Prozess, spannend und fesselnd. Nur warum schüttet die Kommission und der Rat diese ätzende und lähmende Soße über diesen Prozess. Wo ist die Begeisterung der Gründerväter Alcide de Gasperie, Walter Hallstein, Jean Monnet, Robert Schumann, Paul-Henri Spaak oder Altiero Spinelli?  Taugen diese Namen nur noch für die Benennung der Gebäude im Europaviertel?

Diese Trunkenheit der EU wird ja mal zu ende gehen, hoffentlich hat Europa dann keinen Kater und sucht dann einen Schuldigen. Noch ist es Zeit für konstruktive Lösungen. Europa kann mehr als nur torkeln und jammern.

 

Jürgen Gerhardt für european-mosaic und EN-Mosaik aus Brüssel.

Ach Brüssel, jetzt auch du?

[jpg] Es schnürt mir das Herz zusammen, wenn ich die Bilder sehe, die zeigen, wie schwer Brüssel getroffen wurde. Nach Paris haben sie dich jetzt, Brüssel, angegriffen.
Ich denke an meinen Weg zum Rat der immer an der Metrostation Maelbeek vorbeiging. Maelbeek, die letzte Metrostation, danach Station Schumann aussteigen. Alle wussten wir es nach den Anschlägen auf Paris, die Terroristen würden auch nach Brüssel kommen, aber es war doch so abstrakt, warum musste es real werden?
je_suisBrüssel das mich 2013 aufgenommen hat. Meine Fehler die ich auf der Straße machte, wie selbstverständlich übersah. Kein Hupen, kein Schreien. Du hast mir soviel Verständnis entgegen gebracht und mir immer geholfen. Du bist eine liebenswürdige Stadt, die nie die Hauptstadt Europas reklamierte obwohl du es bist. Irgendwie hast Du einen kleinstädtischen Charakter erhalten, obwohl du durch uns Europäer aus allen Nähten platzt.
Und jetzt dies: Bomben, die Tote und Verletzte dir brachten. Es ist Krieg, wir wussten und wissen es alle, wir hatten es verdrängt. Es schnürt mir das Herz zusammen.

Jürgen Gerhardt für european-mosaic

Die EU spricht von Humanismus handelt aber anders

Von links: Ahmet Davutoğlu, Donald Tusk und Jean-Claude Juncker in Brüssel © IBS

[jpg] Der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei ist in trockenen Tüchern. Ist er das?

Nein, nicht wirklich; denn es gibt keinen Vertrag oder irgendetwas schriftliches fixiertes auf was man zurück greifen kann. Absichtserklärungen ja, die in Protokollen festgehalten wurden. Warum auch. Es ist keine Großtat, welche die EU mit der Türkei vollbracht hat, es ist eher eine organisatorische Absprache was wer zu tun hat. Als Europäer kann man sich nur schämen über dieses „Abkommen“.

Es geht um Kriegsflüchtlinge, die – man höre und staune –  in allen Erklärungen zu illegalen Personen ernannt wurden. Illegal deshalb, so der Kontext, weil sie nicht gefragt haben ob sie in die EU einreisen dürfen, sondern einfach eingereist sind. Schuld an diesem ganzen Elend sind die Schmuggler/Schlepper, so die Lesart der EU, die den Kriegsflüchtlingen Boote mit Außenbordmotoren verkaufen.

Aber auch Fischer, die 2013 vor Lampedusa/Italien Ertrinkende gerettet und aufs Festland gebracht haben. Sie wurden als Menschenhändler danach vor ein Gericht gestellt.

Auch die Boote der Seawatch oder der Migrant Offshore Aid Station (MOAS) Organisationen neben einigen anderen privaten Seerettungshilfsorganisationen wurden sowohl von den griechischen als auch italienischen Behörden gewarnt, indem man ihnen Schlepperaktivitäten unterstellte.

LampedusaDie gewählten Schlauchboote der Kriegsflüchtlinge sind jedoch allesamt nicht seetüchtig. Dies bedeutet, wenn sie auf offener See gesichtet werden, dass diese Insassen sich in Seenot befinden. Nach dem internationalen Seerecht (Völkerrecht) haben alle Schiffe diesen Menschen in Seenot zu helfen.

Im Vorfeld, seit der Katastrophe von Lampedusa, hat die EU alles unternommen um die Kriegsflüchtlinge zu kriminalisieren. Das Menschen auf der Flucht vor Kriegen in einem physischen und psychischen Ausnahmezustand sind, ihr zuhause zerstört ist, ihre Grundbedürfnisse nicht mehr befriedigen können und jederzeit zu Tode kommen können, dass ficht die EU nicht an.

 

Die EU hat kurzerhand die Kriegsflüchtlinge zu illegalen (manchmal irregulär) Grenzübertretern erklärt. Weiter wirft man ihnen vor, sich die wirtschaftlich besten Länder auszusuchen um dort ihr wirtschaftliches Glück zu versuchen. Das ganze kann man nur als infam einordnen.

2015 kamen 1,2 bis 1,8 Millionen Kriegsflüchtlinge nach Europa, wobei die Differenz durch die unterschiedlichen Meldungen der Organisationen entstanden ist. Organisatorisch waren die EU aber auch die einzelnen Staaten an keinem Tag in der Lage die Kriegsflüchtlinge zu empfangen und zu verteilen. Wenn die NGO´s und die riesengroße Menge an privater Hilfsbereitschaft nicht gewesen wäre, wären die Kriegsflüchtlinge im Europa der EU verhungert und verdurstet.

 

Der EU-Türkei Deal

Kernpunkt dieses Deals ist, es werden „schlechte Kriegsflüchtlinge gegen gute Kriegsflüchtlinge“ ausgetauscht. Auf der abschließenden Pressekonferenz haben sich die Verhandlungsführer, der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu, Ratspräsident Donald Tusk, Kommissionspräsident Jean Claude Juncker aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel unisono positiv über dieses ausgehandelte „Abkommen“ geäußert.

Ab dem 20. März 2016 werden alle Kriegsflüchtlinge welche die Ägäis überqueren und das griechische Staatsgebiet betreten zu illegalen (irreguläre) Einwanderern erklärt. Nachdem diese Kriegsflüchtlinge eine „Einzelregistrierung“ bei der der Flüchtlingsstatus geklärt wurde durchlaufen haben, werden sie (einzeln) in die Türkei zurück geschickt. Es ist heute schon abzusehen, dass die Kriegsflüchtlinge allesamt abgelehnt werden und zurück geschickt werden.

Ab 4. April 2016 schickt die Türkei die gleiche Menge ihrer syrischen Kriegsflüchtlinge den EU-Griechen zurück. Wenn die Türkei ein Kontingent von 72.000 Kriegsflüchtlingen ausgetauscht hat, wird der Deal erst einmal ausgesetzt. Was mit den restlichen Kriegsflüchtlingen, die ja immerhin in Millionenhöhe vorhanden sind, passieren soll, weiß kein Mensch. Kriegsflüchtlinge aus Afghanistan, dem Irak oder Eritrea werden überhaupt nicht mehr erwähnt.

fluchtWas mit den schon in Griechenland befindlichen Kriegsflüchtlingen in Idomeni, den Hotspots oder auf den Straßen befindlichen Kriegsflüchtlingen geschehen soll, weiß man noch nicht. Der EU-Türkei Deal vom 18. März 2016 umfasst ausschließlich die Kriegsflüchtlinge nach dem 20. März 2016.

Sinn dieser „unsinnigen“ Aktion, die Schlepper/Schmuggler sollen davon abgehalten werden den Kriegsflüchtlingen Boote für die Überfahrt zu verkaufen.

Ein weiterer Punkt dieses unsinnigen „Deals“ ist, die Türkei gehört zwar zu den Signatarstaaten der UN-Flüchtlingskonvention, hat aber gegenüber der UN einen Regionalvorbehalt geäußert. Die Türkei hat sich nur verpflichtet Kriegsflüchtlinge aus europäischen Staaten aufzunehmen. Syrien, Afghanistan oder der Irak gehören aber nicht zu Europa. Sie kann also die Regeln der Konvention einhalten, muss es aber nicht. Diesen Regionalvorbehalt aufzuheben, was sehr einfach wäre, ist die Türkei aber nicht bereit. Ein weiterer Hinderungsgrund für diesen Deal ist die Menschenrechtssituation in der Türkei. Herausragend ist einmal mehr das in der Türkei nicht gelöste Kurdenproblem. Fast unbemerkt werden die kurdischen Dörfer in der Türkei, dem Irak oder in Syrien bombardiert oder beschossen, hier schaut die EU einfach weg.

Wie soll das in Zukunft mit den Kurden aussehen, die in der EU Asyl suchen, wenn die Türkei nunmehr zu einem sicherem Herkunftsland ernannt wird?

 

Was bekommt die Türkei dafür?

Lassen wir einmal die 6 Mrd.Euro zur Seite, denn die Türkei hat für die in ihrem Landesinneren befindlichen Flüchtlinge ein vielfaches an Euro ausgegeben, wenden wir uns also den andern Elementen des „Deals“ zu.

Der Türkei wurde von der EU Visafreiheit versprochen, wenn sie die 72 Bedingungen der Visa-Roadmap umsetzt. Beispielsweise der Datenaustausch, Fingerabdrücke auf Pässen oder der Umgang mit den Nachbarn um mal einige Bedingungen zu nennen. Bis jetzt hat die Türkei 37 dieser Bedingungen schon umgesetzt, den Rest will sie bis zum 30. Juni 2016 umsetzen um dann die allgemeine Visafreiheit zu erlangen.

Die Beitrittsverhandlungen sollen beschleunigt werden. Neben dem Kapitel 17: „Wirtschafts- und Währungspolitik“, soll auch Kapitel 33: „Finanz- und Haushaltsvorschriften“ eröffnet werden, womit die Anzahl der offenen Kapitel auf 16 von insgesamt 35 steigt. Viele der restlichen Artikel können nicht eröffnet werden, weil Zypern und Griechenland ihre Stimme für die Öffnung einiger Kapitel verweigern. Für einige Kapitel ist das notwendige Screening noch nicht einmal abschlossen oder begonnen worden.

 

Herkulesaufgabe

Foto: JasonFlorio-moas1923Dieser ganze Deal, wenn er nicht eine riesengroße Mogelpackung ist, erfordert gewaltige planerische, logistische, organisatorische oder personelle Aufwendungen. Diese müssen aber auch abgestimmt abrufbar und ausführbar sein. Und zwar innerhalb von 14 Tagen ab sofort. Dafür hat die EU den Niederländer Maarten Verwey zum Koordinator für die Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens ernannt, dem 4.000 Mitarbeiter zur Seite gestellt werden. Was aber wenn das Kontingent von 72.000 erreicht wird? Was wird mit den derzeitigen Flüchtlingen die noch in Griechenland sind, bei gleichzeitiger Neuankunft von neuen Flüchtlingen? Alle Kriegsflüchtlinge müssen, weil die UN-Flüchtlingskonvention ein Individualrecht ist, einzelnd registriert, angehört und entschieden werden. Und nach dieser Entscheidung haben die Kriegsflüchtlinge noch ein Einspruchs- und Anhörungsrecht.

Und was ist wenn nach den Frühjahresstürmen die Mittelmeerrouten wieder benutzt werden? Mit Libyen, welches keinen Staat hat, kann man kein Abkommen schließen. Sicher wird die EU eine der beiden Gruppen in Tobruk oder in Tripolis, die keine demokratische Legitimierung haben, zur Staatsführung ernennen. Das Daesch (IS, islamischer Staat) inzwischen in der Hafenstadt Sirte kämpft und auf dem Vormarsch ist, wird man ignorieren.

 

Bundeskanzlerin Merkels Position

Bundeskanzlerin Angela Merkel Foto: (c) Linde Arndt

Bundeskanzlerin Angela Merkel Foto: (c) Linde Arndt

Frau Merkel wurde ja Starrköpfigkeit zugesprochen, tatsächlich scheint dies nun mehr die einzige im Kreise der Regierungschefs zu sein, die Haltung hat. Klare Kante, in punkto europäische Lösung, hatte sie gezeigt. Wenn ihr auch nicht der rechte Wurf gelungen ist, so hat sie zumindest die EU der 28 zu einer gemeinsamen Lösung gebracht. Ob ihr aber eine solidarische Lösung im Sinne einer Verteilung der Kriegsflüchtlinge auf alle Mitglieder der EU gelingt mag man jedoch bezweifeln. Denn eine EU der zwei Geschwindigkeiten kann man bei einer Bundeskanzlerin Merkel vergessen.

Ihre vorherige Beliebtheit wird sie sicher wieder erlangen. Nur zu welchem Preis? Frankreich hatte zu Letzt sich gegen die Flüchtlingspolitik der deutschen Bundeskanzlerin gestellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Türkei Deal dann mit dem niederländischen EU-Ratspräsidenten 2016, Ministerpräsident Mark Rutte, „einfädeln“ müssen. Parallel musste sich die Bundeskanzlerin in den Medien vorhalten lassen, sie und damit Deutschland fahren einen Imperialismus in der EU.

Für Merkel ging es letztendlich um die Erhaltung des Schengenraumes, was man ihr sicher hoch anrechnen muss. Ob die Mittel die angewendet werden zum Ziel führen ist fraglich. Was sie heute schon erreicht hat, sie hat Zeit verhandelt und gekauft. Ob diese Zeit ausreichend ist die Probleme zu lösen – wer weiß.

Man muss ihr aber zu Gute halten, dass die Leitmedien und die bayrische Politik in Deutschland eine regelrechte Jagd auf Merkel machten. Alle Gegner dieser Politik liessen der Kanzlerin keine Zeit um solch ein schwieriges Problem einer angemessenen Lösung zu zu führen. Es gab und gibt für solche schwierigen Probleme keinen Schalter, den man einfach umlegen kann.

 

Fazit

Die EU hat ihre humanitäre Reputation mit der Lösung dieses Kriegsflüchtlingsproblems verloren. Kriegsflüchtlinge liefen über Autobahnen, wurden verprügelt, bespuckt oder gar eingesperrt.

Aus dem Bombenhagel flohen diese Kriegsflüchtlinge und landeten in einer EU, die nur eines konnte, sie mittels eines immer enger werdenden Netzes an den Grenzen aufzuhalten. Gesetzespakete sollten die Grundlagen schaffen um die Kriegsflüchtlinge vor einem Übertritt in das eigene Staatsgebiet abzuwehren. Durch Gesetze wurde die UN-Flüchtlingskonvention ausgehebelt. Das Ergebnis ist ein Verschiebebahnhof mit notleidenden Kriegsflüchtlingen.

Fluchtwege /Collage unter Verwendung von Screenshot Google

Fluchtwege /Collage unter Verwendung von Screenshot Google

Hysterisch handelten einige EU Staaten, als wenn ein militärischer Angriff stattfinden würde. Jetzt werden Menschen hin und her geschoben, wie Spielsteine oder Holzsteine auf einem Brettspiel

Als einem Europa im Sinne eines Erasmus von Rotterdam oder Justus Lipsius, zwei bedeutende Humanisten Europas, können die gesamten Handlungen und Entscheidungen der EU nicht eingeordnet werden. Von beiden Humanisten würde die EU nur Ironie und Spott ernten. Wie will die EU jemals wieder ihre Stimme erheben um Menschenrechten zur Geltung zu verhelfen?

Bestes Beispiel die Haltung des deutschen Innenministers Thomas de Maizière der Kriegsflüchtlinge nach Afghanistan zurück schicken will weil in drei Provinzen von 34 Provinzen keine Kriegshandlungen stattfinden. An anderer Stelle äußerte er sich, indem er nur die persönliche Betroffenheit eines Kriegsflüchtlings gelten lassen will. Wenn gebombt oder geschossen wird, so muss der Kriegsflüchtling nachweisen, dass diese Handlung ihm gegolten hat? Wie zynisch ist das nur? Für Deutschland und Brüssel ist ja jetzt alles geklärt. Idomeni ist weit weg, Griechenland und die Türkei haben jetzt den „schwarzen Peter“. Und wir wissen ja, mit zunehmender Entfernung eines Problems, nimmt die Größe des Problems auch ab.

 

Was bleibt?

Die syrischen Bürgerkriegsparteien haben im Februar einen Waffenstillstand vereinbart, was der Verdienst der USA und der russischen Föderation ist. Allerdings dürfen Daesch (islamischer Staat) und alle Terrororganisationen, die bei der UNO registriert sind, weiterhin bekämpft werden.

Gleichzeitig wurden in Genf unter der Leitung von dem UNO-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, Friedensverhandlungen aufgenommen. Sie wurden zwar einmal ausgesetzt, wurden aber Mitte März wieder aufgenommen.

Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer, den man aber unterstützen sollte um den Syrern endlich Frieden zu bringen, um in ihre Heimat wieder zurück zu kehren.

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Jürgen Gerhardt für european-mosaic und EN-Mosaik aus Brüssel.

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Geben wir unsere EU Werte jetzt sukzessive auf?

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister David Cameron Foto: (c) Linde Arndt

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister David Cameron Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Was will die Europäische Union? Nach dem Gipfel und dem Streit der vergangenen Monate hat es den Anschein, die EU will nur noch ein Wirtschaftsraum mit 500 Millionen Konsumenten und den dementsprechenden Produzenten sein. Seit die rechtspopulistischen Parteien UKIP, FN oder auch AfD mit dem Nationalstaat alter Prägung drohen, schrecken die EU Staatsführer auf und wollen die einmal beschlossenen Werte zurücknehmen. Mehr noch, man konkurriert mit Marine Le Penn, Nigel Farage oder Frauke Petry geradezu um einen fiktiven Preis, wer ist der beste Populist oder Nationalist. Vergessen scheint der Vertrag über die Europäische Union, sind ja nur Worte die man durch andere ersetzen kann. Stacheldraht und Zäune, hunderte Kilometer weit, werden errichtet um ja die Kriegsflüchtlinge außerhalb des eigenen Landes zu lassen. Die UNO-Flüchtlingskonvention oder die EU-Flüchtlingskonvention, von allen unterschrieben, weg damit.

Die Freizügigkeit, das Diskriminierungsverbot steht zur Disposition und wird in die Verhandlungen mit Premier Cameron geschleift.

 

Der Vertrag über die Europäische Union (Lissabonner Vertrag) Artikel 2 :

Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

 

Für diese Werte hat die EU den Friedensnobelpreis bekommen! Diese Werte hat die EU Putin und seiner Russischen Föderation um die Ohren gehauen als dieser sich der Ukraine teilweise bemächtigte. Diese Werte sind nicht verhandelbar, so die Brüsseler Kommission. Mit Recht? Nein, wohl kaum, wenn diese Werte beliebig und veränderbar sind.

Premierminister des Vereinigten Königreichs David Cameron Foto: (c) Linde Arndt

Premierminister des Vereinigten Königreichs David Cameron Foto: (c) Linde Arndt

Premierminister des Vereinigten Königreichs David William Donald Cameron hat es der EU vorgemacht, seit Monaten beschäftigt er die EU mit seinem Referendum, wonach er es seinen Einwohnern freistellt ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht. Es war eine Erpressung und ist es noch; denn Cameron will sein Volk dahingehend beeinflussen, für einen Verbleib in der EU zu stimmen, wenn die EU auf seine Forderung eingeht, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland eine Sonderrolle zuweist, welche über allen Mitgliedern steht. Ein Pokerspiel welches hoch gereizt wurde und, man höre, gewonnen wurde.

Haben die Briten doch schon einen Sonderstatus, indem sie einen Rabatt auf die zu leistenden Zahlungen an die EU bekamen. Sie sind nicht Mitglied der Euro-Zone und auch nicht Mitglied des Schengen-Raumes. Die Briten wollten mehr und bekamen mehr.

 

  • Kindergeld

Aufgrund der Freizügigkeit kamen Arbeitnehmer aus Osteuropa nach Großbritannien. Die Kinder blieben in der Regel zurück, meistens bei den Großeltern, bis die Eltern in Großbritannien Fuß gefasst hatten. Nach einem Urteil des EUGH muss das Gastland die gleichen Sozialleistungen zahlen wie allen Arbeitnehmern.

In Zukunft muss nur soviel Kindergeld bezahlt werden wie das Heimatland Kindergeld zahlt. Bulgarien und Rumänien, die zu den ärmsten Ländern der EU zählen, zahlen kein Kindergeld, so dass die Arbeitnehmer in Zukunft keinen Anspruch auf Kindergeld in Großbritannien haben. Eindeutig wird hier der Ausländer gegenüber dem Inländer diskriminiert.

