Nur gegen den Terrorismus?

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Digitaler Datensatz

[jpg] In Ägypten hat das Militär geputscht und den gewählten Präsidenten unter Hausarrest gestellt.

Der „Whistleblower“ (Enthüller) Snowden sitzt noch immer im Transitbereich des Moskauer Flugplatzes. Das Flugzeug des südamerikanisch gewählten Präsidenten Morales wurde zum Landen auf dem Wiener Flughafen vom Himmel geholt.

Das sind die Schlagzeilen die die deutschen Medien z. Zt. beherrschen. Wobei die Enthüllungen des ehemaligen NSA Mitarbeiters Edward Snowden nicht wirklich überrascht haben. Was allerdings überraschte war das Ausmaß der Schnüffelei durch die USA und Großbritannien, immerhin sind das unsere Verbündeten. 500 Millionen Datensätze monatlich machen schon nachdenklich. Und dann, von einem Tag zum anderen Tag zu einem Verbündeten dritter Klasse ernannt zu werden ist schon kurios. Rücken wir doch damit in eine Ecke von Staaten, die uns nicht genehm sind. Wenn man jedoch weiter denkt so macht diese Aktion einen erschreckenden Sinn.

 

  • Die USA dürfen ihre eigenen Bürger nicht beschnüffeln, andere jedoch schon. Genauso verhält es sich rein rechtlich auch in den anderen Staaten. Die Dienste der einzelnen Staaten werden untereinander kooperieren. Beschnüffelst du meine Bürger mache ich das auch mit deinen. Der Sinn: Die Dienste tauschen die gewonnenen Daten danach aus. Wenn also Deutschland mitmachen will, muss der deutsche Dienst meinetwegen die USA beschnüffeln und den USA eine Schnittstelle zu seinen Datenbanken überlassen. Damit haben die USA ihre eigenen Bürger eben nicht beschnüffelt. Umgekehrt bekommt der deutsche Dienst den Zugang zu den gewonnenen Daten der USA. Clever!

  • Klar ist auch, es werden Industrie- oder Wirtschaftsdaten über die Kommunikationskanäle fließen, die gilt es natürlich abzugreifen. Auffällig war dabei das relativ schnelle Nachziehen der USA bei den Kohlefaserverbundstoffen, die bei Airbus einen Wettbewerbsvorteil darstellten.

  • Kurz danach wusste Boing seinen Dreamliner auch mit diesen Werkstoffen zu bauen. Es sind die geistigen Errungenschaften der Europäer, die auch auf dem Radar der USA stehen. Da geht es um Milliarden an Entwicklungsgeldern, die die eigenen US Firmen nicht mehr aufwenden müssen.

  • J. Edgar Hoover, der Direktor des US amerikanischen FBI von 1924 bis 1972, hatte eine analoge (digital gab es damals noch nicht) „Sammelwut“. Von den gesammelten Daten legte er Akten der verschiedensten Personen an. Diese Akten nutze er später um die Personen zu erpressen, oder besser, sie in seinem Sinne zu manipulieren. Selbst Präsident Kennedy hatte eine umfangreiche Akte, die Hover auch zu nutzen wusste. Nun wurde damals alles akribisch mit der Hand eingetragen und verwaltet. Heute bestehen durch die moderne IT Verarbeitung ungeahnte Möglichkeiten. Bei einem 80 Millionen starken Volk wie das der Deutschen, kann man jeden einzelnen Bürger anhand der Daten filtern und eine persönliche Akte erstellen. Da stehen für jeden Deutschen dann die netter und weniger netten Vorkommnisse in dieser Akte. Dadurch ist jeder Deutsche auf Dauer erpressbar. Ich habe nichts zu verbergen, so lautet die einhellige Meinung. Aber, was ist mit dem Finanzbeamten, der das Wissen über die Steuerdaten anderer hat, er hat zwar nichts zu verbergen, hat aber Informationen über einen Steuerpflichtigen, die ein Dienst benötigt.

  • Fasst man die Daten zusammen, so kann man mittels der Psychologie ein Profil eines gesamten Volkes erstellen. Mit dem gewonnenen Wissen, „Wie tickt ein Volk“ kann man manipulativ auf das gesamte Volk einwirken. So wird es dann ein leichtes sein, bilaterale Verhandlungen zu torpedieren damit der angestrebte Vertrag nicht zustande kommt.

  • Ach ja, Verhandlungen. Es wäre ungemein wichtig zu wissen, welche Strategie der Verhandlungsgegner verfolgt um mit einer Gegenstrategie während der Verhandlungen aufzuwarten. So geht jede Strategie ins Leere.

Angela Merkel   foto: Linde Arndt

Angela Merkel Foto: Linde Arndt

 

Es geht gar nicht um die persönlichen Daten des Einzelnen, diese Daten sind nur Beiwerk für das große Ganze, die es gilt zu einem Ganzen zusammen zu fügen und aus diesen Daten Informationen über Firmen zu gewinnen. Es geht um Sozial- und Psychoprofile von Gebieten oder ganzen Ländern oder das Festlegen von Multiplikatoren eines Gebietes. Es geht um Manipulation und Domination von Teilen bis hin zu einer Gesamtheit einer Gesellschaft.

Wobei der Kampf gegen den Terrorismus immer noch ein Kampf einer personell gut ausgestatteten Polizeibehörde ist. Es kann kein einziges Bombenattentat durch diese Daten verhindert werden, so der Londoner Polizeipräsident. Und weiter, die meisten Erfolge hatten wir durch die Bürger die uns ihre Beobachtungen übermittelten.

Im Grunde genommen geht es doch um die Sicherheit in der Informationstechnologie. Was nutzt uns allen die moderne Technologie wenn der Staat sie nicht schützen kann? Wenn meine Erfindung, in die ich zehntausende Euro reingesteckt habe auf dem digitalen Wege zu meinen Partnern kopiert wurde und danach ohne einen Cent verwendet wird? Wenn ich durch geschickt auf unsere Gesellschaft zugeschnittene placierte Informationen eine Entscheidung treffe, die ich sonst nie getroffen hätte.

Deutschland hat zwar ein Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nur es hat auch einen Bundesnachrichtendienst. Beide haben unterschiedliche Aufgaben die teilweise nicht zusammen gehen. Deutschland ist ein europäisches Land, welches in der IT führend ist. Deutschland hat weltweit mit DE-CIX in Frankfurt mit 2,4 Terrabyte Datendurchsatz den größten Knoten. Aber wir haben auch die dümmsten Politiker im Zusammenhang mit der modernen Informationsgesellschaft, wenn man sich den Ausruf der Bundeskanzlerin, „Das Internet ist für uns alle Neuland.“ jetzt der Tage in Erinnerung ruft. Das Bundesinnenministerium ist für die Sicherheit der Netze zuständig. Was aber soll man tun, wenn Innenminister Friedrich auf Pressekonferenzen das Internet mehr oder weniger als Tummelplatz für Spieler und Sexbesessene einstuft? Man spürt es sind noch nicht einmal ansatzweise Kompetenzen in der Politik erarbeitet worden.

Und die EU in Brüssel? 2005 brachte der Rat einen Rahmenbeschluss über Angriffe auf Informationssysteme heraus. 2008 vergab ein Bericht der Kommission ein „relativ gut“ bei den Fortschrittsbemühungen der europäischen Staaten. Und so schreibt der Rat der EU, also alle Regierungschefs, bindent für seine 28 Mitglieder in dem vorgenannten Rahmenbeschluss:

 

„Um diesen Gefahren wirksam begegnen zu können, ist

ein umfassender Ansatz zur Gewährleistung der Sicher-

heit der Netze und Informationen erforderlich, wie dies

im Aktionsplan„eEurope“, in der Mitteilung der Kommis-

sion „Sicherheit der Netze und Informationen: Vorschlag

für einen europäischen Politikansatz“ und in der Ent-

schließung des Rates vom 28. Januar 2002 zu einem

gemeinsamen Ansatz und spezifischen Maßnahmen im

Bereich der Netz- und Informationssicherheit hervor-

gehoben wurde“

Und was ist passiert? Offensichtlich nicht viel, wenn sich alle Länder unseres Erdballes die Daten aller europäischen Staaten abgreifen.

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Sitzung Ausschuss der Regionen am 11.4.2013 Foto: Linde Arndt

Als der Ausschuss der Regionen (COR) der europäischen Union sich in seiner 102. Plenartagung am 3./4.Juli mit dem kriminellen Akt der Cyberkriminalität befasste, befasste er sich auch mit dem Cloud Computing. Es ist ein weiterer Schritt im Bereich der modernen Informationsgesellschaft. Nur in Gesprächen waren sehr viele Irritationen: Was nützt es wenn wir uns hier um etwas Gedanken machen, wenn die Mehrzahl der nationalen politischen Entscheider alles was das Internet betrifft als irrelevant einstuft. Die Staats- und Regierungschefs des Rates müssten ein anderes Bewusstsein entwickeln um den Cyberraum als das zu begreifen was er ist, ein virtueller Arbeitsraum analog dem realen Arbeitsraum.

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Robert Bright

Eine der Ideen, die der Berichterstatter Robert Bright (UK) aus Newport vortrug, war die Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften (Städte und Kreise in Deutschland). Dezentrale Cyberstrukturen oder Werkzeuge, die den Cyberraum schützen, wären die erste Wahl. Alle „offline“ Rechte und Werte sollten sich „online“ wieder finden. Sicherheit und die Bekämpfung der Cyberkriminalität funktioniert nur im Zusammengehen aller Gruppen und Gebiete in Europas Staatengemeinschaft.

 

Und der immer wieder viel zitierte Terror? Nun, wenn man 9/11 in New York mit dem Amoklauf von Erfurt am Gutenberg Gymnasium vergleicht, stellt man fest: Beides sind kriminelle Akte auf die Gesellschaft, die man hätte verhindern können. Die Täter dieser kriminellen Akte können nicht durch die „Schlapphüte“ ermittelt werden, sondern durch gute alte Polizeiarbeit vor Ort. Dazu braucht es aber andere gesellschaftlich soziale Strukturen und Prioritäten im System. Allerdings haben wir dafür kein Geld.

Das wir aber für einen potenziellen Wirtschaftsschaden in Milliardenhöhe keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen ist jedem unbegreiflich.

 

Bleibt zu hoffen, dass die Schamgrenzen der internationalen Dienste noch nicht ganz gefallen sind und der private Informationsaustausch unserer Bundeskanzlerin nicht abgegriffen wird. Aber Scham ist wieder etwas was diese Dienste nicht kennen, genauso wie Freundschaft,Vertrauen, Partner oder Verbündete. Es sind nur Datensätze, die einen verwendbaren Wert haben. Bei der Sprachregelung wird der Kampf gegen den Terror nur vorgeschoben.

Den Verhandlungsbeginn für ein Freihandelsabkommen mit der europäischen Union und den USA sollte man jedoch verschieben. Denn sicher ist nicht, ob die Verhandlungsziele der europäischen Union als auch die Strategie dazu, durch die US amerikanischen Dienste nicht schon bekannt sind.

Dass das Ausspähen der Daten mit dem Terrorismus zu begründen ist, ist sicher wenig wahrscheinlich.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.

Die ersten zaghaften Schritte aufeinander zu

 
Presse- und Mediencenter im großen Saal  des European Council am 7.2.2013      Foto: © Linde Arndt
 

[jpg] Es geht um Geld, um viel Geld. Die Regierungschefs wollen übereinkommen den Rahmen des Haushaltes 2014 – 2020, also eine 7-jährige Finanzplanung, zu verabschieden. Die Betonung liegt auf wollen. Denn noch liegen die einzelnen Interessengruppen der EU weit auseinander. Es geht um das Sparen in allen Variationen und Kategorien. Der britische Premier David Cameron möchte sparen um die Zahlungen des Vereinigten Königreichs  auf Null zu drücken. Und zwar auch auf das Risiko hin, dass das Vereinigte Königreich geächtet wird. Er ist in einer zwiespältigen Situation. Einerseits ist Cameron und die Mehrheit seines Volkes von Europa überzeugt aber andererseits stehen die meisten konservativen Tories Europa skeptisch, wenn nicht sogar feindlich, gegenüber.

Man ist sich jedoch einig, dass Großbritannien aufgrund seiner vielfältigen, gewinnbringenden Wirtschaftsbeziehungen zur EU nicht so einfach ausscheren kann.
Eine rund 40 – 60% Exportquote an der rund 3 Millionen Jobs hängen, lassen sich so einfach nicht beiseite schieben.

Kommen wir zu der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die ja auch zu dm Lager der Sparer um jeden Preis gehört.

Auch von ihr ist eine Zielmarke des Sparens von unter 1 Billion Euro um jeden  Preis für den Haushalt 2014 – 2020 zu vernehmen. Allerdings legt sie sich, wie von ihr gewohnt, nicht auf eine konkrete Summe fest. 860 Milliarden Euro sind aus diesem Lager genannt worden.

 
LUXEMBOURG | Prime Minister Jean-Claude Juncker
Foto: © Linde Arndt

Kommissionspräsident José Manuel Barroso (c) Linde Arndt
  Auf der anderen Seite steht die große Gruppe der Wirtschaftsförderer um den französischen Präsidenten François Nicolas Hollande, dem sich viele der kleinen Mitglieder angeschlossen haben. Er möchte kein Sparen um jeden Preis auf Kosten der strukturell unterentwickelten Mitglieder, er möchte eine aktive und offensive Wirtschaftspolitik umgesetzt sehen. Und das kostet nun mal Geld.
Mit Recht, wie viele Ökonomen sagen. Wenn es nicht gelingt Staaten wie Griechenland oder auch Italien in ihren Bemühungen die eigenen Wirtschaftskrisen in den Griff zu bekommen, zur Seite zu stehen, könnte Europa wegsterben, wovor der französische Kulturphilosph Bernard-Henri Lévy und 12 Mitstreiter in seinem Manifest eindringlich warnt. Kommissionspräsident José Manuel Barroso weist auf die 5,7 Millionen junge Menschen in der EU hin, die ohne  Arbeit sind.

 

   

Und dann sind da noch die „kleineren“ EU Staaten, die sich analog wie die „Großen“ verhalten.
Es ist die Präsidentschaft von Irland, die mit ihrer Administration dieses Treffen vorbereitet hat. Alles sollte jedoch nicht dramatisiert werden, noch besteht kein erhöhter Zwang zur Einigung, obwohl dies einige der angereisten Regierungschefs schon so sehen wollen.

Das EU Parlament aus Straßburg sendet bedrohliche Signale mit seinem anwesenden Präsidenten Martin Schulz aus, indem ein Veto gegen diesen Haushalt angekündigt wird. Schulz sieht sich an der Seite des französischen François Nicolas Hollande, die beide einen Rahmen um die 1 Billion Euro sehen. Gemäß Schulz wird das EU Parlament nicht alle Vorschläge für den Haushalt goutieren.

Zwischen allen Fronten kreist der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, der die Ressorts zu weiteren Sparanstrengungen motivieren muss. War am Donnerstag zu erst noch keine Zahl vom Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, zu erwarten, so legte er überraschenderweise am Donnerstag einen Haushaltsrahmen für die Jahre 2014 – 2020 von 960 Mrd. Euro an Verpflichtungsermächtigungen auf den Tisch. Schaut man sich alles an, so wir zum ersten mal der Haushaltsrahmenplan um 34 Mrd.Euro geringer ausfallen. Man muss sehen.

Am Freitag haben sich denn auch die Regierungschefs auf diese Zielmarke geeinigt.  Für den Präsidenten Martin Schulz  besteht damit eine Lücke von 52 Mrd. Euro. Hier muss man abwarten.

Die Zielmarke ist zwar abgesegnet, tatsächlich geht es jetzt ins Detail, worauf die Regierungschefs sich letztendlich auch noch einigen müssen. Zur Erinnerung  – der Haushalt für das Jahr 2013 wurde erst nach zähen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss Mitte Dezember 2012 verabschiedet und bedarf noch der Veröffentlichung. In Brüssel, Luxemburg und Straßburg laufen die Uhren eben anders, viel, viel langsamer.

Es wird sicher noch weitere dramatische Wochen und Monate in Brüssel geben, in denen der eine oder andere Regierungschef Öl ins Feuer gießen wird. Die eine oder andere Indiskretion wird uns übermittelt um die Richtung zu beeinflussen. Der Kesseldruck wird also noch erhöht. In einem sind sich jedoch alle einig, Europa kann sich einigen. Nur will sich Europa auch einigen?

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

Europa oder Chaos, liegt Europa im Sterben?

  [jpg] Der französische Kulturphilosoph Bernard-Henri Lévy sieht Europa als Idee, als Traum, als Projekt nicht nur in der Krise er sieht Europa im Sterben.
In seinem Manifest vom 27.Januar 2013 sieht Lévy und zwölf weitere Unterzeichner in letzter Konsequenz nur eine Rettung für Europa: „Uns bleibt keine andere Wahl: Politische Union oder Tod.“

„Dieser Tod kann uns in mannigfacher Gestalt und auf Umwegen ereilen. Europa kann zwei, drei, fünf oder zehn Jahre dahin siechen, sich mehrmals erholen und immer wieder das Gefühl vermitteln, das Schlimmste sei überstanden.“

Es waren unsere ersten zaghaften Schritte im europäischen Brüssel am 29.Januar 2013. Zuerst mussten wir diverse Registrierungen überstehen um in die diversen Institutionen und Gremien zu kommen. Nachdem wir unsere Ausweise hatten gingen wir zu unserer ersten Diskussion.

Thema: Europa in der Krise. Wo steckt der deutsch-französische Motor?


Ministerin Angelica Schwall Düren bei ihrer Ansprache
  Ministerin Schwall-Düren stellte in ihrer Eröffnungsrede die großen sozialen Probleme in Europa beispielhaft heraus. 50% Jugendarbeitslosigkeit in einigen Ländern Europas ist eindeutig zu viel und beraubt uns unserer gemeinsamen Zukunft. Es gibt viele Fragen, die auf eine Antwort warten. Die deutsch – französische  Beziehung ist gefragt, die den notwendigen Impuls geben kann, der Europa wieder in Bewegung bringt. Merkel und Hollande haben sich zuletzt auf eine gemeinsame Agenda geeinigt die als Schmieröl den deutsch-französischen Motor wieder in Schwung bringen soll, so die Ministerin.

Beide, sowohl der französische Präsident als auch die deutsche Kanzlerin fremdeln noch etwas. Immerhin ist Hollande erst ein halbes Jahr im Amt und hat andere Probleme als seine deutsche Partnerin. Was noch erschwerend hinzukommt, die Kanzlerin ist im konservativen Lager zuhause und Holland gehört dem sozialistischen Lager an. Der deutsch-französische Dialog konnte in der Vergangenheit mit gegensätzlichen politischen Strukturen jedoch immer ganz gut umgehen.

Man denke hier an Helmut Kohl und François Mitterrand, die nach einer distanzierten Anfangsphase zu einer freundschaftlichen Beziehung fanden. Nur Europa ist immer in Bewegung und bedarf deshalb auch immer politischer Entscheidungen. Soweit die Vorbemerkungen die zu dieser Diskussion führten.

   
v.l.: Henri de Bresson. Thomas Klau, Dr. Claire Demesmay, Prof. Joachim Bitterlich und Quentin Peel

 

Als Moderator hatte man Henri de Bresson, Chefredakteur PARISBERLIN und ehemaliger Chefredakteur Le Monde gefunden.

Das Panel war besetzt mit:

  • Prof. Joachim Bitterlich, Botschafter a.D., langjähriger außen- und sicherheitspolitischer Berater sowie Europa-Berater von Helmut Kohl, Paris und Berlin
  • Thomas Klau, Leiter des Büros des European Council on Foreign  Relations, Paris
  • Quentin Peel, stellvertretender Chefredakteur und Büroleiter der Financial Times, Berlin
  • Dr. Claire Demesmay, DGAP, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Berlin

Der Wechsel von Nicolas Sarkozy zu François Hollande ist für Merkel ein großer Positionswechsel. Durch die umfangreichen Veranstaltungen zur 50 Jahr Feier zum Élysée-Vertrag habe man jedoch eine gefestigte Beziehung der beiden Nationen gesehen. Wird alles so weiter gehen wie bisher? – so die Frage von Henri de Bresson.
Prof. Bitterlich sah ein inzwischen komplexes Verhältnis, dass aufgrund der vielfältigen Aktivitäten entstanden ist. Beispielhaft sah er die politische Energiewende in Deutschland, die in Frankreich so nicht nach vollzogen werden kann. Dr. Demesmay fand das Ganze nicht dramatisch wenn beide Länder unterschiedliche Wege gehen. Die Merkozyphase ( Merkel mit Sarkozy verbunden ) war eine unproduktive Phase, die Europa nicht weiter nach vorne brachte. Frankreich und Deutschland sind uneinig, aber wollen einig werden. Die Schwierigkeit ist für beide Seiten, dass es keine konkreten Europa-Themen gibt. Und das bringt ein nebeneinander und nicht miteinander Handeln, weil die Herangehensweisen kulturell  unterschiedlich sind. Beispiel Mali: Hier handelte Frankreich schnell weil die Interessenlage es erforderte, Deutschland schickte zwar logistische Hilfe und moralische Unterstützung, handelte aber sonst zögerlich und verhalten.
Quentin Peel fand Großbritannien auf einem schwierigen Weg durch den derzeitigen Premierminister David Cameron, der einerseits selber Europäer ist, jedoch eine große Gruppe Antieuropäer gegen sich hat. Zwischen Großbritannien  und Resteuropa  haben sich phänomenale politische Unterschiede entwickelt, die Briten kommen nicht zwischen Frankreich und Deutschland. Dieses außen vor sein sehen die Briten als bedrohlich an. Verwundert nehmen die Briten die Unterschiede im Zentralismus (Frankreich) und dem Förderalismus (Deutschland) wahr und sehen das man damit gemeinsam arbeiten kann. Hollande und Merkel kommen schon überein wenn sie es müssen. Die Frage ist nur, was wird mit den kleineren Staaten?
Bitterlich meinte dann: Hollande kann nicht die gleichen Reformen in Frankreich  umsetzen, wie es die Deutschen bereits getan haben. Was ist also mit dem französischen Nachbarn machbar?

Bresson warf die Frage in die Runde: Wie können sich die Sichtweisen der Franzosen gegenüber den Deutschen verändern? Müssen beide nicht mehr voneinander lernen?
Frau Demesmay fand die Bilder der beiden Völker sind noch zu sehr vom Tourismus geprägt. Es gibt den mit einem Baguette unterm Arm herum laufenden Franzosen, er ist aber nicht der Franzose schlechthin. Die Presse transportiert diese Klischees auch noch bedenkenlos. Hier sollte gegen gearbeitet werden.
 
Teilnehmer der Diskussionsrunde

Stichwort Mali. Haben wir alle die Hilfsmöglichkeit der Deutschen falsch eingeschätzt, fragte Bresson? Hier meinte Thomas Klau, es kommt auf die politischen Persönlichkeiten an, inwieweit sie sich in ihren Ländern durchsetzen. Tatsächlich ist Europa für solche Krisen zu langsam. Wir brauchen eine stärkere Souveränitätsübertragung nach Brüssel. Mit Ausnahme der EZB (Europäische Zentralbank) war bisher keine europäischen Institution in der Lage eine Krise zu meistern, dies schließt die Kommission ein. Handeln können also nur die beiden großen Staaten, was bei den anderen Staaten zu einem Hegemonial Verdacht der anderen Staaten führt.
Wie übe ich Souveränität gemeinsam aus, ist die große Frage, so Bitterfeld.
Frau  Demesmay meinte denn auch: Die Herausforderung sind die europäischen Bürger vor denen unsere Regierungen Angst haben. So kann die Integration nicht klappen. Froh kann man nur sein, dass die Bürger von dem jeweilig Anderen ein positiveres Bild haben als die Administrationen in den jeweiligen Staaten. Dies sieht man immer wieder an den gelebten Städtepartnerschaften, die in der Regel sehr herzlich sind.
Das Schlusswort blieb Ministerin Schwall-Düren vorbehalten die sich als Hausherrin schon auf die nächsten Gespräche freute.

Was unsere Redaktionen immer wieder begeistert, sind die unterschiedlichen Gesprächskulturen die in Brüssel sicher zu einer Symbiose führen werden. Die Dialog- und Kritikfähigkeit der deutschen Kolonie sollte sich unbedingt weiter entwickeln. Zurück wieder in Deutschland sehnt man sich nach Brüssel wo man politische Probleme auch kontrovers diskutieren kann.

Es waren journalistisch gesehen aufschlussreiche Gespräche, die für unsere Redaktion das eigene Denken aufbrach.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.

[Alle Fotos: © Linde Arndt]