Solidarität in der EU sieht anders aus

pressesaal[jpg] Brüssel hat sich entschieden. Der Konfrontationskurs wird weiter gefahren. So hat heute morgen am 21. März die EU in Brüssel den politischen Teil des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine unterzeichnet.

Arseniy Yatseniuk Foto: Linde Arndt

Arseniy Yatseniuk
Foto: Linde Arndt

Ministerpräsident der Ukraine Arsenij Jazenjuk hat sich darin verpflichtet die politischen Werte der EU in der Ukraine einzuhalten. Absichtserklärung?

Aus dem wirtschaftlichen Bereich des Abkommens wurden einige Handelserleichterungen für die Ukraine in Kraft gesetzt, was der Ukraine einen finanziellen Vorteil von rund 500 Millionen durch den Wegfall von Zollschranken verspricht. Weiter wurden der Ukraine 11 Milliarden Euro von der EU als Hilfe (unabhängig von den Hilfen der USA ) zugesichert. Damit kann die Ukraine die kurzfristigen Verpflichtungen bedienen. Mittel- und langfristig benötigt die Ukraine jedoch einen Betrag um 300 Milliarden.

 

Abreise Ministerpräsident Jazenjuk Foto: Linde Arndt

Abreise Ministerpräsident Jazenjuk Foto: Linde Arndt

Nachdem alles unterzeichnet war reiste „Ministerpräsident“ Jazenjuk wieder ab. Kein Wort über die politische Legitimation der Regierung Jazenjuk.

Die Regierungschefs der EU mussten noch die Bannliste mit den Personen fertig machen, deren Konten eingefroren werden sollten und darüber hinaus im Westen als unerwünscht erklärt werden sollen. Es sind alles Russen und ukrainische Russen die dem Umfeld der derzeitigen Regierung von Wladimir Putin zugeschrieben werden. Diese Aktionen gehören noch zur Stufe 2 der EU. Von der russischen Seite hört man, dass die Russen die auf der Liste stehen, sich als geadelt sehen. Teilweise ist es lächerlich bis peinlich wenn zu erfahren ist, dass Personen auf der Liste stehen die überhaupt keine Konten im Westen haben oder auf diesen Konten keine Guthaben nachgewiesen werden können.

Gestern hat die EU Führung einhellig mit der dritten Stufe gedroht. Hier sollen Wirtschaftssanktionen in Kraft gesetzt werden. Die Kommission hat vom Rat den Auftrag, diese Wirtschaftssanktionen schon vorzubereiten und auszuarbeiten. Unter der Hand könnte da eine Summe von 400 Milliarden Umsatz der EU mit Russland zusammen kommen. Abgesehen von dem entgangenen Gewinn stehen hier einige hunderttausend Arbeitsplätze auf dem Spiel. Hier scheint die Solidarität jedoch an Grenzen zu stoßen. Die Engländer möchten ihren Londoner Finanzplatz damit nicht belasten. Immerhin setzen die Russen in London zig Milliarden an der Londoner Börse um. Bei den Franzosen stehen 2 Mistral Hubschrauberträger, die in der bretonischen Werft von Saint-Nazaire für über 1 Milliarde Euro vor der Fertigstellung liegen, vor der Stornierung durch die Franzosen. Dieses Muskelspiel von Hollande werden sich die französischen Arbeiter jedoch nicht gefallen lassen.

Interessant waren denn auch die Nebensätze in den Pressekonferenzen, nachdem offensichtlich die Krim schon verloren gegeben wird. Denn Stufe 3 wird nur in Gang gesetzt wenn die Russen sich an dem Osten der Ukraine zu schaffen machen werden. so haben prorussische Demonstranten in Donezk schon mal den Aufstand geprobt. Die Oblast Donezk, mit der Stadt Donezk als Mittelpunkt, ist eine der wirtschaftlich bedeutendsten Regionen der Ukraine, steht allerdings im Einfluss von Oligarchen. Hier ist es fraglich auf welche Seite die Oligarchen sich schlagen werden. Dem Vernehmen nach werden sich die mächtigsten Oligarchen Rinat Achmetow, Ihor Kolomojskyj, Serhij Taruta auf die Seite der Kiewer „Regierung“ schlagen. Denn wenn die Russen kommen würden müssten sie sich um ihre Pfründe Sorgen machen. Der Kiewer „Regierung“ soll das nur Recht sein; fordern sie doch die Oligrachen auf die Macht in den Bezirken zu übernehmen. Fakt ist jedoch, die dortigen russischen Ethnien streben gleichsam ein Referendum an. Sehen sie doch der Kiewer „Regierung“ misstrauisch entgegen und befürchten zumindest ihre Ausgrenzung.

Vertragsunterzeichnung

Vertragsunterzeichnung v.l.Mr David CAMERON, UK Prime Minister; Mr Arseniy YATSENIUK, Prime Minister of Ukraine; Mr Herman VAN ROMPUY, President of the European Council; Mr José Manuel BARROSO, President of the European Commission Foto: Der Europäische Rat, Brüssel

Kommen wir wieder zu der obigen Vertragsunterzeichnung. Da die EU das Völkerrecht immer wieder reklamiert, fragt man sich schon, wieso die EU mit einer „Putschregierung“ einen völkerrechtsfähigen Vertrag abgeschlossen hat? Zumal bei den Wahlen am 25. Mai eine legalisierte Regierung in der Ukraine als Vertragspartner zur Verfügung gestanden hätte. Die Eile war notwendig geworden, weil Zahlungen oder Umschuldungen kurzfristig fällig gestellt waren. Aus Regierungskreisen wurden die westlichen Banken genannt, die Abschreibungen in ungenannter Höhe bei Nichtzahlung hätten vornehmen müssen, was in den Bilanzen der Banken zu dementsprechenden Verlusten geführt hätte.

Letztendlich führte dieses Verhalten der USA und der EU zu Sanktionen, die diese Bezeichnung nicht verdienen, wobei die Verluste der USA nur als gering zu bezeichnen wären, da keine wesentlichen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu Russland geführt wurden. Allerdings hätten die USA einen gewaltigen Vorteil wenn sie auf Grund eines Gasembargos durch Russland ihr Flüssiggas an die Europäer verkaufen könnten. Die Energiekosten würden in Europa nochmals steigen und der Wiedereinstieg in die Kohle- und Atomkraftwerke würde durch die Bevölkerung toleriert. Das führt jetzt zu weit? Lassen wir das also.

Bleiben wir bei der Solidarität des Westens, die ihre Grenzen dort hat wo die wirtschaftlichen Nachteile einer Sanktion keinen nennenswerten Effekt gegenüber dem Sanktionsgegner hat. Wir sollten uns erinnern, dass Russland zu Zeiten der Sowjetunion dem westlichen Währungs- und Finanzsystem nicht angeschlossen war. Trotzdem wurden Waren und Dienstleistungen damals ausgetauscht.

Jetzt rächt sich die arrogante Haltung des Westens, die nie eine Russlandpolitik definiert hatte. Russland wurde zur G7 eingeladen indem man eine G7+ benannte, wobei Russland das Plus darstellen sollte. Gleichberechtigung kennt der Westen nicht. Die USA sind unser „Führer“ so versteht sich der Westen. Im Grunde genommen hat die europäische Union alles falsch gemacht was man im Zusammenhang mit Russland falsch machen konnte. Es ist schon nachvollziehbar, wenn Putin heute von einer Demütigung des Westen nach dem Zerfall der Sowjetunion spricht.

Als Russland in die EU wollte, mochte die EU Russland deshalb nicht, weil Russland auch zum asiatischen Kontinent gehört. Gespräche zwischen der EU und Russland, in der Qualität wie man mit den USA sprach, fanden niemals statt. Stattdessen wurde das nationale Ego der Russen immer wieder gekränkt. Polen, Rumänien, die baltischen Staaten, der Balkan – alles Staaten, die im Einflussbereich der ehemaligen Sowjetunion lagen. Diese Staaten wurden wie selbstverständlich von der EU und teilweise von der Nato einverleibt. Eine Kränkung, zumal Absichtserklärungen des Westens und auch Vertragsbestandteile dies normalerweise nicht zugelassen hätten. Der Westen ging aber einfach darüber hinweg. Wieso hatte man nach dem Zerfall der Sowjetunion keine gemeinsame Sicherheits- und Konsultationsstrategie erarbeitet? Wohl deshalb nicht, weil man die Russen nicht ernst nahm. Die Frage ist aber auch: Wieso konnte man ein so rohstoffreiches Land wie Russland einfach so vernachlässigen? Mit einer freundschaftlichen Bindung zu Russland wäre ein Konflikt niemals möglich geworden.

v.l.Angela Merkel wird von Udo van Kampen vom ZDF in der Pressekonferenz befragt.  Fotos: Linde Arndt

v.l.Angela Merkel wird von Udo van Kampen vom ZDF in der Pressekonferenz befragt. Fotos: Linde Arndt

Ein anderer Aspekt zur Krim Krise wirft seine Schatten über Brüssel. Dieser Schatten macht der EU Angst. Es ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker, welches mit einem Referendum aus einem Staat zwei Staaten machen kann. Kann man einem Landesteil das Selbstbestimmungsrecht verweigern? Der Westen hatte mit dem Kosovo die Büchse der Pandora geöffnet.

Schottland steht vor der Volksabstimmung gegenüber Großbritannien. Dies führt zu einem neuen Staat auf der Welt, der aber, man höre, nicht automatisch Mitglied in der EU ist. Oder doch? Venetien probt schon mal online den Aufstand um sich von Italien los zu sagen, Katalonien und die Basken wollen nicht mehr zu Spanien gehören. Flandern und die Wallonen wollen nicht zu Belgien gehören und Korsika will mit Frankreich nichts mehr zu tun haben. Auch deshalb reagiert Brüssel so hysterisch auf die Unabhängigkeitsbewegung der Krim. Diese Art von Selbstbestimmungsrecht der Völker (Wilsonsches System ) ist in den meisten Verfassungen gar nicht vorgesehen und bringt den Zentralstaat in die Bredouille. So hat Brüssel zwar ein Committee of the Regions (COR) in der die Regionen ein Mitwirkungsrecht haben, aber eben nur eine Mitwirkung.

Der Vielvölkerstaat Russland mit seinen ehemaligen Satelliten hat genau die gleichen Probleme, man denke da an Tschetschenien, kann die Probleme aber besser systembedingt dominieren. Und die USA? Texas will sich von den USA lossagen, aber es wird nicht bei Texas bleiben.

Das Problem sind die großen Staatseinheiten in der der Einzelne sich in seiner kulturellen und wirtschaftlichen Selbstbestimmung nicht wieder findet. Der Riese Europa definiert sich zwar „In Vielfalt geeint“, nur, die einzelnen lokalen Landesteile sehen Brüssel als weit entfernte Zentrale, die sie fremdbestimmt. Brüssel sollte das Referendum der Krim als Weckruf sehen, Weckruf deshalb, weil den Europäern in Brüssel die Landesteile der Staaten weglaufen könnten.

Und die europäische Solidarität? Sie existiert nur in den Köpfen der Ratsmitglieder die nicht mitbekommen haben wie sich Europa verändert hat. Mit oder ohne Putin, die Welt dreht sich eben weiter.

Am Mittwoch, dem 26. März wird der US-Amerikanische Präsident Barak Obama in Brüssel zu Beratungen erwartet. Ungewöhnlich, man darf jedoch auf die Ergebnisse dieser Beratungen gespannt sein. Nach 14:00 Uhr wird es eine gemeinsame Pressekonferenz geben. Wir sind sehr gespannt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel