Die Privaten erzielen mehr als nur ein Achtungserfolg bei den Grimme Awards

Grimme Award im Grimme-Institut Marl Foto: (c) Linde Arndt

Grimme Award im Grimme-Institut Marl Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Es ist immer spannend wenn das Grimme Institut die Preisträger bekannt gibt und ehrt. Diesmal war es der 52. Grimme Award der vergeben wurde.
Immer wieder wird mit diesem Preis auch der Zustand des deutschen Fernsehens sichtbar. In den letzten Jahren zeichnete sich ein Wettbewerb zwischen den öffentlich rechtlichen Anstalten, ARD und ZDF und den Privaten, SAT1, RTL oder PRO Sieben, ab. Dieses Jahr machten die Privaten gegenüber ARD und ZDF das Rennen.
Großes Aufsehen (Nicht wirklich) machte der Preis für Jan Böhmermann für seine Sendung „Neo Magazin Royale“ – eine satirische Late-Night -Show. Wie allseits bekannt bliebt Jan Böhmermann den Feierlichkeiten zur Grimme-Preis Verleihung fern. Wir wollen uns aber jetzt nicht an dem Medienrummel um Jan Böhmermann beteiligen – es ist eine Satire und gut ist.

Es gab dieses Jahr einen qualitativen Schub nach oben, wobei besonders die Serien eine Renaissance feierten.

Unsere Redaktion will ihnen einige der Preis die uns inspirierten näherbringen.

Patong Girl (ZDF)

Erstausstrahlung: Dienstag, 28.12.2015, 0:05 Uhr, ZDF

Grimme-Award für Pantong Girl v.l. Max Mauff und Aisawanya Areyawarrana Foto:(c) Linde Arndt

Grimme-Award für Pantong Girl v.l. Max Mauff und Aisawanya Areyawarrana Foto:(c) Linde Arndt

Es geht um den Sohn einer recht bürgerlich spießigen deutschen Familie. Die Familie macht in Thailand zu Weihnachten Urlaub. Es läuft nicht alles ganz rund mit dem Urlaub, die Unterbringung ist in der Nähe eines Vergnügungsviertels und auch sonst hatte sich die Familie den Urlaub ganz anders vorgestellt. Der jüngere Sohn von den beiden Söhnen vergnügt sich in dem Urlaubsdomizil und verliebt sich in die Thailänderin Fai (Aisawanya Areyawattana). Diese Liebe wird von Fai auch erwidert.
Als die Familie zurück fahren will, eröffnet Felix seiner Mutter, dass er mit Fai in Thailand zusammen bleiben will. Die Mutter ist entsetzt, vermutet sie doch in Fai eine Prostituierte. Felix hält seiner Mutter den Spruch „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, von Antoine de Saint-Exupéry vor, den sie ihm in der Kindheit beigebracht hatte und legt auf. Auf der Fahrt zu Fais Eltern eröffnet Fai Felix, dass sie ein „Lady Boy“ ist. Felix ist verblüfft, steht aber zu seiner Liebe mit Fai.

Was den Film so sehenswert macht, er kommt so unaufgeregt daher. Die Story gäbe doch einen Moral- oder sogar einen Pornostreifen her. Nichts dergleichen. Es ist eine Liebesgeschichte die zwei junge Menschen tagtäglich erleben. Ja, es gibt sogar ein Happy End. Aisawanya Areyawattana ist ein „Lady Boy“, nur haben diese „Lady Boys“ in Thailand eine viel höhere Akzeptanz als in Deutschland. Denn der Buddhismus spricht von einer Seelenwanderung, die in diesem Falle nicht unbedingt mit den beiden Geschlechtern auskommt. Wie praktisch.
Wenn die Liebesgeschichte da nicht wäre, wäre dieser Film eine wunderbare Dokumentation über sexuelle Toleranz und Möglichkeiten des Zusammenlebens von zwei Menschen die bei uns sicher ihre gesellschaftlichen Probleme hätten. Vorurteile, Klischees oder Ängste gibt es in diesem Film nicht, es geht um die ganz normale Annäherung zweier Menschen die die Liebe halt ausgesucht hat. Felix und Fai könnten in Deutschland aber auch in anderen Ländern Brückenbauer sein, aber die Liebe der Beiden hat die Gräben ja schon zugeschüttet. Susanna Salonen hat mit ihrer Regie einen wunderbaren Film gemacht, der ein abgleiten in populistische Sphären unmöglich macht und das menschlich alltägliche ganz in den Vordergrund stellt.

Marhaba – Ankommen in Deutschland (n-tv)

Erstausstrahlung: ab Freitag, 25.09.2015, n-tv

Constantin Schreiber (Spezial für Reaktion und Moderation) Marhaba - Ankommen in Deutschland Foto: (c) Linde Arndt

Constantin Schreiber (Spezial für Reaktion und Moderation) Marhaba – Ankommen in Deutschland Foto: (c) Linde Arndt

So sollte Integration sein wie Constantin Schreiber seine Sendung aufgebaut hat. Immer sind es einige Minuten in denen uns Constantin Schreiber in die Welt des Zusammenlebens und „Von-einander-lernens“ führt. Constantin Schreiber hat eine ganze Zeit in den arabischen Ländern gelebt und spricht fließend arabisch. Der Sender N-TV, der zur RTL-Mediengruppe gehört, hat sich  mit Marhaba ein Format geschaffen, welches für diesen Sender außergewöhnlich ist.
Constantin Schreiber sucht sich einen syrischen Koch aus, geht mit ihm in eine deutsche Küche, um mit ihm die Unterschiede die zwischen den beiden Küchen besteht herauszuarbeiten. Nebenbei: Es gibt keine wesentlichen Unterschiede. In einem Nebensatz, in Syrien isst man sehr gerne und viel süße Speisen, die mit Honig gesüßt werden. Das sind aber keine Besonderheiten, sondern mehr Geschmacksrichtungen die wir in Deutschland im Nord/Süd Dialog auch haben.
Es ist eine Sendung die im Internetfernsehen gezeigt wird, wenn arabisch gesprochen wird, wird deutsch im Zeilenformat eingeblendet, wenn deutsch gesprochen wird, wird arabisch eingeblendet. So steht der syrische Koch dem deutschen Koch gegenüber und sie stellen fest, wir könnten zusammen arbeiten, nur dürfen wir nicht.
Warum? Der Gesetzgeber will das nicht.
Die Sendung kommt nicht moralisierend, mitleidseregend oder besserwisserisch, sondern zeigt die kulturellen und alltäglichen Unterschiede denen ein Kriegsflüchtling in Deutschland ausgesetzt ist. Schreiber bleibt aber hier nicht stehen, sondern zeigt auch Wege wie man die Unterschiede meistern kann, ohne sich selber zu verlieren. Gelungen ist aber auch der Verbreitungsweg indem die Sendung über das Internet gesendet wird. Denn der erste Kontakt mit der medialen Außenwelt findet in der Regel über die mobilen Smartphones statt. Es ist die gute alte Aufklärung die Schreiber hier betreibt. Nebenbei erfährt der deutsche „Ureinwohner“ von seinem Land etwas, was ihm (dem Ureinwohner) nicht mehr erinnerlich war.

Club der roten Bänder (VOX)

Erstausstrahlung: ab Montag, 09.11.2015, 20:15 Uhr, VOX

Grimme Award für "Club der roten Bänder" v.l. Tim Oliver Schultz, Luise Befort, Timur Bartels und Ivo Kortlang Foto: (c) Linde Arndt

Grimme Award für „Club der roten Bänder“ v.l. Tim Oliver Schultz, Luise Befort, Timur Bartels und Ivo Kortlang Foto: (c) Linde Arndt

In einem Krankenhaus auf einer Station verbringen mehrere Jugendliche die an Krebs erkrankt sind und den Alltag im Krankenhaus zwischen Operationen und Streiche spielen verbringen. Die Jugendlichen haben sich zusammen gefunden und die roten Operationsbänder weist sie als „Banden“ Mitglieder aus. Jonas (Damian Hardung) soll der Unterschenkel amputiert werden. Am Vorabend beschließen die Jugendlichen eine Abschiedsparty für den Unterschenkel von Jonas zu geben. Leo (Tim Oliver Schultz ) der Zimmernachbar von Jonas, will ein Mädchen zu dieser Feier einladen. Hier kommt Emma (Luise Befort) die an einer Essstörung leidet ins Spiel.
Die Jugendliche bauen sich in diesem Krankenhaus ihren eigenen Kosmos mit eigenen Regeln. Ihr Verständnis als Gruppe führt sie zwanglos in eine Welt voller Lebensfreude, obwohl die Krankheiten dies nicht zulassen würden. Es sind 10 Folgen in der ersten Staffel. Wie die Planung aussieht, soll es eine zweite Staffel geben.

Es ist ein Drama erster Güte. Gleichzeitig kommen diese Jugendlichen nicht mit der Mitleidsschiene daher, ihr Credo, wir wollen Leben auch in diesem von uns gezimmerten Kosmos. Das zuweilen der Wechsel von Tragik zur Komik zu schnell für den Zuschauer daher kommt macht einen gewissen Reiz. Die Erwachsenenwelt wird, so möglich, vollkommen ausgeblendet. Durch die Krankheit haben die Jugendlichen Narrenfreiheiten, die sie den Zwängen der Erwachsenenwelt entziehen. Irgendwie erinnert die Sendung an den französischen Film „Ziemlich beste Freunde“ mit François Cluzet und Omar Sy, auch hier geht François Cluzet mit seiner Krankheit um als wolle er ein Leben in der fast Regungslosigkeit in vollen Zügen genießen, dies wurde ihm aber nur durch Omar Sy als Driss ermöglicht der ihm eine andere Sicht auf sein Leben eröffnete.
Es werden Grenzen überschritten, die man Angesicht der dramatischen Lebensumstände normalerweise nicht überschreitet.

Unsere Redaktion hat diese prämierten Werke deshalb ausgesucht, nicht weil sie besser sind als die anderen, vielmehr machen diese Geehrten einen Tabubruch. Über Sexualität spricht man nicht und schon gar nicht wenn auch noch irgendwie die Homosexualität oder Transsexualität ein Thema ist.
Oder man spricht zwar über die Integration der Kriegsflüchtlinge, kann aber keine pragmatischen Konzepte vorweisen. Und Krebs, überhaupt Krankheiten, werden am besten in die Banlieue einer Stadt verband.

So sind unserer Meinung nach alle drei Werke gute Beispiele die Rührseligkeiten die manchen Filme anhängen vergessen zu machen.

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Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Marl
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