Man sollte sich in Ennepetal nicht zum Deppen machen lassen

[jpg] An einer Pressekonferenz oder einem Pressegespräch erkennt man wie spannend das Thema ist. Kommen viele Vertreter, ist es eine viel versprechende und interessante Story.

Für das Ennepetaler Gebiet könnte man 10 Vertreter motivieren an einer PK teil zunehmen. Die schreibende und die fotografierende Zunft  könnte, ein interessantes Thema und interessante Akteure vorausgesetzt, dann 20 Pressevertreter (Wort und Foto) aufbieten. In Ennepetal gibt es zwei Themen an denen sich die Gemüter entzünden: Der Bahnhof und die Fußgängerzone. Und so lud der Bahnhofsverein mit die Stadt Ennepetal zu zwei Pressekonferenzen ein. Wir hatten diese Einladungen über unsere Informanten bekommen, und weil diese Termine als öffentlich gekennzeichnet waren, fühlten wir uns eingeladen. Bezeichnenderweise kam neben uns, nur 1 Fotojournalist.

Thema der ersten PK (Pressekonferenz) war: "Wir, der Bahnhofsverein und die Stadt Ennepetal, bedanken uns bei den "freundlichen" Helfern von der Gebal".

                  

 
   Ein Dank an die fleißigen Helfer  

Die "freundlichen" Helfer sind in der Regel alles 1 Euro Jobber die für ihre Arbeit pro Stunde 1,50 Euro bekommen, wofür normalerweise bis zu 20,– Euro gezahlt würden. Die Leute werden dann vom Job-Center oder der Arbeitsagentur der Gebal zugewiesen. Wenn die Leute dieser Arbeit nicht nachkommen, werden ihnen die ALG 2  (Hartz IV) Bezüge gekürzt oder gestrichen. So der Regelfall. Ob man für diese Arbeit geeignet ist, spielt keine Rolle und ist ohne Belang. Auch die Arbeitsbedingungen interessieren niemanden, Staub, Asbest oder auch Schwarzschimmel, alles muss genommen werden.

Es ist also die Renaissance  des guten alten Arbeits-, Reichsarbeits- oder des mittelalterlichen  Frondienstes.

Die Leute haben 3 bis 4 Tage im Bahnhof gearbeitet, heißt, haben Dreck und Staub weggeräumt um die freie Sicht in die Bahnhofsinnenräume zu gewährleisten.

Das wären also 3 Tage á 8 Stunden mal 15 Euro gleich 360 Euro, bekommen haben sie jedoch nur 36 Euro. Ein gutes Geschäft, für jeden Beteiligten, nur nicht für die Arbeiter. Da ist doch jetzt ein großes Dankeschön angesagt. Dies natürlich pressewirksam mit Foto und so. Was kam? Die Arbeiter standen im Bahnhofsgebäude herum, mussten die Dankesreden des Herrn Däumig, Öffentlichkeitsarbeiter des Bahnhofvereins, Herrn Oberndorf, Vorsitzender des Bahnhofvereins und Wilhelm Wiggenhagen, Bürgermeister der Stadt Ennepetal ertragen.  Wiggenhagen schenkte den Leuten  eine CD mit dem "international" bekannten Ennepetal-Lied und einen Werbezollstock der Stadt. Der Bahnhofverein  versprach ein Currywurstessen, also eine Currywurst für jeden. Und die Gebal setzte noch einen drauf und übergab einen Scheck für einen Grillabend, wie auch immer.

Für die eingesparte Lohnsumme von 324 Euro gab es damit einen Ausgleich von rund 10 Euro und natürlich einen Händedruck von allen Entscheidern.

Jetzt frage ich mich als Journalist welche Nachricht soll ich daraus machen? Was erwartet die Stadt und der Bahnhofverein von einem Journalisten mit diesen Informationen?

Der Bürgermeister und der Vereinsvorsitzende sind Menschen mit einem sozialen Gewissen?
Mit dem Bahnhofsgebäude geht es nun wirklich voran?

Als ich Wilhelm Wiggenhagen zu diesem Themenkomplex befragen wollte, blockte er ab indem er darauf hinwies, dass dies eine Veranstaltung des Bahnhofvereins wäre.

Klar, aber die Stadt ist der Eigentümer und wird, da der Bahnhofsverein noch nicht genügend Geld hat, in Vorlage getreten sein.

Als ich nun fragte ob Fragen zu dieser Pressekonferenz zugelassen wären, meinte man, ich sollte das etwas lockerer sehen.

Es war eine dubiose Veranstaltung die man sicher nicht Pressegespräch nennen konnte oder sollte.

   


BM Wilhelm Wiggenhagen

So schreibt der Pressesprecher des Bahnhofvereins:

"Der Vorstand des Fördervereins, an seiner Spitze der 1. Vorsitzende Frank Oberdorf, hat sich heute gegen 14.00 Uhr bei den "fleißigen Helfern" der Gebal für die bisher geleisteten Aufräumarbeiten innerhalb des Bahnhofsgebäudes bedankt. Niemand hatte allerdings geahnt, dass die Arbeiten schon so weit fortgeschritten waren. Voller Begeisterung stellten auch die Vorstandsmitglieder Dummann, Möllenberg und Wiedersprecher fest, dass der Bahnhof dank Gebal auf dem besten Wege ist, "seinen morbiden Charme" wieder zu gewinnen. So wurden die Männer für den morgigen Tag zu einem zünftigen Essen eingeladen, für das sich Richard Blanke als "Chef" von Gebal recht herzlich bedankte. Zwischenzeitlich ist aus der Mitte des Vereins darüber hinaus auch eine Spende weiter geleitet worden, die für ein gemeinsames Grillen nach Beendigung der Arbeiten verwendet werden soll.
Begleitet wurden die Vorstandsmitglieder von Bürgermeister Wiggenhagen, der sich ebenfalls höchst erfreut zeigte. Mit kleinen Präsenten, die er jedem einzelnen Mitwirkenden aushändigte, zollte auch er der bisher geleisteten Arbeit seinen Respekt"

Und die Stadt Ennepetal schreibt auf ihrer Seite ennepetal.de:

"In der letzten Woche hat die Gevelsberger Arbeitsloseninitiative GEBAL auf Bitten des Fördervereins Denkmal Bahnhof tatkräftig damit begonnen, den Bahnhof Ennepetal-Gevelsberg zu entrümpeln, um ihn für Veranstaltungen usw. nutzbar zu machen. Binnen weniger Tage ist aus dunklen und zugestellten Räumen eine helle, einladende und nutzbare Fläche entstanden, die jetzt noch mit einigen Eimern Farbe freundlicher gestaltet werden soll.
Der Vorsitzende des Fördervereins, Frank Oberdorf, dankte zusammen mit seinem Stellvertreter Dieter Dummann den Kräften der GEBAL unter Leitung von Janina Witte und Richard Blancke für ihren Einsatz, lud die Arbeiter zum Currywust-Essen ein und überreichte einen Scheck für ein Grillfest zum Abschluss der Arbeiten.   Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen schloss sich den Dankesworten des Fördervereins an und überreichte jedem GEBAL-Mitarbeiter als kleine Anerkennung einen Zollstock und eine Ennepetal-CD. "

Man erwartete anscheinend von der Presse die eins zu eins Übernahme der vorgegebenen Texte oder eine dementsprechende Haus- und Hofberichterstattung.

Als wir nun am Mittwoch dem 20.April 2011 wieder am Bahnhof waren, waren nunmehr der  MdB René Röspel (SPD) und der MdL Hubertus Kramer(SPD), sowie die Ratsmitglieder Volker Rauleff (SPD) und Anita Schöneberg (SPD)  anwesend. Sollen jetzt wieder die Parteigrößen nacheinander durch den Bahnhof geführt werden? Wo waren die CDU/FDP/Bündnisgrünen/Freien Wähler und, und, und. Wird eigentlich in der Stadtverwaltung noch gearbeitet? Großes Theater mit den 1 Euro Jobbern der Gebal und großer Bahnhof mit Wilhelm Wiggenhagen der seine selbst organisierte Inszenierung genoß. Für einen Imagegewinn? Der "große" Wilhelm Wiggenhagen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand hier einen Imagegewinn sehen würde. Oder doch? Er bleibt der Bürgermeister der immer nur ankündigt und nichts wirklich  umsetzt. Der Bürgermeister der runden Tische die zu nichts führen. Der Bürgermeister des Ungefähren, der halben Wahrheiten und damit der halben Lügen. Und der Stadtumbau West? Da war doch dieser Antrag. Frau von Dinthern die ehemalige Landtagspräsidentin ist wieder im Landtag, hatte die sich nicht für diesen Antrag eingesetzt? Vergessen!

Aber es ging um mehr als diese bigotten Veranstaltungen, wir wollten den Stand der Dinge am Bahnhof heraus bekommen. Und wir haben in Einzelgesprächen sehr viel heraus gehört.
Es ist also so, wie wir in unserem Artikel beschrieben haben, es steht nicht gut um den Bahnhof. Was auch immer dort angedacht wurde, noch fehlt die wirtschaftliche Grundlage um das Ganze ohne städtische Zuschüsse zu einem guten Ende zu bringen. Also wird es auch voraussichtlich keine Fördergelder geben. Die Akteure, nicht die 1 Euro Jobber, sind von ihrem Tun nicht überzeugt und sehen teilweise keine Perspektiven. Das dort weiter gearbeitet wird ist reine Kopfsache und ist nur dem drohenden Gesichtsverlust eines Wilhelm Wiggenhagen geschuldet. Jeder weiterer Tag macht die ganze Sache nur noch schlimmer.Und was soll man davon halten, wenn nach einem Jahr der Verein mal gerade rund 100 Mitglieder vorzuweisen hat? Da kann man sicher nicht von einer Bürgerbewegung sprechen. Wobei der gesamte Vorstand und die Mehrzahl der Mitglieder mehr oder weniger von der Stadtverwaltung in irgendeiner Form abhängig sind. Dem Bürger auf der Straße geht der Bahnhof total an demselben vorbei.

Beispiel gefällig?

 1.   Im Inneren fällt der Putz von der Decke, jedoch wird nur an ein paar Eimer Farbe gedacht.
 2.   Der gesamte Tresenbereich der ehemaligen Wirtschaft bleibt bestehen und wird nur gestrichen.
 3.   Favorisiert wird das Konzept von Herrn Müller, welches schon mit Quersubventionierungen als auch   einer Subvention durch die Stadt geplant ist.
 4.   Die Geschosshöhe im Parterrebereich ist zu hoch, so dass schon heute nicht mit einer positiven Energiebilanz zu rechnen ist. Wärmedämmung oder Energieeffizienz ist für die Planer des Bahnhofgebäudes ein Fremdwort.
 5.   Neben dem Bahnhofsgebäude stehen total verdreckte kleinere Gebäude (Toiletten?), die aber so stehen bleiben sollen. Neben einem Kulturzentrum?
 6.   Die von "startklar.projekt.kommunikation" vorgegebenen Voraussetzungen können auch bei noch so positiver Betrachtung kaum zu einer Förderung im Sinne des Regelwerkes führen. Dafür ist der Bahnhof zu eng ausgelegt worden.
 7.   Die angedachten Räumlichkeiten, Toilette, Aufenthaltsraum, Kiosk und die Wohnmöglichkeiten im ersten Stock stellen kein wirkliches Konzept dar und beengen die weitere Vorgehensweise.
 8.   Die angedachte wertmäßige Überführung des Bahnhofgebäudes in eine Stiftung und der Verein als Nutzer dieses Gebäudes sind ein Fehlkonstrukt.

  

   

Ansicht zu Punkt 1   Ansicht zu Punkt 5

Auf die Frage, warum die Stadt bis heute die Burger Mühle verkommen lassen hat und Gut Ahlhausen  nicht auf dem Radar der Stadt steht, wusste man mir nur eine ausweichende Antwort zu geben. Dabei ist die Burger Mühle ein Dokument der Zeitgeschichte welches das Verhältnis der freien Hansestadt Breckerfeld mit dem heutigen Ennepetal dokumentiert. Oder Gut Ahlhausen, welches auf der Grenze von zwei ehemaligen Grafschaften steht und bis heute nicht näher beleuchtet wurde, Handelswege führten dort her. Beide Gebäude sind in ihrer Geschichte in höchstem Maße identitätsstiftend für Ennepetal. Aber nicht nur diese beiden Gebäude, vielmehr sind noch einige Gebäude die an der Ennepe, man muss an die Wasserkraft denken, zu sehen sind viel wichtiger für die Entwicklung der Stadt Ennepetal gewesen. Der Bahnhof selber stellt nur ein kleines Zeitdokument in einer Zwischenphase von Ennepetal dar, ist also damit von untergeordneter Bedeutung. Hagen und Elberfeld sind die Zentren an der Bahnlinie, wobei Gevelsberg sicherlich weiter entwickelt war.

Es waren so viele sichtbare offene Fragen die ganz klar auf eine nicht ernsthafte Betreibung einer weiteren Nutzung des Bahnhofgebäudes hinweisen. Warum wird also weiter gutes Geld dem schlechten Geld hinterher geworfen?

Ganz einfach. Wilhelm Wiggenhagen und die 14 Millionen Truppe haben sich nun so weit ungeprüft in das Bahnhofsgebäude hinein gehängt, so dass sie ohne Gesichtsverlust nicht mehr aus diesem Objekt heraus kommen.

Auf der anderen Seite ist jeder Tag den diese Leute an diesem Gebäude herumdoktern ein verlorener Tag, den wir alle mit unseren Steuergeldern bezahlen müssen. Aber nicht nur das, jeder Tag ist auch ein Tag den die Politik und die Verwaltung in Ennepetal und anderswo an Glaubwürdigkeit und Vertrauen verlieren.

 

 

    Besuch im Bahnhofsgebäude

Wiggenhagen und die Anderen werden eines Tages gehen, hinterlassen werden sie jedoch das verlorene Vertrauen in die Verwaltung und die Politik in Ennepetal und anderswo. Und wir möchten nicht die Deppen sein, die unkritisch und nicht hinterfragt Pressemitteilungen übernommen haben, die zu diesem Vertrauensverlust in der Politik führten. Wir überlassen den anderen den Weg, ins Reich der Deppen zu gelangen, wir wollen weiter den unbequemen Weg des kritischen Journalismus gehen. Es mag sein, dass dies eine idealisierte Einstellung ist und in der Realität keinen Bestand haben kann. Nur wohin wollen wir eigentlich gehen, wollen wir alle Werte unserer sozialen Gesellschaft zur Disposition stellen? Und wohin wollen wir Journalisten gehn oder gegangen werden, wollen wir die Mitteilungen unreflektiert jeder Organisation übernehmen. Dafür braucht es sicher keinen Journalismus. Wir zumindest lassen uns unsere Artikel von der Stadt oder einem Verein nicht diktieren.

Was bleibt?

Es sind nun rund 2 ½ Jahre verstrichen. Der Bahnhof ist falsch angegangen worden, die Situation ist ziemlich verfahren um den Bahnhof noch auf das richtige Gleis zu stellen. Wilhelm Wiggenhagen und die 14 Millionen Truppe haben  das Projekt Bahnhof vermasselt. Nebenbei, der Motorradladen nebenan, hat innerhalb von ein paar Wochen aus eigener Kraft die Gebäude saniert – geht doch.
Habt Mitleid mit der Bevölkerung und macht dem Treiben ein Ende – REISST DEN BAHNHOF AB!

Übt doch erst einmal mit kleineren Objekten, meinetwegen mit einem Spielplatz. Renoviert einen tollen bestehenden Spielplatz , mit den 1 Euro Jobbern, und wenn der Spielplatz angenommen wird, kann man über ein größeres Projekt reden.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

[alle Fotos: Linde Arndt]