Ist die Paranoia in Ennepetal angekommen?

[jpg] Im Ausland spricht man von der "German Angst", das bedeutet, die Deutschen haben vor allen Neuerungen erst einmal Angst. Wir haben Sommerferien und der Politbetrieb ruht. Die Politiker müssen ihr Sitzfleisch einer Regenerationskur zu führen. Und das dauert, denn 9 Monate sämtliche Probleme aussitzen, da bilden sich Schwielen am Allerwertesten.
Themen sind keine da, also holt man Themen aus dem Off um ja nicht in Vergessenheit zu geraten.
Google Street View ist das Thema Nummer 1 im derzeitigen Sommerloch. Da fährt die Firma Google mit einem Fotogerät auf dem Dach eines PKWs durch die Lande und fotografiert Strasse für Strasse und Haus für Haus und fügt das Ganze in einer Karte ein. Danach wird das alles ins Internet gestellt und jeder kann sich die Strasse, wo auch immer, mittels Internet ansehen. Im Grund genommen eine logische Weiterentwicklung von Google Maps.

In vielen Länder wurden die Wagen von Google mit Hallo empfangen, niemand hatte im entferntesten an etwas schlimmes gedacht. Warum auch? Nur die Deutschen sehen, weil Google inzwischen eine Datenkrake ist, ihre Rechte, die es übrigens bei Gebäuden nicht gibt, extrem verletzt. Google reagierte und versprach innerhalb einer gewissen Einspruchsfrist, sowohl Personen, Autokennzeichen als auch das geliebte Eigenheim zu verpixeln. Bei einer Probe sah das Ganze zwar nicht schön aus, aber man konnte im Grunde nichts mehr erkennen. Selbst der Gartenzwerg ist nunmehr verpixelt. Was will der Deutsche noch mehr?
Aber alle Verschwörungstheoretiker und Paranoiker sind immer noch nicht zufrieden, dass geht durch alle Parteien. Einige denken bereits an eine Lex Google, wonach Google das fotografieren des geliebten Eigenheims verboten werden soll.
So auch Frau Schöneberg (SPD), die will dass die Stadt nunmehr Sammellisten anfertigt und diese der Firma Google übermittelt. Andere Städte haben inzwischen auch diese Sammellisten für ihre Bürger ausliegen, so auch Sprockhövel. Da kommt die geballte Internetkompetenz unserer Politiker zum tragen. Wobei 85% unserer Politiker der Meinung sind, dass Internet sollte verboten werden. Ich glaube hier in Ennepetal werden es sicher 99,5% der Politiker sein. Dem Vernehmen nach soll die Stadtverwaltung ja schon Verbindung zu China aufgebaut haben um die dortige Filtertechnik hier einzuführen, damit nur das Schöne, Reine und Gute von Ennepetal sichtbar wäre.

Na toll! Anstatt sich einmal um Aufklärung zu kümmern, spielen die Ratsfrau Schöneberg  ( SPD) und die Stadt jetzt ein lustiges Spiel. Schöneberg (SPD) will eine Liste mit der die Stadt hinter den Leuten herlaufen soll und die Stadt Ennepetal will nur die Einspruchsformulare bereitlegen. Das alles weist doch wieder auf  ein großes Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen der Stadt Ennepetal hin.

Die SPD will nicht wissen, warum wir so hohe Personalkosten haben, warum wir mehr Ausgaben als die Nachbarstädte haben, warum der Kämmerer nicht eigenständig eine Ausgliederung hinbekommt.
Aber Google Street View, ja, da kann man sich profilieren.

Der Verdacht gegen Google? Google spioniert uns aus, so die gängige Meinung.
Komisch nur, dass sich niemand aufgeregt hat, als der Konkurrent SightWalk im letzten Jahr deutsche Städte – ohne Widerspruchsformular – abphotographierte.

 20 deutsche Städte werden in den nächsten Monaten durch Google ins Internet gestellt. Nein, Ennepetal noch nicht. Die Ennepetaler haben noch genug Zeit sich Tarnnetze zu kaufen um die Vermögenswerte unkenntlich zu machen. Da könnten die Ennepetaler Textiler sich ja eigentlich auch schon mit dem Gedanken vertraut  machen, sich evtl. schon mit Tarnanzügen einzudecken. Ja geht es denn noch?
 

Was mich so irritiert an diesem so genannten Ansinnen oder der Idee ist folgendes:

Wo waren denn diese Paranoiker als die folgenden Projekte auf den Weg gebracht wurden?
 
SWIFT-Abkommen (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication)
ELENA-Verfahren (elektronisches Entgeltnachweis-Verfahren)
Payback (Programme zur Kundenbindung)
Vorratsdatenspeicherung (eine Vorstufe der Telekommunikationsüberwachung.)
IMSI-Catcher (ausgelesen und der Standort eines Mobiltelefons innerhalb einer Funkzelle ermitteln)

Und das sind nur einige Projekte in der letzten Zeit. Mit diesen Projekten kann man ohne Probleme den gläsernen Bürger erstellen. Wann sie wo, wann, was gekauft, getan, sich befunden haben und wie teuer oder wie sie das bezahlt haben. Wenn ich zu diesen Projekten alle Möglichkeiten aufzählen würde, würden viele sicher nicht mehr das Haus verlassen und in Schockstarre verfallen. Und das ist noch nicht das Ende der Überwachungsmöglichkeiten, da sind noch einige Dinge in der Pipeline unserer Politiker. Nicht umsonst geistert der Begriff Stasi 2.0 durchs Internet. Von Orwell lernen, heißt überwachen lernen.
Und diese Projekte sind staatlich abgesegnet, mit SPD, CDU, FDP und Bündnisgrünen – ohne Probleme. Hier in Ennepetal habe ich  keinen Protest gehört, auch nicht von Frau Schöneberg (SPD). Aber ist ja noch Zeit. Was nicht war, kann ja noch werden.

Hauptsache wir müssen nicht über die Ennepetaler Probleme sprechen. Denn auf einer "Insel der Glückseligen" gibt es augenblicklich  wohl nur ein Problem – Google Street View.

Und wenn Ennepetal ins Internet gestellt wird, werden die Eskimos in ihren Iglus ausrufen : "But this is an ugly city." Und das ist das schlimme daran, so werden wir nie erfahren ob beim nächsten Flächennutzungsplan nicht doch ein paar Iglus bei uns gebaut werden. Oder wenn auf Oelkinghausen sich ein Unternehmen zwecks Iglu Produktion ansiedelt möchte. Denn woher sollten wir das Wissen haben, wenn wir nie aus Ennepetal rauskommen?
Nebenbei bemerkt, die Paranoia ist heilbar.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal