Ehrenamt als Kostenverschiebebahnhof der Kommune

[JPG] Als ich so 7 Jahre war, ging ich in eine Jugendgruppe, den CVJM. Über Jahre ging ich Woche für Woche in die Gruppenstunde. Einmal oder zweimal im Jahr machten wir mehrwöchige oder auch nur mehrtägige Ausflüge.

Es war eine schöne Zeit. Es gab einen oder sogar mehrere Gruppenleiter,  die uns anhielten etwas Sinnvolles zu unternehmen. Keiner von uns Kindern machte sich damals Gedanken  über die Organisation. Als ich so 16 Jahre war, nahm mich mein damaliger Gruppenleiter zur Seite und meinte, ich könne doch auch eine Gruppe übernehmen, das Zeug hätte ich dazu. Nach kurzer Überlegung und einem Gespräch mit meinen Eltern sagte ich zu. In Folge bekam ich als Gruppenleiter eine Jungschargruppe zugewiesen. Die ich im ersten Jahr mehr schlecht als recht leitete. Schlecht deshalb, weil ich auf einmal mit den Dingen konfrontiert wurde, die halt ein Gruppenleiter außerhalb der Gruppenstunde machen musste. Es stellte sich danach so dar, dass ich für die 90 Minuten Wochengruppenstunde einen Aufwand von bis zu 4 Stunden in der Woche tätigen musste. Sicher ich hatte Hilfe von erfahrenen Leitern oder von der Bundeshöhe, ich hatte es mir aber in meiner Naivität einfacher vorgestellt. Kurz es blieb nicht bei den 4 Stunden in der Woche, sondern es wurden hernach 10 Stunden und mehr.

Im Gespräch mit dem Gemeindepfarrer wurde zum ersten mal was von "Ehre" erwähnt, als sich mal Frustration unter den Leitern breit machte. Denn es war irgendwie selbstverständlich, dass wir bei der Finanzierung der Gruppen auch aus unserer Tasche etwas dazu legten., auf der anderen Seite jedoch nie einen Dank bekamen.

Die Gemeinde hatte kein Geld, das Jugendamt kein Budget aber alles musste finanziert werden. Heute sehe ich das zwiespältig, ich sehe diese damalige Tätigkeit einesteils als etwas, indem ich das zurück gegeben haben, was mir durch Andere zuteil wurde. Auf der anderen Seite, sehe ich jedoch auch, dass wir Jugendleiter im Budget der Gemeinden als auch der Kommunen für eine Kostenentlastung gesorgt haben. Denn der Wert einer guten Jugendarbeit wurde uns immer wieder gebetsmühlenartig mitgeteilt, von der Gemeinde als auch von der Kommune. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, Fakt ist, es gibt inzwischen mehrerer solcher Arbeiten, wo Menschen sich unentgeltlich einsetzen. Die Bereiche sind inzwischen recht vielfältig und breit, ziehen sich also durch alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Politisch habe ich hier in Ennepetal als auch anderswo erfahren: "Wir wollen das Ehrenamt stärken", so, oder so ähnlich. Nun haben wir Kommunalwahl und dann hört sich solch ein Programmpunkt gut an. Man würde gerne einen Bonus für diese Partei geben, welche diesen Programmpunkt aufführt. Nur bei näherem Hinsehen ergibt sich ein ganz anderes Bild. Die Politik ist am Ende!!! Sie möchte sich von den Feldern des Sozialbereichs finanziell und personell verabschieden. Zumindest möchte sie Kostenblöcke in den ehrenamtlichen Bereich abschieben, hier in Ennepetal, aber auch anderswo. Nur warum redet die Politik nicht Klartext? Da geht der Bundesköhler her und kuschelt mit den Ehrenamtlichen, obwohl er genau weiß es geht um harte Fakten, Kosten in einen anderen Bereich zu überführen.

Was ist passiert? Im Laufe der Jahre haben die Kommunen immer weniger Manövriermasse, die sie in die Lage versetzen die Kommune weiter zu entwickeln. Heißt, wenn eine Kommune Strassen erneuern muss, so ist dafür kein Geld da, weil der Bereich Soziales so stark zu Buche schlägt. Der Bereich Soziales hat aber auch sogenannte freiwillige Leistungen, sprich der Gesetzgeber hat hier keinen Rechtsanspruch definiert. Die anderen großen Kostenblöcke stehen jedoch nicht zur Disposition.

Der obige Jugendgruppenleiter bekommt vielleicht einen Zuschuss für Sachaufwendungen, aber der ist freiwillig. Fällt er weg, so wäre das Geschrei groß. Und da gibt es noch andere Bereiche. Nur wie das mit der Politik so ist, mit der Ehrlichkeit und Offenheit hat man es nicht so.

So schreibt der Bürgermeisterkandidat der CDU Wilhelm Wiggenhagen auf seiner Website folgendes:

"Viele reden einfach von "Stärkung des Ehrenamtes", ohne näher darauf einzugehen, was sie mit dem sehr allgemein gehaltenen Begriff eigentlich verbinden. Ich möchte gerne von der "Würdigung des Ehrenamtes" sprechen, denn nur durch entsprechende Würdigung können wir Anreize zur Übernahme von Ehrenämtern schaffen. Wir müssen dafür sorgen, dass es wieder reizvoll ist ein Ehrenamt zu übernehmen und wir sollten auch dem bescheidensten Menschen deutlich machen, dass die Gemeinschaft für sein Handeln dankbar ist und dies anerkennt. Auch in unserer Stadt gibt es so viele Aufgaben, die in Vereinen, Verbänden und weiteren Organisationen erledigt und geleistet werden, ohne dass die Allgemeinheit – sprich die Stadt – hier eingreifen muss."

Und genau das meint er: Die Stadt hat kein Geld mehr für diverse soziale Leistungen, macht es doch selber.
Die Konsequenz? Wir brauchen einige Angestellten im Sozialbereich weniger und die Budgets können entfallen.

Nur was für eine Alternative haben wir? Nun, die Stadt Ennepetal, wie auch andere Städte haben sich eine Verwaltung geschustert, die sehr große Personalkosten erfordern. Dabei haben die Verwaltungsfachleute, in der Regel diplomiert, vergessen, dass Verwaltungskosten variabel sind. Das viele Ämter geschaffen und mit Personal ausgestattet wurden, die es aber bei Licht betrachtet nicht mehr geben muss. Da wäre ein Abteilungsleiter schon sauer, wenn er seinen Kaffee mal selber kochen müsste. Also sind in so einer Stadtverwaltung round about mehrere Personen mit Kaffee kochen beschäftigt. Ich weiß, es hört sich überspitzt an, es ist aber so, da sind Jobs in einer Verwaltung, die einem Betriebswirt die Haare zu Berge stehen lassen. Klar, dass jede Stadt seine eigene Feuerwehr und sein eigenes Schwimmbad haben muss, man ist ja wer. Soll doch die andere Kommune sich an unseren Kosten beteiligen. Oder die moderne Kommunikation, die wird nur unzureichend genutzt, weil der Verwaltungsmensch an seiner geliebten Schiefertafel festhält, die aber leider nicht kompatibel zu dem IT System der Kommune ist. Eine Schulung? Für mich doch nicht, sollen die doch die Daten für mich aufbereiten und auf meine Schiefertafel übertragen.

Und da kommen wir auf das eigentliche Problem, die Verwaltungen kommen mit der Geschwindigkeit der Entwicklungen in unserer Gesellschaft nicht mehr mit. Die Kosten zeigen ihnen im Grunde aber, es hat sich viel verändert. In unserer heutigen Zeit haben sich die Innovationszyklen, das sind die Zeiträume in dem eine Veränderung umgesetzt wird, derartig verkürzt, dass ein Mensch sich innerhalb seiner Lebensarbeitszeit mehrfach grundsätzlich ausrichten muss – Stichwort: Lebenslanges lernen.

Man sehe sich die Internetpräsenz der Stadt Ennepetal an. Geht man in die Tiefe so stellt man fest, sie entspricht ja noch nicht einmal im Ansatz der Anforderung eines modernen E Gouvernements. Hier leisten sich die drei Städte, Ennepetal, Schwelm, Gevelsberg jeweils einen eigenen Internet Hoster mit jeweiliger kostenpflichtigen Software und Hardware, das Einsparpontenzial ist hier z.Bsp. gewaltig, nur es wird nicht genutzt, geschweige denn angedacht.
Ich könnte beliebig fortsetzen Kosten aufzuzeigen, die bei näherer Betrachtung bis zu 50% gesenkt werden könnten.

Und da liegt die Crux. Eine intelligente und kreative Verwaltung nutzt die Einsparpotenziale ohne die Qualität der Leistungen auf den Bürger mit fadenscheinigen Werbeversprechungen hin zu einem Ehrenamt abzubauen. Aber wo ist der Verwaltungsmensch der seine eigene "Truppe" beschneidet und die eingefahrenen kostenintensiven Strukturen optimiert?

Den Jugendgruppenleiter wird es weiter geben, weil er eben der christlichen Ethik Rechnung trägt, aber einen Streetworker im Sonderangebot für EUR 10.000,– sollte es niemals geben, auch nicht als Ehrenamt. Diesen Jugendgruppenleiter aber auch andere Felder soll es immer geben, solange wie sich verantwortungsbewusste Menschen  um ihre Mitmenschen kümmern mögen. Nur die öffentlichen Hände sollten nicht so tun, als wenn sie das Ehrenamt achten, sie tun es nicht, sondern wollen nur die Kosten nicht mehr tragen. Nicht Kameras und Polizei kann unsere Probleme mit Jugendlichen lösen, aber auch keine ehrenamtliche Wache. Sondern ein Konzept welches diese Jugendlichen zu einem Verhalten führt, welches keine Sorgen aufkommen lässt. Und dieses Konzept kostet eben Geld, was dem sozialem Bereich einer Stadt zur Verfügung stehen sollte.Und dieses Konzept kann nur eine effiziente Verwaltung fachlich erstellen und umsetzen. Verlängert man das Ganze, so wird eines Tages die Verwaltung nur noch mit sich selber und der Wirtschaft beschäftigt sein. Ja, sogar die öffentliche Ordnung die durch unsere Polizei wahrgenommen wird, wird dann teilweise durch Ehrenamtliche kostenfrei ausgeführt.

Und wenn nicht, so sollte sich die Stadtverwaltung als auch die Politik ein eigenes Armutszeugnis ausstellen.

Jürgen Gerhardt

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  1. […] könnten je nach Kassenlage eingestellt werden. Als wir dieses zum ersten Mal thematisierten ( http://en-mosaik.de/?p=4043 ), konnten wir die Dimensionen nicht erahnen, mit denen das Ehrenamt nun angegangen […]

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