Tag des Ehrenamtes, eine mäßige Danksagungs-Nummer?

  [jpg] Das Ehrenamt hat eine ureigene Geschichte. Die alten Griechen nannten in ihrer Polis einen Menschen der nur seinen Geschäften nach ging und sich gesellschaftlich nicht betätigte einen Idioten ( ἰδιώτης = idiótes). Im Umkehrschluss war derjenige der ein Ehrenamt bekleidete kein Idiótes. Später sahen die Christen im Dienst an dem Nächsten, übrigens ohne Dank, erbrachte Leistung als eines der höchsten Ziele des christlichen Daseins. Das Paradies nach dem Leben war einem dabei fast sicher.

In der neueren Zeit schien durch den sich steigernden Egoismus dieser Dienst in den Hintergrund getreten zu sein. Der Staat teilte seiner Gesellschaft nur die Rolle der Produzenten und Konsumenten zu.

Der freie Rest, also die Freizeit, der leistungsorientierten Lebensspanne diente der Regeneration. Der Staat versprach darüber hinaus seinen Gesellschaftsmitgliedern (Wählern + Leistungserbringern) alles für sie zu tun damit sie nicht an der Leistungserbringung gehindert würden. Das änderte sich schleichend als der Staat 1982 anfing eine gewaltige Umverteilungspolitik  in Gang setzte. War die Gerechtigkeitsschere, also die Öffnung der Schere zwischen arm und reich, 1982 in einem für alle tragbaren Bereich, so veränderte sich dies zunehmend als die Einkommen allmählich von unten nach oben befördert wurden. Dies blieb natürlich nicht ohne Folgen. Denn der Staat hatte auf gewaltige Steuereinnahmen zu Gunsten der oberen Schichten vezichtet, konservative Berechnungen sprechen von 300 Mrd. Euro. Und diese Schere öffnet sich immer mehr, auch heute noch. Wurden diese nun fehlenden Summen an Steure Einnahmen erst mit Krediten aufgefangen, so wurde dieser Weg jedoch durch die immensen Zinszahlungen immer mehr verbaut. Es mussten Einschnitte in die sogenannten freiwilligen Leistungen, sprich, Leistungen die nicht gesetzlich einklagbar sind, vorgenommen werden.

   
          

Heute spricht man jedoch schon von der Aufgabe der freiwilligen Leistungen durch den Staat. Ein Testballon erst einmal, um zu testen inwieweit keine sozialen Unruhen entstehen könnten. Welches sind die freiwilligen Leistungen? Nun, im Grunde befinden sich diese Leistungen in allen Bereichen der Politik. Die Jugend- und Kulturpolitik könnte beispielsweise ganz vom Staat aufgegeben werden. Teilweise bemerken wir wie Jugendliche wieder auf der Straße rum lungern, Jugendclubs geschlossen wurden, Theater und Opernhäuser vor der Schließung stehen oder schon geschlossen sind. Wir bemerken wie Ensembles nicht mehr die Kleinstädte versorgen können oder Kleinstädte die Zuschüsse für Kulturtreibende nicht mehr zahlen können. Auch sind viele soziale Leistungen freiwillig und könnten je nach Kassenlage eingestellt werden. Als wir dieses zum ersten Mal thematisierten ( http://en-mosaik.de/?p=4043 ), konnten wir die Dimensionen nicht erahnen, mit denen das Ehrenamt nun angegangen wird.

Und jetzt kommt das Ehrenamt wieder ins Spiel; denn Politik verspürt die sozialen Unruhen, die das System nicht gebrauchen kann. Der Deckel muss unbedingt auf dem Topf gehalten werden. Den Startschuss gab das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (bmfsfj) mit seiner damaligen Ministerin Ursula Gertrud von der Leyen (CDU) mit der Initiative "Miteinander – Füreinander" 2007. Ab da sprach man von „sozialem Dienst“, Zivildienst, Zivilengagement, von der Leyen O-Ton "Immer mehr Menschen erkennen: Sich für andere einzusetzen, tut gut". Ab sofort hatte man die selbstlose Nächstenliebe fest im Blick. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft, womit der Zivildienst entfiel. Damit wurden tausende Stellen frei, die vorher mittels Ersatzdienst finanziert wurden. Es musste dringendst Ersatz beschafft werden. Jetzt liefen Optimisten durch die Lande um die neue Gesellschaft auszurufen und riefen die Bürgergesellschaft aus. Alt und jung sollten sich zusammen setzen und voneinander lernen. Da sollte Oma und Opa kostenlos fremden Rackern helfen die Schule zu bewältigen. Ausländer trafen sich mit Inländern um kostenfreie Sprachkurse abzuhalten. Fremdenfeindlichkeit wurde mittels kostenfreier Konzepte und Helfern bekämpft. Aber nicht nur das, vielmehr wurden auch qualifizierte Pflegeberufe durch in Schnellkursen ausgebildete Ehrenämtler ersetzt. Ein Programm oder Projekt nach dem anderen wurde aus der Taufe gehoben. Eines dieser Projekte ist das Mehrgenerationenhaus, welches zuerst (2006) in Niedersachsen initiiert wurde und sodann auf Bundesebene bis heute weiterverfolgt wird. Und was man nicht bemerkte, es tauchten scharenweise Menschen in der Gesellschaft auf die ihre Mitmenschen unter moralischen Druck setzten, und das gegen Lohn in Hilfsorganisationen und Ämtern. Ein Problem blieb, dass alles musste auch in der Wirtschaft eingebunden werden. Flugs sagten die Unternehmen die Einbindung des „Ehrenamtes“ in die Personal- und Organisationspolitik zu. Darüber hinaus wurde eine Verbindung zu den Zentren der Corporate Citizenship ("Gesellschaftliches Engagement von Unternehmen")  hergestellt und abgesichert. Es war nun alles gerichtet. Und zwar für eine große Offensive der Selbstausbeutung mittels eines neu geschaffenen Ehrenamtes.

Ein weiteres Problem tat sich auf – die Wertschätzung dieser nicht unerheblichen und unentgeltlichen Aufwendungen in der Gesellschaft. Was sagt man einem „Kumpel“ der am Samstag gerne zu seinem Fußballverein pilgert, während man selber einem Sterbenden in einem Hospiz zur Seite steht. Tut gut? Ich denke man wird im Laufe von Monaten und Jahren kaum einen Menschen finden der mit einem um die Häuser zieht. Der Kumpel wird sich also kopfschüttelnd abwenden. Und die Gesellschaft? Auch die Gesellschaft steht dieser Tätigkeit ziemlich widersprüchlich gegenüber. Denn die Gesellschaft liebt die MacherInnen, die ihr Ego raus hängen lassen. Da kam die Gesellschaft auf die Idee einen Ehrenamtstag einzuführen. An diesem Tage wollte man den Ehrenamtsmenschen seinen Dank rüberbringen, für all die im  Jahr erbrachten Leistungen die ohne Lohn erbracht wurden.  

 In einer Kleinstadt wie Ennepetal können da mal so an die 2 – 3 Millionen zusammenkommen, die die Kommune so erspart hat. Und da wundert es einen doch wie diese Kommune diesen Dank erbringt, indem Ennepetal eine Wertmarke für eine Bratwurst ( Einkaufspreis  ca. –,80 Euro ) und eine Wertmarke für ein Getränk (Einkaufspreis ca. –, 30 Euro ) an seine Ehrenämtler heraus gibt. Die zweite Bratwurst musste übrigens mit 2,20 Euro selber bezahlt werden. Aber es gab ja noch eine Bühne mit  Musik. Und diese Bühne nutzte Wilhelm Wiggenhagen um ein kurzes Dankeschön abzuliefern. Offensichtlich haben einige Ehrenämtler nicht so die rechte Lust verspürt diesem niveaulosen Treiben noch mit ihrer Anwesenheit die Würze zu geben. Was mich so stört ist dieses „billige“ Dankeschön, wo doch die Ehrenämtler die Leistung erbringen die der Staat gemäss Grundgesetz erbringen müsste und zwar in Millionenhöhe.

Artikel 20,1: “Die Bundesrepublik ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.” , daraus folgt: Das Sozialstaatsprinzip (bzw. -postulat) umfasst die normativ festgelegte, nicht aufhebbare Kennzeichnung der Staatsform der Bundesrepublik Deutschland als “sozial”.

„Die unsichtbare Hand des Marktes“ eines Adam Smith sollte durch dieses Sozialstaatsprinzip in eine „sichtbare Hand des Staates“ eingetauscht werden. Wenn wir nicht aufpassen werden unsere Steuergelder nur noch für die Personalkosten der Verwaltung draufgehen, weil die Politik sich unter das Primat der Wirtschaft stellt. Hier in Ennepetal haben wir die geringsten Gewerbesteuern. Aber schauen wir uns unsere Kinderspielplätze an, unsere Straßen, ja unsere Bürgersteige, unsere öffentlichen Gebäude ( Haus Ennepetal bröckelt so vor sich hin ) oder unsere Stadtteile – überall nur Ödnis und Tristesse. Und jetzt kommen die modernen SelbstausbeuterInnen dazu, die man mit einer Wurst und einer Cola in Höhe von 1,10 Euro abspeist und damit die von ihnen erbrachten Leistungen in den Schmutz zieht. Das war würdelos gegenüber dem Ehrenamt. Das hätte man sicher anders machen können. Aber Niveau war ja noch nie die Stärke der Kommune Ennepetal.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

[Collage Ehrenamt © Linde Arndt]