Alle reden von Heimat, die Ruhrfestspiele auch

Dr. Frank Hoffmann (Intendant der Ruhrfestspiele) Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Heimat, ein Begriff der emotional Menschen in ein wohliges Gefühl versetzt, beim Anblick ihrer wohlvertrauten Gegend entwickelt sich ein gutes Gefühl. Hier bin ich geboren, hier bin ich aufgewachsen oder hier habe ich meine erste Liebe erlebt.
Heimat, kein anderer Begriff wird so verlogen benutzt um Menschen zu manipulieren.
Es werden Kriege geführt, Menschen vertrieben oder Menschen, fremd angesiedelt.
Heimat wird genutzt aber auch benutzt, sie wird besudelt, sie ist überfremdet und sie ist Kitsch und bleibt manchem immer fremd. Und, millionenfach ist der Mensch von heute auf morgen ohne Heimat und findet sich, wenn es gut geht, in einem Container wieder.
Die diesjährigen Ruhrfestspiele haben sich des Begriffs Heimat angenommen, und wie es für den scheidenden Intendanten Frank Hoffmann üblich ist, hat er die Festspielwochen ganz in diesen Begriff gestellt.

Anfangen werden die diesjährigen Ruhrfestspiele am 1. Mai mit dem Kulturvolksfest. Dieses Jahr steht dieses Fest im Zeichen des Kohlebergbaus, der durch die Schließung der letzten Zeche Prosper-Haniel in Bottrop für immer Geschichte ist.
Der Steinkohlebergbau ist damit ein Fall für das Museum geworden. Dieses mal wird der DGB zu diesem Kulturvolksfest einen Demonstrationszug des Dankes, für alle die Bergleute organisieren, die Losung: „Der Berbau geht, der Kumpel bleibt“. Denn dieser Kumpel war es der der Kultur, besonders in Hamburg, zur Seite stand. Kohle gegen Kultur.

Am 3. Mai wird es die Eröffnungspremiere mit Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt geben. Eine Koproduktion mit dem Burgtheater Wien unter der Regie von Dr. Frank Hoffmann mit Maria Happel und Burghart Klaußner in den Hauptrollen.

Es zeigt ein Stück über Menschen die für Geld und ihren eigenen Vorteil alles tun würden, selbst einen Mord. Die alte Dame, Milliardärin, besucht ihre ehemalige Heimat. Diese Heimat hat sie, als sie in Not war, vertrieben. Jetzt findet sie nur noch eine heruntergekommene Kleinstadt vor. Denn sie hat im Vorfeld mit ihrem Geld dafür gesorgt, dass die Stadt „Pleite“ wurde. Sie will Rache für das begangene damalige Leid, denn ihr damaliger Geliebter Alfred III, von dem sie ein Kind bekam, hat sie als Prostituierte aus dem Dorf gejagt.
Klar stellt sie die Bewohner vor die Wahl, einen Scheck über eine Milliarde für den Tod Alfred III. Der die Rettung für das Dorf bedeutet. Die Bewohner sind fassungslos und ignorieren dieses Ansinnen, gehen davon aus, letztendlich die Milliarden trotz allem zu bekommen.
Es klappt nicht, die alte Dame beharrt auf ihrer Forderung. Die Dorfbewohner scharen sich um Alfred III, enger und immer enger. Als der Kreis sich öffnet, liegt Alfred III tot am Boden. Der Amtsarzt und Bürgermeister stellt denn auch „Herzschlag“ und „Tod aus Freude“ fest. Die alte Dame gibt den Milliardenscheck, packt den Leichnam in einen Sarg und fährt ab nach Capri.

Fritz Eckenga Foto: © Ralf Rottmann

Ein Urgestein des Ruhrgebietes, FRITZ ECKENGA, mit seinem Programm: „NEHMEN SIE DAS BITTE PERSÖNLICH“, zeigt die ganze künstlerische Bandbreite des Festivals. Eckenga kommt eben komisch rüber, nicht komisch im klassischen Sinne, sondern wie es im Ruhrgebiet üblich, direkt und unverkrampft, bei dem der Witz schon mal im Halse stecken bleibt.

Dann ist da, ein westfälisch-türkischer Heimatabend mit den „Bullemännern Senat Duzcu und Murat Kayi“.
Beide versuchen verzweifelt zu klären wo den nun Heimat ist und stellen viele Orte fest, die Heimat sein könnten. Die Verzweiflung klärt sich auf; denn im Alten-und Pflegeheim , so meinen sie, wird sich auch die Heimat einfinden.

Wenn man über Heimat spricht, so darf der berühmteste und älteste Heimkehrer nicht fehlen – Odysseus. Er der 10 Jahre herumirrte und sich nach der Heimat sehnte, den unterschiedlichsten Prüfungen ausgesetzt und doch nie nachließ seine Heimat zu erreichen.
Der griechische Dichter Homer schuf mit seinem Epos Odyssee den Beginn der europäischen Kulturgeschichte.
Christian Brückner wird uns mit seinem warmen unverwechselbaren Timbre das Odyssee Epos in einer Lesung erfahrbar machen.

„Mein Vaterland“ eine sinfonische Dichtung von Bedrich Smetana. Der wohl bekannteste Teil dieser sinfonischen Dichtung ist die Moldau. Smetana komponierte damit eindrucksvoll quasi seine tschechische Heimat mit seiner Geschichte, Landschaft und Natur.
Die Neue Philharmonie Westfalen unter Generalmusikdirektor Rasmus Baumann wird damit den Beweis erbringen wie sich Heimat anhört.

Dr. Frank Hoffmann Foto: (c) Linde Arndt

Ja, und dann verliert am 17. Juni um 20:00 Uhr Dr. Frank Hoffmann, der Intendant der 14 Jahre die Ruhrfestspiele geprägt hat, seine Heimat oder einen Teil seiner Heimat. Ist Heimat eigentlich teilbar? Wie dem auch sei, es wird ein Abend der Rückbesinnung sein, mit Frank Hoffmann, Kollegen, Künstlern, Mitarbeitern, eben alle die ihn die Jahre begleiteten aber auch mit dem Publikum das ihm gerne folgte. Vielleicht wird es ein Abend mit sehr viel Taschentüchereinsatz werden, denn die Ankündigung: „In jedem Abschied wohnt ein Zauber inne“ verrät einen emotionalen Abschied.

„DIE PRÄSIDENTIN“,nach dem gleichnamigen Comicbuch von Francois Durpaire und Farid Boudjellal
Ich möchte diese Premiere der Uraufführung besonders herausstellen, weil die außergewöhnliche Schauspielerin Corinna Harfouch die Hauptrolle spielt.
Inhaltlich geht es um die (beinahe) französische Präsidentin Marine Le Pen die mit ihrer Partei Front National (FN) eine schreckliche Utopie uns monatelang vor Augen hielt.
Es ist ein Spiel um Macht, Abhängigkeiten und Unterwerfungen die nur für die Erlangung des höchsten nationalen Amtes gespielt wird. Die Widerwärtigkeiten, die inneren Kämpfe oder der Verlust einer menschlichen Facon verlangt eine Schauspielerin mit einer großen Bandbreite. Die persönliche Hölle leben und doch das menschliche erahnen. Corinna Harfouch ist hier die erste Wahl.

„LENZ“, von Georg Büchner Regie mit dem Théâtre National du Luxembourg, Regie Frank Feitler, Hauptrolle: Luc Feit.

Lenz ein heimatloser Wanderer zwischen der Realität und dem Wahnsinn, sucht seine eine Welt die ihm Halt gibt. Er findet sie in einer Vaterfigur, die ihn aber nach einiger Zeit abweist und an seinen eigenen Vater verweist. Diese Abweisung stürzt ihn in die Isolation, die anfängliche Schizophrenie führt ihn nun in ein sinnentleertes Leben – er resigniert.
Eindruckvoll spielt Luc Feit den Lenz, der sucht und der letztendlich im Nichts endet.

„UNENDLICHER SPASS“ Nach dem Roman von David Foster Wallace.

„Unendlicher Spass“, v.l.n.r: Jasna Fritzi Bauer, Ursina Lardi, Heiko Pinkowski, Sebastian Blomberg, Devid Striesow, Andr Foto: ©David Baltzer/ Agentur Zenit

Regie:Thorsten Lensing Es spielen: Jasna Fritzi Bauer, Sebastian Blomberg, André Jung,
Ursina Lardi,Heiko Pinkowski und Devid Striesow

Es sind tragische und komische Figuren, keine Witzfiguren, es sind Menschen die durch das Leben gehen springen ohne zu wissen. Voller Angst nichts in dieser Welt zu sein.
Es wird ein Fest der puren Komik, wie die drei Brüder das Publikum zum lachen bringen. Wenn Devid Striesow, als Football-Star Orin über postkoitale Verzweiflung redet oder Sebastian Bomberg glänzt als Konversationstherapeut und als Vogel, der nach einer Herzattacke im Whirlpool landet. Die Schauspieler können aufdrehen und manchmal meint man, sie verlieren sich in den Rollen; denn eines soll nicht rüber kommen, alle wollen kein Opfer sein, sie wollen nur dabei sein – berührend das Ganze.

Wie immer habe ich mir aus diesem Füllhorn der Aufführungen Stücke heraus gesucht die ich gerne sehen würde. Aber, wie gesagt es ist ein Füllhorn und ich müsste eine gespaltene Persönlichkeit sein, der Tag müsste mehr als 24 Stunden haben, um die Vielfältigkeit dieses Ruhrfestivals um alles zu sehen oder zu hören.
Deshalb zwei Links zum stöbern um letztendlich die Entscheidung zu treffen die etwas erbauliches, unterhaltendes oder auch komisches bereithält.

1. Die Veranstaltungen:

https://www.ruhrfestspiele.de/de/veranstaltungen/veranstaltungen.php

2. Der Festpielkalender

https://www.ruhrfestspiele.de/de/festspielkalender/festspielkalender.php?r=1

Dr. Frank Hofmann (li) und Maria Allnach, RWE (re) erläutern das Fringe-Programm 2018 Foto: (c) Linde Arndt

Aber halt, wir haben ja noch das seit 2005 bestehende Fringe Festival, welches vom
22. Mai 2018 bis 16. Juni 2018 außergewöhnliche Unterhaltung bietet.

„Einer tanzt aus der Reihe“ mit Killer und Killer

Eine Puppe erwacht zum Leben und geht auf Entdeckungsreise. Ihr Körper, die Beweglichkeit, ein Nießen führt sie in die Welt der Sprache. Mit einem Körper und der Sprache können die interessantesten Dinge entstehen, die einen zum staunen bringen.
Doch vorsichtig, es ist noch etwas dahinter hinter der tanzenden und sprechenden Person.

„LA GIGANTEA COMPAGNIE LES TROIS CLÉS“

Chile, Brasilien, Frankreich, Rumänien Figurentheater

Der Held Makou, ein Kind der Wüste, wird entführt und soll zum Kindersoldaten ausgebildet werden, er flieht. Auf der Flucht träumt er von dem Baum Gigantea, dessen Wurzeln blaues Gold spenden: Wasser.
Es ist großes Figurentheater das sich um die beiden Themen Wasser und Kindersoldaten dreht. Die Themen erinnern sofort an Themen die sehr bedrückend daherkommen müssten, trotz allem verstehen es die Spieler mit einfachsten Mitteln der Bühne und der Musik eine doch rührende Geschichte zu erzählen.

Auch hier der Link zu dem Programm:

http://www.fringefestival.de/de/download/fringe_2017_web.pdf

„Es sind vier Wochen mit Tanz, Theater, Musik und Performance, mal poetisch, mal berührend, mal hochkomisch und mal atemberaubend. Wir haben auch 2018 unsere Highlights des Off-Theaters nach Recklinghausen eingeladen, um Ihnen vier Wochen unvergessliche Stunden zu bieten“, so Dr. Hoffmann bei der Vorstellung des Programms.

Daten und Informationen:

Das Festival

85 Produktionen im IN Festival
182 Veranstaltungen im IN Festival

11 Spielstätten

Fringe Festival

26 Fringe Produktionen aus 14 verschiedenen Ländern
116 Veranstaltungen

8 Spielstätten

 

Vielleicht sehen wir uns ja im großen Haus oder im Fringe Zelt und kommen ins Gespräch über eine Heimat die örtlich nahe dem Herzen liegt.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Recklinghausen

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