Koalition der Willigen in Ennepetal

 [jpg] Es ist immer die gleiche Leier in Ennepetal. Fünf Jahre haben die Ennepetaler einen politischen Rückschritt ertragen müssen. Einige hielten es nicht mehr aus und sind weggezogen. Wer geblieben ist hat sich auf niedrigem Niveau angepasst, es ist nicht weit zu den Nachbarstädten.

Fragt man die Politik, so waren es immer die anderen die Ennepetal nach hinten gebracht haben oder letztendlich die Ennepetaler selber. Jeder im Rat oder der Stadtverwaltung hat sofort einen Schuldigen parat. Von den einzelnen Parteien konnte man kein Parteiprofil ausmachen. Und diese Profilosigkeit übertrug sich auch auf die Stadt. Mitleid musste man haben, wenn Ennepetaler nach ihrem Profil oder auch Image befragt wurden. Die Kluterhöhle musste für die Profillosigkeit herhalten, deshalb auch die neuen Ortseingangsschilder. Ennepetal mit den Höhlenbewohnern auf einer Insel der Glückseligen?

2008/2009 brach die Wirtschaft in Deutschland ein, ein Minus von 5,1% hatte Deutschland zu verbuchen.

Daniel Heymann [CDU]  Foto: Linde Arndt

Daniel Heymann [CDU] Foto: Linde Arndt

Ennepetal tat so, als wenn das Tal der Ennepe die Stadt vor der Rezession und der Finanzkrise schützen würde. Die Gedankenlosigkeit und Oberflächlichkeit von Politik und Verwaltung brachte Ennepetal ein bis dato nicht dagewesenes Chaos. Von außen mussten Kräfte zu Hilfe eilen um einen Haushalt bei der Aufsichtsbehörde durch zu bekommen. Die Gewerbesteuer war eingebrochen und auf einem Stand, der noch nicht einmal die Pflichtausgaben erlaubte. Kredite mussten her und ein Haushaltssicherungskonzept wurde erstellt. Der Gipfel war die in diesem Zusammenhang gegründete AÖR zur Kapitalbeschaffung. Diese ganzen Konstrukte um den Haushalt wurden dann von der Firma Pricewaterhouse Coopers erstellt, weil Ennepetal die Kernkompetenz für solche Jobs fehlte. 300.000,–Euro kostete das die Stadt, ein Unding.

Dabei wusste jeder mit Allgemeinbildung, dass der Fokus der Stadt Ennepetal auf die Gewerbesteuer mit einem hohen Risiko behaftet ist. Denn gesamtwirtschaftliche Rezessionen oder Einbrüche ziehen Gewinneinbrüche bei den Unternehmen nach sich, was letztendlich zu einer Verringerung der Gewerbesteuer führt. Rund 50% weniger an Gewerbesteuerzahlungen durfte der Stadtkämmerer in Ennepetal verbuchen. Ein Pauckenschlag und Fiasko. Alternativen hätten jetzt her gemusst. Und das wären die Schlüsselzuweisungen gewesen, die aus der Einkommensteuer und dem Hauptwohnort berechnet werden. Schlüsselzuweisungen, dafür brauchte man aber Einwohner die Einkommensteuer zahlen, junge leistungsfähige Einwohner. Nur die hatte und hat Ennepetal nicht ausreichend. Die Stadt Schwelm bekam 3 Mio Euro und die Stadt Gevelsberg bekam 5 Mio Euro an Schlüsselzuweisungen. Warum? Weil diese beiden Städte attraktiver sind und dort Menschen wohnen die Einkommensteuer bezahlen. Ennepetal hatte nach der Wahl 2009 die Chance an seiner  Attraktivität zu arbeiten um Menschen nach Ennepetal zu locken. In den 5 Jahren hat man sich mit allem möglichen beschäftigt, nur nicht mit der Attraktivität oder einem Image der Stadt. Im Gegenteil. Man hat weiterhin das „graue Maus Image“ gepflegt. Jetzt hat sich der Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen, der von der CDU auf das Schild gehoben wurde, verabschiedet und tritt nicht mehr an.

 

Ulrich Röhder [Bd.90/Die Grünen]  Foto: Linde Arndt

Ulrich Röhder [Bd.90/Die Grünen]
Foto: Linde Arndt

Und jetzt? Ennepetal hat einen neuen Rat mit keiner eindeutigen Mehrheit. Und wie das so ist, wenn keine eindeutige Mehrheiten vorhanden sind, rauft man sich zusammen um die Stadt zu entwickeln, von der man immerhin gewählt wurde. Nicht so in Ennepetal, dort denkt man nicht an die Stadt, dort denkt man nur an das eigene Ego.

Der Redaktion liegt ein Kooperationsvertragsentwurf der Parteien CDU/FDP/FWE und Bündnis90/Die Grünen vor. In diesem wird vereinbart eine gemeinsame Bürgermeisterkandidatin von der CDU zu unterstützen – Imke Heymann. Imke Heymann? Die Redaktion hat lange recheriert um heraus zu bekommen, wofür und was Frau Heymann politisch schon mal gesagt hat oder auch getan hat. Wir haben nichts gefunden. Wir haben uns gefragt, warum ein Newgirl für solch einen Posten ausgeguckt wurde. Warum Heymann(CDU), Röhder(Grüne), Hüttebräuker (FWE) oder Haas (FDP) nicht selber antreten wollen. Denn eines ist sicher, die Jahre bis 2020 braucht eine starke und kompetente Persönlichkeit. Und das ist das Problem der Parteien, unter ihrem Personal befindet sich weder eine starke noch eine kompetente Persönlichkeit. Dann geht es nach den Einkünften und der stärksten Partei. Die CDU hat demnach das Vorschlagsrecht. Und da Daniel Heymann (CDU) mehr als seine Frau verdient, musste Imke Heymann (CDU) in den Ring. Die restlichen CDUler sind im Rat sowieso nur Dekoration.

Zweiter Grund. Er liegt in der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung begründet. Denn es ziehen dunkle Wolken am Wirtschaftshimmel auf. So wird den Deutschen ein Wachstum von nur 1,2% bis 1,5 % prognostiziert. Darin eingerechnet sind nicht die Ukraine/Russland Krise unter der die gesamte EU leidet. Schlägt diese Krise weiter durch, so rechnet man mit einer Rezession. Aber nicht nur diese Krise spielt eine Rolle, es ist das schwache Wachstum der gesamten EU (0,1% für 2013 und – 0% für 2014), die hohe Arbeitslosigkeit in den südlichen Ländern der EU. In Deutschland sind die Umsätze im Maschinenbau dramatisch eingebrochen, auch andere Branchen melden Rückgänge. Positiv ist, wenn die Bundesregierung ein Investitionsprogramm auflegen will, allerdings zu spät und zu schwach. Dabei haben wir einen Investitionsstau in allen Bereichen der Republik. Und die Steuerschätzung hat bis 2018 einen Steuerrückgang nach der Mai Schätzung von 21 Mrd. Euro ergeben. Mit sehr hohen Imponderabilien. Und die Probleme des Finanzsektors, stehen immer noch außen vor. Die EZB nimmt einen Zinssatz von 0,05 % bei dem Leitzins. Und wenn die Banken ihr Geld parken, müssen sie 0,2% Strafzins zahlen. Einmalig in der Geschichte der Zentralbanken.

Rolf-Dieter Hüttebräuker  Foto: Linde Arndt

Rolf-Dieter Hüttebräuker [FWE]
Foto: Linde Arndt

Das ist noch nicht alles. Es reicht aber, denn alle Daten schlagen auch auf die lokalen Finanzen durch. Also auch auf Ennepetal, die Insel der Glückseligen.

Wenn also eine Anita Schöneberg (SPD) oder Imke Heymann (CDU) diesen BM Job bekommt, müssen neben den üblichen Entscheidungen langfristige Entscheidungen der Haushaltssicherung getroffen werden. Auch die Weichen für Schlüsselzuweisungen müssen gestellt werden. Und nicht zu vergessen die Infrastrukturmaßnahmen, die Straßen sind in den letzten Jahren nicht besser geworden.

Diese anstehenden Entscheidungen benötigen aber auch eine breite Mehrheit (Neben breiten geistigen Kapazitäten), da kann sich eine Kommune keine Eitelkeiten leisten. In den letzten 15 Jahren war es einfach, es ging ja politisch um nichts, außer ein paar Kanaldeckel zu erneuern oder ein Blumenbeet anzulegen.

 

Da sehen wir uns den Kooperationsvertrag an, der ja an und für sich ein Koalitionsvertrag ist. Aber da die Ennepetaler Parteien es nicht so genau mit der Transparenz haben, wurde daraus ein „geheimer Kooperationsvertrag“. Dieser Vertrag schreibt eine Polarisierung vor, nach der Regel: Wenn die SPD was beantragt, sind wir alle dagegen und wenn wir was beantragen sind wir natürlich alle dafür. Alle 4 bis 6 Wochen treffen sich 2-3 Personen je Partei um sich strategisch und politisch abzustimmen. Die aus dem Rathaus der einzelnen Partei zufließenden Informationen, werden an alle Kooperationspartner verteilt. Dann werden den Parteien im Vertrag einzelne Themen zu gewiesen, FWE = Kultur und Sport, FDP = Kein Thema, Bündnis90/Die Grünen = Ökologische Themen, die CDU= Wirtschaftsförderung und Familenpolitik.

