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Education-Projekt Notations erhält europaweit begehrte Auszeichnung

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[Essen, 16. September 2013]

„YEAH! Award“ für das Klavier-Festival Ruhr:
Education-Projekt Notations erhält europaweit begehrte Auszeichnung

Glanzvolle Bestätigung für die Education-Arbeit des Klavier-Festivals Ruhr: Auf der Suche nach „europäischen Vordenkern“ hat die Jury des Young EARopean Award (YEAH!) am vergangenen Samstag das Education-Projekt Notations ausgezeichnet, das vom Klavier-Festival Ruhr 2012 entwickelt und durchgeführt wurde. In dem von der Ernst von Siemens Musikstiftung geförderten Projekt hatten sich junge Menschen verschiedener Altersgruppen kreativ mit dem gleichnamigen Klavierwerk von Pierre Boulez auseinandergesetzt.

Diese Auszeichnung wiegt umso mehr, als 130 Mitbewerber aus vielen Nationen sich um die europäische Trophäe bemüht hatten. Mit Notations schaffte es das Klavier-Festival Ruhr zunächst unter die 15 Finalisten und siegte als einer der sechs Gewinner aus den Ländern Belgien, Deutschland, Luxemburg, Portugal und Schweden. Ein weiterer, ebenfalls mit 10.000 € verbundener Preis in der Kategorie „Process“ ging an das Mahler Chamber Orchestra.

Die hochkarätige Jury begründete ihre Entscheidung mit dem „Konzept, das die Ohren, Augen und Körper der Teilnehmer für Musik öffnet.“ Weiter hieß es: „Das Projekt bemüht sich erfolgreich um die Neue Musik und ihren künstlerischen Wert. Für die jungen Künstler vertieft es das Verstehen von und die Freude an Musik.“

Notations

Notations Foto: © Ursula Kaufmann

Claudia Eckes-Kohlrautz vom Education-Team des Klavier-Festivals Ruhr nahm die Trophäe im Rahmen einer festlichen Gala entgegen, mit der das YEAH! Festival in Osnabrück endete. Prof. Franz Xaver Ohnesorg, Intendant des Klavier-Festivals Ruhr, freute sich: „Dies ist eine hohe Auszeichnung für unser von Dr. Tobias Bleek so erfolgreich geleitetes Education-Team. Neue Klaviermusik vermitteln zu wollen, ist ein anspruchsvoller Ansatz. Die Jury hat das gewürdigt und uns darin bestärkt. Dieser Preis gilt nicht nur uns, sondern allen Beteiligten: den Kindern, den Jugendlichen und den Künstlern. Nach den Auszeichnungen bei den Wettbewerben „Kinder zum Olymp“ (2010) und „Deutschland – 365 Orte im Land der Ideen“ (2010 und 2012) dürfen wir uns nun mit der YEAH!-Auszeichnung auch zu den europäischen Vordenkern auf dem Feld der Education-Arbeit zählen.“

Im Internet ist das Projekt Notations ausführlich dokumentiert (www.klavierfestival.de/notations). Noch vor Ende 2013 wird das Klavier-Festival Ruhr zudem eine neue interaktive Seite frei schalten, die bei der Vermittlung dieses Klavierwerks kompetente Hilfestellung bietet. Diese wird unter anderem eine interaktive Partitur mit Werkeinführungen von Pierre Boulez und Interpretationshinweisen von Tamara Stefanovich enthalten.

 

 

PUBLIC ART RUHR: DRITTE NEUENTHÜLLUNG in Essen

ruhrkunstmuseen-logo[5. September 2013, Essen]
TERMINKORREKTUR: Die NEUENTHÜLLUNG
verschiebt sich aus organisatorischen Gründen auf Freitag, 20. September 2013, 17:00 Uhr.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe NEUENTHÜLLUNGEN werden auf Initiative der RuhrKunstMuseen fünf ausgewählte Kunstwerke im öffentlichen Raum gereinigt, saniert und erneut eingeweiht. Zwei Werke – die von Isa Genzken und Gerhard Richter gestaltete U-Bahn-Haltestelle „König-Heinrich-Platz“ in Duisburg und Wolf Vostells „La Tortuga“ am Theaterplatz in Marl – wurden bereits unter großem Interesse der Öffentlichkeit präsentiert.

Raimund Kummer, Schwelle, 1987  Foto:  Andreas Ren, Bochum

Raimund Kummer, Schwelle, 1987 Foto: Andreas Ren, Bochum

Am 20. September 2013 wird um 17 Uhr das dritte Kunstwerk neuenthüllt (vormals angekündigt für den 19. September, 18 Uhr): Raimund Kummers „Schwelle“ in Essen (Emscher Park, Lohwiese 46). Für die Ausstellung „Im Auftrag – Kunst im öffentlichen Raum“, zu der das Museum Folkwang Künstler eingeladen hatte, Werke für die Stadt zu schaffen, realisierte der Bildhauer Raimund Kummer 1987 seine „Schwelle“. Inmitten eines wild bewachsenen Grundstücks ragt ein über sieben Meter hohes Tor in die Höhe. Mit zwei bewegbaren Flügeltüren kommt das Objekt einem Werkstor gleich und spielt auf die industrielle Vergangenheit der Region an. Doch wozu dient eine Tür, wenn es keinen Innen- bzw. Außenraum gibt? Eine Schwelle markiert eine Grenze, die ein müheloses weitergehen verhindert. Wer die Einladung zur Überschreitung der Schwelle annimmt, dem eröffnen sich neue Perspektiven. So steht Kummers Schwelle nicht nur für den Abschied von einer industriellen Vergangenheit, sondern zugleich für den Ausblick auf ein neues Zeitalter der Region, die im Wandel begriffen ist.

Anlässlich dieser NEUENTHÜLLUNG sprechen:
Prof. Dr. h.c. Walter Smerling, Sprecher der Projektgruppe Kunst im öffentlichen Raum
Dr. Mario-Andreas von Lüttichau, Kurator Museum Folkwang
Prof. Dr. Wolfgang Heit, Vorsitzender des Vorstands der Brost-Stiftung

DER KÜNSTLER IST ANWESEND.

Wieder zurück, dort wo sie hingehört

    [jpg] Da stand sie nun, die Figurine „Jeune fille debout“ von Aristide Maillol. 2012 war der Erwerb der Figurine, die Karl Ernst Osthaus 1904 erworben und anfangs als Leihgabe dem Essener Folkwang Museum überlassen hatte. Später in Zeiten der „entarteten Kunst“ der Nazis wurde sie zurück in den schützenden Privatbereich von Gerdrud Osthaus verbracht. Jetzt ist sie, die Skulptur, da wo sie immer hin gehörte, in der Sammlung der Familie Osthaus – dem Folkwang Anfangsbestand der Essener.
Es war Liebe auf den ersten Blick den das Ehepaar Osthaus gegenüber der Figurine „Jeune fille debout“ von Aristide Maillol empfand.

 Sie sahen diese zarte geschnitzte Holzfigur, die eine eher klassische Haltung aufweist. Wenn man sich in die Figur vertieft könnte sie genauso aus der Antike stammen. Maillol, neben Rodin einer der ganz Großen der europäischen Bildhauergeneration des 20.Jahrhunderts, wollte nicht nur eine schöne Skulptur schaffen. Vielmehr wollte er die scheinbar gegensätzlichen Begriffe wie „Natur und Idee“ einer Einheit zuführen, die er das Wahre und Reine nannte.

     

Die Figur ruht in sich selbst, schaut in eine ferne Welt die für den Betrachter eine unerreichbare Welt darstellt. Ihr leichter stolzer erhobener Kopf ruht auf einem relativ kurzen Hals der in einen Körper übergeht der nicht als klassisches Schönheitsideal gelten kann. Doch durch die Haltung strahlt dieser Körper eben diese idealtypische Schönheit aus, die wir so lieben. Die Figur wird von einem Hauch an Stoff umhüllt, der die kleinen aber festen Brüste umrahmt, Der Stoff scheint nach unten mit dem Körper zu verschmelzen, wobei er durch die linke Hand zusammen gerafft gehalten wird. Der Stoff dient in seiner Drapierung als Rahmen um der Figur die Leichtigkeit zu geben. Das linke Bein ist leicht nach vorne gebeugt, so als wenn sie sich für einen besonderen Anlass positionieren will. „Schaut her, ich bin es“, so will sie uns sagen. Ja sie spricht mit dem Betrachter den sie sofort gefangen nimmt. Es ist ein zweiter Effekt den die Figur erzeugt, man fühlt sich mit ihr angekommen. Die Rückseite zeigt eine gelockte Haarpracht die wie scheinbar mit der Bekleidung verschmilzt. Durch die Haltung könnte die Figur auch gerade einem Bad entstiegen sein. Es geht etwas berührendes von dieser Plastik aus und man versteht warum sich das Ehepaar Osthaus in diese Figur verliebt hat.

Aristide Maillol hat nicht viele Holzplastiken geschnitzt, man schätzt so an die 5 Plastiken, die außerdem Anfangs noch in den Bereich Kunsthandwerk verband werden sollten. Auguste Rodin setzte sich jedoch nachhaltig für Aristide Maillol ein, so dass wir heute auf ein umfangreiches Künstlerleben blicken können. Sein Einfluss wirkte auf die Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, Georg Kolbe, Arno Breker oder Constantin Brâncusi und Henry Moore, sie alle ließen sich von Maillol inspirieren.

   


Sponsoren und Museumsleitung vor der beeindruckenden Holzskulptur

 

So wusste der neue Direktor des Folkwang Museums Tobia Bezzola diese frühe Holzskulptur von Maillol als besondere erfreuliche Neuerwerbung zu begrüßen. Diese Neuerwerbung wurde ermöglicht durch die Kulturstiftung der Länder, des Landes Nordrhein – Westfalen, des Minsteriums für Familie, Kinder,Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kunststiftung NRW sowie der Eugen-und-Agnes-von-Waldthausen-Platzhoff-Museums-Stiftung. Deren Vertreter sämtlich anwesend waren.

Es ist irgendwie ein schönes Gefühl zu sehen wie etwas nach Hause kommt und sich wie in einer Familie einfügt.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen

Alle Fotos © Linde Arndt

Hanna Arendt ist nichts für biedere Menschen mit provinziellen Vorstellungen

Der Staat Israel heute zwischen Verweltlichung und Staatsreligion

[jpg] Der Film Hanna Arendt war schon lange (über) fällig. Er kommt sehr spät  – aber auch gerade richtig –  wie die Diskussion um die Rankingliste des Simon Wiesenthal Center (SWC), Los Angeles über die schlimmsten Antisemiten zeigt. Das amerikanische Simon-Wiesenthal-Center hat den deutschen Journalisten und Verleger Jakob Augstein auf  seiner Ranking Liste der schlimmsten Antisemiten auf den 9. Platz gesetzt. Angeführt wird diese Liste der schlimmsten Antisemiten zu Recht von der ägyptischen Muslimbruderschaft oder dem iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Augstein hatte in Artikeln Vergleiche zwischen palästinensischen Extremisten und ultraorthodoxen Juden in Israel vorgenommen. Rabbi Abraham Cooper, stellvertretender Direktor des SWC, der diese Liste herausgibt, verteidigte vehement diese Liste, indem er auch auf den Journalisten und Publizisten Henryk M. Broder, Deutschland verwies, der Augstein aus Deutschland als Antisemit bestätigte. Augstein als kritischen Journalisten zu sehen ist eine Normalität. Journalismus ist immer kritisch – sollte er zumindest sein. Und als Freund, Israel kritisch zu betrachten sollte in einer Zeit des angepassten Journalismus doch wohl begrüßt werden? Jakob Augstein ein kritischer Journalist gegenüber Israel, ja, aber als Antisemit, um Gottes Willen, nein.

Es ist nicht alles zum Besten in Israel, immer wieder rückt der Frieden für Israel und seine Nachbarn in weite Ferne. Jederzeit könnte ein Fass zum überlaufen kommen, welches die halbe Welt wegspülen könnte. Man sollte nun meinen, dass Israel Freunde von Feinden (von denen Israel genug hat) unterscheiden gelernt hat. Oder dass das SWC durch seine jahrelange Arbeit nicht leichtfertig Personen in einer Rankingliste anprangert. Nein, beide reagieren auf Kritik immer wieder genervt, vor allen Dingen wenn diese Kritik von einem Deutschen kommt. Liegt es vielleicht daran, dass  Israel als Staat sich von ultraorthodoxen Juden dominieren lässt? Immerhin sind das 10% der jüdischen Religionsanhänger, die fanatisiert den Staat Israel in Schwierigkeiten bringen. So kommt es immer wieder vor, dass ultraorthodoxe Juden Frauen verbieten in normaler europäischer Bekleidung in dem selben Bus wie sie selber zu fahren, ja, sie sogar auf das schlimmste  beleidigen oder auf die Straße setzen, worauf sich israelische Frauen genötigt sahen die Buslinie zu verklagen. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist dort ein Fremdwort. Und schon drängt sich einem der Vergleich zwischen den Religionsgemeinschaften Islam und dem Judentum in den Sinn, beide haben mit der Gleichberechtigung erhebliche Schwierigkeiten. Warum diese Sätze als Einleitung? Die Widersprüchlichkeiten, die ultraorthodoxe Religionen in einem modernen Staat hervor gerufen haben und immer noch hervor rufen, sollten zu einem allgemeinen Wissen gehören.