 

  • Eurozone

Großbritannien ist kein Mitglied der Eurozone, die Briten haben ihr britisches Pfund
behalten. Der Euro ist aber in der Zwischenzeit, trotz vieler Unkenrufe weltweit zu einer der stärksten Währungen aufgestiegen. Mit der EZB und ihrer Politik unter Mario Draghi konnten diverse Angriffe auf die europäische Währung abgewehrt werden. Die in der Vergangenheit durch die EZB gefällten Entscheidungen, beeinflussten den Finanzplatz London teilweise sehr stark.

In Zukunft können solche Entscheidungen der Mitwirkung Großbritannien bedürfen, es besteht
aber keine Möglichkeit für ein Veto. Dies gilt jedoch für alle Nicht Euro Staaten in der EU. Zukünftig können die Beschlüsse der EZB um einiges durch Einwände ausgebremst werden.

Was das heißt, bei einem Finanzplatz London der in microsekunden Milliarden umsetzt,
kann sich jeder ausrechnen.

 

  • Arbeitnehmerfreizügigkeit

Ein Kernstück der EU ist der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Finanzen und Arbeitnehmern. Diese Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein Grundrecht der EU und ist in Artikel 15 der Charta der Grundrechte der europäischen Union geregelt. Dieses Grundrecht stellt den inländischen Arbeitnehmer mit dem ausländischen Arbeitnehmer in allen Belangen auf eine Stufe. Dieses Grundrecht ist mit die Basis für eine Unionsbürgerschaft aller EU Bürger.

Großbritannien hat sich nun das Recht in Brüssel „erstritten“

Die EU-Kommission kann während eines Zeitraumes von sieben Jahren staatliche Lohnzuschüsse an neu ankommende Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten für je bis zu vier Jahren begrenzen oder aussetzen. Dies gilt jedoch nur für Zuschüsse, die aus dem Staatshaushalt gewährt werden. Also passgenau für Großbritannien und wendet sich damit an die osteuropäischen Staaten.

Damit stellt sich Großbritannien außerhalb der europäischen Idee und die Kommission lässt dies zu.

  • Nationale Parlament

Zukünftig sollen Gesetze und Richtlinien der EU durch die nationalen Parlamente zurück gewiesen werden können.

Dies bedeutet zumindest für Großbritannien die Ablehnung an die Europäischen Integration, ein Rückschlag für den Gedanken des Europäischen Hauses.

Die übrigen nicht hier beschriebenen Regelungen haben mehr oder weniger nur Symbolkraft.

Alle diese Regelungen werden wirksam, wenn Cameron den Austritt Großbritanniens aus der EU in dem angesetzten Referendum am 23. Juni 2016 verhindern kann.

Damit hat ein Verhandlungsmarathon mit der EU ein Ende gefunden. Cameron jubelte in der anschließenden Pressekonferenz und lobte den „Deal“ in den höchsten Tönen. Sein Credo: Großbritannien hat die Vorteile aus der EU vergrößert und die Nachteile aus der EU verkleinert. Und, Großbritannien wird sich nie in eine zukünftige EU integrieren.

 Ratspräsident der EU Donald Tusk Foto: (c) Linde Arndt

Ratspräsident der EU Donald Tusk Foto: (c) Linde Arndt

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte in der anschließenden Pressekonferenz: „Ich wollte einen fairen Deal für Großbritannien haben, den haben wir nun erreicht.“ Ratspräsident Donald Tusk in der selber Pressekonferenz: „Alle Forderungen von David Cameron wurden erledigt ohne die Regeln der EU zu verletzen.“ Und Bundeskanzlerin Angela Merkel? Sie hatte bei einigen neuen Regeln offensichtlich „Bauchschmerzen“. Sie sieht den Sonderstatus abschließend positiv und findet nicht, auf Frage des Wall Street Journals, dass andere EU Staaten einen Sonderstatus aushandeln könnten.

Kaum hatte Premierminister David Cameron den unterschriebenen 37 Seiten Vertrag seinen Briten durchgegeben, wurde die Kampagne für den Austritt Großbritannien in Gang gesetzt. Gegen Cameron positionierten sich seine ehemaligen Freunde Justizminister Michael Gove,der beliebte Londoner Bürgermeister Boris Johnson. Insgesamt sollen es 5 Minister sein, die sich für einen Brexit einsetzen. Nigel Farage von der UKIP (UK Independence Party) nannte den ausgehandelten Vertrag „erbärmlich“.

Im Moment stehen die Chancen für einen Brexit bei 48 %, bei 33% an Unentschlossenen.

Die schottische Nationalpartei mit Nicola Sturgeon macht das anstehende Referendum noch schwieriger. Schottland stimmt für den Verbleib in der EU, weil es sich mehr Vorteile erwartet.

Sollte Großbritannien sich jedoch für den „Brexit“ entscheiden, würde sich Schottland sofort für eine Loslösung von Großbritannien einsetzen um danach in die EU einzutreten. Kurios wird es, wenn man die britische Wirtschaft befragt, die in ihrer großen Mehrheit für den Verbleib in der EU ist. Aus den Kreisen des Londoner Finanzplatzes hört man, wenn der “Brexit” kommt werden einige Banken auf das Festland um siedeln.

Es ist schwer, sehr schwer, für Premierminister David Camero. Kommt der Brexit könnte er als der Spalter des Vereinigten Königreichs Großbritannien in die Geschichte eingehen. Und Europa? Der Schaden würde bei einem Austritt sicher sehr groß sein, was aber noch schlimmer ist, sind die Verhandlungen zwischen Großbritannien die dann notwendig wären. Personal würde über Jahre mit diesen Verhandlungen gebunden sein. Dabei haben die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU seit Oktober 2015 schon personelle Engpässe in Brüssel gezeigt. Denn die Flüchtlingskrise wurde dadurch vernachlässigt und hätte die ganze Aufmerksamkeit Brüssels verdient gehabt.
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Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Brüssel

Mehr Union in der EU könnte nicht schaden

"Housing the heart of Europa" in Brüssel Foto: (c) Linde Arndt

„Housing the heart of Europa“ in Brüssel Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Das europäische Haus „EU“ ist in einem erbärmlichen Zustand. Denkt man an die Väter des heutigen europäischen Hauses, Robert Schumann, Claude Monnet, Konrad Adenauer oder Charles de Gaulle, fragt man sich heute, was ist heute fast 70 Jahre nach den Unterschriften zu dem Vertrag zur Gründung der EGKS falsch gelaufen? Die Fliehkräfte zwischen den einzelnen EU Staaten erhöhen sich immer mehr. Terror, Finanzkrise, Ukraine, Griechenland und aktuell die Flüchtlingskrise erfordern Solidarität, die aber nicht eingefordert werden kann. Grundlegende Analysen fehlen. Improvisationen ohne Ende führen nicht zu den gewünschten Lösungen. Mangelndes Selbstbewusstsein treibt die EU in die Arme des großen Bruders USA, der nach Gutdünken in Brüssel waltet. Entscheidungen die für den Süden gut wären, werden von dem Norden nicht toleriert. Zu guter Letzt sieht der Osten der EU sich in die Ecke gedrängt und koppelt sich ab.
Es bildet sich schemenhaft eine EU der zwei Geschwindigkeiten heraus.

  • 1. Der Club der Willigen: Luxemburg, Griechenland, Schweden, Belgien, Finnland, Slowenien, Portugal, Niederlande,Deutschland, Österreich und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, plus ein französischer Staatssekretär der den Französischen Präsidenten vertritt.
  • 2. Die Visegrad-Gruppe mit Polen,Ungarn,Tschechien und Slowakei

Das sind 50% der EU-Staaten. Wobei die restlichen Staaten sich nicht festlegen wollen, temporär sich aber immer mal wieder zu einer Mittelmeergruppe, also einer dritten Gruppe, zusammenschließen, zu der sich ab und an Frankreich und Italien gesellt. Wobei Frankreichs Rolle insgesamt, bedingt durch die derzeitigen Terrorakte und die schwache innenpolitische Position des Präsidenten, nicht klar auszumachen ist.
Tatsächliches Unbehagen bereitet vielen Staaten die zu starke Stellung der Deutschen, was ein echtes Problem in der EU darstellt. Den Deutschen fehlt es an „Leadership“ um die Rolle der führenden Nation einzunehmen.
Im Moment werden Polen und Ungarn als „Störenfriede“ der EU an den Pranger gestellt, dass lenkt zumindst von den eigentlichen Problemen der EU ab.
Wie immer liegen die Probleme jedoch tiefer.

Die EU-Kette mit ihrem schwächsten Glied.

Ketten symbolisieren Stärke und Zusammenhalt, nur die Kette hat auch ein schwaches Glied. Die EU als Kette zu bezeichnen, würde sofort die Frage aufwerfen, wer oder was ist das schwächste Glied? Und da gibt es viele schwache Glieder in der EU, die nur schwer zu kaschieren sind. Es sind nicht einzelne EU-Staaten die die Schwäche der EU dokumentieren, sondern die ungelösten Problemfelder.

Abhängigkeit von den USA
Wirtschaftswachstum
Verschuldung der Staaten
Hohe Arbeitslosigkeit
Geringe Investitionen
Unterschiedliche gesellschaftliche Strukturen und Philosophien
Personelle Möglichkeiten der EU

Diese Punkte sollten eigentlich durch die Harmonisierungspolitik der EU schon längst nivelliert sein, so dass das gegenseitige Verstehen und Handeln kein Problem hätte sein dürfen. Nun, dass dem nicht so ist, hat uns 2015 eindrucksvoll gezeigt.

Abhängigkeiten von den USA

Im März 2014 machten US Präsident Obama den Europäern klar, welche Richtung er eingeschlagen sehen wollte. Bei der Ukraine Krise wurde die US-Amerikanische Richtung vorgegeben. Wirtschaftssanktionen auf breiter Front gegen die Russische Föderation waren die Folge, die natürlich dementsprechende Gegensanktionen der Russen nach sich zogen. Sehr zum Schaden vieler EU Staaten. Gas und Öl, welches die Europäer vermehrt aus Russland beziehen, sollten durch US-Amerikanische Alternativen (Fracking) ins Auge gefasst werden. Auch mit dem Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ging es, im Sinne der USA, nicht so richtig weiter – Obama machte Druck. Auch machte Obama den Europäern klar, seine Geheimdienste würde sich weiterhin in Europas Datenleitungen tummeln um Daten von Relevanz abzusaugen.
Der Rest dieses Gipfels waren nur Erklärungen, die die USA und die EU im hehren Licht von Demokratie und Menschenrechten dastehen lassen sollten. Die massenhaft verhängten Todesurteile in Ägypten, die Kriegs-Tragödie in Syrien und in der Zentralafrikanischen Republik bedauerte man allerdings auf dem Gipfel.
Die Europäer kamen wie Befehlsempfänger rüber auch wenn man von einer starken Partnerschaft und Freundschaft sprach. Selbstbewusstsein sieht anders aus und wird auch von vielen Staaten der EU eingefordert. Deutschland spielte mehr einen starken Partner der USA als der EU. Hier sollte die EU eine andere gemeinsame Position gegenüber den USA einnehmen. Denn wirtschaftlich sind die USA und Europa fast gleich, mit klaren Vorsprüngen für die EU.

Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit

Das Wirtschaftswachstum der 28 EU Staaten in 2014 betrug 1,4%, der Eurozone nur 0,9% (Quelle:Eurostat), die ersten Zahlen für 2015 zeigen weiter nach unten. 3% Wirtschaftswachstum benötigt man, um überhaupt einen Wachstumseffekt, wie Senkung der Arbeitslosigkeit, zu erzielen.
Im Oktober lag die Arbeitslosigkeitsquote der 28 EU Staaten bei 9,3%, wobei Griechenland mit 24,6% und Spanien mit 21,6% besonders auffielen. Die Jugendarbeitslosigkeit lag in fast allen EU Staaten besonders hoch. Statistisch lag Deutschland mit der Arbeitslosigkeitsquote zwar auf 4,9% im genannten Zeitraum, dies konnte jedoch nur erreicht werden durch die hohen Zahlen an Niedriglöhnern, die durch den Staat alimentiert werden und daher eine (unerlaubte) Subvention darstellen.

Geringe Investitionen

Trotz der europaweit hohen Arbeitslosigkeit auf der einen Seite und der hohen Kaufkraft der einzelnen EU-Staaten waren die Investitionen in den einzelnen Ländern sehr niedrig. Trotz finanziellen Anreizen durch die EZB, die eine Null-Zinspolitik fährt und darüber hinaus die Marktteilnehmer mit Negativzinsen bestraft, die ihr Geld parken, ist es nicht gelungen signifikante Investitionen in allen Branchen loszutreten. Lediglich die üblichen Ersatzinvestitionen wurden getätigt.
Es bleibt dabei, die Märkte sind dicht und es fehlt an Fantasie für eine lohnende Investition. Einzig der Finanzsektor selber boomt wieder, was evtl. zu einer neuerlichen Finanzkrise führen könnte.

Es gibt noch mehr Zahlen, die die einzelnen Staaten nervös machen, denn die Wirtschaft ist in jedem der Staaten der Motor für eine weitere Entwicklung. Eine wirtschaftliche Störung für einen derart langen Zeitraum bringt die Staaten und damit die EU unter innenpolitischen Druck. Griechenland, Portugal oder Spanien zeigen denn auch eine neue politische Richtung, die die Brüsseler Eliten mit Sorgen betrachten.

Personelle Möglichkeiten der EU

An der Qualifikation des Personals kann man immer die Wichtigkeit eines Ressorts ablesen. War der deutsche Günther H. Oettinger als Energiekommissar eine krasse Fehlbesetzung in der vorherigen Periode, so steht er in der jetzigen Periode als Kommissar für „Digitale Wirtschaft und Gesellschaft“ einem weiteren Ressort vor, wofür er nicht geeignet ist.
In fünf Jahren ist es Oettinger nicht gelungen die europäischen Energiemärkte im Ansatz neu zu ordnen, obwohl in diesem Bereich ein rasend schneller europäischer Tranformationsprozess stattfindet. Die Stichworte „Green Power“ oder „Decarbonisierung“ seien einmal in diesem Zusammenhang genannt.
Kommisarin Cecilia Malmström hatte in der Kommission Barroso II das Flüchtlingskommissariat. Sie musste das Flüchtlingsdesaster 2013 gesehen haben; denn tausende von Wasserleichen wurde an die Mittelmeerküsten gespült. Dachte Frau Malmström, dass sich durch das Ertrinken der Flüchtlinge das Problem von selber lösen würde? Sie hätte zumindest die ersten Weichen stellen müssen – hat sie aber nicht. Die Völkerwanderung 2015 war 2013 vorauszusehen und hätte durch Frau Malmström vorbereitend organisiert werden können.
Jetzt hat Frau Malmström das Kommissariat für Handel und damit TTIP zu verantworten. Und wieder zeigt sich das Unvermögen der Kommissarin, indem sie sich gegenüber den USA nicht durchsetzten kann. Die TTIP Verhandlungen sind einer demokratischen Institution wie die EU es sein will nicht würdig. Geheimverhandlungen werden geführt, so als wenn es nicht um die Belange der europäischen Produzenten und Dienstleister geht, sondern um die privaten Belange einer kleinen USA und EU Elite – Demokratie ade(?).
Malmströms Nachfolger als Flüchtlingskommissar ist Dimitris Avramopoulos, der sich von Lager zu Lager karren lässt um Präsenz zu zeigen. Auch hier sind die Probleme nur im Ansatz auf den Weg gebracht.
Das Jahr 2016 lässt nichts gutes ahnen; denn das Flüchtlingsproblem ist immer noch nicht in geordneten Bahnen. An allen Enden fehlt es, klare Strategien – Fehlanzeige.
Es fehlt allen der ehemalige Präsident des Europäischen Rates Herman Van Rompuy der die 28 Staaten mit klarer Linie moderierte, vermittelte und in der Lage war verfeindete Parteien zumindest auf einem Minimalkonsens zu bringen. Diese Unaufgeregtheit war wohltuend. Anders der neue Präsident Donald Tusk, er quält sich durch die Sitzungen und scheint schon verbrannt zu sein. Ihm fehlt das diplomatische Geschick welches Van Rompuy auszeichnete.
Leider ist es wohl so, dass die vorgenannten erst 2020 abgelöst werden, was ein schlechtes Licht auf die Kommission wirft. Kommissionspräsident Juncker hat sich wohl zu sehr dem politischen Proporz verschrieben.

1.0 Welche Probleme die EU vor sich herschiebt?

1.1 Die Finanzkrise

Durch die finanzpolitischen Aktivitäten der EZB haben die EU und die 19 Euro Staaten (nur) Zeit gekauft. Die hohen Schulden wurden „geparkt“ und müssen irgendwann beglichen werden. Die von den Deutschen „durchgedrückte“Austeritätspolitik kann als gescheitert angesehen werden. Finanzminister Schäuble hat sich in der EU keinen guten Namen gemacht. Schäuble hatte auf die konservative Wirtschaftstheorie bestanden obwohl auch ihm andere erfolgversprechende Theorien bekannt waren. Schäubles Poltern auf der Brüsseler Bühne im Zusammenhang mit Griechenland wurde von vielen Staaten sehr reserviert hingenommen. Das die Griechenlandkrise nicht ins unermessliche eskalierte ist allein den Vermittlungen des französischen Präsidenten François Hollande zu verdanken.
Wie gesagt die Finanzkrise und die damit einhergehenden Probleme sind nicht gelöst, die EU hat nur Zeit gewonnen. Wie lange? Ist nicht absehbar.

1.2 Die Ukrainekrise

2013 sollte die Ukraine ein Assoziierungsabkommen mit der EU in Vilnius unterschreiben. Der damalige Präsident Janukowitsch verweigerte jedoch die Unterschrift. 37 Milliarden Dollar an Schulden hatte die Ukraine angehäuft die kurzfristig zurück gezahlt werden mussten. Die EU wollte diese Summe nicht finanzieren. Gleichzeitig überschnitt dieses Assoziierungsabkommen mit der EU das Assozierungsabkommen mit der Russischen Föderation. Zu viele Überschneidungen zum Nachteil der Russischen Föderation gab es in dem EU Abkommen. Präsident Putin wollte diese Nachteile nicht hinnehmen und kündigte an das Assozierungsabkommen mit der Ukraine zu kündigen, falls es zu einer Unterschrift kommen würde. Es kam wie es kommen musste, die Lage eskalierte, ein Bürgerkrieg wurde losgetreten der den gewählten Präsidenten Janukowitsch aus dem Amt jagte.
Nach kurzen aber heftigen Gewaltexzessen in Kiew und Odessa wurde eine westlich orientierte Regierung ins Amt gehievt. Staatsstreich nennt man so was im Völkerrecht. Der Osten der Ukraine erkannte die neue Regierung in Kiew nicht an. Auch die Krim lehnte sich gegen die Regierung in Kiew auf. Donezk, Lugansk und die Krim, mit einem großen russischen Bevölkerungsanteil verlangten mehr Autonomie, was Kiew ablehnte. Stattdessen schickte Kiew, seine Armee um seine Landsleute niederzuschlagen. Bis heute sind rund 3.000 Menschen getötet worden, Frauen, Kinder Alte oder Kranke. Wer konnte, flüchtete.
Die EU stützt die Ukraine in Kiew inzwischen mit Milliarden die sich auf bisher 40 Mrd. Euro angehäuft haben. Mit den 6-7 Mrd. Euro der USA befindet sich die Ukraine auf Jahre in Abhängigkeit von EU und USA.
Kiew entpuppt sich inzwischen für Brüssel als ein Fass ohne Boden. Es vergeht keine Woche in der Kiew nicht in Brüssel für neue Kredite vorstellig wird.
Die deutsche Bundeskanzlerin beharrt auf einer Unterstützung von Kiew, sehr zum Leidwesen der europäischen und deutschen Wirtschaft. Denn inzwischen wurden gegenseitige Sanktionen von USA und EU gegen die Russische Föderation und umgekehrt ausgerufen.
Eine Befriedung dieses Konflikts ist trotz einem ausgehandelten Vertrag (Minsk Verträge I-III) nicht in Sicht im Gegenteil, der derzeitige Waffenstillstand ist äußerst fragil.
Auch hier müsste sich die EU von den USA lösen und eine eigenständige und selbstbewusste Politik vertreten. Dank der Deutschen wird dies jedoch nicht möglich sein.

1.3 Terror (Daesch, IS,ISIS,ISIL)

Die Anschläge in Paris haben uns eines gezeigt, die Terroristen sind unter uns. Nicht nur körperlich, vielmehr haben wir es zugelassen, dass der Geist des Terrorismus sich in Europa der EU entfalten konnte und kann. Und, als wenn es so einfach wäre, meint die Politik, einen über die Jahre gewachsenen Terrorismus mit ein paar Kampfflugzeugen die in Syrien Bomben abschmeissen zu beseitigen. Nein, der Westen hat den Terror gerufen und jetzt ist er hier.
Als der Westen in Afghanistan, Irak, Libyen oder Tunesien den Regime-Change umsetzte, hatte er nicht daran gedacht welche Auswirkungen dieser Wechsel haben könnte. Die Terrororganisation Daesch hat ihren direkten Ursprung im Irak Krieg des Westens, der bekanntermaßen von den USA mit einer „Koalition der Willigen“ ( unter anderen EU Staaten) völkerrechtswidrig durchgeführt wurde. Die regierenden Sunniten und mit ihr die führende Baath Partei wurden von dem USA Statthalter Paul Bremer in die Wüste geschickt, um sich danach im Untergrund zu organisieren. Die gesamte damalige irakische Armee die sunnitisch war, die entlassen wurde, hatte sich im Untergrund organisiert. Nach kurzer Zeit wurde aus dieser Organisation die IS oder Daesch.
Heute beansprucht die Organisation als islamische Organisation anerkannt zu werden und hat das Kalifat ausgerufen. Allerdings islamisch kann man diese Organisation nicht nennen. Denn es reicht nicht, wenn man ein paar Verse aus dem Koran zitieren kann um damit ein islamisch begründetes Dasein zu reklamieren.
Viele europäische Jugendlichen ließen sich von dieser kruden „Religion“ mit einem Führer/Kalifaten anwerben um letztendlich als Terroristen erst in Syrien und Irak zu morden und als sie ihr „Geschäft“ beherrschten in ihren Heimatländern den Terror einzuführen. Allein Deutschland und Frankreich führen über 2000 Menschen die dem Daesch die „Treue“ geschworen haben.
Die Terroristen von Paris, stellen also nur die Spitze des Eisberges dar.
Die Frage in diesem Zusammenhang: Wie konnte es passieren, dass unsere europäischen Werte, und ich spreche nicht von den US Werten, keinen Einzug in die Köpfe und Herzen der europäischen Jugendlichen fanden? War das Europäische Haus nicht attraktiv genug? Und wenn ja, was kann Europa tun, um seine Jugend wieder zu gewinnen?

1.4 Griechenlandkrise

Andonis Samaras (ND) und Giorgos Papandreou (PASOK) waren die letzten Ministerpräsidenten die sich in Griechenland „bedient“ haben. Griechenland ist trotz oder gerade wegen seines maroden Staatsystems, wo nur die Korruption gut organisiert ist, Mitglied in der EU und des Euroraumes. Und so konnte der Schuldenberg der Griechen auf satte 170% ansteigen. Erlaubt sind nur 60%. Solange die altehrwürdigen Parteien von PASOK (Panellinio Sosialistiko Kinima) und ND (Nea Dimokratia) an der Macht waren, war das für die EU irgendwie in Ordnung, man war und ist politisch eine große Familie. IWF (Internationale Währungsfonds) und die Eurogruppe der 19 hatten auch nichts dagegen. Es gab zwar Ermahnungen hinsichtlich der Schulden, am Ende wurden die ganzen Schulden immer wieder umgeschuldet, heißt verlängert.
Alexis Tsipras (Syriza) mit seinem Finanzminister Gianis Varoufakis (Syriza), später Euklid Tsakalotos (Syriza) sahen sich als linke Regierung nach der Wahl einer feindlichen Wand von Eurogruppe und EU ausgesetzt. Die EU und die Eurogruppe forderten eine große Umverteilung von unten nach oben, was der neue Finanzminister Gianis Varoufakis jedoch ablehnte. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel setzten die Griechen so lange unter Druck, bis die Griechen das taten was ihnen gesagt wurde – eine Entmündigung Griechenlands. Wirtschaftlich steht Griechenland jetzt schlechter da als vorher und es ist nicht abzusehen, wie dieses wirtschaftlich kleine Land jemals wieder auf die Beine kommt. Dazu kommt jetzt noch eine hohe Arbeitslosenquote bei der Jugend mit über 50%, eine hohe Abwanderungsquote, also der „Braindrain“ gefährdet das zukünftiges Wachstum in Griechenland. Auch hier wurde mit der Umschuldung nur Zeit gekauft, dass Problem ist noch nicht gelöst.

1.5 Flüchtlingskrise

Alles begann damit, dass die Flüchtlinge sich auf den Weg machten. 6 Routen gibt es, wobei die gefährlichsten über das Mittelmeer führen. Und das Mittelmeer wurde zum nassen Grab von bis heute 20.000 Menschen, wenn nicht mehr. Die Kriege in Afghanistan, dem Irak und in Syrien haben die Menschen ihrer Lebensperspektiven beraubt. In vielen Städten steht kein Stein mehr auf dem anderen, wohnen ist dort unmöglich. Die Grundversorgung ist zusammen gebrochen. Millionen von Binnenflüchtlingen irren in den Kriegsländern umher, andere Flüchtlinge haben sich in die Nachbarländer, wie Jordanien, Libanon oder die Türkei begeben. Dort konnten sie zumindest von der UNHCR „grundversorgt“ werden. Diese Grundversorgung fiel in 2015 flach, weil der UNHCR das Geld ausgegangen war. Viele westliche Länder hatten Unterstützungsgelder zugesagt aber nicht überwiesen. Logischerweise machten sich die Menschen auf den Weg, wer will schon verhungern. Alternativen waren wieder in die Kriegsgebiete zu ziehen und dort zu verhungern oder erschossen zu werden.
Alle Kriege die in Nordafrika geführt werden, wurden von den USA inszeniert um einen Regime-Change herbeizuführen. In allen nordafrikanischen Staaten steht der Westen vor einem Scherbenhaufen. Die USA haben diese Kriege angezettelt, Europa muss die Flüchtlinge tragen. Als die Flüchtlinge als Obdachlose in den EU Ländern auf der Straße oder in Bahnhöfen ihr Leben fristen mussten, wollte die EU den Zugang zur EU erschweren. Hier machte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel eine folgenschwere Entscheidung, indem sie die Kriegsflüchtlinge in Deutschland rein ließ. Die Folge war, 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge wurden in Deutschland aufgenommen. Deutschland steht nun vor größeren sozialen Verwerfungen. Denn eine Verteilung auf alle EU Länder wurde von allen Mitgliedern kategorisch abgelehnt.

2. Fazit und Perspektiven

Die EU Staaten sind heillos zerstritten und haben einen riesigen Schritt zurück in die Nationalstaaterei gemacht. Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei mögen da als schlechtes Beispiel dienen, die die Solidarität innerhalb der EU verweigern. Polens Premier Beata Szydlo(PIS) und Parteichef Jaroslaw Kaczynski haben jetzt angekündigt in ihren Staat wieder aufzuräumen. Kriegsflüchtlinge will Polen nur handverlesen aufnehmen. Selbst die USA nehmen nur 10.000 Flüchtlinge auf, obwohl sie diese Kriege geführt hatten. Im Februar 2016 wird der Rat der EU sein Consilium in Brüssel abhalten, bis dahin soll zumindest das Flüchtlingsproblem gelöst werden. Alle Beobachter wagen dies jedoch zu bezweifeln.
Viele Probleme lassen sich ohne die USA nicht lösen. Die USA haben aber eine total andere Vorstellung und sind derart unbeweglich in der Diplomatie, so dass sich die Lösungen über Jahrzehnte hinziehen kann. Ob die Ukrainekrise im nächsten Jahr oder in 20 Jahren gelöst wird, ob es noch weitere tausende Tote gibt ist für die USA ohne Relevanz. Wenn Putin weg wäre und ein USA freundlicher Präsident der Russischen Föderation vorstehen würde, wäre der Ukrainekonflikt kurzfristig gelöst. Bei dem Syrienkonflikt sieht es nicht anders aus, geht Präsident Assad und die verbleibenden Terrormilizen (Nach den USA ist das die friedliche Opposition) stürzen, wie in Libyen, Syrien ins Chaos, wäre auch hier der Konflikt erledigt. Und Daesch (IS) oder die Taliban in Afghanistan? Für die USA sind die Terrororganisationen ohne Belang, solange sie nicht persönlich angegriffen werden.
Die EU hat 507 Millionen Bürger. Das hört sich viel an, ist es aber nicht, wenn man die Erdbevölkerung von über 7 Milliarden ansieht. China, Indien aber auch Russland und Brasilien stellen schon heute die Hälfte der Weltbevölkerung. Das wirtschaftliche und finanzielle Potenzial dieser Länder ist immens.
Die USA als Supermacht wird auf Dauer, bedingt durch seine Politik der Stärke, den Führungsanspruch verlieren. Schon jetzt bildet sich langsam eine Multipolare Weltordnung aus. China und Indien werden sicher mit Russland einen eigenen Pol bilden. Ob Europa mit den USA einen eigenen Pol bilden kann und eine Eigenständigkeit behalten kann, ist fraglich. Europa wäre gut beraten eine eigenständige Politik zu vertreten. Europa braucht die Westbindung ja nicht aufzugeben, nur sollte Europa seine Selbstständigkeit selbstbewusst auch gegen die USA vertreten.
Eine Multipolare Weltordnung sollte mit einem Europa, welches durch die Stärkung der französisch-deutschen Achse als Kerneuropa, ein Machtzentrum gegenüber den anderen Mächten darstellt. Die EU sollte zu einer EU der zwei Geschwindigkeiten umgebaut werden, wonach einzelne Staaten sich genügsam am Rande bewegen, während der Rest der EU Staaten sich mit höherer Geschwindigkeit am Um- und Aufbau des europäischen Hauses befasst.
Das größte Problem ist das Wirtschaftssystem. Es kann nicht sein, dass die Jugend nur zu 50% eine Arbeit bekommen. Perspektivlosigkeit ist die Folge und die Terrororganisationen warten nur auf solche desillusionierten Jugendlichen.Wachstum in einer automatisierten Wirtschaft wird es nicht mehr in dem Maßen geben wie ehedem vor 40 Jahren. Es muss darüber nach gedacht werden, wie die Arbeit zukünftig auf den Schultern aller verteilt werden. Die unsichtbare Hand der Marktwirtschaft wird dieses Problem nicht lösen. Die USA haben kein Interesse daran, haben sie doch durch dieses ungerechte liberale System die größten Vorteile.
Abgesehen davon, haben die USA die geringsten intellektuellen Ressourcen um solch ein Problem durchzudenken. Anders Europa mit seinen vielen Staaten, die teilweise nicht unterschiedlicher sein können. Dieses Europa könnte eine Lösung erarbeiten, wenn es sich als Europa begreifft und getreu seinem Leitspruch „In Vielfalt geeint“ handelt.
Deutschland und Frankreich sollten die restlichen Staaten nicht dominieren sondern führen, was im Februar 2016 bewiesen werden kann.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic

Alle staatlichen Institutionen von Brüssel bis auf die Regionen haben versagt!


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Hat der Staat sich verabschiedet?

 

[jpg] Keine Sorge, der Staat mit seinen Institutionen ist noch vorhanden. Aber, er, der Staat funktioniert nicht mehr zur Gänze. Sicherheit, Subsidiarität , Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde oder Menschenrechte sind die Werte die demokratische Staaten garantieren. Das Gleiche gilt für die Europäische Union, die, so steht es auf ihren Fahnen, eine Wertegemeinschaft sein will.

Nur was sind die Werte eines Staates oder einer Staatengemeinschaft wert, wenn sie nicht belastbar sind? Wenn die Werte belastet werden und die Verantwortlichen sich in die Büsche schlagen und dort erst wieder herauskommen, wenn keine Gefahr mehr droht? Denn die gewählten Vertreter und die Verantwortlichen sollen ja diese Werte mit der gesamten Staatsgewalt garantieren, so das Grundgesetz. Was nützt also die Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde oder was Menschenrechte wenn diese vom Staat nicht durchgesetzt werden können?

Es geht einmal mehr um die Flüchtlingspolitik, in der EU der 28 und damit auch in Deutschland.

2013 fand eine Zäsur statt, die das Flüchtlingsproblem in einen dringlichen Rahmen stellte. Vor Lampedusa ertranken hunderte Flüchtlinge die mit Booten über das Mittelmeer gekommen waren. Es folgten große Versprechungen der Entscheider in Brüssel und Berlin, doch nichts geschah. Dies sollte sich als eine sträfliche Vernachlässigung des Problem herausstellen.

Die Griechenland Finanzkrise kam auf die Agenda der 28 EU Staaten. Fast täglich gab es neue „Wasserstandsmeldungen“ und Treffen oder Gipfel unterschiedlicher Gremien in Brüssel. Dabei hatte die EU doch erst die Ukraine Krise, die in einen Krieg mündete der noch heute anhält, auf erträglicher Flamme verhandelt. Auch hier Treffen unterschiedlicher Qualität ohne Ende. Probleme gelöst? Nein, nur Probleme auf ein erträgliches Maß (Für wen auch immer) heruntergeredet (-verhandelt).

Parallel liefen die Kriege und bewaffneten Konflikte in Nordafrika mit Beteiligung des Westens, die Konflikte Libyen, Syrien oder auch Mali und Eritrea. Sie  schafften Flüchtlingsbewegungen in nie geahntem Ausmaß. Jordanien, Libanon, Türkei oder Kenia (Lager Dadaab) nahmen Millionen an Kriegsflüchtlingen auf. Versorgt wurden die Flüchtlinge von der UNO-Flüchtlings- und Kinderhilfe – UNHCR oder UNICEF.

Nochmals muss man darauf hinweisen, die bewaffneten Konflikte wurden allesamt vom Westen und damit auch von der EU der 28 befeuert.

Menschen auf der Flucht  Foto: (c) UNHCR / T.W. Monboe

Menschen auf der Flucht Foto: (c) UNHCR / T.W. Monboe

Um die Flüchtlinge aber von Europa fernzuhalten, schaffte man mittels der UNHCR riesige Flüchtlingscamps mittels Container oder Zelten. Anfangs bekam die UNO auskömmliche Gelder die die Grundversorgung mit Nahrung, Kleidern und Wasser auf niedrigem Niveau sicherstellte. Bildung oder Ausbildung war dabei nicht vorgesehen. Die finanziellen Zuwendungen der Staaten wurden jedoch 2014 massiv gekürzt, die Versorgung der Flüchtlinge war und ist bis heute nicht mehr gesichert. Teilweise, wurde die Wasserversorgung in den Lagern abgestellt. Dieser Zustand dauert noch heute an.

Wen wundert es wenn sich die Menschen auf den Weg machten, anstatt in die Camps zu gehen oder in diesen zu verbleiben.

 

Überleben war angesagt, nicht kläglich zu verenden.

Vor den „Segnungen“ der Nazis im vorigen Jahrhundert hatten sich auch Millionen Menschen als Flüchtlinge auf den Weg gemacht. Auch nach dem Weltkrieg machten sich Millionen auf den Weg. Die damaligen Flüchtlinge wurden aufgenommen und integriert.

 

Machen wir einen Zeitsprung von drei Jahren.

Die Wege oder Routen sind inzwischen bekannt, es gibt eine Westroute, eine Südroute, eine Ostroute und eine Balkanroute. Die ersten drei Routen gehen alle über das Mittelmeer, die Balkanroute benutzt den Landweg.

 

  1. Zwischenruf-Rechtliche Grundlagen

Es gibt die Erklärung der Menschenrechte, es gibt das Asylrecht und es gibt ein Flüchtlingsrecht. Alle Staaten der 28 EU Länder haben diese Rechte ratifiziert und die EU ist diesen Rechten beigetreten und die assoziierten Staaten haben diese Rechte akzeptiert und durch ihre Parlamente ratifiziert. Mehr noch, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist ein klares und starkes Bekenntnis zu den Rechten der EU-Bürgerinnen und -Bürger.Diese Rechte gelten aber auch für alle BürgerInnen.

Mit Verordnungen und Gesetzen hat sich die EU mit  ihren 28 Staaten auf den Zustrom von Flüchtlingen vorbereiten können. Zu nennen ist der Vertrag von Lissabon, das Schengener Abkommen und das Dubliner Abkommen. Das Prozedere der Verordnungen und Richtlinien wäre demnach, dass die Flüchtlinge die die Mittelmeerrouten benutzen dort versorgt werden wo sie an Land gehen. Analog werden die Flüchtlinge der Landrouten dort versorgt, wo sie die Grenze des Schengenraumes übertreten. Die sogenannten Grenzländer sind nun zu einer umfangreichen Registrierungs- und Erfassungsmaßnahme verpflichtet. Danach werden sie in Auffang- oder Erstversorgungslager verbracht und müssen dort bleiben bis ihre Anträge abschließend bearbeitet sind.

Die Grenzen werden von der europäischen Grenzschutzorganisation „Frontex“ aus Warschau geschützt. Die Seegrenzen zu Italien durch die Operation „Triton“ und die Grenzen im östlichen Mittelmeer durch die „Poseidon Sea“ Operation. Davor wurden Rettungsmaßnahmen, nicht Grenzsicherung, von der italienischen Küstenwache mit der Operation „Mare Nostrum“ durchgeführt. Weil „Mare Nostrum“ zu teuer war, beauftragte die EU „Frontex“ mit einer reinen Grenzschutzoperation die nur ein Drittel der italienischen Operation kostete. Seenotrettung sollte demnach nicht mehr stattfinden, zumindest nicht mehr vordringlich.

 

  1. Zwischenruf: Schlepper
Boat-People auf einem überfüllten Boot. Photo: © UNHC

Boat-People auf einem überfüllten Boot. Photo: © UNHC

In Brüssel erfuhren wir zum ersten mal im Oktober 2013 von diesem Begriff. Fischer vor der italienischen Küste hatten Flüchtlinge aus dem Meer „gefischt“ und an Land gebracht. Die italienischen Behörden sahen dies als Beihilfe zu illegalen Grenzübertritt an. Gleichzeitig unterstellte man den italienischen Fischern den Flüchtlinge als Schlepper geholfen zu haben.

Es war schon ziemlich zynisch wenn ein Fischer einen Menschen vor dem Ertrinken gerettet hatte und ihm  dann der Prozess gemacht werden sollte. Sollten die Fischer die Flüchtlinge sehenden Auges ertrinken lassen?

 

Belastung der EU durch die Flüchtlinge

Die 28 Länder der EU als auch Brüssel wussten also mindestens seit 2013 was auf sie zukam. Flüchtlinge die sich auf den Weg machten, die in ihrer Quantität das Ausmaß einer Völkerwanderung annahm. Völkerwanderung deshalb, weil den Flüchtlingen die Lebensgrundlagen durch den Westen in vielerlei Weise entzogen wurden.

Deutschland wähnte sich auf der sicheren Seite, war es doch durch das Dublin Abkommen geschützt und konnte Flüchtlinge an seine Nachbarn zurück überweisen, da diese ja „sichere Herkunftsstaaten“ waren und sind.

Durch den langsam steigenden Ansturm der Flüchtlinge beginnend in 2013 war schon auszumachen, dass die Mittelmeerstaaten aber auch Ungarn überfordert werden, wenn die Menschen erst einmal ankommen.

Heute in 2015 ist die Menge der Flüchtlinge auf hunderttausende angewachsen und die Zuwachsraten nehmen nicht ab. Deutschland rechnete zuerst mit 450.000, dann mit 800.000 und erst kürzlich wurde die Zahl auf 1 Million erhöht. Wer bietet mehr, könnte man meinen?

 

Keine Bleibe in Syrien Photo: (c)   UNHCR / B. Diab

Keine Bleibe in Syrien
Photo: (c) UNHCR / B. Diab

Zuerst fielen die Schranken bei den Mittelmeerstaaten, wie Italien, Griechenland, Malta und Spanien. Tausende Flüchtlinge landeten zwischen den Touristen die sich an den Stränden sonnten.

Nach anfänglichen Versuchen der Mittelmeer-Behörden die Flüchtlinge gem. den EU Richtlinien zu registrieren, gaben die Behörden auf und ließen die Flüchtlinge weiterreisen. Riesige Fähren brachten tausende Flüchtlinge von den Inseln Kos oder Lesbos auf das griechische Festland. Fast alle Flüchtlinge hatten offensichtlich ein Ziel „Germany“ oder „Merkel“, einige wollten allerdings nach Großbritannien oder Schweden.

Die Mittelmeerländer wollten nicht mehr das Geschäft der Deutschen besorgen; denn Solidarität, mit dem für sie riesigen Problem, hatten sie vergebens eingefordert. Die staatlichen Institutionen der Mittelmeerländer meldeten sich ab und schalteten in den Standby-Modus.

Ob in Italien oder in Griechenland, überall campierten die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Deutschland auf den Straßen und den öffentlichen Gebäuden.

Anders die Balkanroute. Ungarn wusste überhaupt nicht mit den Flüchtlingen umzugehen, Angst und Hysterie zeigten sich in den Reaktionen der ungarischen Institutionen. Teilweise wusste man die Flüchtlinge nicht mit Trinkwasser zu versorgen. Premierminister Viktor Orbán brachte es als erster in Brüssel auf den Punkt, indem er sagte: Wir haben kein europäisches Problem, sondern ein deutsches Problem. Orban floh in Aktionen, die man nur als hilflos bezeichnen kann, er baute Zäune an seiner Grenze. In seinem Land gab es Knüppel, Wasserwerfer und Pfefferspray. Auch Mazedonien versuchte mit Knüppeln und Pfefferspray die Flüchtlinge vor dem Übertreten der Grenze abzuhalten. Umsonst, die Völkerwanderung bewegte sich weiter. Wie die Situation im Mittelmeer schon zeigte, die Flüchtlinge hatten nichts mehr zu verlieren.Nachdem der Zaun fertig gestellt war, machte sich die Völkerwanderung über Kroatien auf dem Weg.

Die Wende brachte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die anordnete, sämtliche Flüchtlinge nach Deutschland durch zu lassen.

Die Folge. Der gesamte Flüchtlingsstrom ergoss sich nun mehr über Deutschland. Grenzkontrollen wurden an den Außengrenzen Deutschlands wieder eingeführt. Das reinste Chaos tat sich auf. Dublin oder Schengen waren nur noch Städte in Europa, die Abkommen waren perdu. Die Freizügigkeit in Europa, ein Herzstück im europäischen Haus, war gestorben und der Beliebigkeit ausgesetzt.

 

  1. Zwischenruf: Deutschland entscheidet – endlich

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel sich entschieden hatte die Flüchtlinge durchzulassen, waren 4 Wochen und je nachdem wie man es betrachtete fast 2 Jahre der Untätigkeit vergangen. Auch das zuständige Innenministerium unter Dr. Thomas de Maizière war auf Tauchstation. Thomas de Maizière ging sogar noch weiter und pochte auf Einhaltung der Dublin Verträge, die Deutschland die Flüchtlinge vom Hals hielt. Die deutsche Regierung lenkte vom eigentlichen Problem ab, indem sie die Schleuserproblematik ins Spiel brachte. Und über Ursachen wollte man überhaupt nicht reden, ja, man nahm sie noch nicht einmal zur Kenntnis.

Aktuell ist der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt zurückgetreten – ein Bauernopfer für das angerichtete Chaos.

In Brüssel wurde mehr zaghaft nur über eine Lösung beraten – die Quotenregelung. Die ist ja nichts anderes als die föderale Verteilung die  schon in  der Bundesrepublik schlecht praktiziert und schlecht gelitten wird. Unabhängig davon war durch die Frontex Operation auch der erste Tote zu beklagen indem ein 17-jähriger Flüchtling in der Ägäis getötet wurde. Andere Regelungen, wie man die „Völkerwanderung“ in den  Griff bekommen könnte, wurden nicht einmal erwähnt. Neuerdings soll die Bundeswehr mit 950 Mann die Schleuserboote mit Waffengewalt bekämpfen . Ein Irrsinn mit Toten? Der heutige Stand: 130.000 Flüchtlinge sollten über die 28 Länder nach einem Schlüssel verteilt werden. Nur es sind Millionen auf dem Weg. Da müsste schon mal eine europäische Einwanderungspolitik zumindest angedacht werden. Da müssten schon einmal Ursachenbekämpfungen auf die europäische Agenda. Wie wäre es wenn zumindest die Gelder an die UNHCR überwiesen werden, damit die Grundversorgung der Flüchtlinge in den Lagern gewährleistet wird?

 

  1. Zwischenruf: Was soll mit den Flüchtlingen passieren?
Soweit die Füße tragen Photo: (c) © UNHCR/B.Betzelt

Soweit die Füße tragen
Photo:  © UNHCR/B.Betzelt

Die Millionen von Flüchtlingen die auf dem Weg sind, sind Menschen, die es verdient haben würdevoll behandelt zu werden. Es waren ehrenamtliche Europäer in Budapest, Athen, Rom, Kos, Lesbos, München und Düsseldorf, die gezeigt haben, was Menschlichkeit in Europa bedeutet.

Sie haben zugehört, sie haben sich zugewendet, haben Wasser, Brot oder Suppen gereicht, sie haben gelächelt, haben berührt und wurden berührt. Nur, dies alles sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass der Staat abwesend ist. Und das ist jetzt ein Riesenproblem! Denn die Flüchtlinge sind keine Hütchen in einem Spiel, dessen Spielregeln recht fragwürdig sind. Da ist das sehr große Problem der Integration ( Nicht Assimilation ) und das unbekannte Problem der vorausschauenden Hilfsleistungen.

Die Ehrenämtler verfügen nicht über die Institutionen. Sprachkurse müssen zur Zeit über Sponsoring nur unzureichend betrieben werden. Verständnis für die andere Kulturen muss geübt werden, dies kann aber doch nur über Kommunikation laufen. Was ist mit Ausbildung, was mit Bildung? Programme und Projekte müssen her, die nicht nur über viele bunte und nette Flyer ein Problem beschreiben aber nicht mit den Adressaten arbeiten wollen. Was ist mit den Jugendlichen die aus sicheren Herkunftsländern kommen? Sicher sie müssen wahrscheinlich zurück. Aber können wir ihnen hier nicht eine brauchbare Ausbildung zukommen lassen? Dazu braucht es aber wieder Programme, dies können die Ehrenämtler nicht leisten. Die Institutionen von Berlin bis in die lokale Ebene leisten es sich Wunschdenken zu kommunizieren, anstatt sachlich an den Problemen zu arbeiten. Abgesehen davon, dass die Ehrenämtler im „Feuer“ stehen und die Institutionen in Kauf nehmen, dass die Ehrenämtler sich mit einem Burnout-Syndrom verabschieden. Verantwortung sieht anders aus. Wo sind die großen Häuptlinge aus Politik und Verwaltung die überzeugend führen?

Kommen wir zum Schluss. Ob nun die EU oder die Einzelstaaten der EU, alle haben kläglich versagt! Die Frage ist doch, befinden wir uns alle auf einem Weg auf dem der Staat sich verabschiedet hat und der Demos seine Belange wieder selber erledigt? Müssen wir uns anders organisieren, weil unsere politische und administrative  Organisation nicht mehr zeitgemäß ist?

Den Völkern Europas und der EU war es, im Gegensatz zu den Regierenden,  noch nie egal ob im Mittelmeer Menschen ertrinken. Oder ob an den Grenzen Mazedoniens, Ungarns oder anderer europäischer Staaten Menschen mit Knüppeln, Schüssen, Pfefferspray und auf messerscharfen Drahtverhauen empfangen werden. Auch sollen Menschen nicht im Dreck und ungeschützt irgendwo stranden. Die 507 Millionen Europäer schämen sich für solche Handlungsweisen.

Hilfe durch die UNHCR  Photo: (c) UNHCR / B- Kouane

Hilfe durch die UNHCR Photo: (c) UNHCR / B- Kouame

Deshalb ist es Zeit, dass die staatlichen und überstaatlichen Institutionen und Organe endlich das tun wofür wir sie verpflichtet sahen, sich um die Flüchtlinge kümmern und zwar würdevoll. Tausende Tote im Mittelmeer, im Atlantik oder auf dem Festland, sind tausende Tote zuviel. Jeder Tote zählt, nicht nur der kleine dreijährige Junge, der Aylan Kurdi hieß. Kurdi wurde an die Küste gespült, wie ein Stück Holz oder Abfall oder abgelassenes Öl, es war aber ein Menschenkind, dass durch unser Tun gerettet werden konnte.

 

„Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch, der nicht überflüssig ist, da beginnt das Lied des Notwendigen, die einmalige und unersetzliche Weise, dort, wo der Staat aufhört,“ so der Philosoph Friedrich Nietsche. Deshalb sollten wir, die nicht zu den Überflüssigen gehören den Staat abmahnen oder an einer weitergehenden Ordnung arbeiten.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus dem EN-Kreis

 


Wir danken der UNHCR für die zur Verfügungstellung des Bildmaterials.

 

 

 


 

Dem griechischen Premierminister Tsipras wurde nichts geschenkt

 

Alexis Tsipras, Angela Merkel, Donald Tusk  Fotos und Fotocollage (c) Linde Arndt

Alexis Tsipras, Angela Merkel, Donald Tusk Fotos und Fotocollage (c) Linde Arndt

[jpg] Wenn man so will soll der Ratspräsident Donald Tusk die Verhandlungen gerettet haben. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel, Premierminister Alexis Tsipras schon die Verhandlungen ergebnislos beenden wollten und auf dem Weg zur Tür waren, soll Ratspräsident Donald Tusk dazwischen gegangen sein und beiden verboten haben den Raum zu verlassen. Ratspräsident Donald Tusk wollte die Einigung hier und jetzt. Denn es waren weitreichende Schritte die Griechenland schon zugesagt hatte um diesen „Grexit“ zu verhindern. Der Vorschlag von dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, Griechenland temporär für bis zu 5 Jahren austreten zu lassen, ging vielen der Teilnehmern zu weit. Die Deutschen wollten ihre Rache so wurde  aus dem Kreis der Verhandlungsführer kolportiert. So wurde der deutsche Finanzminister auch immer wieder mal  wegen der wahrgenommenen Blockadehaltung des Finanzministers von den Sitzungsteilnehmern angegangen.
Nebenbei bemerkt, hat Deutschland bisher keinen einzigen Cent an die Griechen gezahlt, im Gegenteil hat Deutschland in dreistelliger Millionenhöhe sogar am Elend der Griechen verdient. Bigotterie soll den deutschen Teilnehmern vorgeworfen worden sein. Schäuble soll sich sogar gegen die seiner Meinung nach vorhandene Bevormundung gegenüber seiner Person beschwert haben. Die meisten Teilnehmer sollen die beiden maßgeblichen Sitzungen jedoch positiv angegangen haben. Für sie gab es nur ein Ziel, den Austritt Griechenlands zu verhindern. Nach 17 Stunden um 9:00 h war es denn auch so weit, dass alle Beteiligten die Einigung auf den anberaumten Pressekonferenzen mitteilen konnten.

Wie gesagt, es ist nur eine Einigung, damit ist der „Grexit“ nur noch ein drohender Schatten, der aber jederzeit wieder ins Licht gestellt werden könnte.

Heute, am 13. Juli 2015, werden die Euro-Finanzminister wieder zusammentreten um eine Brückenfinanzierung für Griechenland von 25 Mrd. Euro auf den Weg zu bringen. Die Banken weiter geschlossen zu haben, würde noch größeren wirtschaftlichen Schaden in Griechenland anrichten. Es ist der erste Schritt von einer Reihe der sogenannten „prior acts“ die ausgehandelt wurden. Diese „prior acts“ sind in der Abfolge so gehalten, dass eine Vertrauensbasis wieder hergestellt werden wird.

Bis Mittwoch wird das griechische Parlament die Einigung grundsätzlich beschließen müssen und die ersten Gesetze auf den Weg bringen müssen. Im weiteren Verlauf muss Griechenland einen Fond anlegen in den die Erlöse aus den Privatisierungen überwiesen werden. Die Privatisierungen sollen nicht sofort erfolgen, sondern in einem Zeitraum in der es wirtschaftlich Sinn macht den Verkauf von Staatseigentum ins Auge zu fassen. 50% aus diesem Fond soll der Schuldentilgung zugeführt werden, der Rest soll für Investionen in die griechischen Wirtschaft fließen. Die Verwaltung des Fonds, und das war wichtig, wird bei Griechenland liegen.
Einen Schuldenschnitt (Haircut) wird es nicht geben, es wird aber eine Umstrukturierung der Schulden vorgenommen werden.
Der IWF ist weiter beratende Instanz oder auch als Geldgeber dabei, hier werden noch Gespräche geführt werden müssen.

Der Finanzbedarf für Griechenland wird auf über 80 Mrd.Euro geschätzt über den aber erst gesprochen wird nachdem am Mittwoch dem 15. Juli das griechische Parlament das sogenannte „Front loading“, also die ersten Schritte beschlossen hat.

Die Verhandlungen unter den Teilnehmern, so wohl der Finanzminister als auch der Regierungschefs fanden unter einer Stimmung statt, die vereinzelt als brutal oder rüde bezeichnet wurde. Ein Verhandlungsteilnehmer sagte sogar, Alexis Tsipras hat man gekreuzigt.

Nun warten alle gespannt auf den ersten Schritt den die Griechen am Mittwoch gehen müssen. Dies ist nicht so selbstverständlich, denn die linken Griechen in ihrer Mehrheit sehen diese Verhandlungsergebnisse als Demütigung. Das Thema Griechenland und die Krise wird uns sicher noch eine geraume Zeit erhalten bleiben.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic

Europa arbeitet an seinem Armutszeugnis

Premier Tsipras und die EU / unten v.l.: Angela Merkel, Mario Draghi, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk,Dalia Grybauskaitė / oben links Werner Faymann, Mitte: Alexis Tsipras  / Alle Fotos und Collage: (c) Linde Arndt

Premier Tsipras und die EU / unten v.l.: Angela Merkel, Mario Draghi, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk,Dalia Grybauskaitė / oben links Werner Faymann, Mitte: Alexis Tsipras / Alle Fotos und Collage: (c) Linde Arndt

[jpg] Europas Sorgenkind Griechenland soll zum Armenhaus verkommen. Oh ja, Kommissionspräsident Juncker hat 30 Stunden mit dem griechischen Ministerpräsident Tsipras verbracht. Nur er? Nein, unsere Redaktion hat bis jetzt 120 Stunden mit diesem Thema verbracht. Es ist ja nicht so, dass dieses Thema, also die Griechenlandkrise, eine gute Story wäre. Was sollen wir mit einer Meute von Stammtischökonomen über diese Wirtschaftskrise sprechen? Gefühlte 60% wollen die Griechen bluten sehen und wünschen ihnen das schlechteste was man einem Volk wünschen kann – den Untergang.

In Brüssel hatte man den griechischen Verhandlungsführern immer wieder vorgeworfen, sie hätten diese Wahlversprechen nicht machen sollen, womit sie das Volk auf ihre Seite zogen. Das Ministerpräsident Tsipras die Reißleine zog und ein Plebiszit ansetzte war doch vorauszusehen. Über 60 % des griechischen Volkes wollte den Weg mit seinem Ministerpräsidenten gehen, ein eindrucksvoller Vertrauensbeweis, trotz geschlossener Banken.

Mr Euclid TSAKALOTOS, Greek Minister for Finance; Mr Jeroen DIJSSELBLOEM, President of the Eurogroup  Foto:   © European Union

v.re.: Mr Euclid TSAKALOTOS, Greek Minister for Finance; Mr Jeroen DIJSSELBLOEM, President of the Eurogroup Foto: © European Union

Ratspräsident Donald Tusk rief für Dienstag die Regierungschefs zu einer außerordentlichen Ratssitzung. Dazu wurden noch der EZB Präsident Mario Draghi, der Kommissionspräsident Jean Claude Juncker und der Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem eingeladen. Vorgeschaltet war noch ein Treffen der Euro Finanzminister, mit dem neuen griechischen Finanzminister Euclid Tsakalotos.

Dazu kamen noch eine beträchtliche Anzahl an „Sherpas“ mit einer gewaltigen Fachkompetenz, für die die Griechenlandkrise ein Klacks sein sollte. Unsere Redaktion hat einmal durchgezählt, wir kamen so auf round about 200 Personen.

Im Vorfeld wurde den Griechen zu gerufen, sie sollten jetzt ja nicht mit einer „breiten Brust“ in Brüssel vorfahren. Es folgte das was man von Profis nicht erwartet hatte, gegenseitige Schuldzuweisungen und Unterstellungen. Und zwar zuhauf. Bundeskanzlerin Merkel stand die Lustlosigkeit, sich mit der Griechenkrise zu befassen, im Gesicht. Kommissionspräsident Juncker hielt sich neutral und die Baltischen Regierungschefs, allen voran die Litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė, wollten über die griechischen Probleme nicht mehr sprechen und gaben genervte Kommentare ab.

Mein Eindruck? Ich denke der Austritt der Griechen aus der EU (rein rechtlich ist das die einzige Möglichkeit) ist von allen Beteiligten so gewollt. Denn es gab weiter Unterstellungen, Nötigungen, Halbwahrheiten und Weglassungen die ein konstruktives Klima verhinderten. Die EU machte klimatisch da weiter wo sie vor dem Plebiszit aufgehört hatte. Einziger Lichtblick war der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann der sich nicht an dem Mobbing der griechischen Verhandlungsführer beteiligte und sich immer wieder mit nüchternen Analysen der Gespräche wohltuend von seinen Kollegen Regierungschefs hervortat.

Am nächsten Tag, also am Mittwoch, setzte sich die Art und Weise der rhetorischen Prügeleien im Europaparlament fort. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber, wozu auch die CDU/CSU gehört, unterstellte der griechischen Regierung bis jetzt keine Vorschläge gemacht zu haben (Was natürlich nicht stimmt). Und Ministerpräsident Tsipras? Er merkte an, die Griechenlandkrise sei das Ergebnis des Versagens der Eurozone, eine dauerhafte Lösung zu finden. Womit er Recht hatte. Die beiden sogenannten Rettungspakete haben die Krise nur verschleppt, aber nicht gelöst. Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis hat das schon richtig vorgetragen. Auch hat die Einführung des Euro von Anfang an einen Konstruktionsfehler gehabt, der spätestens mit der Finanzkrise 2008/2009 hätte beseitigt werden müssen. Wie kann man nur so unterschiedliche Staaten in eine Währung führen ohne für einen vernünftigen Ausgleich zu sorgen. Die wirtschaftlichen Strukturen von Deutschland und Griechenland konnten nicht unterschiedlicher sein. Der gemeinsame Währungsraum wurde zwar zu ende gedacht aber nie zu ende umgesetzt.

Und jetzt? Dazu kommt noch, dass die griechische Syriza Partei eine linksorientierte Graswurzelbewegung ist, die mit der rechtspopulistischen Anel Partei eine Koalition einging.

Das ist für die konservativen und liberalen Eliten in Brüssel und Europa ein worst case der flugs beseitigt werden musste. Und so wurden alle griechischen Vorlagen zur Krise als substanzlos zurück gewiesen. Und dann auch noch der Besuch im „Reich des Bösen“, bei Präsident Putin der mit den Griechen einen Vertrag über eine Gasleitung abschloss.

Der Gipfel der einen jedoch bewegen muss ist, dass 19 Regierungschefs mit ihren hochqualifizierten „Sherpas“ keine Lösung für Griechenland erarbeiten konnten und können. Griechenland und die Regierung Tsipras sollten ihre Lösung selber suchen und finden. Einen Schuldenschnitt und eine Umstrukturierung der Schulden, wie Regierungschef Tsipras forderte, sollte es auf keinen Fall geben, so die einhellige Meinung der Regierungschefs. Was für ein Armutszeugnis für die EU, keine Solidarität und keine Verantwortung will die EU tragen. Wie war das noch, alle gehen als Sieger aus Verhandlungen raus und keiner wird ein Verlierer sein. Nur wer Sieger oder Verlierer sein wird, wird von Fall zu Fall neu interpretiert.

Morgen sollen die Vorschläge von Griechenland in Brüssel zur Begutachtung auf dem Tisch liegen, um am Sonntag auf einem Sondergipfel der 28 Regierungschefs eine Entscheidung über weitere Verhandlungen zu fällen. Tritt man in Verhandlungen, wird die EZB mit Mario Draghi den Griechen einen Brückenkredit gewähren. Dies wird aber keine Garantie für Verhandlungen sein, die nun in konstruktiver Atmosphäre geführt werden.

Ach ja, der IWF hat inzwischen erkannt, das eine Umstrukturierung der griechischen Schulden eine Grundvoraussetzung ist, um die Griechen erfolgreich aus dieser Krise zu führen. Hoffentlich wurde dies in Brüssel, Luxemburg und Athen gehört. Bei solch einer Sachkompetenz kann man ja nie wissen.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european mosaic aus Brüssel.