Lage in Afghanistan, ein Blick in das Jahr 2014

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Europäisches Parlament, Altiero-Spinelli-Gebäude Brüssel am 24.04.2013
Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung Thema Afghanistan vrnl.Generalleutnant Olivier de Bavinchove,Vygaudas Ušackas, Ausschusspräsident Arnaud Danjean
Foto: Linde Arndt

[jpg] 450 Schulen haben die westlichen ISAF Soldaten und deren Helfer aufgebaut. In Kabul gibt es sogar eine Universität mit 400 Studenten, 80 Kommilitonen davon sind weiblich. Zwei tolle Meldungen, die jeden zivilisierten Menschen erfreuen müssten. Aber es geht ja weiter mit dem Bilanzieren. 90 % der Opiumproduktion kommt aus Afghanistan, die der westlichen Welt Jahr für Jahr zum Konsumieren geliefert wird. Die afghanischen Warlords finanzieren ihre teilweise beträchtlichen Ausgaben mit den Milliardenumsätzen aus dem Opiumgeschäft. Die Warlords haben gelernt, die Schlafmohnernte weiter zu verarbeiten um die daraus gewonnenen Folgeprodukte, wie Opium, Heroin oder Morphium, mit großem Gewinn in der westlichen Welt zu verkaufen. Wobei die Drogen aus Afghanistan geschmuggelt und in der westlichen Welt durch Drogenfahnder wieder kassiert werden – zumindest teilweise.

Das Rechtssystem ist im wesentlichen von der islamischen Sharia geprägt ein restriktives und menschenverachtendes Rechtssystem, alltäglich ziehen die kleinsten Vergehen schwerste körperliche Bestrafungen nach sich.

Trennung von Kirche und Staat, also Laizismus, ihn wird es sicher in den nächsten 40 Jahren nicht geben. Der Islam wird auf lange Zeit den Staat dominieren.

 

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Botschafter Vygaudas Ušackas (Litauen) und Generalleutnant Olivier de Bavinchove (Frankreich)
Foto: Linde Arndt

Generalleutnant Olivier de Bavinchove (Frankreich) *1) zog dann auch mit seinem Kollegen, dem EU Beauftragten für Afghanistan, Botschafter Vygaudas Ušackas (Litauen), vor den Ausschussmitgliedern eine ziemlich schonungslose Bilanz. Wir befinden uns in einem fragilen Zustand, der uns hoffen lässt. Hoffen, wenn wir 2014 abziehen, dass die von uns erbrachten Leistungen in Infrastruktur, wie Straßen und Gebäude, soziale Veränderungen oder das Bildungssystem von den Taliban nicht wieder zerstört werden. Begründete Hoffnung haben wir aber auch, indem wir an die von uns ausgebildeten Kräfte glauben, die diese neuen Errungenschaften verteidigen. Hoffnung auch, indem wir an die vielen jungen Leute glauben, die das von uns aufgebaute Bildungssystem durchlaufen haben. Wenn nicht 2014, so wird es dieser jüngeren Generation sicher einmal gelingen einen modernen afghanischen Staat aufzubauen.

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Karl Åke Roghe (Schweden), Head of Mission,
EUPOL Afghanistan
Foto: copyright consilium.europa.eu

Karl Åke Roghe (Schweden), Head of Mission, EUPOL Afghanistan sieht für die Polizei im Lande eine Perspektive. Tausende junge Afghanen wurden von den Beamten von EUPOL ausgebildet, die sich sicher nicht so schnell den Job nehmen lassen. Sorge bereitet allerdings zunehmend die Kabuler Regierung aber auch die Provinzregierungen, die zunehmend die Gehälter der Polizisten zurückhalten oder verzögert auszahlen. Letzendlich könnte dies zum Ansteigen der Korruption bei der Polizei führen. In anderen Bereichen bereitet die Korruption immer größere Unsicherheiten im Lande.

Über 2014 hinaus werden von der EU weiterhin in geringerem Maße Polizisten ausgebildet. Auch werden die staatlichen Institutionen des Landes weiterhin bei Bedarf Unterstützung erfahren. Die amerikanischen Kampfeinheiten werden massiv verkleinert, so dass nur noch eine relativ kleine Eingreiftruppe im Lande besteht. Perspektivisch werden diese Einheiten die Kabuler Zentralregierung bei ihren Verhandlungen mit dem Taliban beratend unterstützen. Ziel wird es sein die Bevölkerung respektive die verschiedenen Ethnien wieder zu versöhnen.

Dieser über zehnjährige Krieg hat allein der EU jährlich 1 Milliarde Euro gekostet, dazu kommen noch Milliarden die von den europäischen Kriegsteilnehmer aufgebracht wurden. Und das Ergebnis?

 

Afghanistankrieg, ein Resümee

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Generalleutnant Olivier de Bavinchove
Foto: Linde Arndt

Generalleutnant Olivier de Bavinchove gab dann auch unumwunden die in der Vergangenheit gemachten Fehler zu. In seinen nachdenklichen, reflektorischen Ausführungen, führte er an, dass die westliche Welt die afghanische Kultur und das Staatsverständnis nicht akzeptieren wollte. Ignorant hatte man versucht den Afghanen das westliche System über zu stülpen. Und weiter, wir waren jahrelang nicht in der Lage den Afghanen zu zu hören. Wir wollten schnelle Erfolge und hatten keine Zeit die Afghanen anzuhören. Ergebnis waren jahrelange Misserfolge und Stillstand in allen Bereichen. Unsere westliche Zivilisation ist ja auch über Jahrhunderte gewachsen, also kann diese in anderen Ländern von heute auf morgen umgesetzt werden. . Das die Afghanen sich nicht davon abwandten war unser Glück, wir hatten also nicht alle Gesprächspartner verloren.

Was uns richtig weh tut, sind die Rechte der Frauen in der afghanischen Gesellschaft. Sicher gibt es jetzt gut ausgebildete Frauen, die das Land auch braucht. Nur, sie müssen mit einem bewaffneten Schutz herum laufen, dies ist so nicht tragbar. Es ist fraglich ob die ausgebildeten Frauen nach 2014 noch ihrer Arbeit nach gehen dürfen.

Aber wie gesagt, wir müssen geduldiger sein um überhaupt eine Weiterentwicklung im Lande zu erreichen. Was wir haben ist die Hoffnung, dass dieses Land nach unserem Abzug nicht in einen blutigen Bürgerkrieg zurück fällt.

Afghanistan ist lange über 2014 hinaus ein fragiles Land, in der die Hoffnung, dass aber eine Chance haben könnte. Wir Europäer können diesen weiteren Aufbau dann nur beobachten, unterstützen und begleiten – wenn gewünscht.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

*1) Chief of Staff (Stabschef) of the International Security Assistance Force (ISAF/Kabul)