Was war das denn?

[jpg]  2009 hatten wir Bürgermeister- und Kommunalwahl und es wurden in Schwelm und Ennepetal neue Bürgermeister gewählt. Da beide Städte dem Regierungsbezirk Arnsberg angehören, kam der Regierungspräsident Helmut Diegel am 24.2.2010 zu Besuch um mit beiden Bürgermeistern ein erstes Gespräch zu führen. In der Regel macht dies auch Sinn, denn ein Bürgermeister ist nun einmal derjenige der der Verwaltung vorsteht und im Wesentlichen auch die Geschicke einer Gemeinde beeinflussen kann, so er will.

  

Der Regierungspräsident steht einer so genannten "Mittelbehörde", der Bezirksregierung, vor, er ist politisch, wird aber von der Landesregierung ernannt und nicht vom Volk gewählt. Er ist das Bindeglied zwischen der Landesregierung in Düsseldorf und den Kommunen in seinem Bezirk. Er ist aber auch Aufsichtsbehörde und zuständig für ein, um es mal salopp zu sagen, planvolles Miteinander der Kommunen. Wenn man so will, hat er zwei Herzen in seiner Brust, einesteils die Landesregierung und andererseits die ihm unterstellten Kommunen.

So war der Besuch auch als Höflichkeitsbesuch folgender Maßen aufgebaut:

Auf Seiten der Bezirksregierung kamen:

Herrn Helmut Diegel (CDU) Regierungspräsident
Herrn Dr. Dirk Grete, Dezernent, Derzernat 11, persönlicher Referent

Frau Maria Büse-Dallmann (CDU), Dezernentin Fachaufsicht "Hauptschule" Dezernat 42
Herr Ferdinand Aßhoff (CDU), Regierungsdirektor Leiter der kommunalen Aufsicht, regionalen Entwicklung und Wirtschaft

und auf der anderen Seite:

Bürgermeister Jochen Stobbe (SPD)

der hatte die gesamten Fraktionsvorsitzenden als auch den Kämmerer und ersten Beigeordneten Jürgen Voß mitgebracht.

Nun Schwelm ist in der misslichen Situation ein Haushaltssicherungskonzept auf zu stellen. Die Schwelmer müssen 13 Mio einsparen, haben aber erst 6 Mio zusammen. Das tut weh, sehr weh. Wir können jetzt nur spekulieren was in den rund 90 Minuten im Sitzungssaal besprochen wurde. Augenscheinlich bergen aber das Thema Finanzen eine gehörige Portion Zündstoff. Nur, die Presse durfte erst in den Sitzungsaal rein, als alles schon gelaufen war. Nachdem ein paar Sekunden des gegenseitigen Schweigens vorüber waren durften wir unsere Fotos machen und "gnädigerweise" auch Fragen stellen.

So erfuhren wir folgendes:
Helmut Diegel findet die Aktion seines Kollegen Regierungspräsident (Düsseldorf) Jürgen Büssow (SPD) nicht angemessen, in der er sich mit 19 Kommunen aus dem Ruhrgebiet und dem Bergischen in Essen traf und letztendlich den Finanzminister Linsen dazu bat. Warum? Viele Kommunen sind am finanziellen Ende. Einer der Gründe, dass das Land als auch der Bund immer mehr Ausgaben auf die Kommunen abladen, jedoch nicht für den dementsprechenden Ausgleich sorgen. Die letzten Steuersenkungspakete in Höhe von 22 Mrd. bedeuten für die Kommunen einen Ausgabeverlust, dem keine Einnahme dagegen steht. Die "Tigerentenkoalitionen" in Berlin und Düsseldorf bereiten den Steuersenkungsbegehren nach der Landtagswahl NRW schon wieder neue Wege. Nur wer ist diesmal dran? Viele des so genannten Mittelstandes haben inzwischen gemerkt, dass sie ja keine Hotels haben, sprich sie sind zu kurz gekommen. Und das nicht seit heute. "Raus aus den Schulden / Für die Würde unserer Städte" so skandierten die 19 Städte vor dem Finanzminister. Nur, der hatte nur eine Antwort: Ich habe auch kein Geld. Das war es dann. Dieser Finanzminister hatte im Bundesrat für die Steuersenkungen mitgestimmt. Auch hatte er mitgestimmt, dass die Banken ihre Schrottanleihen in eine sogenannte "Bad Banks" ausgliedern durften. Und überhaupt, zur Rettung von Banken im Finanzsektor wurden Mrd. verpulvert. Genauso verhält es sich mit dem Bund, der seiner Schulden in ein Sondervermögen ausgliedern kann und konnte.

Der Bürgermeister sagte was sehr Zutreffendes: Hier auf kommunaler Ebene machen uns die Bürger als Staat aus, denn uns kann man anfassen, wir sind mitten unter den Bürgern. Uns macht man für etwas verantwortlich, was wir aber nicht zu verantworten haben. Beispiel: Es müssen zwei Kindergärtnerinnen ersetzt werden, kann die Stadt Schwelm aber nicht, weil ein Einstellungsstopp verhängt wurde. Die Eltern der Kinder werden sich nicht in Düsseldorf, Arnsberg oder Berlin bedanken, sondern der Bürgermeister bekommt die "Prügel".
Oder die Strassen. Durch den Winter wird die Stadt Schwelm wahrscheinlich 4 mal soviel  als im Vorjahr aufwenden müssen, um die Schäden zu beseitigen. Woher also nehmen?

Es wurde also "Tacheles" geredet um eine grundsätzliche Regelung der kommunalen Finanzen anzustreben. Der Regierungspräsident meinte aber beiläufig,  er werde vor der Landtagswahl keine Position beziehen, wie sein Kollege Jürgen Büssow, der sich immerhin auf die Seite der Kommunen positioniert hat. Wieso eigentlich?

Kommunale Finanzen, aber auch die kommunale Selbstverwaltung  sind keine parteipolitischen Themen, sie sind Grundrechte, welche der Staat garantiert. Das hier etwas im Argen ist, weiß jeder halbwegs gebildete Bürger.

Und diese Diskussion durfte die Presse nicht mitbekommen? Dabei ist Transparenz doch ein wesentliches Merkmal unserer Demokratie. Und wenn nicht die Presse, wer dann sollte den Diskurs befördern?  Demokratie ist eine streitbare Staatsform, streiten um einen besseren Weg, auch um die Selbstständigkeit der Kommunen.

Oder sind die Kommunen die Büttel des Landes und des Bundes, die den Kopf hinhalten sollen?
Wie dem auch sei, man merkte schon, es war nicht nur ein Austausch von Artigkeiten. Gönnerhaft übergab der Regierungspräsident ein 7 seitiges Papier seiner Behörde wie man konkret sparen kann. Wenn es denn so einfach wäre, warum wurde das Papier nicht veröffentlicht? Eine fröhliche und nette Runde hätte etwas anders ausgesehen, bei der Eintragung ins goldene Buch  machte der Regierungspräsident auch ein etwas gequältes Lächeln.

Ortswechsel.

Ennepetal. Hier herrscht, ja herrscht Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen, der der Kandidat der CDU war und das Bürgermeisteramt zwar knapp gewonnen hat, aber immerhin er hat es gewonnen.

Ennepetal konnte die Haushaltssicherung vermeiden weil es die so genannten "stillen Reserven" mittels einer kreativen Buchführung hob.
Das die Stadt Ennepetal trotzdem Schulden in wahrscheinlicher Höhe von 100 Mio hat, ist nicht so schlimm, Hauptsache die Welt ist noch in Ordnung. Nur in 2012 wird die Stadt wahrscheinlich 130 Mio an Schulden haben.

So ist es bei den Konservativen, die Welt sollte in Ordnung sein auch wenn das mit Schulden verbunden ist. Hier lief alles ganz friedlich ab, keine Spannung: "Friede, Freude, Eierkuchen" war angesagt, liebevoll wurde ein kleines Geschenk überreicht. Man ist in der gleichen Partei, man tut  sich nichts um dem politischem Gegner keine Munition zu liefern.  

Nur Wilhelm Wiggenhagen ist unseres Erachtens ein naiver Bürgermeister, der noch nicht weiß: wer als Zweiter stirbt, lebt zwar etwas länger, aber er stirbt auch.
Übrigens auch hier durften die Vertreter der Presse nur im Nachhinein in den Ratssaal. Was für ein demokratisches Grundverständnis! In Ennepetal sprach der Regierungspräsident von einem so genannten Korpsgeist, wo alle an einem Strang ziehen sollen. Wie bitte? Im Rat der Stadt brodelt es, viele Ratsmitglieder sehen die Situation etwas anders als der so genannte Schönredner Wilhelm Wiggenhagen. Es muss gespart werden, dass weiß jeder, und es wird aber nicht gespart, vielmehr werden Signale gesetzt die auf eine Ausgabensteigerung hindeuten. Macht ja nichts, wir haben es ja.
Und der Regierungspräsident, ja, der findet das gut und strahlt seine Parteigenossen oder heißen die Parteikollegen, egal, mit oder ohne Parteibuch an und spricht ihnen Mut zu. Für was? Für das nicht sparen? Ob das nun unsere 4 Bürgermeisterstellvertreter oder die Neuwahl eines ersten Beigeordneten ist oder aber die hohe Mitgliederzahl in den Ausschüssen, ist ja egal.

Schwelm hat Personal um rund 13% eingespart und hat jetzt Vollzeitstellen von 294,96. Wie viel wohl Ennepetal hat? Die Einwohnerzahl ist nur geringfügig anders.Und die Leistungen sind die Gleichen.

Mal sehen wie Herr Diegel in 2013 spricht wenn die Zinslast Ennepetal auch in die Haushaltssicherung bringt.
Vielleicht unterhalten wir uns eines Tages darüber, dass für unsere derzeitige Verwaltung weder Personal noch der Rat benötigt wird. Man kann das Ganze ja auch auf Automaten umstellen, die Software wird die Landesregierung stellen.

Wie gesagt. Wer als Zweiter stirbt, lebt nur etwas länger.

Was bleibt: Vielleicht sollten die Kommunen und die Bezirksregierung einmal überlegen ob nicht die Presse von Anfang an dabei sein sollte, es würde unserer Demokratie gut zu Gesicht stehen. Immerhin haben wir einen Artikel 5 im Grundgesetz aber auch ein Informationsfreiheitsgesetz seit 2006. Und von der Vernunft sollte man meinen, die Presse transportiert Meinungen aber auch Informationen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Schwelm und Ennepetal