Moral und Wirtschaft vertragen sich nicht

Martin Schulz  foto: Linde Arndt

[jpg] In der Wirtschaft gilt nur eines und dem hat sich alles unterzuordnen, der Gewinn. Er ist der Unterschiedsbetrag zwischen Einnahmen und Kosten. Mehr nicht. Unternehmer, privat oder öffentlich, erwirtschaften Gewinne, mit Produkten oder Leistungen. Ob Produkte Menschen bestialisch töten oder Menschen eine herausragende Lebensqualität erbringen ist dabei ohne Belang, Hauptsache der Gewinn stimmt. Im Dienstleistungsbereich verhält es sich genauso. Foreign Fighters, also ausländische Kämpfer nennt man die 15.000 Menschen, die gegen Geld in vielen Staaten dieser Welt für andere Mächte töten und morden. Früher waren diese Foreign Fighters, Kämpfer für die Freiheit und Demokratie des Staates für den sie von vielen Staaten Geld bekamen. Nachdem der Staat destabilisiert wurde, waren diese Freiheitskämpfer überflüssig. Was aber macht man mit einer bestes bewaffneten Truppe von 15.000 Menschen, wenn alle Staaten auf die man sein „Augenmerk“ gerichtet hatte, inzwischen sich zu failed states (gescheiterten Staaten) entwickelt haben?

Die 15.000 wollen Gewinn, sprich Umsatz machen. Nun, diese 15.000 machen sich selbstständig und bedienen sich indem sie mordend und plündernd durch die Lande ziehen. Ob sie nun IS,ISIS,Boko Haram, Taliban oder Al-Qaida heißen, alle haben ein Ziel den für sie maximalen Gewinn zu machen.

Sie finden das überzogen? Nein, es ist vielleicht zugespitzt, aber nicht überzogen.

Denn, wie sollen wir den Tod von rund 1.200 Menschen einordnen die in einer Textilfabrik in Bangladesh bei ihrer Arbeit getötet wurden. Es waren Sicherheitsmängel die diese Textilfabrik zum Einsturz brachte und die Menschen unter sich begrub. Ein Mehr von Sicherheit hätte Kosten verursacht und den Gewinn geschmälert.

Der deutsche Konsument hat nichts damit zu tun? Hätte er 10 Cent mehr für sein T-Shirt bezahlt, hätten die Arbeiterinnen nicht sterben müssen. Was soll es. Also, auch der Konsument ist ein wirtschaftendes Individuum, auch er möchte den größtmöglichen Gewinn.

Das alles ist ok, ist also alles im Bereich der Legalität. Deshalb gibt es einen Staat, der Rahmenbedingungen erarbeitet und diese auch überwacht um solche Exzesse nicht entstehen zu lassen. Was aber, wenn der Staat zu schwach ist, solche Rahmenbedingungen zu schaffen, ja sogar nicht in der Lage oder nicht bereit ist diese Rahmenbedingung durchzusetzen? Vorausgesetzt er will es überhaupt ändern? Die Konsequenz aus solchem Verhalten des Staates ist ein Vertrauensverlust. Denn ein Investor sagt sich doch, wenn der Staat heute so zu mir ist, wie ist er denn morgen zu mir – Unsicherheit macht sich breit.

Die Konsequenz ist ein Rückgang der privaten Investitionen mit allen Folgen wie fehlenden Steuereinnahmen oder steigender Arbeitslosigkeit und letztendlich Handlungsunfähigkeit des Staates. Nichts geht mehr.

Mangelndes Selbstbewusstsein und fehlende Kompetenz kommen dazu und schon hat man die 28 Staaten der EU skizziert, die sich anschicken Europa zu vertreten.

Was fehlt? Wachstum, Wachstum und nochmals Wachstum. Im dritten Quartal 2014 betrug das durchschnittliche Wachstum nur 0,3 % bei der 28er EU und nur 0,2% in der Eurozone. Wenn die statistischen Grundlagen sich nicht in 2014 verändert hätten, hätte die EU schon eine Rezension, denn seit 2014 gehen die Umsätze für Drogen, Prostitution und Waffenkäufe in die gesamtwirtschaftliche Betrachtung ein.

Jean-Claude Junker  Foto: Linde Arndt

Die Arbeitslosigkeit liegt bei der EU28 bei geschätzten 10,3 % für 2014. Vor allen aber die Jugendarbeitslosigkeit, die teilweise in den südlichen Ländern bei 50% liegt, lässt die neue Kommission mit ihrem Präsidenten Jean Claude Junker an der Spitze, dass Wachstum priorisieren. Viele Projekte wurde gestrichen oder aufs Eis gelegt nur um Platz zu machen für das eine Ziel, ein Wachstum bis 2017 zu schaffen, dass Arbeitslosigkeit beseitigt und Jobs schafft. Nicht das Spardiktat der deutschen Bundeskanzlerin soll in Zukunft die Wirtschaft auf Trab bringen, sondern Investitionen der EU (16 Mrd.) mit der EIB (Europäischen Investitions Bank) (5Mrd.) sollen endlich den ersehnten Durchbruch bringen. Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) so wird das Werkzeug genannt, was alles in Bewegung bringen soll. Wobei die 21 Mrd. Euro der EU Garantien sein werden. Garantien für Projekte aus allen 28 EU Staaten. Letztendlich soll das ein Investitionsvolumen von 315 Mrd. Euro bringen, rein rechnerisch, versteht sich. Es wurden sogar noch höhere Summen genannt. Parlamentspräsident Martin Schulz meinte so wird ein Klima des Vertrauens für Investitionen in der EU geschaffen, das auch für dementsprechendes Risikokapital eingesetzt werden könnte. Wenn die einzelnen Staaten selber dazu investieren, so werden diese Summen neutral im Haushalt angesetzt und nicht den vorhandenen Schulden zugeschrieben. Schulz appellierte denn auch an Banken und Unternehmen ihrer Verantwortung gerecht zu werden und in Europa zu investieren.

Appelle an die Wirtschaft? Damit Europa Weltspitze ist oder wird? Das ist doch etwas, was in die Ecke der Ethik/Moral gehört. Hat Herr Schulz nicht gehört, dass die Aktienunternehmen sich billige Kredite (Der Leitzins der EZB beträgt zur Zeit 0,05 %) besorgen. Statt zu investieren kaufen die Unternehmen ihre Aktien zurück. So weit zum Vertrauen in den europäischen Investitionsmarkt.

Womit wir wieder beim Anfang wären. Wenn die EU klar den Unternehmen gesagt hätte, wir haben ein Projekt mit denen ihr Gewinne machen könntet, tja dann wäre was los gewesen. So werden halt weiter in China, Indien oder Brasilien Investitionen getätigt, denn dort sind die Gewinne vielversprechend. Und die Moral von der Geschicht? Trau einem flüchtigen Kapital nicht.

Übrigens gibt es noch den Faktor Psychologie in der Wirtschaft. 65% macht er in der Regel aus.

Die Mehrzahl der Unternehmer in Euroland sehen die Sanktionen gegen die Russische Föderation mit gemischten Gefühlen, zumal niemand mit dem russischen Präsidenten sprechen mag. 6.000 Firmen hat alleine Deutschland in Russland am laufen. Daran hängen in Deutschland 300.000 Arbeitsplätze, wovon in 2014 rund 30.000 Arbeitsplätze verloren sind. Was soll ein Investor wohl denken wenn er diese politischen Entscheidungen betrachtet. Er würde, ganz, ganz vorsichtig sein mit seinen Investitionen.

Und so sind die neuen Pläne der EU die bis Mitte 2015 zum laufen kommen sollen, mehr Wunschdenken und Herbeireden, als klare Ansagen für einen Investor. Mut und Aufbruch für ein stabiles und nachhaltiges Wachstum hört sich anders an.

Jürgen Gerhardt für en-mosaik und european-mosaic aus Brüssel.