Adolf Eichmann  Foto: Israel
Government Press Office
   

Die Zeit in welcher der Film spielt – Aspekte

Nun zu dem Film „ Hanna Arendt – Ihr Denken veränderte die Welt“. Zeitlich beginnt die Handlung des Film 1960, mit der Entführung Adolf Eichmanns in Argentinien durch den Mossad.
Darauf folgte der Prozess vor einem Jerusalemer Bezirksgericht. Das Urteil: Tod durch den Strang. Hanna Arendt hatte eine Gastprofessur an der renommierten Princeton University, an der University of Chicago und an der Graduate Faculty der New School for Social Research in New York. Eine der ersten Frauen die selber lehrten, und das mit Erfolg. 

In der jungen Bundesrepublik von 1960 waren die Nürnberger Prozesse erst rund 11 Jahre vorher noch durch die Alliierten  beendet worden. Die letzten Urteile wurden abgemildert, man wollte ein Ende der Aufarbeitung. Der "kalte Krieg" hatte sich in Deutschland eingerichtet. Die Wiederbewaffnung Deutschlands war abgeschlossen. Adenauer hatte die letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion zurück geholt. Und das sogenannte Wirtschaftswunder brachte traumhafte Umsätze für viel Unternehmen. Jedoch fanden viele Deutsche es unerträglich, dass die deutsche Justiz in der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit keinen Ehrgeiz entwickelte und die meisten Naziverbrecher unter uns lebten und es sich gut gehen ließen.

Der hessische Generalstaatsanwalt Bauer und Hermann Langbein mussten 1959 vor dem Bundesgerichtshof erst die Möglichkeit einer Zusammenführung von Einzelklagen in dem riesigen Auschwitzprozess erstreiten. Auf Basis von Einzelklagen hätte der Komplex der Auschwitzverbrechen Jahrzehnte gedauert. 1961 endete der Eichmann Prozess in Isarel und 1963 begann der erste Auschwitzprozess.
In dieser Zeit spielt der Film. Beide Seiten, Opfer als auch Täter hatten sich irgendwie in ihrer Rolle eingerichtet. Abgemacht waren die moralischen Attribute, die unverrückbar und nicht verhandelbar waren, quasi wie in Stein gemeißelt die auch  immer wieder holt wurden. Die Deutschen Nazis waren Dämonen die aus dem Nichts über die europäischen Juden hergefallen waren und letztendlich deren systematische Vernichtung betrieben hatten, so die Sprachregelung.

 
Darsteller und PolitikerInnen auf dem roten Teppich vor der Lichtburg Essen bei der Deutschlandpremiere des Films
"Hannah Arendt"   Foto: © Linde Arndt
 

Der Beginn, das Umfeld und der Weg der Hanna Arendt

Hanna Arendt sah es als eine besondere Herausforderung, an dem Eichmannprozess als Berichterstatterin teilzunehmen. Sie bewarb sich bei dem „The New Yorker“, einem Magazin welches für seine Kommentare, Kritiken, Essays und seinen klaren und unnachgiebigen Journalismus einen außergewöhnlichen Ruf erarbeitet hatte, um die Berichterstattung. Der damalige Chefredakteur  William Shawn sah Hanna Arendt als Berichterstatterin des "The New Yorker“ im Eichmann Prozess  als einen Glücksfall für sein Magazin an.
Hanna Arendt akkreditierte sich, fuhr nach Jerusalem und nahm an dem Prozess teil. Für die Presse war von Seiten der israelischen Justiz alles bestens organisiert. Die israelische Justiz wollte sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt  sehen, man würde keinen rechtsstaatlichen Prozess führen.


Hauptdarstellerin Barbara Sukow  Foto: © Linde Arndt
  Das die unrechtmäßige Entführung Eichmanns durch den Mossad (Auslandsgeheimdienst) grundsätzlich eine Unrechtmäßigkeit war, war in diesem Zusammenhang nicht von Relevanz. Nichts desto trotz wurde es aber diskutiert. Hanna Arendt beobachtete, fragte, las die Gerichtsprotokolle, sprach mit Kollegen, mit Verwandten, Freunden und Bekannten. Vor allem mit dem väterlichen Freund Kurt Blumenfeld, einem Zionisten, suchte und fand sie den geistigen Austausch. Da die israelische Justiz nichts falsch machen wollte, flossen  selbst die kleinsten Vorkommnisse und Indizien in den Prozess mit ein. Zu jedem vorgetragenen Detail wurde Eichmann befragt, der sich sehr oft auf den Befehlsnotstand zurück zog, wenn er zu einer Entscheidung befragt wurde.

Hanna Arendt beobachtete Gestik, Mimik, Wortwahl aber auch Tonfall, Inhalte nahm sie nebenbei wahr oder las sie später in den Protokollen.

 Mit Kisten voller Protokollblätter ausgestattet verabschiedete sie sich von ihren Freunden und Bekannten aus Jerusalem um in New York mit dem schreiben anzufangen.
Jetzt kam das was in der ganzen Welt für Aufregung sorgte, nämlich die Deutung des Tuns eines Adolf Eichmann. Durch die Aussage von Hanna Arendt: Die „Banalität des Bösen“ stellte sie Adolf Eichmann in einem Vakuum des menschlichen Daseins ab. Wie kann ein Mensch etwas Böses tun, wenn er nicht gut von böse unterscheiden kann. Wenn er mordet ohne noch nicht einmal im Ansatz zu wissen welchen Wert das Leben hat? Zu dem gleichen Schluß kam schon einmal ein britischer Journalist der den Auschwitz Lagerkommandanten Rudolf Höß befragte: Was haben sie sich bei der Vernichtung von den vielen tausend Menschen gedacht? Und Höß antwortete: Ich habe doch nur meine Produktionszahlen gegenüber dem Reichssicherheitshauptamt erfüllt.
Also das gleiche Phänomen beobachtet Hanna Arendt bei Adolf Eichmann, nur sie wusste nichts von den Vernehmungen  des Rudolf Höß. Wie sollte man jemand –  und darüber hinaus ein ganzes Volk –  für etwas dämonisieren, wenn die Unterscheidungsfähigkeit nicht mehr vorhanden war?
Wenn diese Leute aßen, aßen sie nur weil ihnen jemand gesagt hatte, sie sollen essen, sie heirateten oder liebten weil man ihnen sagte sie sollten heiraten oder lieben. Inhaltlich hatten sie ihr gesamtes Koordinatensystem verloren. Aber hatten sie jemals eines besessen? Das nächste was Hanna Arendt bemerkte war  – Eichmann war nicht mehr in der Lage zu denken. Denn er konnte ja nicht diesen Abgleich mit seinem Inneren und dem Äußeren herstellen um sodann eine Einordnung in Gut oder Böse, Schön oder Hässlich vorzunehmen. Er war letztendlich Nichts und banal. Was blieb ist das Böse der Tat gewesen.
Diese radikale Betrachtung von Hanna Arendt brachte sie mit ihrer damaligen sozialen Umwelt in erhebliche Schwierigkeiten, Freundschaften zerbrachen und Menschen zogen es vor nicht mehr mit ihr gesehen zu werden. Sie, die sehr großen Wert auf die Beziehung zu ihren Freunden und Bekannten legte, litt auch darunter. Das hinderte sie jedoch nicht ihre Betrachtungen und Aussagen weiter zu verfolgen. Sie rechtfertigte sich nur dort wo sie ein gewisses intelligentes Niveau erkannte. Ihr Lebenswerk ist ein geschlossenes Werk, welches keiner Zusammenfassung bedarf.

Zum Film selber

Margarethe von Trotta hat in ihrer eigenen sensiblen Art eine menschelnde Hanna Arendt gezeichnet die nur einmal vor ihrer Studentenschaft ihre Positionen erläuterte und damit ihren messerscharfen Verstand zeigen durfte. Auf der anderen Seite ließ sie der Schauspielerin Barbara Sukowa den Platz den sie brauchte um das menschliche der Hanna Arendt (Barbara Sukowa) zu zeigen.

Hanna Arendt wurde von ihrem Mann Heinrich Blücher (Axel Milberg) als Frau bestätigt, die eben nicht arrogant und ohne Gefühl war, indem sie Zärtlichkeiten austauschen durften. Kurt Blumenfeld (Michael Degen) war derjenige, der Hanna Arendt angeblich als väterlicher Freund verstand und letztendlich ihr nicht folgen wollte. Und da war noch ein Freund der verbittert Hanna Arendt die Treue brach, Hans Jonas (Ulrich Noethen) der Philosoph, der die Verantwortung zum Prinzip erhob.

 
v.l. Barbara Sukowa und Margarethe von Trotta 

. Ach ja, natürlich Freundin Mary McCarty (Janet McTeer) bei der Hanna Arendt ihren Ausgleich suchte und fand. Die schauspielerischen Leistungen  sind überzeugend, soweit sie den geschichtlichen Vorgaben folgten. Was etwas irritierte ist die Grenzgängerei zwischen Dokumentar- und Unterhaltungsfilm. Hanna Arendt war eine starke Frau, aber doch eben eine starke Frau, wie es eben auch starke Männer gibt. Und muss ich Weiblichkeit beweisen indem ich auf die emotionale Ebene gehe? Es ging und geht um eine herausragende Denkerin die ihresgleichen sucht und die von einem herausragenden Philosophen dem deutschen Carl Jaspers gebeten wurde eine Laudatio zu schreiben und vorzutragen. Ist das nichts?
Dann die Zeit in der der Film aufsetzt. Es war die Zeit der großen gesellschaftlichen Umwälzungen und zwar weltweit. In der New School for Social Research in New York City in der Hanna Arendt und Hans Jonas lehrten gab es nicht den Hort der Harmonie. Überall wurde um einen neuen Werte-Kanon gerungen.
Wenn man den Film als Unterhaltungsfilm mit dem Ansatz des Einstiegs in die Gedankenwelt einer Hanna Arendt nimmt, kann man ihn ohne Umschweife empfehlen. Überwiegend macht der Film neugierig, mehr von der Person Hanna Arendt und der damaligen Zeit erfahren zu wollen. Als Dokumentarfilm ist er allerdings nicht zu empfehlen, trotz der Einblendungen in den Eichmann Prozess. Sehenswert aber ist er allemal.

   
Das Filmteam nach der Premiere vor dem roten Vorhang in der Lichtburg                                                   Foto: ©  Linde Arndt                                                                                               
 

Epilog

Später sollte das Ehepaar Mitscherlich Hanna Arendt Recht geben, indem sie in dem modernen „Massenwahn” und die Übertragung des kollektiven Ich-Ideals an einen „Führer” in extremer Form im Nazireich realisiert sahen. Die Unfähigkeit zu trauern attestierten die Mitscherlichs den Deutschen indem sie (Die Deutschen) sich in die Realisierung ihres Wiederaufbaus warfen um die begangenen  Untaten zu verdrängen. Und eine Zeit weiter sollte es Horst Eberhardt Richter sein der der Verantwortung eine Möglichkeit von Anonymität zuschrieb. Wurde das Böse dadurch gerechtfertigt, also gab es keine Verantwortung? Nein, es gab die Verantwortung als Individuum soweit es nachweisbar war und ist. Was ist mit der Zukunft? Mitscherlich und andere schreiben, solange das Kritische  im Menschen eine gewisse Stärke vor weist, droht nicht die unsägliche Vermassung wie im Nazireich und damit die Anfälligkeit gegenüber Ideologien.
Hanna Arendt war in keinster Weise anfällig gegenüber Ideologien und diesem Massenwahn der auch wieder heute zu beobachten ist. Sie konnte etwas, was viele, auch heute wieder, verlernt haben: Denken. Und das ist es was uns eine Hanna Arendt vererbt hat: Denkt, denkt, denkt, sonst seid ihr eines Tages verloren.
Die Premiere im Essener Lichtburg wurde durch die NRW Ministerpräsidentin Hannelore Kraft  und ihrer Stellvertreterin Silvia Löhrmann, sowie der Ministerin für Medien Dr. Angelica Schwall-Düren „geadelt“

Der Film „ Hanna Arendt – Ihr Denken veränderte die Welt“ läuft inzwischen in den umliegenden Programmkinos von Wuppertal (Cinema) oder Bochum (Union Kino).

Nachfolgend der Trailer des Films.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen.

1. Kulturkonferenz mit Focus auf 2020

 

 
Teilnehmer der 1. Kulturkonferenz in Essen                                                                                                                          Foto: © Linde Arndt
 

[la] Es ist zwar schon einige Zeit her, dass in Essen die 1. Kulturkonferenz RUHR stattgefunden hat, wir möchten aber dieses Ereignis vor Abschluss des Jahres 2012 gerne noch dokumentieren.

Nachdem wir das Kulturhauptstadtjahr RUHR2010 von Anfang bis Ende gelebt haben, unser Bildarchiv mit tausenden von aufregenden Zeitdokumenten gefüllt und viele Artikel und Kommentare dazu verfasst haben, begleiten wir auch jetzt die Bemühungen, den Geist der Metropole Ruhr weiter leben zu lassen.

So fand also am 15. September 2012 die erste Konferenz statt, in der über Projekte, Netzwerke und Synergien aus dem Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 gesprochen wurde und wie diese nachhaltig zu nutzen seien. Eingeladen hatten das nordrhein-westfälische Kulturministerium und der Regionalverband Ruhr (RVR). Auf dem Welterbe Zollverein fanden sich mehr als 450 Teilnehmer ein und  diskutierten, aufgeteilt in mehrere Foren, am Nachmittag über die Zukunft der regionalen Kultur nach RUHR.2010 und  die Themen:

  • Forum „Urbane Künste Ruhr – Experimente,
    Möglichkeitsräume und regionale Allianzen“
    Impuls und Leitung: Katja Aßmann, Künstlerische Leitung Urbane Künste Ruhr und
                                    Lukas Crepaz, Geschäftsführer Kultur Ruhr GmbH
    (s. hierzu auch die PDF-Dokumentation der Metropoleruhr)
  • Forum „Kultur- und Kreativwirtschaft:  Zukunft durch Innovation“
    Impuls und Leitung: Prof. Dieter Gorny, Geschäftsführer der european centre for
                                    creative economy GmbH (ecce) Thomas Westphal, Geschäftsführer                  
                                    der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (wmr)
    (s. hierzu auch die PDF-Dokumentation der Metropoleruhr)
 
Katja Aßmann       Foto: © Linde Arndt
   
Axel Biermann                Foto: © Linde Arndt
   
Prof. Dieter Gorny      Foto: © Linde Arndt

Der Vormittag begann mit einem Beitrag  des RVR, der erstmals öffentlich das Konzept des Großprojektes "Metropole Ruhr 2020" vorstellte, welches gemeinsam von Städten, Wirtschaft, Wissenschaft und regionaler Kultur getragen wird. Das erste Programm mit dem Thema "StadtKlima" soll bereits im Jahre 2014 starten. Die Teilnehmer der Konferenz stimmten diesem Vorschlag zu.

(Über die  Kultur-Kooperationen in der Metropole Ruhr gibt es bereits von der RUHR REVUE eine Übersichtskarte die wir Ihnen hier als pdf zur Verfügung stellen.)


Pius Knüsel             Foto: © Linde Arndt
   Pius Knüsel, Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia und Autor der umstrittenen Thesen zum „Kulturinfarkt“, hielt einen Impulsvortrag über
   "Kulturinfarkt" versus "Fähigkeit zur kulturellen Innovation"
wobei er thematisch die Herausforderungen künftiger staatlicher Kulturförderung besonders hervor hob aber auch in Frage stellte.

Ihm entgegnete Prof. Heiner Goebbels, der Intendant der Ruhrtriennale, zu den Fragen nach der Mittelverteilung zwischen etablierter und freier Kultur, indem er die Meinung vertrat, dass eine Förderung sich nicht an der Größe der Häuser, sondern an der künstlerischen Qualität und kulturellen Innovation ausrichten sollte.

(Die Rede von Pius Knüsel finden Sie als pdf in unserem Download-Bereich.)

Als nächstes befasste sich ein Podium, bestehend aus Kulturministerin Ute Schäfer und Kulturdezernenten der Städte Oberhausen (Apostolos Tsalastras), Essen (Andreas Bomheuer), Dortmund (Jörg Stüdemann), Bochum (Michael Townsend) ,  sowie des Kreises Unna (Rainer Stratmann), mit den Erwartungen der Kommunen und des Landes an die regionale Kultur.

Oliver Scheytt, ehemaliger Geschäftsführer der RUHR 2010 GmbH, führte die Moderation.

 
Ministerin Ute Schäfer und Prof. Dr.  Oliver Scheytt              Foto: © Linde Arndt

Es wurden aber auch Stimmen laut, die meinten, dass nur über die neue Säule "Urbane Räume" diskutiert wurde und dass  die im Jahr 2010  im Kulturhauptstadtjahr hervorgetretenen "Starke Orte" irgendwie vernachlässigt würden. Den Vorwurf wies Markus Ambach (MAP) zurück indem er fand, dass sich die "Starken Orte" erst einmal organisieren sollten. Indirekt zweifelte er die Ernsthaftigkeit des Auftretens der Vertreter der "Starken Orte" an. 

Über allem aber steht, was Oliver Scheytt anlässlich der 1. Kulturkonferenz betonte, dass es wichtig ist, den Geist der Kulturhauptstadt weiter in die Zukunft zu tragen.

Linde Arndt für EN-Mosaik aus Essen

[Weitere Fotos der Veranstaltung finden Sie in der Fotogallery Linde Arndt]

 

100.000 Besucher in der Ausstellung Im Farbenrausch – Munch, Matisse und die Expressionisten

[essen]  Am 23. November 2012 konnte das Museum Folkwang den 100.000sten Besucher in der
Ausstellung Im Farbenrausch – Munch, Matisse und die Expressionisten begrüßen.

 
v.l.n.r. Andreas Bomheuer (Kulturdezernent Essen), Karin Reininghaus-Ihln, Heinrich Ihln, Stephan Muschick (RWE) Foto:Museum Folkwang
 

Heinrich Ihln und Karin Reininghaus-Ihln aus Essen hatten sich genau überlegt wann sie die Ausstellung
besuchen wollten und sich schon lange vorher für den November entschieden. Natürlich waren Sie sehr
überrascht als Ihnen der Essener Kulturdezernent Andreas Bomheuer zusammen mit Dr. Stephan Muschick
(RWE) einen Blumenstrauß und Katalog der Ausstellung überreichte.

Mit dem bisherigen Zuschauerzuspruch ist das Haus sehr zufrieden.
Die Ausstellung zeigt insgesamt 146 Gemälde und 7 Skulpturen, die aus Australien, USA, Israel, Russland,
Europa und Deutschland im Museum Folkwang noch bis zum 13. Januar 2012 zu sehen sind.

Geöffnet ist die Ausstellung zu folgenden Zeiten:
Montags geschlossen
Dienstag bis Sonntag 10 Uhr bis 20 Uhr
Freitags 10 Uhr bis 22.30 Uhr

Weitere Informationen unter: www.folkwang-im-farbenrausch.de

 

Im Farbenrausch – Munch, Mattisse und die Expressionisten im Museum Folkwang

[Essen, 17. Oktober 2012]

Bereits 30.000 Besucher in der Ausstellung Im Farbenrausch – Munch, Matisse und die Expressionisten.

Nach nur knapp zwei Wochen verzeichnet die Ausstellung Im Farbenrausch – Munch Matisse und die Expressionisten bereits über 30.000 Besucher. Noch bis zum 13. Januar 2013 werden die bahnbrechenden Werke der „Fauves“, der Expressionisten in Deutschland und Edvard Munch in Essen gezeigt. Die Ausstellung wird präsentiert vom Museum Folkwang und der RWE AG.

Die Ausstellung stellt erstmals den Norweger Edvard Munch und die „Fauves“, die sogenannten Wilden in der französischen Kunst – Henri Matisse, André Derain, Maurice de Vlaminck –, den Expressionisten in Deutschland wie Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und Franz Marc gegenüber.

Das Museum Folkwang weist auf die großzügigen Sonderöffnungszeiten hin:
täglich bis 20 Uhr,
freitags bis 22.30 Uhr,
montags geschlossen.

Der kostenfreie Folkwang-Bus fährt von Freitag bis Sonntag während der Öffnungszeiten des Museums alle 15 Minuten vom Essener Hauptbahnhof direkt zum Museum Folkwang.

     

Fotos: © Hans-Jürgen Palm für EN-Mosaik aus Essen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Leben hat viel mehr Facetten – ist reicher

[jpg] PACT Zollverein, Essen, 11 leere Stühle, daneben jeweils eine Flasche Wasser. Eine Person kommt herein stellt sich vor dem Publikum auf und lässt sich 1 Minute ansehen ( Sieht das Publikum an?) schweigt und setzt sich auf einen leeren Stuhl – dies weitere 10 mal mit einer jeweils anderen Person.

Weitere Akte: Die neutrale Stimme der Schweizer Tänzerin Simone Truong führt die 11 Personen in weiteren Durchgängen dazu sich vorzustellen, ihre „Behinderung“ zu nennen und wie sie sich in ein Theaterstück einbringen wollen. Die „Behinderung“ ist Trisome 21, Down Syndrom oder Mongoloismus, der Beruf ist Schauspieler und als Tänzer nach einem selbst gewählten Stück will man sich ein bringen. Menschen/Personen, behinderte Menschen/Personen werden zu Darstellern, Schauspielern, Tänzern in einem selbst gewählten Stück.
Der Pariser "Objekte-Choreograf" Jérôme Bel ( „The show must go on“, New York ) ist mit dem  Werk "Disable Theater" Teil der Inszenierungen der   Ruhrtriennale 2012. Die Darsteller sind „geistig behinderte“ Schauspieler des Zürcher Theaters Hora. Sie tanzen, sie singen oder zeigen rührend anmutende theatralische Darbietungen. Unterbrochen werden die Einzeldarbietungen durch die  Schweizer Choreografin und Tänzerin Simone Truong, die das schweizerdeutsch der DarstellerInnen des Hora Theaters übersetzt aber auch als Inspizientin in  „Disable Theater“ fungiert.

Es ist ein Theaterstück um Normalität, den Begriff Rolle, Schöne Künste, überhaupt den Begriff Schönheit oder was und wer vermag Kunst wem wie auch immer näher zu bringen. Dürfen die das?
Ja klar, die dürfen das.  Denn Kunst war noch nie normal, Kunst hatte nie Grenzen gehabt wie der Begriff Normalität. Wenn Kunst über Liebe spricht, spricht Kunst immer über die eine Liebe, die manchmal überdehnt wird und manchmal im Mief erstickt. Wenn Kunst über das Körperliche uns etwas vermittelt, so ist Kunst immer auch ein Stück weit außerhalb von selbst gesetzten gesellschaftlichen Grenzen. So wundert es nicht wenn die SchauspielerInnen des Theaters Hora aus Zürich, ihren Beruf mit Stolz, voller Trotz aber auch mit Würde dem Besucher nennen – ich bin ein Schauspieler. Stolz können sie allemal sein, haben sie doch mit diesem Stück „Disable Theater“ beim Theaterfestival „Festival d’Avignon“ ein durchaus positives Echo erfahren.

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Und so gehen die SchauspielerInnen in ihren selbst gewählten Acts bis an ihre körperlichen Grenzen und das wie selbstverständlich. Auf den 11 Stühlen sitzen 11 Schauspieler die sich kennen, die sich schätzen und man merkt, dass sie schon lange miteinander zusammen gearbeitet haben. Sie mögen sich, haben eine Gruppe gebildet wie jede andere Gruppe auch. Ist das normal? Ja! Man muss nur eine halbe Stunde die Choreografie in einer belebten  Fußgängerzone beobachten, dann bekommt man sicher einen erweiterten Begriff von normal.Wie berichtete Damian Bright von seiner Mutter: Sie hat gesagt ich gehöre in eine Freakshow. Er sagte es abschließend so wie wenn man etwas abgelegt hat. Und weiter sagte er, er ich habe Triesomie 21, das bedeutet ich habe ein Chromosom mehr – ich bin mehr.
Nach 90 Minuten „Disable Theater“ stellt sich eine neue Grenze von Kunst ein, geweiteter, offener und vielleicht ohne Grenzen. Richtig!

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen

 

Der Mensch als lebende Skulptur – ein Prozess

[jpg] Live Art ist ein recht junges und spannendes Kunstformat. Es ist aus dem Format der Performance hervor gegangen. Und es geht um die Schaffung von Kunsträumen, die mit dem Mensch und seinem Körper herbei geführt werden können. Ein flüchtiges Kunstwerk, welches nur einem Moment eine fiktive neue Realität schafft. Immaterielle Realitäten, die einmal eingegangen schon wieder vergangen sind. Denken Sie bitte einmal an das flüchtige Lächeln zwischen zwei Menschen die in einer Fußgängerzone oder einem anderen Ort aneinander vorüber gehen.

Und so ging die Ruhrtriennale unter Heiner Goebbels eine Partnerschaft mit dem Folkwang Museum in Essen ein, um „12 Rooms“ in deren Ausstellungsräumen aufzubauen. Der ehemalige Direktor des Folkwang Museums, Hartwig Fischer,  hatte sich spontan zu dieser Kooperation bereit erklärt. Die Live Art Arbeiten der Ruhrtriennale wurden mit dem Manchester International Festival (MIF) koproduziert. Als Kuratoren arbeiteten und unterstützten die Ausstellung „12 Rooms“ Hans Ulrich Obrist von der Serpentine Gallery, London, und Klaus Biesenbach vom MoMa ( Museum of Modern Art ) und dem PS1, New York. Dies sind nur einige Namen, die diese  Ausstellung ermöglichten, selbstredend steht hinter dieser Ausstellung auch ein Team, welches die Voraussetzungen für diese Group Show schafften. Diese Group Show wird  im nächsten Jahr mit „13 Rooms“ in Sydney kuratiert und wer weiß, vielleicht auch noch in anderen Städten.

Bevor die Austellung eröffnet werden konnte wurde der rote Teppich ausgerollt. Für wen? Für die offizielle Ruhrtriennale Festivaljury, die aus Heranwachsenden von drei Gesamtschulen der Städte Gelsenkirchen, Duisburg und Bochum besteht. Und so kamen die Heranwachsenden über den roten Teppich, ließen sich geduldig von uns interviewen und machten sich an ihr Werk die „12 Rooms“ für sich erfahrbar zu machen. Die Heranwachsenden tauchen bei allen Eröffnungen der Ruhrtriennale auf, sie sind gleichrangige Partner im Rahmen des „No Education“ Projektes. Dieses Projekt soll Schluss machen mit den >adults  only< – Bezirken. Ein schönes und auch logisches Projekt.  

Zur Ausstellung selber, die bedingt durch die zahlreichen Eröffnungsbesucher etwas verloren hatte. Denn eigentlich wäre es besser, einzeln diese Räume zu betreten und die intimen, flüchtigen Begegnungen wahrzunehmen und für sich selbst  erfahrbar zu machen.

     Allora & Calzilla, zeigten mit ihrem Werk „Revolving Door“ (2011)  ein Werk in dem Menschen  in einer Gruppe Positionen einnehmen und wie eine Menschmaschine funktionieren.  Die Sinnfrage wird hier anders beantwortet. Betritt man den Raum so gerät man in eine lebende Drehtür die von Damen und Herren dargestellt werden, die bei berühren sich tänzerisch dreht wobei man in den Raum geführt wird. Es wirkte auf mich wie eine lebende Begrüßung, die man erstaunt annahm.

      Santiago Sierra, zeigte mit seinem Werk „Verterans of the wars of Yugoslavia, Bosnia, Kosovo and Serbia facing the corner“ (2012) einen Soldaten in Camouflage Uniform, der mit seinem Gesicht in eine Ecke schaute. Kein Wort, keine Bewegung. Beim Betrachter entsteht das Bedürfnis Fragen zu stellen, Fragen nach dem Krieg, Fragen nach dem "Warum". In den Phantasien kommen Bilder von Kriegshandlungen auf. Die Sniper von Serajewo, die vielen Kriegsgräuel. Man fühlt sich allein gelassen, denn eine Antwort wird es nicht geben. Ein Gefühl des Unbehagens schleicht sich ein.

      Marina Abramovic, zeigte ihr Werk „Luminosity“ (1997). An einer Wand sitzt aufrecht ein nackter weiblicher Körper auf einem „Fahrradsattel“. Die Frau sitzt wie gekreuzigt, die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale sind klar zu erkennen. Die Frau schaut gerade aus auf die gegenüberliegenden Wand. Der Eindruck, die Frau könnte jeden Moment von der Wand fallen, blockiert das weitere Denken. Die Frage kommt auf: wie lange hält diese Frau das aus, diese Position muss doch schmerzhaft sein, zwingt sowohl zum verweilen als auch zum gehen. Es sind die Grenzen des Schmerzes, der Erschöpfung und der Gefahr die durch das Material Körper erfahrbar oder gesucht werden.


     Xu Zhen, „In just a Blink of an Eye“ (2005). Xu Zhen zeigt mit ihrem Körper einen augenscheinlich instabilen Zustand als Zwischenstatus. Durch die Bekleidung ist sie als eine von Millionen Wanderarbeiter in China auszumachen.
Aber, auch die Welt ist bei ihr instabil und bewegt sich immer in diesem einen instabilen Zustand der offensichtlich zur bleibenden Realität geworden ist.

Obige Live-Acts stellen nur einen Ausschnitt aus den insgesamt 12 Inszenierungen dar. Am Ende der Seite haben wir noch eine kleine Galerie für Sie erstellt..

Die Begegnungen in den 12 Räumen bringen dem Einzelnen die Wertigkeit von Menschsein in sein alltägliches konditioniertes Bewusstsein. Erstaunen erfasst einen bei dem Erfahren der vorhandenen oder auch abhanden gekommenen Menschfacetten.

Es ist nicht so einfach Mensch zu sein. Für mich war es eine bereichernde Erfahrung wie in 12 Räumen unterschiedliche Gefühlswelten erzeugt werden können. Aber auch, wie in einem Museum, wie dem Folkwang Museum, die darstellende Kunst mit der bildenden Kunst eine wunderbare Kooperation eingehen kann. Kunst ist eben untrenntbar, es gibt nur die eine Kunst.

„12 Rooms“ ist noch bis zum 26. August im Folkwang Museum in Essen zu besichtigen.

12 Rooms – Live Art/Group Show
Museum Folkwang Essen
Museumsplatz 1
D-45128 Essen
bis 26. August. Di-So 10-18 Uhr. Fr 10-22 Uhr


Auszugsweise wurden hier nur vier der 12 Räume beschrieben.

Künstler: Marina Abramovic (RS), Jennifer Allora (US) and Guillermo Calzadilla (CUB), John Baldessari (US), Simon Fujiwara (J), Damien Hirst (GB), Joan Jonas (US), Xavier LeRoy (FR), Laura Lima (BR), Roman Ondák (SL), Lucy Raven (US), Tino Sehgal (GB), Santiago Sierra (ES), Xu Zhen (CN)

Kuratoren: Klaus Biesenbach und Hans Ulrich Obrist


 

Übrigens: Das Ticket zu 12 Rooms berechtigt zum einmaligen freien Eintritt in die Ausstellung Current von Michal Rovner in der Mischanlage, Kokerei Zollverein, Essen [anmerkung d. Red. : eine durchaus empfehlenswerte Videokunst-Ausstellung]
Tickets: 8,– €  Ermäßigungen ab 5,– €

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen
[Fotos: © Linde Arndt]

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Das Geheimnis ist gelüftet

     
v.l. Claus Wolff / Dr. Hartwig Fischer /  Oberbürgermeister Reinhard Paß und Architekt David Chipperfield
 

 

[jpg] Dr. Hartwig Fischer nannte das Museum Folkwang „Das schönste Museum der Welt“. Und Fischer sagte dies nicht nur einfach daher, er lebte dieses auch.

2006 – 2012 werden wir einmal als eine herausragende Zeit für das Folkwang Museum registrieren dürfen – die Dr. Fischer -Zeit. Es war eine spannende, inspirierende und schöne Zeit die uns Dr. Fischer schenkte. Professor Berthold Beitz, Vorsitzender der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, sagte im Dezember 2011 nach Bekanntgabe des Weggangs von Dr. Fischer : Wir haben uns nicht geirrt. Wir bedauern den Weggang eines tüchtigen Museumsmannes und beglückwünschen Herrn Fischer zu dieser neuen Herausforderung.“

Dr. Fischer ist nunmehr Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. eine der größten Kunstsammlung überhaupt mit einer großen Tradition. Es ist sicher eine der schönsten, größten und verdienstvollsten Herausforderung, welche die Museumswelt zu vergeben hat. Dr. Fischer ist der beste Mann den sich die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden nur wünschen konnten.

Allerdings war und ist dieser Weggang für das Folkwang Museum ein großer Verlust. So musste eine 9 köpfige Findungskommission die Nachfolge von Dr. Fischer regeln, wobei Herr Osthaus der Findungskommission beratend zur Seite stand. 24 Personen bewarben sich für die frei gewordene Stelle, 9 Personen wurden zu einem Gespräch eingeladen.. Andreas Bomheuer, Dezernent für Kultur und Integration der Stadt Essen wusste von einem breiten Anforderungsprofil an den neuen Direktor zu berichten. Er sollte eine fundierte wissenschaftliche Befähigung haben, Managementqualifikationen besitzen und ein souveränes kompetentes Auftreten in allen Bereichen erkennbar leben.


Dr. Tobia Bezzola
  Die einstimmige Wahl fiel auf Dr. Tobia Bezzola der vom Kunsthaus Zürich kommt. Dort war Bezzola seit 1995 als Kurator tätig und zusätzlich ab 2001 Leiter der Abteilungen Ausstellungen, Neue Medien, Fotografie und Wissenschaftlicher Leiter der Bibliothek. Promoviert hat Bezzola mit dem Thema: „Die Rhetorik bei Kant, Fichte und Hegel“.

Das Kunsthaus Zürich steht selber vor umfangreichen Veränderungen, es soll nunmehr zum größten Museum der Schweiz ausgebaut werden.

Der Vorsitzende des Folkwang-Museumsvereins, Dr. E.h. Achim Middelschulte begrüßte denn auch Dr. Tobia Bezzola auf der am 2. Juni 2012 anberaumten nationalen Pressekonferenz als einen erfahren Kurator, der über 30 Ausstellungen in Zürich umgesetzt hatte.

Gleichzeitig verwies Middelschulte auf das Museum Folkwang als eines der ältesten Museen in Deutschland das sich überwiegend mittels Public Private Partnership (PPP) finanzierte.
So fügt sich Dr. Bezzola im Bereich PPP ins Museum ein , wo er seine Erfahrungen im Bereich der PPP einbringen kann und den er weiter ausbauen will. Zürich ist ein Haus der modernen Kunst und hat in Europa und weltweit einen hervorragenden Ruf, eben wie das Folkwang Museum so Dr. Bezzola.
Dr. Bezzola freut sich auf die neue Aufgabe als Direktor des Folkwang Museums. Gefragt, was er in seinem Wohnzimmer an der Wand hängen hat, meinte er: Durch meinen Vater habe ich ein breites Feld an Fotografien an den Wänden hängen, die jedoch nur einen Fingerzeig bedeuten.
 
Dr. E.h. Achim Middelschulte

Ein großes Feld wird für mich die Gegenwartskunst einnehmen, der ich für die Zukunft einen weiten Raum einräume. So ist offiziell der 1. Januar 2013  als Beginn für das Direktorat vorgesehen. Dr Bezzola wird ab Oktober 2012 wochenweise dem Folkwang Museum zur Verfügung stehen. So wird die Orientierungphase im Museum Folkwang durch die üblicherweise schon vorgenommenen Vorbereitungsarbeiten erleichtert, weil die heutigen Ausstellungen eine teilweise jahrelange vorausschauende Vorbereitungszeit benötigen.

Angesprochen auf die finanzielle Situation des Museums, verwies Dezernent Andreas Bomheuer von der Stadt Essen auf die schon im Haushaltsplan bereitgestellten 5,5 Millionen Euro für die laufenden Kosten des Museums. Gleichzeitig kündigte Dr. E.h. Achim Middelschulte für das Folkwangkuratorium die Bereitstellung von 2 Millionen Euro für neue Ankäufe an, womit die aktuelle Kunst nach vorne gebracht werden soll.


Prof. Ute Eskildsen
     Es ist jedoch noch nicht alles was aus dem Folkwang Museum zu berichten ist.

Die langjährige Leiterin der Fotografischen Sammlung und derzeitige geschäftsführende Direktorin des Folkwang-Museums Prof. Ute Eskildsen geht am 31. Dezember in den Altersruhestand.

Für Prof. Ute Eskildsen ist bis heute noch keine Nachfolge gefunden worden.

So schließen wir uns dem Vorsitzenden des Folkwang-Museumsvereins, Dr. E.h. Achim Middelschulte mit einem herzlichen „Glück Auf“ für diese anspruchsvolle Aufgabe an.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen

 [Alle Fotos: © Linde Arndt]