Integration der Kriegsflüchtlinge, sprechen wir nur darüber?

Informationsveranstaltung über Flüchtlinge in Ennepetal Foto: (c) Linde Arndt

Informationsveranstaltung über Flüchtlinge in Ennepetal Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Es klingelt an meiner Wohnungstür. Als ich öffne, steht eine Frau, so Mitte 50 vor der Tür. Es ist die neue Nachbarin. Die Frau sieht südländisch, arabisch aber auch nordafrikanisch aus. Egal. Ja bitte?, frage ich. Könnten sie mir vier Eier leihen?, fragt sie in gebrochenem deutsch. Klar. Ich gehe in die Küche, nehme eine Packung mit sechs Eiern aus dem Kühlschrank und gebe ihr diese. Sie bedankt sich und geht. Zwei Tage später. Die Frau, die von mir die Eier geliehen bekam, stand wieder vor der Tür und gab mir lächelnd die Eier zurück. Aliya Ouanes, so heißt die Frau Nachbarin, sie gab mir auch noch als Dank ein paar Stücke von ihrem Djamilahkuchen, ein Dattelkuchen mit Nüssen. Und es entwickelte sich ein Gespräch über die Kinder. Sie hatte einen Sohn mit Namen Maruan der ihr viel Freude macht, tüchtig, höflich und bei allen beliebt. Wir plauderten so an die 30 Minuten. Zum Schluss lud sie mich ein zum Einweihungsfest ihrer Wohnung zu kommen, um dann auch ihren Mann kennen zu lernen. Dankend nahm ich an.

Dies war ein Mensch bei dem die Integration gelungen war und sicher im weiteren Verlauf ein positives Ende findet und Deutschland einen neuen Staatsbürger bekommt.
Nun könnten wir uns alle umdrehen und sagen, es wird schon. Die Kriegsflüchtlinge müssen sich nur anstrengen und dann sind sie auch integriert.
Es ist reines Wunschdenken was hier vorherrscht. Tatsächlich lassen wir es, mangels Integrationsbemühungen zu, dass sich in unseren Kommunen Parallelwelten wieder entwickeln. Armut und soziale Spannungen sind hierbei vorprogrammiert.
Die Terroranschläge von Paris und jetzt gerade in Brüssel sind das Ergebnis einer jahrelang verfehlten Integrationspolitik in Frankreich, Belgien und den anderen EU Staaten. Das es in Deutschland noch keinen Anschlag gab, war und ist reine Glücksache. Was nutzt es wenn, wie nach den Brüsseler Anschlägen, die EU-Innenminister in Brüssel zusammen kommen und eine bessere Zusammenarbeit und Gesetzesverschärfungen ankündigen, die aber die Ursachen nicht bekämpfen?
Kann es sein, dass wir unseren Neubürgern nichts zur Integration  anbieten können? Reicht Bier, BVB und FCB Fussball oder die tägliche Fleischration auf dem Teller als integratives Element in Deutschland aus? Welche Werte können oder sollten wir den Kriegsflüchtlinge denn vermitteln? Die CSU und damit die Konservativen sprechen von einer deutschen Leitkultur, nur weiß niemand inhaltliches dazu vorzubringen. Deutsche Leitkultur eine leere Sprachhülse?!

Bürgermeisterin Imke Heymann bei der Ansprache foto: (c) Linde Arndt

Bürgermeisterin Imke Heymann bei der Ansprache foto: (c) Linde Arndt

Lassen wir uns einmal vor Augen führen wie man Kriegsflüchtlinge weiterführend in einer Kommune aufnimmt. Die Stadt Ennepetal lud seine Bürger zu einem Flüchtlingsgespräch in ihr Haus Ennepetal ein. An die 150 Bewohner folgten dieser Einladung. Die neue Ennepetaler Bürgermeisterin eröffnete mit dem Wunsch, Ennepetal will bunt und kulturell offen sein um der Menschlichkeit Willen. Gleichzeitig lobte sie die ehrenamtlichen Anstrengungen der Ennepetaler, merkte aber an, dass die Stadt Ennepetal es ohne seine Bürger nicht schaffen kann. Deshalb bat sie um Ideen und Vorschläge wie man die Kriegsflüchtlinge in Ennepetal besser unterbringen kann.

Michael Schmidt vom Fachbereich 3, Jugend und Soziales referierte kurz die strukturellen Anforderungen und gesetztlichen Rahmenbedingungen die die Kriegsflüchtlinge mit sich bringen.

v.l.Hans-Georg Heller vom Fachbereich 3 und Kämmerer Dieter Kaltenbach Foto: (c) Linde Arndt

v.l.Hans-Georg Heller, Leiter Fachbereich 3 und Kämmerer Dieter Kaltenbach Foto: (c) Linde Arndt

Der Kämmerer Dieter Kaltenbach mahnte, die geplanten Investitionen im Zusammenhang mit den Kriegsflüchtlingen kostensparend anzugehen. Und der Leiter des Fachbereichs 3, Jugend und Soziales, Hans-Georg Heller verwies auf das BaMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) welches mit seiner Arbeit im Rückstand wäre ( 600.000 Anträge sind noch nicht entschieden. d.Red.). Teilweise konnten die Kriegsflüchtlinge noch nicht einmal Anträge stellen. Zu guter Letzt stellte
Wolfgang Schrey von der AÖR  die 3 neuen Standorte für die Kriegsflüchtlinge vor, 350 Wohneinheiten in Containerbauweise sollen in 2016 neu geschaffen werden.
Frank Heinze, Dortmunder von der Firma „Heinze und Partner“ moderierte nun die eingehenden Meldungen der Ennepetaler Bewohner. Es sollte ein Dialog werden, zwischen der Ennepetaler Stadtverwaltung und seinen Bewohnern. Meldungen waren ausreichend vorhanden, die aber inhaltlich mehr Statements waren.
Man ging nach der Verabschiedung durch die Bürgermeisterin auseinander – gut das wir mal darüber gesprochen haben?

Kritische Anmerkungen

Wolfgang Schrey, AÖR Foto: (c) Linde Arndt

Wolfgang Schrey, AÖR Foto: (c) Linde Arndt

Da sind erst einmal die Begriffe die in diesem Zusammenhang benutzt werden, die nur unzureichend erläutert werden. Auch die gesetzlichen Grundlagen, nach der eine Kommune ihr Tun ausrichtet, kommt nicht passend, i.S. von verständlich, während des Vortrages rüber.
Beispiele: Bleibeperspektive, Aufenthaltsgestattung, Duldung, Aufenthaltserlaubnis, dauerhaften Aufenthaltstitel, SGB I bis XII, AsylG oder AufenthG.
Warum die Stadt im Vorfeld kein FAQ (Frequently Asked Questions (meistgestellte Fragen)) , kein Wiki oder Forum aufmacht, was dieses Treffen doch einfacher machen würde, ist hierbei unverständlich. Im Ansatz hat die Stadt ein FAQ im Zusammenhang mit dem Thema Hülsenbecke aufgelegt um einen gleichen Informationsstand der beteiligten sozialen Gruppen zu erreichen.

Michael Schmidt, Fachbereich 3 Foto: (c) Linde Arndt

Michael Schmidt, Fachbereich 3 Foto: (c) Linde Arndt

Nun zur angestrebten Integration und dem Verständnis was Integration bedeutet. Wenn man die Kriegsflüchtlinge befragt wie viel Sprachunterricht sie haben, erhält man die Antwort von kein mal bis zu einem mal in der Woche.
600 Unterrichtseinheiten a 45 Minuten können bei dem Bundesamt für Migration und Kriegsflüchtlinge (BaMF) als Erstmaßnahme beantragt werden. Sicher, die Voraussetzung ist die Aufenthaltsgestattung (ß § 55 Abs. 1 AsylG) und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Staatsangehörigen. Das aber kann dauern bei 600.000 und mehr rückständigen Anträgen auf den Schreibtischen der BAMF. Aber zumindest weiß eine Kommune welche Rechte die Kriegsflüchtlinge, bei einer vorliegenden Gestattung, einfordern können. Und nur Kriegsflüchtlinge aus bestimmten Herkunftsländern besitzen die Voraussetzung einen Sprach- oder Integrationskurs zu bekommen bzw. zu beantragen. Maßgeblich ist die Bleibeperspektive die über 75% sein sollte um eine Gestattung zu erlangen.

Warum man nicht sofort mit den Sprachkursen anfängt, dass liegt an der Finanzierung. Die Kommune will nicht in Vorlage treten, wenn der Bund mit seiner BAMF evtl. nicht nachkommt.
Nur, die Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Sie (Die Sprache) schüttet die Gräben zu die zwischen dem Fremden und dem Einheimischen zuerst einmal bestehen. Soll also die Integration mit einem Sprachkurs, der einmal die Woche stattfindet, beendet sein?
Durch die Schließung der Turnhalle an der Wilhelmshöher Straße zum 30. April, werden ehrenamtliche Kräfte frei, man braucht sie nicht mehr – und tschüss. Rund 90 Menschen die darauf brennen zu helfen, die lässt man gehen?! Heißt das, die Stadtverwaltung kann jetzt alleine ihre Arbeit machen? Sind die personellen Resourcen der Stadtverwaltung ausreichend um den Kriegsflüchtlingen die ersten Schritte in die deutsche Gesellschaft zu erleichtern? Offensichtlich nicht; denn noch immer laufen die Kriegsflüchtlinge orientierungslos durch die Straßen in Ennepetal. In Gesprächen kann man den Integrationsstatus erfahre. Arbeitskultur, Sportkultur, Kunst, Gesprächskultur usw. usf. Konzepte wie man dem zukünftigen Problem beikommen will, nicht vorhanden. Selbst der persönliche Bildungsstatus der Kriegsflüchtlinge ist uninteressant, der ja immerhin für eine schnelle Arbeitsaufnahme maßgeblich sein kann.
Lassen wir mal einen Sprung in die Zukunft machen. Nov. ´15 Paris oder März ´16 in Brüssel blutige Anschläge in beiden Städten. Die Attentäter waren allesamt Inländer, französische und belgische Staatsbürger, in ihren Ländern geboren und aufgewachsen. Da scheint am Sozialisationsprozess etwas schief gelaufen zu sein. Sozialisationsprozess? Zu diesem Prozess gehört auch der Integrationsprozess. Und wie wichtig diese gesellschaftlichen Prozesse sind kann man an diesen Anschlägen ablesen. Bleibt die Frage, warum geht Politik und Administration nicht mutig an die von allen Beteiligten doch so notwendige erachteten Integrationsprozesse heran? Ist es nur die Finanzierung? Denn man sollte doch meinen, dass wir genug fehlerhafte Parallelwelten in Deutschland haben, wollen wir also den gleichen Fehler nochmals machen? Oder liegt es evtl. daran, dass wir uns wohlfühlen wenn wir auf andere herabsehen können? Wie dem auch sei.
Absichtserklärungen verhindern keine sozialen Schieflagen, sie begünstigen sie nur. Und wir sollten uns hüten nur einen gesellschaftlichen Status zu verwalten, der eine neue syrische Parallelwelt beinhaltet.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal