In Ennepetal wird nur noch gekreist

[jpg] Unter der Hand im Innenhof im Haus Ennepetal standen rund 180 Menschen, wobei die kleineren Menschen ihre Musikinstrumente mit gebracht hatten. Plakate mit Forderungen und Slogans waren ausgerollt und die Kinder spielten auf ihren Instrumenten. Eine Streifenwagenbesatzung war auch angerückt und stand mit dem Leiter des Ordnungsamtes zusammen. Man konnte ja nie wissen. Wenn so ein Kind mal wütend wird, fliegt schon mal eine Blockflöte etwas tiefer. Ich konnte nicht sehen ob die Polizisten Kinderhandschellen bei sich hatten.

Es ging um die Musikschule, die ja bekanntermaßen keine ausreichenden finanzielle Mittel hat um den Schulbetrieb ohne Einschränkung aufrecht zu erhalten. Die Eltern, die sich in einem Förderverein organisiert haben, wollen die Kürzungen jedoch nicht hinnehmen. Frau Thomas hatte schon einmal in einer Hauptausschusssitzung einen Bürgerantrag eingereicht, der jedoch abgeschmettert wurde.

       

Jetzt wurden allerdings über 700 Unterschriften für solch einen Antrag der Ausschussvorsitzenden Frau Dautzenberg (CDU) überreicht. Etwas gequält und verlegen lächelnd nahm Frau Dautzenberg das Paket mit den Unterschriften in Empfang. Im Hintergrund stand Wilhelm Wiggenhagen steif mit versteinerter Miene im Eingang. Die dazu gehörenden Forderungen mussten sich alle über ein mitgebrachtes Megaphon anhören. Ein älterer Milsper konnte sich nicht erinnern jemals solch einen Auftritt gesehen und gehört zu haben. Einige der Ratsmitglieder versuchten auch die Demo gequält weg zulächeln. Es war genau 17:10Uhr und ab ging es in den Raum 1 des Hauses. Etwas Stühle rücken und der Ausschuss konnte seine Arbeit aufnehmen. Arbeit? Von den anwesenden 15 Ratsmitgliedern konnte ich allerdings nur einen ausmachen der ernsthaft arbeitete – Stefan Mayer-Stoye von den Bündnisgrünen. Alle anderen beschworen etwas was es nicht gab aber auch nicht geben kann in Ennepetal – Gemeinsamkeiten. Diese Gemeinsamkeiten waren und sind über die Jahre aufgebraucht worden.  Aber lassen Sie uns  einen kleinen Exkurs  in Staatskunde machen.

Es macht nämlich Sinn; denn ab Freitag dem 8. Juli dieses Jahres arbeiten alle Bürger wieder für sich. Bis dahin haben alle Bürger für den Staat gearbeitet, auch für die 14 Millionen Truppe und den gesamten Rat der Stadt Ennepetal. Was bekommen wir aber alle dafür? Unter anderem bekommen wir, neben einer Bundeswehr die uns bei Bedarf verteidigen soll, ein komplettes Bildungssystem. Dieses Bildungssystem beinhaltet Schulen, Universitäten, Lehrer, Professoren, Bücher, Mobiliar und, und, und. Kostenlos, versteht sich. Gut, nicht?

Die Lehrer werden bezahlt und zwar so, damit sie motiviert den SchülerInnen etwas beibringen. Und was noch wichtig ist, diese SchülerInnen sollen sicher sein, dass ihre LehrerInnen ihnen über Jahre als Bezugsperson erhalten bleibt. Diesen SchülerInnen soll nicht nur Wissen beigebracht werden  um  der Wirtschaft eine gute Arbeitskraft zu sein. Nein, diese SchülerInnen sollen wertvolle Mitglieder der Gesellschaft werden, eben gute Staatsbürger.  Was das ist? Dafür haben wir Professoren genommen die uns Rat gaben, gute Professoren, [wie z.B. einen Professor Hartmut von Hentig] die den Lehrern und Politiker sagen wie man aus SchülerInnen gute StaatsbürgerInnen macht.

Und zu dieser Ausbildung gehört auch eine musische Ausbildung. Ach, und Herr Frey von der FDP schimpfte ja so schön über die Kosten, die von Steuergeldern beglichen werden müssten. Richtig Herr Frey von der FDP, dafür arbeiten die Eltern dieser Kinder ein halbes Jahr für den Staat, indem sie Umsatz-, Einkommen-, Kirchen-, Mineralöl-, Kfz-, Salz-, Sekt-, Versicherungs-, Alkohol- oder auch Vergnügungssteuer entrichten.
Und jetzt werden die Forderungen der Eltern der Musikschule einfach umgedreht, so dass eine Forderung des Rates und der Stadtverwaltung daraus wird, die Verantwortung und die Finanzierung für die Schule selbst in die Hand zu nehmen. Zwar ist die Forderung nicht offen ausgesprochen worden, aber man konnte sie schon heraus hören. Wie soll das gehen? Nun erst einmal soll die Öffentlichkeit ausgebootet werden. Es wird ein Arbeitskreis gebildet, bei  dem die Presse nicht mehr dabei ist. Wer zu diesem Arbeitskreis gehören soll, soll noch besprochen werden. Was dort besprochen werden soll, wurde schon andeutungsweise erörtert. Da sollen die Lehrkräfte umsonst arbeiten, man nennt das Neudeutsch Ehrenamt in Ennepetal. Und weiter, Hobbymusiker sollen als Lehrkräfte ehrenamtlich einspringen. Da kommt mal eben schnell Anita Schöneberg mit der E-Gitarre vorbei? Umsonst, versteht sich. Es war eine Liste des Grauens, eine Armutserklärung gegenüber den anwesenden Eltern und Steuerzahlern. Wie ist es dazu gekommen?

Die Stadt Ennepetal mit Rat und Stadtverwaltung haben sich verkalkuliert. Sie haben sich für das Jeki (Jedem Kind ein Instrument) Projekt gemeldet. Dieses versprach 50% Zuschüsse bei den erworbenen Instrumenten. Und es waren viele Instrumente. Und das Jeki Programm fordert:

  • Die Kinder sollen Unterricht in dem erworbenen Musikinstrument bekommen.
  • Die bestehende Musikschule darf aber nicht zurück stehen.
  • Und fünf Jahre sollte der Unterricht stattfinden.

Wenn das nicht eingehalten werden kann, muss das Geld zurück gezahlt werden.

Nun müssen wir ja schon rund 500.000,- Euro für das Zocken (Swap Geschäfte) zurück zahlen, rund 300.000,– Euro Beraterhonorare zahlen oder rund 1.000.000,– Euro für eine Tribünenüberdachung des TuS bezahlen. Da schmerzt es schon wenn man für die „blöden“  Blagen auch noch Geld zurück zahlen muss, zumal das ja nicht die eigenen Blagen sind. Darüber hinaus hat man Gebühren genommen und als der Unterricht nicht stattfand, hat  die 14 Millionen Truppe nur auf Mahnung die Gebühren zurück gezahlt. Dann hat man  Lehrkräfte der Musikschule in den Jeki Projekt Bereich überführt. Und die Musikschule? Man kann eben nicht alles machen – was soll es. Man lässt die Schule eben alleine und hofft das Problem würde sich alleine lösen. Aber die Probleme blieben. Unverstand hat nun einen Namen – Ennepetal.

Die wildesten Lösungsansätze wurden erörtert – schiere Hilflosigkeit von Rat und Stadtverwaltung.
Die Cellistenstelle solle für ein Jahr gesponsert werden, evtl.(?) gibt es einen Sponsor. (Und danach?) Die Leitung der Musikschule ab 2014 soll aus den eigenen Lehrkräften hervorgehen. Aha, und was wird mit der Kraft und deren SchülerInnen? Es fällt doch damit wieder eine Lehrkraft aus! Und was ist mit der Lehrkraft für Geige? Und was ist mit der Weiterentwicklung einer Musikschule zu einem ernstzunehmenden Institut im Kreise?

Eine Schule sollte den SchülerInnen eine höchstmögliche Sicherheit bieten, Sicherheit in dem Sinn, indem sie den Unterricht erbringt die sie anbietet. Einmal gibt es und einmal gibt es den Unterricht nicht, dies sollte auf jeden Fall unterlassen werden. Aber  dies steuert die 14 Millionen Truppe und der Rat gerade an. Auch will diese hilflose Truppe möglichst ganz und gar die Verantwortung auf die Eltern und SchülerInnen wegschieben und sich damit aus dem Staub machen. Wird dann morgen der Sprach- oder Matheunterricht eingestellt? Ok, wir haben kein Geld mehr. Aber ist das wirklich so? Nein!

1. Wir könnten die Hebesätze von derzeit extrem niedrigen 403% anheben um aus dem Gröbsten heraus zu kommen.
2. Wir könnten die Haushaltssicherung nochmals überarbeiten um die Prioritäten neu zu setzen.
3. Wir könnten den Kreis wegen einer Duldung angehen, denn die Jeki Verpflichtung wurde vor der Haushaltssicherung eingegangen.

Das Haushaltsrecht ist auch bei einer Haushaltssicherung ein bewegliches Recht, wenn man will. Aber will die Stadt im Zusammenhang mit der Musikschule denn überhaupt. Waren das im Kulturausschuss nicht nur Lippenbekenntnisse für die Musikschule? Dann war der Sarg auf dem Innenhof eben doch eine zukünftige Realität.

Was mich bestürzte als Anita Schöneberg (SPD) mit Walter Faupel (CDU) eine große Koalition für unbezahlte Arbeitsstellen bildeten. Gerhard Schröder, der Altbundeskanzler, hatte den Menschen zumindest 1,– Euro belassen. Und in Ennepetal?   [

  Da geht es ohne den Euro. Frau Schöneberg, Herr Faupel, wann führen wir denn wieder die Leibeigenschaft ein? Um es einmal klar zu sagen, auch eine Musikpädagogin ist eine Arbeitnehmerin die ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellt und zwar gegen Entgelt.

Und wenn diese Musikpädagogin nach einem 8 stündigen Arbeitstag die Füße hoch legen möchte, so ist  das ihr gutes Recht. Alles andere was im Kulturausschuss in diesem Zusammenhang vorgeschlagen wurde, nennt man neudeutsch „Sozialdarwinismus“.

  Der einzige der vernünftig auf diese Vorschläge reagierte war der Grüne Stefan Mayer-Stoye.
Er stellte zumindest die Frage, wie das Ganze funktionieren sollte.
Soll die LehrerIn ab 16:00 Uhr die entgeltliche Beschäftigung aufgeben und dann unentgeltlich weiterarbeiten?

Herr Frey von der FDP wurde gar lauter und rief zu Frau Thomas, er habe einen FDP Kollegen in Schwelm der ihm gesagt hatte, dass Schwelm nur einen Zuschuss von rund 200.000,– Euro benötige, statt der rund 500.000,– Euro in Ennepetal.

   Wie Schwelm das macht, dass wusste Herr Frey (FDP) jedoch nicht zu sagen. Wahrscheinlich war der Wein ausgegangen und das Gespräch somit erledigt. Was hat ihn denn gehindert mit dem FDP Kollegen tiefer in die Materie einzusteigen?    

Was hat ihn denn gehindert mit der Leiterin der Schwelmer Musikschule Frau Weidner zu sprechen? Das sind alles Menschen die sich offen einem Dialog stellen. Was man von den Ratsmitglieder nicht sagen kann. Aber darum ging es ihm und den anderen ja auch nicht. Es ging schlicht und ergreifend nur darum, keine Verantwortung zu zeigen oder zu tragen . So sind sie unsere Politiker und Verwalter. Auf der einen Seite wollen sie für alles stehen und wenn es nicht klappt, ist eben der Bürger selber schuld.

Und wie soll es jetzt weiter gehen? Wilhelm Wiggenhagen und die 14 Millionen Truppe samt Rat wollen am liebsten dem Förderverein alles aufbürden. Ja, selbst das Personal sollen die selber einstellen. Das ist verdammt noch mal Verantwortungslosigkeit hoch drei.

Oder war diese Hilflosigkeit deshalb so stark sichtbar, weil die Ratsmitglieder und die Verwaltung aus ihrem Wolkenkuckucksheim gerissen wurden? Ich glaube ja.

Frau Höppke, Frau Thomas und rund 180 weitere Kinder und Eltern haben die Stadt eben mal kurz von ihrer rosaroten Wolke geholt und ihnen klar gemacht was Verantwortung für unsere Kinder und deren Lehrpersonal ist.

Vielleicht macht ja Frau Schöneberg (SPD) mit dem Shanty Chor zukünftig umsonst den Musikunterricht und Herr Faupel (CDU) unterstützt sie fleißig. Umsonst versteht sich.
Möge das uns allen erspart bleiben.

Nicht nur wir haben das Geschehen beobachtet, vielmehr hat die  Landesvereinigung  der Elternvertreter und Fördervereine der Musikschulen in NRW e.V. auch einen Kommentar geschrieben. Hier der Kommentar im PDF Format.

Und hier ein Video-Schnipsel  über die Demo.
[flv:/wp-content/video/MSDemo.flv 380 300]

Womit einmal mehr Ennepetal seinen sehr eigenartigen Reiz bewiesen hat.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

 

Alle Fotos und das Video © Linde Arndt