Ein Witz wenn man den Vertrag liest, die Günen nur noch ein ökologisches Thema? Das wäre zwei Schritt zurück, waren die Grünen doch dabei ihre Kompetenzen zu erweitern. Sven Giegold (Grüne) habe ich doch gerade im Finanz- und Steuerbereich glänzen gesehen und Ska Keller (Grüne) habe ich im Wettbewerbsrecht gehört. Und der alte Grüne Reinhard Bütikofer referierte mit rudernden Händen von den Wirtschaftvorteilen einer grünen Wirtschaft. Oh, Sorry, das waren ja Politiker der Partei Bündnis90/Die Grünen. In Ennepetal gibt es davon ja nur die Mutation einer Grünen Partei.

Mehr haben die Ennepetaler Grünen nicht drauf? Über die FWE mit Kultur und Sport muss man nicht reden. Das wäre eine Zumutung. Die FDP, klar, die stand noch nie für etwas, sie war ja immerhin nur eine Klientelpartei. Lustig ist da noch die CDU für Wirtschaftsförderung, die ja in den letzten 15 Jahren gründlich daneben ging. Familienpolitik für die CDU?, ja, klar, Frauen an den Herd und die Jungs raus zum arbeiten.

Michael Haas [FDP] Foto: Linde Arndt

Michael Haas [FDP]
Foto: Linde Arndt

Also was sollte dieser Vertrag? Es ist ein Verhinderungsvertrag. Denn es kommen 21 Stimmen im Rat zusammen, genau die Hälfe, gegen die SPD ( Wobei die AFD mit dem Bürgerlichen Block stimmen wird, man schämt sich noch die AFD anzusprechen). Die SPD hat wiederum 16 Sitze, evtl die Linke und die Piraten dazu, wären es 19 Sitze, zwei weniger. Alle gegen die SPD und alle für die Blockade im Stadtrat und damit alle gegen Ennepetal! Der Stillstand bis 2020 ist vorprogrammiert.

Die vier Partner CDU/FDP/FWE und Bündnis90/Die Grünen verpflichten sich ausdrücklich für die Wahl der Bürgermeisterin Imke Heymann, finanzielle und personelle Hilfen für die gemeinsame Kandidatin nach ihren Möglichkeiten bereitzustellen. Darüber hinaus verpflichten sie eine enge und breite Abstimmung der gemeinsamen politischen Ziele.

Nur einmal taucht in diesem Vertrag das Wort Ennepetal auf, „…gemeinsam zu formulierende Ziele für Ennepetal…“, also irgendwann wollen wir was für Ennepetal formulieren aber nicht unbedingt umsetzen.

Man kann den Vertrag nicht verstehen, weil es angeblich erwachsene Menschen sind und angeblich Profis im Politikgeschäft. Die gemeinsame Kandidatur Imke Heymann (CDU) kann man nachvollziehen, weil die personellen Ressourcen der einzelnen Parteien erschöpft sind, deshalb eine Kandidatin der Not. Den Mut jemand von draußen zu holen, können die vier „Koalitionäre“ nicht aufbringen.Es ist also eine „Koalition“ der Willigen und Bequemen, die eine führende Hand benötigen.

 

Was nun die Zusammenarbeit im Rat der Stadt betrifft, ist das wohl einer mangelnden Erfahrung der Vertragspartner geschuldet. Es werden in modernen Kommunen keine Kooperationen oder Koalitionen mehr geschmiedet, es wird nur eine temporäre projektbezogene Zusammenarbeit definiert und favorisiert. Dies hat den Vorteil der Bündelung von sachbezogener Kompetenz über Parteigrenzen hinweg. Und Projekte gibt es massig in Ennepetal, die alle auf eine Lösung warten.

Das dieser Kooperationsvertrag bei den Parteimitgliedern der vier Parteien höchst umstritten ist, konnte man in der Redaktion an der Resonanz nach dem Artikel ( http://en-mosaik.de/breaking-news-30-oktober-2014/) vom 30.Oktober erkennen. 4 Kopien dieses Kooperationsvertrages wurden uns zugeschickt, wovon 2 alleine von der CDU kamen. Die Fraktionsvorsitzenden der vier Parteien scheinen sich nicht mit ihren Parteimitgliedern abgestimmt zu haben, es rumort in den vier Parteien.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal